Unser Bemühen um die spanische Sprache

Wir hatten es uns leichter vorgestellt, unsere rudimentären Spanischkenntnisse in vier Wochen Intensivunterricht mit vier Stunden täglich deutlich zu verbessern. An unseren engagierten Lehrerinnen und Lehrern in der escuela bellavista hier in Santiago hat es nicht

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gelegen. Denen ist vielmehr ein großes Lob auszusprechen, denn mit unendlicher Geduld korrigierten sie, wenn sie es für erforderlich hielten, unser mündliches Spanisch. Und da lag auch schon der Hund begraben : in Theorie – na ja, aber in der Praxis eine Katastrophe, zumindest in unserer sehr kritischen Einschätzung. Mit Hilfe von Teresa hatten wir ja in der Heimat uns darum bemüht, einige Grundlagen zu legen, aber das Gelernte dann in der Wildnis da draußen auch anzuwenden, ist eine andere Geschichte. So manchen Tag hingen wir so richtig durch, denn der ausschließlich auf Spanisch stattfindende Unterricht von 10:00 – 13:30 Uhr war teilweise ganz schön anstrengend; hinzu kam, daß in den ersten zwei Wochen auf Grund der anstehenden drei Feiertage auch nachmittags fast drei Stunden fleißig gelernt wurde. Und wir wollten ja in der unterrichtsfreien Zeit nicht nur lernen, sondern auch etwas von der Stadt sehen und uns um die Vorbereitung der Weiterreise kümmern. So mancher Tag blieb dabei das Lernen von Vokabeln und Strukturen auf der Strecke. Dennoch, wir haben uns verbessert, zwar nicht unbedingt unseren Wortschatz rasant vergrößert, aber unser Gehör besser auf die Sprache eingestellt, sind in der Lage, nicht allzu komplexe Texte auch weitgehend zu verstehen, trauen uns verstärkt, Katrin deutlich stärker als Thomas, das Erlernte in freier Wildbahn anzuwenden und, oh Wunder, man versteht uns zunehmend und wir schauen auch nicht mehr so oft den Gesprächspartner ungläubig an. Insofern haben die vier Wochen an der escuela bellavista uns nicht nur Spaß gemacht, sondern wir haben auch einen Wissenszuwachs davon getragen. Schaut man sich die Teilnehmer der Sprachkurse an, die aus sehr unterschiedlichen Ländern kommen mit einer Bandbreite von Canada bis Australien über Weißrussland, Taiwan und Türkei, so dominiert mehr als deutlich die Altersgruppe von 18 bis Mitte 20. Fast waren wir versucht, um einen Rentnerrabatt nachzufragen. Andererseits kamen wir uns gar nicht so alt vor im Kreis der Jungspunde, oft wurde mit Erstaunen registriert, daß wir in unserem(!) Alter uns auf die Schulbank setzen.

Von einer Wunschvorstellung haben wir jedoch schon nach kurzer Zeit Unterricht Abschied genommen, daß es uns gelingt, nach der Schule mit der Bevölkerung uns über mehr als rudimentäre Dinge zu unterhalten. Dazu ist einfach unser Wortschatz nicht schnell und ausreichend genug angewachsen, sind unsere aktiven Sprecherfahrungen trotz aller Bemühungen der Lehrkräfte zu gering bzw. unser Vertrauen in unsere Fähigkeiten nicht ausgeprägt genug. Sei es drum, wir haben die vier Wochen  nicht bereut, sie haben uns eine Menge an neuer Erfahrung und Kenntnisse gebracht. Wir brechen jetzt nicht ganz ohne Bammel auf, denn wir werden in Situationen kommen, in denen unsere beschränkten Sprachkenntnisse deutlich werden; dennoch, unsere Erfahrungen mit den – nicht immer verständlich sprechenden – Chilenen sind sehr positiv; bislang ist es uns noch immer irgendwie gelungen, unter Einsatz unserer Sprachkenntnisse, Gestik, Mimik und Gedankenübertragung – das “Ohne Wörter Buch” kam bislang noch nicht zum Einsatz – uns verständlich zu machen. Wir setzen darauf, daß dies uns auch in der Zukunft gelingt und unsere Gesprächspartner, wenn sie erkannt haben, daß wir sie nur eingeschränkt verstehen, langsamer und deutlicher sprechen, als sie es im Alltag gewohnt sind.

