Im Schatten des Vulcano Osorno – am Lago Llanquihue

Unser Standort in der Nähe von Puerto Klocker – wir haben diesen Ort bislang nicht wirklich entdeckt (!?)

oder liegt er hier unten :       P1080905

– auf der östlichen Seite des Lago Llanquihue eignet sich für eine ganze Reihe von Ausflügen, in Richtung Osornovulkan, zum Lago todos los Santos und seinem Hafen Petrohué oder auch  einer Rundfahrt um unseren Haussee, den Lago Llanquihue. Da uns Informationen zu den beiden ersten Tageszielen fehlen, blieb die Seerundfahrt für heute, den 23.12., als Ausflugsziel.

Wir fuhren im Uhrzeigersinn, d.h.  sahen auf den ersten Kilometern das, was wir am Vorabend in der einbrechenden Dunkelheit nur schemenhaft wahrgenommen hatten. Einen dominierenden Begleiter hatten wir den ganzen Tag – der Volcano Osorno war immer und überall in unserem Blickfeld, aber nicht nur dieser Vulkan, sondern zwei weitere waren immer wieder in der Ferne auszumachen.

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Nicht alles was er sah, erfreute den Betrachter – an vielen Stellen während unserer Ganztagesreise über gut 180 Kilometer immer eng am See entlang stießen wir auf Fischzuchtkäfige in großer Anzahl, in denen insbesondere Lachs produziert wird. Leider auch manchmal nur knapp 100 Meter von genutzten Badestellen entfernt. Die bekannten Gesundheitsgefahren werden hier offensichtlich in Kauf genommen, denn ohne Medikamente, insbesondere Antibiotika, läuft in der Fischzucht nichts. Wie zur Beruhigung erfuhren wir, jedem einzelnen Fisch würde per Injektion die Dosis Antibiotika verpasst. Selbst wenn das zutrifft, die Problematik der Fischmehlfütterung – auch per Pipette in jedes Fischmaul? – und die damit verbundene Verseuchung der Gewässer bleibt. Da die Endverarbeitung nicht vor Ort erfolgt, sind in der Nähe der Fischkäfige an Land Umschlagstationen geschaffen worden, in denen der lebende Fisch mitsamt dem Wasser in die Tanks großer LKWs umgepumpt wird.

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Auf unserer Rundreise sahen wir völlig verschiedene Seiten der “Seenutzung”. Insbesondere der südliche und westliche Teil ist stark touristisch orientiert, bestimmen in den Orten ab Ensenada bis nach Puerto Varas die Anbieter von Cabanas und Ferienbetten das Ortsbild, nicht tourismusverbundene Tätigkeiten sind kaum vorhanden, nur sehr selten sah man noch den klassischen Bauernhof, der doch für diese Region früher das typische Bild abgegeben hat. Auch Orte wie insbesondere Frutillar und mit großen Abstrichen Llanquihue werden stark von Touristen und Badegästen angefahren. Daneben steht dann das Bild einer durch die Landwirtschaft geprägten Landschaft. Hier hat man im Gegensatz zu dem aus Südpatagonien und Südargentinien abgespeicherten Bild einer Totalentlaubung der Böden zu Gunsten riesiger Weideflächen mit Augenmaß abgeholzt. Nicht nur Wälder wurden stehen gelassen, sondern die Weideflächen  und Äcker haben zivilisierte Ausmaße, das Landschaftsbild ist nicht eintönig sondern vielseitig durch die Bäume, Wälder, Sträuche, Knicks. Das leicht hügelige Seeumland verstärkt noch den Wohlfühleffekt, wenn durch derartige Landschaft gefahren wird.

