Auf der Carretera Austral – nur im Geiste auf den Spuren von Bruce Chatwin Teil 1 : Futaleufú–Coyhaique

In unruhigen Schlafphasen während der Nacht vernahmen wir immer noch heftigen Regen. Um so erfreulicher am frühen Morgen gegen 6 Uhr, keine Tropfengeräusche mehr zu hören, der Himmel war zwar sehr wolkig, aber ab und zu schien gegen 8 Uhr auch Blau durch. Also bestand Hoffnung entweder auf eine Fahrt ohne permanenten Regen nach Chaitén oder eine Raftingfahrt ohne zusätzliche Duschen von oben. Lust zu raften hatte uns auch die Auskunft in der Agentur gemacht, daß es sich nicht um eine Kaffeefahrt handeln würde, sondern der Fluß in dem Bereich, den wir befahren würden,  Schwierigkeitsstufe 4plus aufweist, da einige Stellen mit 5 bewertet würden. Und von unserer “Gastmutter” erfuhren wir beim Frühstück darüber hinaus, auf dem Rio Futaleufú würde im kommenden Jahr die Weltmeisterschaft im Raften ausgerichtet werden – wenn das nicht für die Qualität spricht! Also warteten wir, saßen praktisch auf gepacktem Rucksack und hofften auf einen Anruf der Agentur. Leider blieb dieser aus und wir machten uns auf den Weg. Natürlich nicht ohne, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, der Agentur einen letzten Besuch mit Nachfrage abzustatten. Leider ohne das von uns erhoffte Ergebnis.

Um 10:15 am 24.11. begann dann unsere Anfahrt zur und Fahrt auf der berühmt berüchtigten Carretera Austral. Über eine Fahrt auf dieser Strecke sind bereits meterweise Berichte geschrieben worden, jeder mit und aus einer anderen Perspektive, der eine nüchtern und sachlich, andere wiederum stark romantisierend – hängt wohl vom Zeitpunkt der persönlichen “Eroberung” dieser Straße und Patagoniens ab –, und dann sind noch die echten Schriftsteller am Werk gewesen, wie z.B. der “Reiseschriftsteller” Bruce Chatwin. Er hat sicherlich manchen der diese Straße in Angriff nehmenden Nachreisenden inspiriert, obgleich das Reisen zum heutigen Zeitpunkt ziemlich unbeschwert erfolgen kann. Schauen wir mal, wie es uns so ergeht; allen denjenigen, die mehr Literarisches wünschen, sei Chatwin ans Herz gelegt.

Wir hatten uns vorgenommen, “unseren” Rio während der Fahrt unter die Lupe zu nehmen um besser ermessen zu können, was uns entgangen war. Hätten wir doch vorbeigeblickt, denn was wir sahen machte den “Verlust” nur noch größer. Der Rio Futaleufú war nur so gespickt mit langen Stromschnellen, sich verengendem Flußlauf, Felsen im Bett, also die besten Voraussetzungen für eine lebhafte Fahrt. Und die wäre noch in einem Tal verlaufen, bei dem die steilen Felswände oft sich direkt aus dem Flußbett oder unmittelbar daneben erhoben. Was wäre das für ein Blick in den Himmel gewesen, wenn man überhaupt zum Hochblicken Zeit gehabt hätte! Es sollte nicht sein, die Autofahrt entlang des Flusses, mal nah, mal weiter entfernt, war nie langweilig.

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Es war Sonntag, und der Verkehr auf den 80 Kilometern hin zur Carretera Austral war mehr als gering, wir zählten in den zwei Stunden, die wir uns hierfür Zeit ließen vier (!) Fahrzeuge (und drei Tramperinnen, denen wir aber nicht helfen konnten). Das am Morgen noch so freundliche Wetter entwickelte sich im Verlaufe des Tages zu einem typischen Maiwetter, d.h. es gab immer wieder kurze heftige Schauer, dann wurde es wieder hell, manchmal war sogar die Sonne zu sehen. Auf regennasser eingeseifter Erd-/Schotterstraße zu  fahren macht nur begrenzt Spaß, denn Seife auf der Straße heißt auch man gleitet so schön durch die Kurven, nicht immer so, wie gewünscht. Im Grunde ein Vorgeschmack auf die Carretera, denn auch dort sollte man sehr konzentriert fahren.

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Die Landschaft wirkte deutlich rauer als die vorher durchquerten. Die Berghänge waren vom Tal ab soweit wie möglich stark bewaldet, die Flächen im Tal hingegen weitgehend gerodet; ab und zu blieben vereinzelte Baumbestände erhalten, der Rest der Fläche dient als Weidefläche. Oft wurden die gefällten Baumriesen nur in Teilen zersägt und auf dem Gelände ihrer Verrottung überlassen, eine “Beräumung” der Felder fand wohl nur selten statt – Land schien genug dazu sein, um sich diese Arbeit ersparen zu können?! Die gesehenen kleinen Höfe und ihr äußeres Erscheinungsbild zeugten jedoch in manchen Fällen nicht von besonderem Reichtum unter ihrem Dach, sondern ließ  ein eher sehr bescheidenes Leben erwarten.