Unsere 4 Wochen in Santiago

Nun waren wir mehr als vier Wochen in Santiago de Chile, haben uns wie gewohnt die Füße wundgelaufen, eine ganze Anzahl der Viertel dieser doch sehr großen Stadt erwandert und erschlossen. Untergekommen sind wir im Stadtteil Providencia, unsere Schule liegt einen guten km entfernt im Stadtteil Bellavista.

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Auf unseren Streifzügen/-gängen ist uns einiges aufgefallen, das festgehalten werden sollte.

Auf unserer Busfahrt vom Flughafen in die Innenstadt sind wir wiederholt an riesigen Krankenhauskomplexen vorbeigefahren, ohne diesen eine besondere Beachtung zu schenken. Das Thema “Krankenhaus” stieg erst in uns auf, als wir zu Fuß und mit den Rucksäcken im Kreuz etwa 1km von der Metrostation Salvador unsere Avenida Salvador in Richtung Wohnung entlanggingen, wobei wir nicht nur zu Beginn und damit in unmittelbarer Innenstadtnähe ein Großkrankenhaus passierten, sondern uns im Verlaufe der Straßenwanderung ständig neue große und kleine Kliniken begegneten. Die Av. Salvador wies eine beachtliche medizinische Dichte auf, auch in den Seitenstraßen stießen wir später auf eine Mehrzahl von stationären und ambulanten Kliniken. Unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen medizinischen Versorgung war unsere aktuelle Wohnlage also ausgezeichnet. Als wir dann aber am Folgetag auf unserem Spaziergang durch den Stadtteil Bellavista, der eher von normaler sprich niedriger Bauweise geprägt ist, im Abstand weniger 100m gleich zwei Krankenhäuser großen Ausmaßes antrafen stellte sich uns die Frage nach dem Gesundheitszustand der Bevölkerung. Einerseits ist eine umfassende medizinische Versorgung grundsätzlich zu begrüßen, wenn denn auch die Fläche davon profitiert, hier empfanden wir jedoch eine über Gebühr starke Konzentration im engeren Innenstadtbereich. Nun könnte dies auch ein Hinweis auf eine kranke Nation und insbesondere der Hauptstadtbevölkerung sein, eine sehr gewagte These, obgleich die den Fußgängern, also auch uns Gästen zur Verfügung stehende Luft durch den starken Verkehr nicht gerade gesundheitsfördernd ist, vermutlich dürfte bei Anlegung deutscher Maßstäbe manchmal Smogalarm ausgelöst werden. Andererseits, die Umweltbelastung durch den individuellen Hausbrand hält sich in Grenzen, denn Gebäudeheizungen scheinen hier Mangelware zu sein. Wenn geheizt wird, dann über an das Stromnetz angeschlossene Radiatoren, weshalb es auch immer wieder zu Stromengpässen kommen soll, wie wir gehört  haben, andererseits sind auch so richtig gesundheitsfördernde und umweltfreundliche gasbetriebene Katalytöfen im Einsatz!? Aus unserem auf den Ernstfall gerichteten Blickwinkel ist die vorgefundene medizinische Versorgungsdichte erfreulich, ob das aber auch für die Bevölkerung gilt, wissen wir (noch) nicht, da wir noch keine Kenntnisse über das medizinische System haben.

Wenn möglich, benutzen wir das ÖPNV. Dieses ist hier in der Stadt, wie wir es wahrnehmen konnten, vorbildlich – vorbildlich hinsichtlich der Taktdichte, des Preises – wenn wir unsere Maßstäbe anlegen, auch dies ist noch zu prüfen – und der Präsenz in der Fläche. Für die vier große Gebiete der Stadt erreichenden Metrolinien haben wir auch Linienpläne vorgefunden, für das extrem engmaschige und weitverzweigte Busnetz konnten wir bislang keinen Streckenplan auftreiben. Vermutlich wäre das Streckennetz auch nicht in angemessener Foldergröße darstellbar und deshalb unhandlich, weshalb auf eine detaillierte Darstellung verzichtet wird? Das wäre eine Situation, wie sie in Buenos Aires vorgefunden wurde. Auch dort gibt es keinen allumfassenden Streckenplan des Busnetzes. Stattdessen wird ein kleines Büchlein zusammen mit einem großen Stadtplan vertrieben. Auf diesem Stadtplan ist die Stadt sehr kleinteilig in Planquadrate eingeteilt, so daß in Kenntnis des Planquadrates, aus dem man per Bus abfahren will und des Zielquadrates mit Hilfe des Buches die in Frage kommenden Buslinien  identifiziert werden können. Ein so wichtiges Instrument für die Bevölkerung, daß auch die fliegenden Händler dieses Marktsegment erfolgreich bedienen. Auf jeden fall haben wir nur kürzeste Zeit auf unsere Metros warten müssen und oberirdisch folgt ein Bus dem nächsten. Durch die Einführung einer elektronischen Chipkarte als Zahlinstrument für den gesamten ÖPNV in Santiago ist die Handhabung währen der Fahrt ebenfalls deutlich vereinfacht, entfällt doch das permanente Erwerben von Fahrkarten. Wir haben – bislang – nicht vieles gefunden, das nachahmenswert ist, dieser ÖPNV gehört jedoch zu dem Beachtenswerten.