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Viele der um den See herum entstandenen Ortschaften haben einen Bezug zu deutschen Einwanderern, meistens Mitte des 19. Jahrhunderts hier eingetroffen. In Frutillar z.B. wurde extra ein Museum geschaffen, um den Beitrag dieser Einwanderer zu würdigen. Kritiker meinen, hier würden nur die Erfolge dargestellt, das für die meisten hier eine neue Heimat Suchende sehr karge und harte Leben sei ausgeklammert worden. Dies deckt sich mit den Ansichten unseres Herbergsvaters, dessen Vorfahren ebenfalls in dieser Zeit hier eingetroffen sind (1854), aus Schlesien hat es sie an die Ufer des Lago Llanquihue verschlagen. Er vertritt die Ansicht, die Deutschen seien hier auch im 19. Jhd. schon die Chefs gewesen, die einheimischen Chilenen die Knechte. Alle Auswanderer von Beginn an Chefs, reich und erfolgreich? Die Wirklichkeit dürfte sehr weit davon entfernt sein, auch wenn es zahlreiche sehr erfolgreiche deutschstämmige Einwanderer gab. Dem deutschen Einfluß oder Deutschlandbezug begegnet man hier immer wieder. Der Begriff “Kuchen” ist in die chilenische Sprache integriert worden, ständig konnten wir entsprechende Hinweise lesen. Besonders deutlich wird der Einfluß deutscher Einwanderer in Puerto Varas. Die Stadt ist eine richtige Kleinstadt, lebt praktisch ausschließlich vom Tourismus, obgleich der direkt vor der Stadt liegende Strand keine Verheißung ist, da haben wir entlang des Lago Llanquihue schönere Abschnitte gesehen. In dieser Stadt sahen wir nicht nur häufiger deutsche Namen an den Geschäften, nein es gibt sogar einen deutschen Verein. Derartige Vereine haben wir aber nicht nur hier, sondern als Sportvereine, Kulturvereine auch in anderen durchfahrenen Orten entdeckt.

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Und die Krönung dann in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Quartier. Hier hat sich ein Uwe Petersen niedergelassen und bewohnt im halbjährigen Wechsel sein Prunkhaus am See oder wohnt in Deutschland. An der Straße flattert an einem Fahnenmast wohl sein Wahlspruch, den er bei den Nordfriesen entlehnt hat – oder ist er selber Nachfahre dieser standhaften Volksgruppe?

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(leewer doad aas slaw)

Puerto Varas hat trotz des Tourismusbooms einiges von seiner alten Struktur und seinen alten Bauten aus dem 19. Jahrhundert bewahrt. Die innere Innenstadt wird zwar von Hotelbauten und anderen modernen Zweckbauten beherrscht, zwei Straßenblocks von der Standpromenade entfernt, findet man jedoch das alte Puerto Varas mit seinen maximal zweigeschossigen mit Holzschindeln – seltener – oder Holzbrettern beplankten Wänden, manchmal verzierten Eingangsbereichen, oft an ähnliche Häuser z.B. im Erzgebirge oder auch Bayern oder Baden-Württemberg erinnernd.

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Auf die Tatsache, daß Weihnachten vor der Tür steht, machte an zentraler Stelle ein ganz besonderer Weihnachtsbaum aufmerksam, alles ist recyclingfähig oder vollständig wiederverwendbar :

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Auch wenn man zur Lebenszeit nicht so exponiert gewohnt hat, eher zu den armen Schluckern zählte – nach dem Tod sind alle gleich, haben sich wohl die Bewohner von Puerto Octay gedacht, als sie ihren Friedhof schufen. Hoch oben auf einem kleinen Hügel direkt am Llanquihue-See befindet er sich. Wenn schon der eine oder andere Hingeschiedene zu Lebzeiten wenig Anlaß hatte, die schöne Aussicht zu genießen mit dem über allem stehenden Volcano Osorno, von seinem Grab aus hat er die beste Sicht auf See und Vulkan, denn ausnahmslos alle Gräber wenden sich dem See und dem dahinter aufragenden Volcano Osorno zu.

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Fährt man durch das landwirtschaftlich geprägte Land, bemerkt man sowohl imposante große und großartige Herren-/Herrschaftshäuser auf dem Gutsland, oft läuft eine von stämmigen Bäumen gebildete Alle auf den Haupteingang zu, als auch aufgegebene Höfe, deren Gebäude verfallen und somit davon zeugen, nicht jeder fand hier auf Dauer sein Glück. Vielleicht wird zu wenig wahrgenommen, wie eng hier großer Wohlstand und Armut nebeneinander wohnen. Nicht nur vereinzelt fielen uns kleine Katen mit ihren Gemüsegärtchen auf, Häuser, denen man ansehen konnte, daß selbst in dieser reichen Region es am Vielem mangelt. Wir haben uns verkniffen vor diesen Häusern anzuhalten und sie zu fotografieren – wir schämten uns unserer Neugier.