Und wieder lag ein See an unserer Fahrstrecke, an dem sich einige Begüterte ganz schöne und große Domizile haben errichten lassen, der Lago Yelcho, ein auch von Anglern stark frequentiertes Gewässer. Und nicht nur Angler nutzen den Fischreichtum, sondern auch kommerziell wird der See ausgebeutet, und zwar durch eine Fischfarm. Wir hatten gelesen, daß durch die zahlreichen Fischfarmen, meistens Lachs, in den nördlicheren Seen der chilenischen Seenlandschaft Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung entstanden sind (u.a. auf Grund es Antibiotikaeinsatzes), dies scheint aber keine Rolle zu spielen, der Fischindustrie in dieser Form enge Manschetten anzulegen.

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Und endlich war sie erreicht, die viel beschriebene Carretera – und sie war völlig unspektakulär. Kein besonderer Hinweis, einfach nur ein Schild rechts nach Chaitén, links nach La Junta. Und von einer engen Straße nichts zu sehen, breit war sie, so breit, daß wir das Gefühl hatten, hier könnten drei LKWs nebeneinander fahren. Dieses Bild war nicht von allzu langer Dauer, es gab auch lange Passagen, an denen es deutlich enger war. Angesichts des äußerst geringen Verkehrs – lag es am Wochentag, dem Sonntag? – hätte ohne weiteres auch eine Spur gereicht. Meine Praxis, auf den entlegenen Strecken, die nur von wenigen befahren werden, den Entgegenkommenden mit Handzeichen zu begrüßen, habe ich auch auf der Carretera beibehalten und bin damit, wie ich dann gelesen haben, einem nahezu ungeschriebenen Gesetz unbewußt gefolgt. Man grüßt den Entgegenkommenden z.B. durch Anheben des Zeigefinder der linken Hand vom Lenkrad – das will gelernt sein! und immer wird zurück gegrüßt, fast wie in einer Familie kommt man sich vor. Offensichtlich ist die Zahl der diese Piste unter die Pneus Nehmenden doch überschaubar.

Auf unserem Besuchsprogramm für heute stand der Parque Pumalín, ein riesiger privater Park in einer Größe von 550.000 Hektar, der für Jedermann zugänglich ist. Er erstreckt sich entlang der chilenisch-argentinischen Grenze und umfasst riesige schützenswerte Wälder, Seen und natürlich eine Vielzahl von Vulkanen und Bergen. Der ehemalige Eigentümer von North Face, Douglas Tompkins, hat hier sein Vermögen eingesetzt und will der Gesellschaft, die ihm diesen Reichtum ermöglicht hat, etwas oder sogar vieles zurück geben, denn das Besitztum geht nach seinem Tod in eine Stiftung über die dem Zweck dient, dieses Areal als Naturpark für die Nachwelt zu erhalten. Wir kamen an dem südlichen Parkeingang in El Amarillo vorbei und bogen ein. Leider war von dem in den Reiseführern erwähnten Besucherzentrum (noch) nichts zu sehen, deshalb Einfahrt ohne Karte und Hinweise, wo denn gewandert werden könnte. Die Karte war entbehrlich, denn man konnte nur einem schmalen Schottersträßchen folgen. Der Ausblick war dann auch immer so interessant, so daß man unwillkürlich ein niedriges Tempo fuhr. Entlang der Streckenführung war der Park fast wie ein englischer Park angelegt mit gemähten Rasenflächen, großen Gehölzen zwischendrin, manchmal einige blühende Sträucher, mal offen gestaltet, mal verengte sich das gemähte Feld und dahinter entwickelte sich dann der Wald ohne Eingriffe. Der Blick des Betrachters wurde gelenkt und ihm wurde auch die Möglichkeit gegeben, den Park und seine Baumbestände quasi in der dritten Dimension zu sehen. Eine schöne Rundfahrt, die leider nur insgesamt gut 15 Kilometer lang war. An alles war gedacht worden, selbst für die Camper waren gesonderte Flächen ausgewiesen und Sanitäranlagen errichtet, zu kostenlosen Benutzung bereit gestellt, aber heute noch von keinem benutzt. Mangels Wanderkarten fiel dann unser Bedürfnis, uns die Beine etwas zu vertreten, ins Wasser und wir kamen am frühen Nachmitttag bereits in Chaitén an.