Oberhalb des Stadtviertels Bellavista, in dem auch eines der drei Häuser von Pablo Neruda, die Cascona, als Museum zu besichtigen ist, befindet sich der “Berg” San Christóbal, von dessen Kuppe auch eine riesige Marienfigur auf die Stadt hinunterblickt.

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Bemerkenswert ist, daß hier ein sehr großer im weiten Teilen, soweit wir ihn bislang erkunden konnten, auch wilder “parque metropolitano” der Bevölkerung offen steht, wobei offen steht zeitlich begrenzt ist. Das Gelände, mehrere Hektar groß, ist weiträumig eingezäunt und hat zwei Zufahrten und Ausfahrten, über die jedermann in den Park gelangen kann, streng beäugt von Wachmännern. Für diejenigen, die einen längeren Fußweg hinauf zur Hügelkuppe scheuen, steht ein eine Seilbahn bereit, der “funicular”, der  pro Fahrt knapp 70 Personen befördern kann, was insbesondere an Wochenenden zu enorm langen Warteschlangen führt.

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Als wir uns eines sonntags dorthin auf den Weg machten, waren wir wahrlich nicht allein, nicht nur Großfamilien waren unterwegs zum – kleinen – Zoo oder für einen Spaziergang/Picknick, auch die zweisamkeitshungrige Jugend strömte in den Park. Fast war Volksfeststimmung. Daß Müllvermeidung hier nicht an erster Stelle steht, haben wir wiederholt feststellen müssen; auch hier finden sich Wohlstandsüberbleibsel wie bei uns, achtlos weggeworfene Verpackungen, die dann beim nächsten Passanten Anlaß sind, dem Müll auch seinen hinzuzufügen. Die Strecke, die wir zur Bergkuppe nehmen wollte war leider wegen eines Downhillrennens der Mountainbiker gesperrt, also versuchten wir, uns über irgendwie erkennbare Pfade in die Höhe zu arbeiten. Nun, wir machten etliche Höhenmeter gleichwohl, den Gipfel erreichten wir bei dem unwegsamen Gelände nicht. So ganz unsinnig war dieser Querfeldeingang jedoch nicht, denn in diesem riesigen Wald stießen wir mehrfach auf Einfachstbehausungen

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von aus der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen. Zu Gesicht bekamen wir keinen dieser “”Waldmenschen”, nachdenklich machte uns diese Entdeckung jedoch.

An einem Samstag erkundeten wir die nähere Umgebung der Moneda, den von Pinochet und seinen Truppen beim Staatsstreich am 11.9.1973 bombardierten Staatspalast, in dem Salvador Allende, gewählter Präsident, dem Staatsstreich zu trotzen versuchte, an sich, als die Militärs vor seinen Räumen auftauchten, selber Hand anlegte, wie eine wohl der Wahrheit entsprechende Version nahe legt. Der Palast wurde in großen Teilen in Schutt und Asche gelegt, wie alte Fotos belegen. Heute steht der Palast wieder, kann jedoch wegen umfassender Bauarbeiten nicht besichtigt werden. Schön war festzustellen, daß vor dem an der Plaza de Constitution stehenden Denkmal für Allende mehrere frische Rosen lagen.

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Ich muß sagen, vom Ort und der Situation schon ergriffen worden zu sein, sind wir doch damals auf die Straße gegangen und haben gegen den Staatsstreich und die maßgebliche Unterstützung durch die CIA protestiert,, kam dabei doch ein kleines Pflänzlein, das für mehr Gerechtigkeit in diesem Land sorgen wollte und sollte, die Unidad Popular und viele seiner maßgeblichen Unterstützer aus allen Kreisen der Bevölkerung nicht nur unter die Räder, sondern in die Folterkammern und in die Mörderhände von Pinochets Schergen, die im wesentlichen bis heute nicht für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen worden sind. Hier hat das Land einiges aufzuarbeiten. Und als wir dann noch ein Plakat sahen, das auf ein Konzert mit Liedern von Victor Jara, als Regisseur und Liedermacher ein damals sehr bekannter Unterstützer der UP unmittelbar nach dem Staatsstreich wie Zehntausende offensichtlich auf Grundlage angefertigter schwarzer Listen sofort inhaftiert, im Zentralstadion unter kz-vergleichbaren Bedingungen eingesperrt, dort gefoltert und ermordet, entstand der Wunsch, diesem Konzert irgendwie beiwohnen zu können. Und wir waren dann dabei!