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24.12. Weihnachten – warum kommen bei uns so gar keine weihnachtliche Empfindungen auf? Nun, wir sind nur sehr eingeschränkt in den letzten Wochen in Städten unterwegs gewesen, in denen das Weihnachtsgeschäft so richtig brummt und alles auf diesen konsumträchtigen Feiertag hinweist, so daß die übliche  Anstöße zum Geschenkekaufen, Korrespondenz verfassen gar nicht ausgelöst werden konnten. Weihnachtsbäume haben wir, bis auf den heute Abend bei unseren Herbergseltern auch nicht wahrgenommen, Weihnachtsmusik, wir hören kein Radio, ebenfalls nicht vernommen. Da zudem auch das Familientreffen an diesen Feiertagen für uns zumindest ausfällt, gibt es noch einen weiteren Grund, für diese Festtage nicht so richtig in Stimmung zu sein. Oft sind ja die Feiertage auch Tage ohne beruflichen Arbeitsstreß, den haben wir schon gar nicht, für uns ist jeder Tag ein Gewinn und Genuß. Schließlich sind wir es auch gewohnt, daß es an Weihnachten kalt ist, zumindest ist es um uns herum nicht sehr grün – hier erleben wir natürlich genau das Gegenteil. Hier scheint die Sonne prächtig vom Himmel, der See verlockt zum Baden, alles grünt und blüht, auch wenn die Landwirte hier vor Ort sich über die zu lang anhaltende Trockenheit beklagen. Zusammengefasst, vom Weihnachtsblues sind wir weit entfernt, nur schade, daß Familie und Freunde so weit weg sind, aber das wird sich ja in einigen Monaten wieder ändern.

Unser Problem war eher, wo können wir an den Feiertagen Essen gehen. Die Frage haben wir Marcelo, unserem Herbergsvater gestellt. Nun kocht Emma, seine Frau, auf Voranmeldung auch für die Gäste, aber an Weihnachten wollten wir nicht darum bitten. Sehr erstaunt und erfreut waren wir, als beide meinten, wir könnten doch zusammen mit ihnen am 24. essen, auch vegetarische Kost sei dabei kein Problem. Leicht beschämt waren wir, aber nach den Erfahrungen vom Vorabend war das die (!) Lösung. Und es wurde ein gemütliches Abendessen mit den beiden und einem ihrer Kinder, Alfonso, der in Santiago studiert und über die Feiertage nach Hause gekommen ist. Viel wurde miteinander gesprochen, wobei Marcelos Englisch vor allem für mich sehr gewöhnungsbedürftig ist, Katrin konnte sich besser in seine Sprache hineinhören, und wenn das nicht klappte, ging es halt auf Spanisch weiter. Irgendwie haben wir uns alle verstanden. Zur Krönung des Abends, als die Eltern dann Alfonso eine sehr große Türe in die Hand drückten, wurden auch wir beide von ihnen mit einem kleinen lokalen Kupferteller zu Weihnachten bedacht!. Eine sehr schöne Geste. Leicht angeheitert stiegen wir dann einen Stock hinauf zum Schlafen.

Ansonsten verbrachten wir den 24.12. sehr geruhsam mit einem kleinen Spaziergang auf der Suche nach Puerto Klocker, lesen, Blog schreiben etc., saßen in der Sonne und erwehrten uns der zunehmenden Angriffe einer hier nur vorübergehend auftretenden Bremsenart (den colihuachos), eine Art Pferdebremse, die wirklich sehr hartnäckig einem nachsetzen. Irgendwann war dann doch die Flucht in das Haus angesagt. Nicht alle Tiere haben die Attacken überlebt; unsere Tagesstrecke waren locker 20 Exemplare. Schade, denn die Mücken sehen eigentlich ganz putzig aus mit ihrem teilweise orangenfarbigen Körper.