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Aber nicht ohne vorher nach Chaitén Viejo gefahren zu sein. Und das kam so : ich erinnerte mich gelesen zu haben, daß nachdem durch den Vulkanausbruch des Vulcano Chaitén sowie durch den dadurch über seine Ufer getretenen Rio Blanco 2008 die Stadt zu großen Teilen zerstört und die Menschen evakuiert werden mussten staatlicherseits ein Neuaufbau der Stadt gut 10 Kilometer weiter nördlich und weiter entfernt vom Vulkan angestrebt worden war. So ging ich davon aus, daß es sich bei dem auf der Straßenkarte mit Chaitén bezeichneten Ort um den Neuen handelt, folglich musste Chaitén Viejo der zerstörte Ort sein. Ich irrte, wie mir nach 8 Kilometer Fahrt abseits der Strecke klar wurde, als ich am Ufer des Rio Blanco stand; hierhin verirren sich erkennbar nur Angler.

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Chaitén ist nach wie vor eine stark zerstörte Stadt, in die  inzwischen aber eine große Zahl der früher Geflohenen in ihre Häuser zurückgekehrt ist und diese wieder reparieren, wenn es denn überhaupt möglich ist. Festzustellen ist aber auch, wie viele Objekte nach wie vor leer stehen und ihrem Verfall entgegen sehen. An manchen dieser leerstehenden Objekte klebt ein Hinweis, der auf einen staatlichen Eigentümer hinweist, offensichtlich über Entschädigungszahlungen in die Hand des Staates gelangt. Und der  unternimmt erkennbar nichts, die Objekte nicht verfallen zu lassen. Die Stadt sieht deshalb äußerst trist aus; staatliche Organe haben zwar ihre Präsenz sichtbar gemacht durch den Neubau diverser Verwaltungsgebäude, aber das hat nicht gerade zu einer lebensfrohen und pulsierenden Gemeinde geführt. Kritiker bemerken, dies sei auch vorher nicht der Fall gewesen. Im Grunde ist Chaitén auch nur Hafen für die von Chiloe anlandende Fähre und für die Reisenden auf der Carretera Austral eine reine Durchgangsstation. Dies gilt auch für uns, denn wir werden Morgen wieder gen Süden fahren.

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Bei unserem Rundgang durch die Gemeinde, nachdem wir erfahren hatten, in welcher Richtung der Vulcano Chaitén liegt, der das Unglück über die Stadt gebracht hat, hielten wir am Abend die Augen besonders offen. Es war zwar stärker bewölkt, jedoch war die Sicht so gut, um den Vulkan – alt – und seinen – neuen – Nebenkrater identifizieren zu können. Im Grunde, wenn man die Richtung richtig wählte, kein Problem, denn aus beiden Kratern stieg weißer Dampf auf, der sich von Gestalt und Farbe deutlich von den umliegenden Wolken unterschied. Also muß immer mit einer neuen “Überraschung” vom Berg gerechnet werden. Am nächsten Morgen und strahlendblauem Himmel waren die Dampfwolken noch deutlicher auszumachen.

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Den heutigen 25.11. müssen wir den Radfahrern widmen. Haben wir vor Hochachtung schon in nördlicheren Breitengraden eine tiefe Verbeugung vor den reisenden Radfahrern gemacht, so gilt unsere Bewunderung um so mehr denjenigen unter dieser besonderen Spezies, die versuchen, die Carretera Austral zu bewältigen. Die Carretera Austral ist nicht irgend eine Straße, sondern die Schotterpiste unter den Pisten, ein stetiges auf und ab, Wind und davon nicht zu knapp, oft wechselndes Wetter und ursprünglich eine vergleichsweise schmale Fahrbahn, die die LKWs mit großer Freude für sich beanspruchen. Die Carretera Austral soll gut 1.200 Kilometer lang sein, eine wahre Herausforderung für jeden, der sie befährt, aber im besonderen für den Radfahrer. Wir haben ja schon den einen oder anderen Radfahrer getroffen, meistens waren sie zu zweit unterwegs, selten als Einzelkämpfer. Und einen solchen nahmen wir etwa 140 Kilometer südlich von Chaitén in einem wüsten Straßenbauabschnitt mit gröbster Schotterpiste wahr, wie er im fast kleinsten Gang sich mühte, im Schotter eine kleinere Steigung zu einer Behelfsbrücke hinaufzufahren. Ist das ohne Gepäck schon eine Quälerei, muß man wohl Masochist sein, dies mit vollen Packtaschen vorne und hinten am Rad anzugehen. Was treibt einen, dazu noch im Alleingang, diese Strecke per Rad zu bewältigen? Es gibt viele mögliche Antworten, gleich aus welchen Beweggründen die Tour begonnen wurde, ist sie beendet, hat man nicht nur einen Teil Patagoniens sehr intensiv erlebt, sondern wahrscheinlich sich selbst auch besser kennen gelernt.