Es war wohltuend, nach diesen Eindrücken entlang der Nationalbibliothek auf den “Cerro Santa Lucia” hinauf zu wandern, wieder ein diesmal kleiner Hügel, aber Mitten in der Stadt.

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Ein kleiner Weg ringelt sich den Hügel auf seine Aussichtskuppe hoch, von einer kleinen Mauer mit immer wiederkehrenden kleinen Ausbuchtungen unterbrochen. Entlang des Weges auch genügend Grünfläche, um es sich bei gutem Wetter so richtig gemütlich zu machen, wovon einige Bürger regen Gebrauch machten. Nun herrschten am Samstag zwar keine hochsommerlichen Temperaturen, im Gegenteil, es war sichtbar kühl. Der kraftstrotzenden Stadtjugend schien das aber nichts auszumachen, war doch fast jede Bank, jede irgendwie einen gewissen Schutz bietende Mauerecke/-rundung von jungen aber auch älteren und alten Paaren “besetzt”. So herrschte in diesem Park so richtig Leben, auch wenn um 18:00 Uhr Zapfenstreich war, denn dann schlossen die Pforten.

Auch in Chile gibt es erkennbar Spannungen, jedoch ist dies nicht wie in Argentinien Anlaß, durch eine hohe und permanente Präsenz der Staatsmacht seine Stärke zeigen zu wollen. Auch hier trifft man Polizeistreifen an, zu Fuß und auf dem Motorrad, wahrnehmbar im Bild der Öffentlichkeit sind diese jedoch kaum, insgesamt wohltuend.

Oben bereits erwähnt, einen Preis für umweltfreundlichen und schonendes Verhalten kann man an Santiago und seine Bevölkerung nicht vergeben; dennoch ist die folgende Aufnahme bemerkenswert, wenn auch nur ein vereinzeltes Zeichen dieser Art :

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“Gated Communities” ist ein anderes wichtiges Stichwort, das aufgegriffen gehört. Handwerk hat goldenen Boden und das Schlosserhandwerk insbesondere. Was hier an Zäunen mit Spitzen bewehrt und deutlich über zwei Meter hoch verbaut wird, kann kaum ermessen werden. Daß in Gegenden mit wohlhabender Bevölkerung diese ihren Besitz durch einen Zaun sichern ist nachvollziehbar angesichts des Wohlstandsgefälles im Land. Daß aber auch Wohnsiedlungen mit hohen Zäunen sich umgeben und Zugang nur über bewachte Eingänge möglich ist, erscheint uns wie von einer anderen Welt, wohnen doch in diesen Siedlungen nicht vorrangig vermögende Familien. Und dennoch, derartige Sicherungen werden als normal angesehen, die Zahl der Einbruchdiebstähle sei hier sehr hoch. Mein Versuch hierzu im Internet Statistiken zu erschließen, um dies im Vergleich mit Deutschland zu überprüfen, ist bislang gescheitert. Mir will nicht in den Kopf, daß die Vermögensdelikte hier so spürbar höher sein soll als in Mitteleuropa, so daß sich sogar auf dem flachen Land hier “gated communities” befinden! Und für die Sicherheitsunternehmen ein auf Dauer ausgerichtetes einträgliches Geschäft, denn die Objekte wollen ja bewacht werden. Da die Klingelschilder nur die Wohnungsnummer nicht aber den Namen des Bewohners aufweisen, werden hier höhere Anforderungen an das Gedächtnis von Freunden/Besuchern als bei uns gestellt (!) und, jeder Zugang wird kontrolliert – ob auch protokolliert wissen wir nicht, zumindest in unserem vorübergehenden Quartier erkennbar nicht. Ein Gutes mag dieses hohe Sicherheitsbedürfnis haben : Vertreter haben es ohne vorherige Ankündigung sehr schwer!