Während daheim am 25.12. häufig Verwandtenbesuche auf dem Programm stehen, große weitere Völlerei erfolgt, gab es für uns ein Aktivitätsprogramm. Wenn schon der Volcano Osorna direkt hinter unserem Haus aufragt, dann sollte man im doch näher kommen. Bis an den Beginn eines Sessellifts auf etwa 1.000m kann man mit dem Auto über eine asphaltierte Straße fahren. Dort nehmen die Gehfaulen, wozu nach Angaben von Marcelo alle Chilenen zählen (“nur die Europäer laufen da hinauf, wo man doch bequem mit dem Lift ein großes Stück nach oben kommt”), die Aufstiegshilfe in Anspruch oder aber man geht, wie wir, die Abfahrtsstrecke nach oben. Da der Untergrund aus meistens aus sehr kleinkörnigem Vulkangestein und Vulkanasche besteht, sinkt man nicht nur immer wieder ganz schön ein, sondern das Vorwärtskommen wird eine anstrengende Tätigkeit, deutlich mühsamer, als im Sand am Strand sich fortzubewegen. Und bei einer Steigung von durchschnittlich gut über 20 Prozent kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Als wir das Ende der beiden hintereinander gekoppelten Sessellifte erreichten, wurden diese dann auch für die anderen Besucher in Betrieb genommen. Wir hatten den Höhenunterschied von über 500m in knapp 50 Minuten überwunden. Viele weitere Höhenmeter konnten wir nicht mehr gehen, dann versperrte uns der Gletscher das weitere Fortkommen. Mit einem Führer und unter Verwendung von Steigeisen und Pickel ist die Besteigung des etwas über 2.600m hohen Vulkankegels an einem Tag möglich, ohne zertifizierten Führer oder als ausgewiesenes aktives Mitglied eines Alpinistenvereins ist die Besteigung, aus gutem Grund wegen der Todesfälle, untersagt. Von Unglücken vor Ort am Berg zeugen kleine Gedenkkreuze. Auch wenn der nicht angestrebte Gipfelblick nicht möglich war, von den erreichten gut 18/19hundert Metern hatten wir einen schönen Blick auf den Lago Llanquihue, die umliegenden Vulkane, insbesondere den Calbuco und in die Weite des Landes, leicht beeinträchtigt durch eine lockere Wolkendecke. Eine Belohnung für den schweißtreibenden Aufstieg, bei dem wieder ein strammer Wind ging. Da auf gut 15/16hundert Meter Höhe einige Nebenkrater bestehen, liefen wir diesen kleinen Schlenker auf unserem Rückweg mit. Interessant war auch zu sehen, in welch unterschiedlichen Farben das Vulkangestein vorhanden ist, nicht nur in schwarz und grau, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Rottöne stachen optisch aus den Geröllfeldern und dem Geröllberg hervor.

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Für den Nachmittag hatten wir uns vorgenommen, den Pazifik zu besuchen, seine Ausläufer befinden sich fast um die Ecke von unserem See. Der Fjord Estuario de Reloncavi erstreckt sich fast 60 Kilometer landeinwärts und man kann zumindest entlang einer Fjordseite bis hin zum Golfo de Ancud, also dem Pazifik fahren. Soweit wollten wir nicht, aber wenigstens etwas Luft der weiten Welt schnuppern, den Tidenhub beobachten. Leider war der Himmel auch weiterhin sehr bedeckt. Die Fahrt führte uns über das bereits mehrfach durchfahrene Ensenada durch das Tal des Rio Petrohué nach Ralún an der Nordspitze des Fjordes. Das befahrene Tal war wieder einmal stark bewaldet, knorrige Bäume, oft eine hier heimische Ulmenart, prägten die Strecke, ein sehr breiter und schnell fließender Rio Petrohué begleitete uns bis zu seiner Einmündung in den Fjord.  Der Tidenhub war sichtbar, denn ein Teil des Landes war trockengefallen. Von hier ab schlängelt die Straße sich am Berg entlang; die wahrgenommene Landschaft und die gegenüberliegenden Bergflanken vermitteln schon den Eindruck eines Fjordes, steil, stark bewaldet wo möglich, kaum bewirtschaftetes Land, selten eine Bebauung. Auch dieser Fjord wird von der Fischindustrie zur Aufzucht von wahrscheinlich Lachs genutzt, wie die zahlreichen schwimmenden Aufzuchtbecken signalisieren. Welche Rolle die in einer systematischen Ordnung ausgebrachten Bojen haben, wissen wir nicht, vermuten aber, daß hieran auch wieder Netze für Fischkäfige befestigt sind. Etwa 15 Kilometer fjordabwärts erreichten wir ein unscheinbares Örtchen, Cochamo, in dem die Zeit stehen geblieben war. Einfache Holzhäuser säumten die wenigen Sträßchen, das mit am besten erhaltene Gebäude war eine nicht ganz neue schindelgedeckte und mit Schindeln beplankte Holzkirche in der Nähe der Mole. Es heißt, dieses Kirchlein sei im Chiloe-Stil erbaut worden; mangels Besuch der Insel und weiterer Kenntnisse gehen wir davon aus, daß der vorgefundene sehr schlichte innere Stil des Gebäudes einem besonderen Stil entsprechen soll. Die Plage der Pferdebremsen, die uns seit einigen Tagen begleitet, ist leider nicht auf unseren Haussee begrenzt, sondern verfolgte uns auch hier. Nachdem wir den Wagen am Ufer geparkt hatten um zum Kirchlein zu laufen, waren wir für diese Mücken Freiwild. Mit wildem Gefuchtel versuchten wir, die immer größere Zahl der Plagegeister uns vom Leib zu halten und waren froh, nach wenigen Minuten und immer schnelleren Schritten in das rettende Dunkel der Kirche zu kommen. Diese Quälgeister waren dann auch der Grund, weshalb wir sehr schnell und auf direktem Weg zurück zum Quartier fuhren, jedoch nicht, ohne vorher noch einen Blick auf den über den Fjord zu uns herüberblickenden Volcano Yates geworfen zu haben.