Wir hatten uns als Tagesziel den an einem Fjord gelegenen Ort Puerto Puyuhuapi ausgesucht, nur gut 220 Kilometer südlich von Chaitén gelegen, also eine Strecke, die Freiraum und –zeit für Aktivitäten lässt. Gestern hatten wir im Parque Pumalin nur den Rundweg im südlichen Bereich bei El Amarillo befahren und keine Gelegenheit gehabt, den Park bzw. einen winzigen Teil auch zu Fuß besser kennenzulernen. Am Vorabend hatten wir etwas von einem Sendero Ranita de Darwin (ein nach Darwin benannter sehr seltener Frosch steckt hinter dem Namen) gelesen, diesen wollten wir begehen. Morgens gegen 10:00 Uhr waren wir am Startpunkt für die kurze 1 1/2-stündige Wanderung und machten uns auf den Weg. Offensichtlich hatte in dieser Saison noch niemand den Weg begangen, denn er war an vielen Stellen ziemlich zugewachsen. Wir mussten uns immer wieder zwischen Büschen hindurchwinden, über umgefallene Baumstämme hinwegsteigen. Da schon nach etwa 50 Metern der Weg wie zugewachsen war ist nicht auszuschließen, daß andere Wanderfreunde bereits an dieser Stelle umgekehrt sind. Abgesehen von diesen erschwerten Wanderbedingungen waren es schöne 1 1/2 Stunden im Wald. Wir wurden durch einen echten Urwald geleitet, über uns immer wieder Baumriesen verschiedenster Art, meistens so groß gewachsen, daß sie mit normalen Mitteln nicht zu fotografieren waren. Die große Feuchtigkeit ist idealer Nährboden für Farne und andere Epophyten, Baumstämme moosbewachsen, soweit man sehen kann, und dazwischen, mal groß, mal klein, die Nalcas, der Regenschirm des kleinen Mannes, denn oft erreichen seine Blätter einen Durchmesser, um als Regenschirm eingesetzt zu werden. Phasenweise war der Wald gelichtet, hatte man Sicht auf die umliegenden Vulkane wie den Vulcano Michinmahuida (rund 2.400m) mit seiner Eis- und Schneekappe, dann galt es wieder im Dämmerlicht des dichten Urwaldes zu gehen. Aussichtspunkte ergänzten den Rundweg, von wo aus ein Weitblick in die grüne Berglandschaft möglich war. Wieder einmal eine kleine Wanderung, die richtig Spaß gemacht hat, ruhig fast still war es dabei um uns herum, nur manchmal konnten wir Vogelgezwitscher hören, im Grunde eine Stimmung, die man bewahren möchte.

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Auch dieser Park hat unter dem Ausbruch des Vulcano Chaitén 2008 sehr gelitten; es waren umfangreiche Aufräumarbeiten erforderlich. Dies ist offensichtlich der Grund, weshalb zwar am Nordeingang ein Besucherzentrum mit Informationsmöglichkeiten geschaffen worden ist, hier am Südeingang die Gebäude stehen, aber noch nicht in Betrieb genommen wurden. Hinweisschilder über die möglichen Treckingpfade durch den Wald fehlen ebenso, wie Erläuterungen z.B. zu den auf unserem Weg angebrachten Tafeln, denn mit ihrer Hilfe sollte der Wanderer in die Geheimnisse dieses Waldes eingeweiht werden. Schade, denn der Nutzwert für uns wie auch andere Besucher wäre größer.

Diese kurze Wanderung war nur die Einstimmung auf die dann folgende Fahrt auf der Carretera Austral die damit endete, daß wir auch in einer “Hospedaje Carretera Austral” in Puerto Puyuhuapi übernachten. In Chile ist eine Straßenbauwut ausgebrochen – auf einem etwa 140 Kilometer langen Stück unserer Tagesstrecke wurde die Carretera “modernisiert”, d.h. deutlich verbreitert, neue Brücken gebaut, Stützwände neu verbaut, die Fahrbahn neu geschottert, verdichtet etc. um, so sahen wir es kurz vor unserem Tagesziel, dann mit einer Asphaltdecke versehen zu werden. Dann ist sie hin die Romantik einer Fahrt über die Carretera Austral, denn dann ist es eine Straße wie jede andere, ohne besondere Ansprüche, einzig die sie umgebende Landschaft macht sie noch zu etwas Besonderem. Für uns hieß das noch langsameres Fahren, deutlich schlechtere Straßenverhältnisse als erwartet, da die Baufahrzeuge die Schotterdecke stark beanspruchen, häufiges Warten an Engpassstellen durch die Bauarbeiten, zahlreiche Umleitungen über Behelfswege. Bleibt abzuwarten, ob auch weiter im Süden dieses Bauvorhaben fortgesetzt wird. Angesichts der geringen Bevölkerungsdichte wie auch des geringen Verkehrs- und Transportaufkommens – die nicht mit dem Bau in Zusammenhang zu bringenden Fahrzeuge summieren sich über den ganzen Tag auf knapp 10 – stellt sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn der Baumaßnahme.