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So ganz leicht ist es mit dem Verlaufen zumindest im innerstädtischen Bereich nicht. Dadurch daß die Stadt im wesentlichen durch im rechten Winkel zueinander verlaufende Straßen und Sträßchen gegliedert ist kommt man, soweit man die passierten Straßenkreuzungen mitgezählt hat, immer rechts- oder linksherum gehend an sein Ziel. Schwieriger kann es zu bestimmten Tageszeiten für die Autofahrer sein, denn was gestern Nachmittag noch eine Straße mit Gegenverkehr war ist heute Morgen eine vierspurige Einbahnstraße, um den Verkehr in den Stoßzeiten in und aus der Stadt fließender zu halten. Mir graut schon davor, selber hinter dem Lenkrad sitzend auf mir entgegenkommende Fahrzeuge in der Stadt zu stoßen! Als äußerst sympathisch empfinden wir hier die Einrichtung fast aller Wohnstraßen als Einbahnstraßen mit dem Ergebnis der weitgehenden Verhinderung von Durchgangsverkehr.

Es war uns ein Bedürfnis, an einem Wochenende uns Zeit zu nehmen, das Museo de la Memoria y los Derechos Humanos  zu besuchen; wir hatten wenig darüber bislang gelesen, aber eine unserer Lehrerinnen hatte uns das Museum, wie wir nachträglich feststellten, zu Recht empfohlen.

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Fast schon symbolhaft befindet sich der größte Teil des Museum unter der Erde, auf der einen Seite hin zu einer großen platzartigen Senke geöffnet als wolle damit auch zum Ausdruck gebracht werden, wieviel aus der Terrorherrschaft Pinochets noch an das Tageslicht gebracht werden muß. Gestützt auf zwei Berichte von Wahrheitskommissionen versucht die Ausstellung die einzelnen Verbrechen der Diktatur gegen die Menschlichkeit nachvollziehbar darzustellen, was, soweit wir das beurteilen können, wohl gelungen ist, zumindest haben uns zahlreiche der präsentierten Unterdrückungsmaßnahmen, die Gräuel, die menschlichen Schicksale der Oppositionellen, der sich langsam entwickelnde Widerstand an den Unis, in Fabriken, der Mütter der Verschwundenen mit ihren wöchentlichen Protesten um einige zu nennen, der gezeigte Mut der Kulturschaffenden jeglicher Couleur, das frühe Engagement der Kirchen – unterstützt auch aus Deutschland – bei der Unterstützung in der Suche nach den “Vermissten”, ihr Beitrag in den ersten Jahren zum Schmieden einer Allianz gegen  den Terror, der findungsreiche Widerstand auch von Teilen der Presse, das viele Opfer fordernde Engagement gegen den Terror seitens der Kommunisten und Sozialisten – die Liste ist unvollständig, die Eindrücke zu zahlreich. Unabhängig von der detaillierten Darstellung z.B. der Zerstörung der Pressefreiheit, der Gleichschaltung der Gewerkschaften, das Verbot politischer Organisationen, der Versuch, außenpolitisch (Falklandkrieg) Erfolge zu erzielen um das Volk zu einen etc., alles Entwicklungen, die uns in Deutschland sehr bekannt vorkommen. Der  Mut vieler Chilenen, die in den Jahren der Diktatur immer zahlreicher sich gegen die Herrschaft der Militärs stellten, ist zu bewundern. Nicht so ganz verstanden haben wir, wieso Pinochet einer Abstimmung über das Ende der Militärherrschaft und Einführung einer parlamentarischen Demokratie zustimmte – was es eine Überschätzung des eigenen Manipulationseinflusses auf das Wahlergebnis? Auf jeden Fall machte eine knappe absolute Mehrheit der Chilenen an der richtigen Stelle das Kreuz, so daß das Militär knapp zwei Jahre später die Macht übergeben musste.

Sehr eindrucksvoll wurde die Bombardierung der Moneda mit Bild- und Tondokumenten sehr präzise, ja teilweise minutiös nachgezeichnet und dabei auch belegt, wie alle Streitkräftearten zusammen mit der Polizei (!) unter Führung von Pinochet die Macht an sich rissen. Sehr ergriffen hat mich die über einen Rundfunksender fast unmittelbar vor der Erstürmung der Moneda verbreitete letzte Ansprache von Allende, die sehr deutlich machte, wie sehr er das Wohl ganz Chiles und seiner Bürger verfolgt hat, wie konsequent er bis zur letzten Minute seine Mission verfolgte. Kein Wunder, daß auch heute noch bei verschiedensten Gelegenheiten ein Hoch auf Allende ausgerufen wird. Während einzelne Verbrechen der Diktatoren präzise dargestellt wurden, die Zahl der Vermissten und Ermordeten auch heute durch ständige Recherchen immer wieder korrigiert werden muß, so haben wir deutliche Hinweise darauf vermisst, wie mit den damaligen Verbrechern verfahren wurde. So fehlen weitgehend Hinweise auf konkrete Verantwortliche, gab es keine Aussagen zu späteren Prozessen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wurde den im Ausland (m.E. England und Spanien) gegen Pinochet erfolgreich angestrengten Prozessen kaum eine Zeile gewidmet. Ich verließ das Museum nach mehr als drei Stunden mit dem Eindruck, daß die chilenische Geschichte hier noch nicht so ganz aufgearbeitet wurde.