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Wir hatten noch längst nicht alles gesehen, was uns u.a. auch Emma und Marcelo ans Herz gelegt hatten. Deshalb stand für den 26.12. eine Fahrt zum und Wanderung am Lago todos los Santos, etwa 40 Kilometer entfernt auf dem “Programm”. Natürlich legten wir dabei auch einen kurzen Stop an den angepriesenen Wasserfällen de Petrohué ein, mussten aber feststellen, deutlich interessantere und imposantere gesehen zu haben, ohne dabei einige tausend Kilometer Richtung Iguazu zu schauen. Es war putzig zu beobachten, wie die ebenfalls den Wasserfall besichtigenden Chilenen die Gelegenheit nutzten, sich in allen möglichen Posen vor dem kleinen Gebrause abzulichten, sowohl Männer wie Frauen waren auf derartige Aufnahmen erpicht.

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In Petrohué, dem einzigen Ort am Lago todos los Santos, bestehend aus wenigen Häusern, diversen Anlegestellen für Bootsfahrten, dem Büro der CONAF sowie dem “Abfertigungsgebäude” der Seeschifffahrt – siehe folgenden Tag –, starteten wir, nachdem wir Streckeninformationen im NP-Büro der CONAF eingeholt hatten, zu einer denkwürdigen und rekordverdächtigen gut 18 Kilometerwanderung bergauf und bergab, durch Lavageröll und lange Strecke durch tiefen Lavasand und –kies am Strand in nicht ganz vier Stunden. Fazit : wenn Rekorde gegangen werden sollen, dann ist die beste Zeit zwischen Mitte Dezember bis zum 21. Januar. Warum? Ganz einfach, die bereits erwähnte Pferdebremse, sie lebt nur in dem genannten Zeitraum, hält jeden, der in dieser Zeit versucht, in der Nähe von Gewässern zu wandern, automatisch erheblich in Trab, der Schritt wird trotz der permanenten Abwehrversuche der Viecher schnell, auch sehr kraftzehrender Untergrund wird dann spielend überwunden. Zuerst schritten wir auch ungeplagt munter aus, durchliefen einen jungen Wald in Ufernähe und stiegen langsam die Flanke des Osorno bergauf, kamen in einen sehr schönen Altbestand von Alercen. Über weite Strecken war erkennbar, daß ein großer Teil unseres Weges auf einer dünnen Humusschicht und einem starken Unterbau von Lavageröll verlief. Nur kleinere Waldstücke waren in der Vergangenheit von Vulkanausbrüchen verschont geblieben. Deshalb auch in weiten Teilen ein Baumbestand, der keine hundert Jahre alt ist. Den vereinzelt auftretenden Quälgeistern schenkten wir nicht allzu viel Beachtung, im allgemeinen waren wir zwei gegen eine Bremse, was deren Exitus bedeutete. So ab Kilometer zwei, wir querten gerade ein einige hundert Meter breites Lavaflussbett, sahen wir in angemessener Entfernung einen Wanderer wilde Armbewegungen machen, dann fiel er sogar an zu laufen. Kaum hatten wir das bemerkt, hörten wir auch ein zunehmendes Summen rund um uns herum.  