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Abgesehen von den Straßenbauarbeiten war die Fahrt ein Genuß. Leider erforderte die Straße große Aufmerksamkeit, so daß ich nicht immer genau wahrnehmen konnte, was da so an Bergwelt und Wäldern links und recht auftauchte, in der Ferne sichtbar war. Aber das, was wir sahen – auch Katrin sah mehr auf die Straße als nach rechts und links – war beeindruckend. Zum einen erfreute es immer wieder, wenn die Berge oben noch einen weißen Schneeumhang als Folge des Schneefalls der letzten Tage aufwiesen, aber noch imponierender waren die Blicke auf die diversen Gletscher entlang unserer Strecke. Das beginnt mit dem Überqueren der für hiesige Verhältnisse großen Hängebrücke über den Rio Yelcho, denn im Anschluß sieht man rechter Hand eine vergletscherte Bergkette, wenige Kilometer später dann an einer Brücke eine tolle Sicht auf den Gletscher Ventisquero Yelcho, der blau leuchtet. Nach kurzer Beratung verzichteten wir auf die dreistündige Wanderung hin zum Gletscher, werden wir ja noch viele andere auf unserer Fahrt aus der Nähe sehen können. Und wie zum Beweis, verfolgten uns auch in der nächsten Fahrstunde die vergletscherten Berge.

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Gut 120 Kilometer hinter Chaitén begann die Landschaft sich zu ändern. Das Tal, durch das wir fuhren, weitete sich deutlich, die gerodeten Flächen waren nicht zu übersehen, Landwirtschaft wurde, wenn auch in bescheidenem Umfang betrieben. Kein Wunder, denn bald darauf erreichten wir den Ort La Junta, eine Ortsgründung deutscher Auswanderer in den 20-40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die hier die Landwirtschaft so gut es ging “etablierten”.

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Aber dieser Wechsel der Landschaft war nur ein kurzes Intermezzo, denn bald fuhren wir wieder auf einer, leider verbreiterten, Schneise durch den Wald, eingerahmt von Bergzügen, die aber unserer Einschätzung nach so langsam auch an Höhe verloren. Die Fahrt zog sich, Aufatmen, als wir dann den Lago Risopatrón erblickten – dann kann das Ziel nicht weit sein. Unser Ziel, Puerto Puyuhuapi, liegt am Ende eines Fjordes oder Sundes, denn der Seno Ventisquero ist mit dem Meer verbunden, zwar erst nach etlichen 10 Kilometern, aber verbunden. Wer es nicht weiß, die auf dem Strand weit weg vom Ufer liegenden Fischerboote zeigen, daß ein Tidenhub besteht, und somit Meerverbindung. Der Ort teilweise Fischerort, teilweise nicht definierbar, teilweise vom durchreisenden Tourismus abhängig, teilweise – von was lebt man hier eigentlich? Reichtümer besitzen die Menschen nicht, wohnen anscheinend überwiegend in einer häufig sehr dürftigen Behausung auf eigener Scholle, aber Zustand des Hauses und des Umfeldes erlauben diesen Rückschluß wohl. Auffallend sind die niedrigen einfachen Holzhäuser, die teilweise wie hingeduckt wirken. Und auf Wachstum ist der Ort sicher auch nicht ausgerichtet, die nennenswerte Zahl leerstehender und verfallender Objekte auch in der Nähe des Ortskerns entspricht dieser Vermutung. Aber die wahrgenommenen Lebensumstände sollten auf keinen Fall mit dem Gemüts- und Glückszustand der Menschen gleichgesetzt werden. Freundlich sind sie allemal uns gegenüber. Wie heißt es in den Reiseführern über die Menschen in Patagonien : hartes Leben, keine Reichtümer, eher das Gegenteil, Armenhaus der Nation, unterstützungsbedürftig, aber glücklich sollen sie sein, die Siedler in Patagonien.