Dieser Eindruck wurde bei anderer Gelegenheit bestätigt. Der immer noch sehr verehrte Sänger, Komponist, Regisseur und politische Kämpfer Victor Jara ist vielen Bürgern auch heute noch sehr präsent. Im Rahmen der Veranstaltungen zur 40-jährigen Wiederkehr des Staatsstreiches fand auch ein Konzert vor dem großen Stadtfriedhof Santiago, auf dem auch Victor begraben ist, nachdem seine Leiche aus dem Nationalstadion herausgeschmuggelt worden war, statt. Titel “1000 Gitarren für Victor Jara”.

Nur weil wir von einem unserer Lehrer, der wußte, das wir auch auf einem anderen Konzert zu seinen Ehren waren, einen Handzettel bekamen, gingen wir an einem Samstag zum Veranstaltungsort. Tolle Stimmung, bekannte Musiker, schöne Lieder, ein gelungenes Konzertereignis, und das alles umsonst und draußen. Leider waren nur wenige 1000 Zuhörer anwesend, der riesige Platz des Friedens nur zum Teil gefüllt, was uns erstaunte. Nun, wir hatten ja auch keine Plakate gesehen, wie sollte Mensch davon erfahren. Rückfrage bei unseren Lehrern ergab, daß aus “Rücksicht”(!?) auf mögliche Auseinandersetzungen zwischen den alten Anhängern der Militärdiktatur und den Demokraten, die dann auch heftig ausfallen könnten, von einem breiten Bewerben abgesehen worden war. Unverständlich für uns, glaubten wir doch, daß inzwischen die Demokratie hier auf festen Füßen steht. Dies erklärt auch, weshalb in der Nacht vom 10. auf den 11. September massenhaft Polizei auf den Straßen war und uns angeraten wurde, abends nicht unbedingt in die Innenstadt zu gehen, es könnte dort “heiß” hergehen, will heißen, die Befürworter der Militärdiktatur wollten Präsenz zeigen, die von den Demokraten unterbunden werden sollte!

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Übrigens der große Stadtfriedhof, eine Pracht insbesondere für diejenigen, die an schön gestalteten Mausoleen, großer Steinmetzkunst, Figuren und Figürchen sich nicht sattsehen können – hier wird ihnen geholfen, denn die Vielfalt ist wahnsinnig große, zumal dieser Friedhof, im Gegensatz zu dem Pendant in Buenos Aires mit grünen Alleen durchsetzt ist und eine Lunge der Stadt darstellt.

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Als eines der unbedingt zu besuchenden Gebäude der Stadt wird in allen Führern die alte Markthalle erwähnt; unerwähnt im allgemeinen, daß diese altehrwürdige Halle heute im wesentlichen eine neue Funktion hat, nämlich Esstempel insbesondere für Fischliebhaber zu sein. Nahezu die gesamte zentrale Hallenfläche wird von zwei oder drei Gastronomen bewirtschaftet, die in engstem Abstand ihre Tische aufgestellt haben die zu unserer Verwunderung bei verschiedenen Besuchen vor Ort nahezu vollständig besetzt waren. Bequem für den Gastronom : die Frischware kann er direkt von den in die umlaufenden Gänge verbannten Fischhändlern erwerben. Bei unserem vorletzten Besuch/Gang durch die Markthalle wurden wir auf Deutsch von einem  gut 60-jährigen Mitarbeiter des größten Fischrestaurants angesprochen. In dem Gespräch kam heraus, daß er sein Deutsch vor Ort im Goetheinstitut gelernt hatte und auch heute noch sich über Deutschland aktuell informiert. Wie wir später feststellten, kein Einzelfall.

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Auch einer Fonda, hier zu Ehren von Victor Jara, wohnten wir bei. Sie fand an mehreren Tagen um den Jahrestag des Staatsstreichs herum in der Veranstaltungshalle Gaupolicán, die auch zu Zeiten des Widerstands gegen die Militärdiktatur eine positive Rolle spielte, statt.