Hatten wir früher die Erfahrung gemacht, schwarze oder dunkle Kleidung zieht die Viecher magisch an und deshalb auf diese Bekleidung verzichtet, mussten wir jetzt feststellen, dies galt gestern, heute aber nicht mehr. Da die Bremsen meistens nur mich umschwirrten, deckte Katrin mich von hinten ab und versuchte zur Landung ansetzende Flugobjekte zu eliminieren. Trotz dieser zusätzlichen Sportübung kamen wir in normalem Tempo voran, hatten manchmal auch für einige Zeit das Glück, entweder den größten Teil der Quälgeister erlegt oder verjagt zu haben. Zur Panik bestand wenig Anlaß, wir schienen alles im Griff zu haben und hatten genug Muße, Landschaft, Wald, Berge und See in Ruhe zu genießen – zumindest auf der ersten Hälfte der Wanderung. Die Situation änderte sich dramatisch, als wir wieder in die Nähe des Sees kamen und uns der zunehmenden Angriffe der gegen uns aufgefahrenen Heerscharen erwehren mussten und erwehrten, indem wir mit einem abgerissenen Ästchen wild um uns herum wedelten. Blicke für unsere Umgebung hatten wir nur noch wenige, eher war der Blick auf den Weg gerichtet, der die Qualität eines echten Pfades hatte mit Stock und Stein. Wir nahmen zwar wahr, daß wir durch einen Wald liefen, der teilweise an einen Regenwald erinnert, durch schöne sehr tiefe Bachtäler uns kämpften, durch fehlende Bezeichnung des Weges auch in einen falschen Pfad eingebogen sind, hin und wieder einen Blick auf den See, seine verschwiegenen Strände warfen, ja sogar solche Strände besuchten – zum Glück konnte ich Katrin von einem Badeversuch abbringen, wie hätte sie anschließend herumspringen müssen, um sich die Bremsen vom Leib zu halten – aber unser größtes Augenmerk richteten wir auf die uns umschwirrenden Flugobjekte. Wenige nur brachten wir zur Strecke, es fiel kaum auf, wenn mal wieder ein Bremsenkörper tot am Boden lag, der Ersatz war bereits zur Stelle. Die Phasen, in denen wir von Angriffen verschont wurden, nahmen spürbar ab und eine Daueroffensive begann, als wir nach etwa 3 1/4 Stunden am Strand ankamen. Von da an schwirrten nach Katrins Angaben deutlich mehr als 20 Bremsen um mich herum und wir beide hatten gut zu tun, unsere Blätterwedel in Betrieb zu halten. Was anstrengender war, das um sich schlagen oder in sehr schnellem Schritt durch den Strandkies und –sand zu laufen, wissen wir nicht. Schweiß floss jedoch in erheblichem Umfang. Und dieser Strand nahm kein Ende, der ersten Bucht folgte eine weitere, und dann wieder eine und so fort. Wegmarkierungen hatten wir seit etwa der Hälfte der Strecke schmerzlich vermisst, deshalb erschien uns der Weg am Strand entlang die einzige Lösung, zum Ziel zu kommen. Wir haben es auch geschafft und – wurden nicht gestochen (die Stiche sollen mehr als unangenehm sein). Wir waren aber auch froh, als wir auf dem Parkplatz unser Auto sahen und wussten, gleich sind wir in Sicherheit. Tür aufgeschlossen, aufgerissen hineingesprungen, Tür zu, waren fast eins. Etwas tröstete uns, wir sahen auch Parkwächter auf dem Weg, die sich ebenfalls der Plagegeister erwehren mussten, also auch Einheimische werden Opfer. Wir hatten ein nicht so kleines Wanderpensum erledigt und waren auch erledigt. Irgendwie ein “ereignisreicher” und besonders aktiver Tag.