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Was uns seit langem aufgefallen ist – in argentinischen wie auch chilenischen Familien gibt es einen Dauergast, der zudem auch immer dazwischenredet : der Fernseher. Sind wir es inzwischen gewohnt, daß in Restaurant, Geschäften etc. mindestens ein Exemplar irgendwo in der Ecke steht, an der Wand hängt und pausenlos jeden, der in der Nähe ist, mit seinen ständigen Telenovelas “beglückt” –  welch eine Freude, wenn man im Restaurant sitzt und miteinander reden möchte, dabei aber von der laufenden Sportübertragung übertönt wird – , die Dauerberieselung in jeder Wohnstube ist für uns eine neue Kulturerfahrung. Obgleich, auch in deutschen Familien hat dieser Gast, leider, schön häufig Gastrecht erhalten. Permanent auf Sendung, obgleich die sich im Raum befindenden Menschen gar nicht auf Empfang geschaltet haben, sondern vor dem Fernseher sitzend sich mit ihren Handys beschäftigen, Spiele spielen, simsen; der Fernseher läuft halt, wie auch ein Bild an der Wand hängt, der Lärmpegel gehört irgendwie mit zum Leben in der Stube. Wie wohltuend dann, wenn wir den Raum verlassen und uns draußen bewegen, wie schön ruhig ist es im Wald!

Wie Katrin heute Morgen bemerkte, unser Gasthaus besitzt die Einemilliondollar Aussicht, denn von unserem Aufenthaltsraum im Obergeschoss liegt der Seno Ventisquero direkt in unserem Blickfeld, und im Hintergrund in weiter Ferne, jenseits des Sunds gelegen, ragt ein schnee- (oder vielleicht auch eis-)bedeckter Vulkankegel in den Himmel, glatte Wasserfläche auf dem Sund, und dazu Sonnenschein. Was will man mehr, um Zufriedenheit zu verspüren? Also, dieser 26.11. ließ sich toll an.

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Unsere heutige Tagesetappe sollte nach Coyhaique führen; in dem am Wege liegenden NP Queulat wollten wir eine kleine 2-3stündige Wanderung hin zu einem Aussichtspunkt zum Ventisquero Gigante, dem hängenden Gletscher, machen. Der Parkeingang liegt etwa 20 Kilometer südlich von Puerto Puyuhuapi. Aber bis wir dort ankamen, wurden wir von der schönen Landschaft ein ums andere Mal beeindruckt. Unsere Straße verlief an der östlichen Sundseite direkt entlang steil aufragender Felsen, führte uns ständig um  Vorsprünge herum und eröffnete uns immer wieder neue Aussichten. “Muy lindo” oder wunderschön oder atemberaubend prächtig, so schön war es noch nirgendwo – keine Aussagen von mir, sondern von Katrin, die sonst doch immer skeptisch, ja kritisch Patagonien gegenüber stand. Bislang war dieser Teil Südamerikas bei ihr mit Negativassoziationen belegt wie : ständig starker Wind, der einen beim Wandern um einen Meter versetzt, schlechtes Wetter, fast nur Regen, mehr als saukalt, da reichen meine warmen Sachen nicht aus, langweilig und öde. Es freut, nach einigen Reisetagen durch diese Region, die insbesondere auf meinem Reisewunschzettel stand, auch von Katrin diese positive Rückmeldung zu erhalten. Und sie hatte recht, denn der spiegelglatte See zur Rechten, die entfernten Bergzüge, die bunten kleinen Blumen und Sträucher am Rande, der strahlende fast wolkenlose Himmel konnten einen schon in Hochstimmung versetzen.

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Gegen 11:00 Uhr kamen wir am Parkeingang an, wurden mit unseren Daten erfasst, profitierten wieder einmal von unserem Jahrespass der CONAF, der uns kostenfreien Zugang zu fast allen NPs ermöglicht, und konnten uns auf den Weg machen. Zuerst ging es zu einem in der Nähe des Parkplatzes liegenden kleinen Aussichtspunkt mit Blick auf die Laguna Témpanos und den vom Gletscher herabstürzenden hohen Wasserfall, dann zurück und in zügigem Tempo über eine schmale Hängebrücke auf die andere Seite des Rio Ventisquero und durch den Wald bergan, bis uns eine Aussichtsplattform den weiteren Weg versperrte. Der durcheilte Wald war Urwald im reinsten Sinne, und nach unserer Wahrnehmung zudem Regenwald; die Baumstämme in großem Maße bemoost, Farne ohne Ende zu sehen, hohe Luftfeuchtigkeit und über 3.000mm Regen soll hier pro qm im Jahr fallen. Da lag er dann vor uns, der Gletscher, geschätzt 2 Kilometer Luftlinie entfernt – näher kommt man ihm nicht. Uns reichte es und so saßen wir auf dem Bänkchen und schauten minutenlang hinüber – warteten wir auf einen Abbruch des Gletschereises? Soll ja vorkommen! Es war imposant, wie der Gletscher sich in das v-förmige Tal hineinpresst, obgleich, der Gletscher und seine Bewegungen sind doch Ursache für diese Ausbildung des Tales. Auch von weitem konnte man hervorragend die Zerklüftung des Gletschers erkennen, glauben, er habe eine ins blau tendierende Farbe, was wohl eher auf den Lichteinfall zurückzuführen ist. Der aus dem Gletscher herausschießende Wasserfall war einer der größten, den wir auf unserer Reise bisher gesehen hatten; in hohem Bogen stürzte das Wasser hunderte (?) Meter nach unten.