Wir hatten uns auf einen Konzertbeginn um 22:00 Uhr eingestellt; der Einlaß wurde dann fast pünktlich für hiesige Verhältnisse um 22.20 Uhr geöffnet und während die lange Schlange der Wartenden hineingelassen wurde, begann das Konzert. Bestritten wurden die Tage der Fonda von einer Vielzahl von Gruppen, die alle Lieder von VJ präsentierten, jeden Abend spielten andere Gruppen. Den Anfang machte eine Art Brassband, die mit einem Höllenlärm nicht immer synchron den Hereinströmenden Einheizte; dabei gab es dann auch Tanzeinlagen kostümierter Damen, die uns stark an die Funkemariechen erinnerten, wohl hier aber besonderer Teil des Kulturgutes darstellen Die dann folgende Band war deutlich tonaler mit gutem Gesang, aber offensichtlich waren wir in unserem Alter derartige Lärmpegel nicht mehr gewohnt, so daß wir nach gut 1 1/2 Konzertstunden den Heimweg antraten. Unsere Ohren hallten noch Stunden lang nach.

Santiago hat wohl ein Herz für den Freizeit-/Hobbysportler. Waren wir zuerst erstaunt, an einem Sonntagmittag eine der Hauptverkehrsstraßen in Stadtteil Providencia gesperrt vorzufinden und an Stelle von 4-spurigen Autokolonnen bevölkerten Läufer/innen, Radfahrer, Skater mit und ohne Kinderwagen alle 4 Spuren, waren Transparente gespannt und erkennbar auch Versorgungspunkte eingerichtet.

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Glauben wir anfangs, daß dies im Zusammenhang mit den Stadtteilfestlichkeiten stünde, mußten wir später feststellen, daß in mehreren Santiagoer Stadtteilen immer wieder sonntags wichtige Straßen von 10 – 14 Uhr für den allgemeinen Sportbettrieb gesperrt werden. Sollen die Autofahrer doch ihr Fahrzeug zu Hause lassen und sich beteiligen. Zwar war der Zuschauerzuspruch gering, die Teilnehmerzahl jedoch beachtlich, wie wir mehrfach vor Ort miterleben konnten. Die Organisation lag offensichtlich, so die Hinweise, in den Händen der Verwaltung, die an (fast)) alles gedacht hatte; so fuhren z.B. auch Fahrradmechaniker ihre Runden – die im übrigen von Wendepunkt zu Wendepunkt gut 5 km betrugen –, um im Ernstfall technische Hilfe zu leisten. Ich denke, ein anregendes Beispiel für heimische Verwaltungen in Ballungsgebieten.

In unsere Zeit in Santiago fiel eine Aneinanderreihung von wichtigen Feiertagen Chiles, so u.a. der Tag der Unabhängigkeit. Uns Schülern aber auch allen übrigen Werktätigen bescherte dies ein 5 Tage dauerndes Wochenende, den Bewohnern Santiagos aber sicher auch den anderer Städte eine Aneinanderreihung von Festen und Fiestas. Auch in unserem Stadtteil, wobei darauf hinzuweisen ist, daß der Verwaltungsbezirk Providencia die Größe einer mittleren deutschen Großstadt aufweist, wurde ein dreitägiges Fest für jung und alt organisiert. An einem der Tage machten wir uns auf den Weg zum Festplatz, eine große Parkanlage gut 2 km von unserer Wohnung entfernt. Es war früh am Nachmittag, dennoch hatte sich eine lange Schlange vor den Einlaßkassen gebildet. War diese erste Hürde genommen, ging das schrittweise Vorrücken weiter, vorbei an Imbiß-, Getränkebuden, zahllosen Verkaufsständen, diversen Veranstaltungslokalitäten etc.; wir hatten das Gefühl, da auch Schausteller zugegen waren, uns auf den Cannstadter Wasen zu befinden. Und als wir dann noch eine Dreiviertelstunde anstehen mussten, um unseren wahrlich nicht umfangreichen Imbiß am Tresen zu erhalten, war uns die Lust auf einen weiteren Verbleib vor Ort vergangen, obgleich noch einige interessante Konzerte auf dem Programm standen. Den Veranstaltungsort am frühen Abend verlassend stellten wir fest, daß auf dem diesem gegenüberliegenden Parkt ebenfalls ein fest stattfand, was unsere Neugier weckte. Dies war ein Fest unter der Überschrift “umsonst und draußen”, bei dem wir das Glück hatten in einer Phase dort anwesend zu sein, in der einige offensichtlich den Anwesenden sehr bekannte Musikgruppen auftraten. So sind wir dann doch noch zu unserem Musikerlebnis gekommen.