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Alle, mit denen wir über unser Ziel Lago Llanquihue sprachen, schwärmten von einer Fahrt über den Lago todos los Santos, am besten als Fährfahrt zum am östlichen Ende gelegenen Peulla. Auch Marcelo legte uns diesen Ausflug sehr ans Herz. Sollen so viele Menschen sich irren? Wir glaubten nein und fuhren am 27.12. deshalb nach Petrohué. Einen stolzen Preis (24.000 CLP, das sind mehr als 30 Euro pro Person) mussten wir für die insgesamt fast 4 Stunden Bootsfahrt bezahlen und uns dabei die Aussicht mit über 300 weiteren Fahrgästen teilen. Der Katamaran war bis auf den letzten Platz gefüllt; zahlreiche Busse hatten aus auch weiter entfernteren Städten wie Puerto Montt oder Puerto Varas hunderte Urlauber hierhin gebracht, meistens ein Ausflugspaket verkauft, das auch noch kostspielige Aktivitäten in Puella umfasste. Dieser Flecken und der Lago todos los Santos wurde vor 100 Jahren von einem Herrn Roth “entdeckt” und seitdem umfassend für den Tourismus und den Geldbeutel der Familie Roth erschlossen. Hier besitzt diese Familie nahezu alles und hat auf vieles ein Monopol. Nicht nur die einzige Fähre gehören zum Besitztum, sondern umfangreiche Ländereien, eine riesige Insel im Lago, übrigens, hier besteht ein Nationalpark (!!), in Peulla die beiden (einzigen) Hotels, die Transferrechte quer durch die Halbinsel zu einem weiteren Hafen, eine landesweit agierende  Reiseagentur, eine Adventuregesellschaft, diverse weitere Hotels, im Grunde alles, was im Rahmen einer kompletten Wertschöpfungskette im Tourismus erforderlich ist, um an jeder einzelnen Station mitverdienen zu können. Angesichts dieser großen Anhäufung von Unternehmen verwunderte dann, den renovierungsbedürftigen Zustand eines der beiden Hotels in Peulla feststellen zu müssen. Hier nagt der Zahn der Zeit beträchtlich.

Natürlich haben wir uns unsere gute Laune durch den Fährpreis nicht vermiesen lassen, dazu war viel zu viel auf der Fahrt zu sehen. Was wir am Vortag durch die Fahrt in den kleinen Fjord schon erleben konnten, wiederholte sich auch hier. Zwar stehen die Berge nicht immer ganz dicht am teilweise grünschimmernden See, aber meistens ragen sie steil aus dem Wasser heraus, sind bis zur Wasserlinie stark bewaldet. Nur sehr selten waren hier und da kleine Häuser in Ufernähe zu sehen, alle nur über den See zu erreichen, denn Straßen oder Pisten gibt es östlich von Petrohué am See entlang nicht. Transfers von Personen erfolgen deshalb auch in der Regel in der Form, daß die Fähre auf dem See kurz anhält, um den Passagier von einem kleinen Boot zu übernehmen und nach Peulla oder Petrohué mitzunehmen. Ein Leben in nahezu völliger Abgeschiedenheit; in dieser Zeit dürften die Bremsen dann für die beste Unterhaltung sorgen. Während der Fahrt konnten wir immer wieder in den einen oder anderen der zahlreichen Seitenarme des Lagos hineinblicken und erkennen, welch große Ausdehnung er besitzt. Unsere Fährfahrt, bei der der See in seiner Länge durchmessen wurde, erstreckte sich über 20sm, das sind rund 32 Kilometer. Natürlich begleitete uns auch hier der Volcano Osorno, aber nicht nur er, sondern auch andere Vulkane waren während unserer Fahrt zu erkennen, wie z.B. der sehr spitz zulaufende Volcano Puntiagudo oder der Grenzvulkan  Monte Tronador mit seinen 3.451m und seinen Gletscherfeldern. Nicht jede Minute konnte man Neues entdecken beim Rundumblick, aber diese ruhig daliegende Natur beeindruckte. In Peulla angelandet hatten wir gut 3 Stunden “zur freien Verfügung”; gerne hätten wir die Pause auch zu einer kleinen Wanderung in das Tal des Rio Puella genutzt. Der Empfang durch eine Armada von Bremsen veranlasste uns aber, im Restaurant Zuflucht zu suchen – einen Gewaltmarsch wie gestern wollten wir heute nicht wiederholen. Mit uns verließen auch einige Reisende das Boot, um per Bus und anschließenden Bootsfahrten nach Argentinien weiter zu reisen mit Zielort Bariloche. Auch hier der gesamte Transportprozess in der Hand von Unternehmen der Familie Roth. In einer schönen spätnachmittäglichen Stimmung ging es dann über den See zurück nach Petrohué.

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Das war dann unser letzter Ausflug von unserem Standort La Posada del Colono aus, ein rundum gelungener Tag.

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