Waren wir anfangs fast alleine auf der Plattform, mit uns saßen zwei Chilenen fotografierend dort, trafen dann nach und nach Teilnehmer einer Fotoreise ein. Wir hatten diese Gruppe von etwa 15 Personen im ersten Drittel der Strecke überholt; nun, eine halbe Stunde nach uns, trafen die ersten 5 Teilnehmer ein, weitere folgten in großen Zeitabständen. Und plötzlich ein Aufruhr und alle verfügbaren Linsen wurden in Betrieb genommen – ein kleiner Vogel war uns relativ nahe gekommen und sprang in dem Geäst um die Plattform herum. Wie beweglich die Fotografen doch waren, mussten sie doch ständig ihre Position wechseln. Irgendwann hatte der Vogel ein Einsehen und verdrückte sich. Nun galt es für die Fotografen, sich dem Gletscher zuzuwenden. Sie hatten ihre Stative noch gar nicht fertig aufgebaut, als plötzlich ein enormes Knacken zu hören war und alle glaubten, daß jetzt ein Eisbrocken in die Tiefe stürzen würde – und nichts Bemerkenswertes geschah, auch nicht nach weiteren knallenden Geräuschen.Wir warteten sicherlich noch zehn Minuten, doch der Gletscher wollte sich nicht von einem kleinen Teil seines Eises trennen. So ließen wir dann die Fotografengruppe in ihrer halbgebückten und angespannten Haltung, wartend auf das Ereignis, zurück, begannen mit dem Rückmarsch und weiter ging es dann um 14:00 Uhr.

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Auch die nächste gute Stunde kamen wir aus dem Staunen über die unheimlich schöne und beeindruckende Landschaft nicht heraus. Das war Patagonien! Steile stark bewaldete Berge, wir fahren unten im schmalen Tal und wenn der Blick nach oben ging, konnten wir immer wieder neben den “nur” schneebedeckten höheren Bergkuppen und –ketten auch Gletscherflächen hochoben entdecken, an einem stark strömenden Fluß entlangzufahren, an dessen Ufer Unmengen von Treibholz sich verkeilt hat, kleine Seen zu passieren, die ganz ruhig daliegen und warten, wachgeküsst zu werden – so gab es immer wieder Anlaß, anzuhalten und zu staunen. Man kann das Bild und die empfangenen Eindrücke nicht bzw. kaum beschreiben, man muß es gesehen haben.

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Die uns durch die Straßenverhältnisse “aufgezwungene” temporeduzierte Fahrweise kam uns beim Betrachten der Landschaft sehr entgegen, obgleich, wenn nach einer Stunde ein Zwischenfazit gezogen wurde, 35 Kilometer Streckengewinn waren wirklich wenig. Die Carretera ist halt eine Straße, zumindest in dem gerade durchfahrenen Bereich, die sich streckenweise durch eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern auszeichnet. Diese wollen vermieden werden, was aber oft überhaupt nicht gelingt; so fährt man geschüttelt und gerüttelt mit 40kmh voran, ist immer wieder, wenn sich Krater vor einem auftun, zu einer Art Notbremsung gezwungen, um dann bis zum nächsten Zwangsstop Fahrt aufzunehmen. Hier kann man auch die oft beschriebene Solidarität der Carreterafahrer verstehen; es gilt das ungeschriebene Gesetz anzuhalten und zu helfen, wenn man einen Fahrer in Not sieht, denn starker Verkehr besteht auch auf unserem Teilabschnitt nicht. Der Blick auf die Uhr und auf die noch vor uns liegende Strecke ließ übles erahnen, denn bei diesem Tempo würden wir für die ab NP Queulat bis nach Coyhaique gezählten noch 200 Kilometer locker insgesamt 6 Stunden brauchen, also fast in der Dunkelheit ankommen! Doch dann mussten wir feststellen, daß die Carretera Austral zumindest in Teilabschnitten auch nicht mehr das ist, wofür sie besungen und oft beschrieben wird. Plötzlich lag vor uns zuerst ein Asphaltband, das dann von einem Betonband abgelöst wurde. Die letzten 130 Kilometer bis zum Ziel konnten wir nur so vor uns hin schnurren, natürlich nicht ohne die, nach Katrins Auffassung zu häufigen Stops, um die Landschaft in sich aufzunehmen.