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Im Stadtteil La Reina fand ebenfalls eine tagelange Fiesta statt; diese hatte einen Schwerpunkt in Reitervorführungen. Die kurze Zeit, die wir vor Ort waren und den Vorführungen beiwohnten, hat sich gelohnt. Nun haben wir vom Reiten ja gar keine Ahnung, aber das was wir sahen erinnerte uns an Wildwestfilme und die dabei gezeigte perfekte Harmonie von Pferd und Reiter in jeder Situation.

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Damit kein falscher Eindruck aufkommt, wir hätten in unsrer freien Zeit nur noch Fiestas besucht, Konzerten beigewohnt und die sonstigen Schönheiten, Denkmäler etc. links liegen gelassen. Dem ist nicht so. Wiederholt hat es uns auf oder in die Nähe des zentralen Platzes, dem Plaza de Armas getrieben, ein Ort, auf dem das Leben weniger von Touristen, zumindest während unseres Aufenthaltes, bestimmt wird, sondern von den Stadtbewohnern. Gleich zu welcher Zeit wir hier aufschlugen, neues zu sehen gab es immer, einzig die Portraitzeichner saßen immer vor ihren Zeichenbrettern umringt von Zuschauern. Gaukler versuchten mit ihren Vorführungen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, um Musikgruppen scharten sich zahlreiche Zuhörer, die Bänke waren von Ruhesuchenden besetzt, Mensch stand herum und beobachtete das Treiben oder überquerte den Platz einfach auf dem Weg zu seinem Ziel. Hier befinden sich für die Architektur wie auch Geschichte der Stadt und des Landes wichtige Gebäude wie die Katedrale oder alte Verwaltungsgebäude aus spanischer Zeit. Den – unterdrückten und teilweise ausgerotteten indigenen Völkern ist ein beeindruckendes Denkmal an eine Platzseite gewidmet,  ebenso wie den spanischen Kriegsherren auf der anderen, als ob dadurch ein Ausgleich erzielt werden könnte. Ein kleiner offener Pavillion wird vielfältig genutzt, nicht nur für eine Musikmatinee, sondern auch für Schachwettbewerbe, an denen die Jugend konzentriert und mit Begeisterung unter der Beobachtung der Alten teilnahmen. Und wenn der Trubel hier zu groß war – nicht weit entfernt liegt der kleine Stadtteil Ricoletta, in dem alles etwas langsamer und gemütlicher abgeht.

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Blicken wir auf die vier Wochen zurück, so haben wir extrem viele Eindrücke verarbeiten müssen, durften in einem netten Kreis unsere Spanischkenntnisse erweitern, haben auf unsere Weise durch ausführliche Gänge durch viele Stadtteile Sport getrieben, sind immer wieder auf hilfsbereite Menschen gestoßen, haben uns nie unsicher oder bedrängt gefühlt, dennoch, Santiago ist uns nicht so richtig ans Herz gewachsen. Die Stadt ist einfach zu groß, zu laut, zu versmogt und dadurch auch schmutzig – obwohl wir ständig Straßenfeger im Einsatz sahen oder der Müllwagen bereits in der Nacht den Hausmüll entsorgte –, zu viel Verkehr, zu wenig Grün und als nicht zu unterschätzendes Manko, unsere Spanischkenntnisse waren/sind zu gering, um so richtig mit den Einheimischen kommunizieren zu können. Ursache hierfür war weniger das sehr gewöhnungsbedürftige Spanisch vor Ort als vielmehr unsere schlechte Sprachkenntnis. Hier haben wir die möglichen Fortschritte ebenso deutlich überschätzt wie unsere Bereitschaft und unserer Zeitpotential konsequent zu lernen. Und schließlich : man sollte hier lernen, energieeffizienter zu bauen und dadurch es ermöglichen, daß man sich in geschlossenen Räumen bei 18 Grad aufhalten kann, ohne zugleich durch die Dämpfe von Katalytöfen gesundheitlich geschädigt zu werden. Wir haben in unserer Wohnung oft so richtig gefroren und manchmal ging der Blick über den Atlantik in eine uns gut bekannte warme Zone, in der wir uns wohler gefühlt hätten. Da es im Anschluß an Santiago in den Norden Chiles und damit in deutlich wärmere Zonen geht hoffen wir, in den nächsten Monaten nicht mehr zu frieren.