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Die patagonische Landschaft ist nicht eintönig, sondern abwechslungsreich. Immer wieder durchfährt man eine sprichwörtliche Wildnis von der es heißt, daß die umliegenden Wälder im Grunde noch von niemandem so richtig erforscht seien. Durchfährt man die engeren Täler, in denen kaum ein Mensch lebt, kann man sich die Lebensbedingungen der Siedler gut vorstellen. Die sind auch in den leichter urbar zu machenden breiteren Talabschnitten nicht besonders gut, wie z.B. die Art zu pflügen uns zeigte. Zwei Kühe waren vor einen einfachen Pflug gespannt und zu zweit bemühte man sich, die Scholle zu pflügen. Im Hintergrund stand in Pickup vor den bescheidenen Holzhütten, aber alles Sichtbare zeugte von einem kargen und harten Leben in dieser Region. Und über weite Strecken war auch sichtbar, wie in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Land “urbar” gemacht wurde : oft durch Brandrodung; die dann noch übriggebliebenen Baumriesen wurden dann gefällt, manchmal sogar auch noch zersägt um anschließend dem Vermoderungsprozeß anheim gegeben zu werden. Überall auf den Wiesen lagen noch große Baumleichen, manchmal hatte man sich auch bemüht, die Holzreste anzuhäufen. Auf den so be-/gereinigten Weideflächen graste dann oft eine überschaubare Anzahl von Rindviechern, meistens Bullen, seltener waren Milchkühe zu sehen.

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Es gibt auch Regionen entlang der Strecke, in denen die ordnende (!?) Hand der Siedler äußerst erfolgreich war, die Weideflächen fast schon argentinische Dimensionen annehmen, wie z.B. bei Villa Manihuales.

Dann blickten wir in das Tal des Rio Simpson und des Rio Coyhaiqe, die bei Coyhaique unterhalb großer rötlich schimmernder Tafelberge, die die Landschaft beherrschen, zusammenfließen. Der Ort ist mit seinen mehr als 50.000 Einwohnern der größte Patagoniens und ständig ziehen immer noch Menschen aus dem Süden hierher, entvölkern das Hinterland, gehen dorthin, wo die Lebensbedingungen besser sind. Wenn man, wie wir hörten, 150 Kilometer anreist, um einen Zahnarzttermin wahrzunehmen und deshalb natürlich auch hier im Ort übernachten muß, spricht das Bände über die Bevölkerungsdichte einerseits und die Versorgung mit wichtigen Leistungen in der Fläche andererseits. Coyhaique ist für uns nur Durchgangsstation in den Süden und eine der wenigen Möglichkeiten, unserem Wiesel den dringend erforderlichen Ölwechsel zu verschaffen.

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Spät in Coyhaique angekommen gestaltete sich die Quartiersuche als nicht problemlos; alle präferierten Hostels waren “fully booked”, die dann gewählte Notlösung war wirklich nur eine Notlösung und wir flüchteten am nächsten Morgen. Grund : in unserem Zimmer hielt sich auch nach Dauerlüften über 12 Stunden ein u.U. Gasgeruch, der Übelkeit verursachte. Das dann für die Folgenacht aufgetane Quartier “Hostal Patagonia” mit deutschen Betreibern war ein Glücksgriff, wo wir dann zu unserer Überraschung auch unsere Schweizer Reisepartner Lukas und Sabina trafen. Wir hatten uns über die vergangenen vier Wochen viel zu erzählen und, wie der Zufall es wohl will, werden uns in Argentinien im Bereich El Chalten oder Calafate treffen (müssen), denn Lukas hat im Hostal in der Eile des Aufbruchs am Nachmittag seine sündhaft teure Regenjacke liegen gelassen, die  nun mit uns gemeinsam den Weg Richtung Argentinien nimmt.

Der 27.11. war dann quasi ein Ruhetag, wenn nicht sooooo viel zu erledigen gewesen wäre, z.B. sich nach drei Monaten wieder einmal die Haare schneiden zu lassen.

Etwas muß erneut herausgestrichen werden : das Reisen macht nicht nur Freude, weil neue Erfahrungen gewonnen, andere Länder und Kulturkreise kennengelernt werden können, Reisen macht vor allem auch wegen der zahlreichen netten Begegnungen viel Freude. Es ist die Gelegenheit, Menschen aus vielen Ländern persönlich ein klein bischen kennen zu lernen; oft umgibt einen dann ein internationales Sprachgewirr, aber man versteht sich, wenn auch nicht immer sprachlich perfekt, aber wer so reist wie wir, muß ein gehöriges Maß an Toleranz mitbringen, sonst wird das Reisen in unbekannten Kulturkreisen, Gegenden zum Streß. Und die Begegnungen geben Gelegenheit nicht nur zur Diskussion, sondern auch zum Erfahrungsaustausch; so profitiert jeder einmal von den positiven und negativen Erfahrungen der Reisebekanntschaften. So manch einen Hinweis haben wir aufgreifen können, der eine oder andere konnte gleichfalls aus unserer Erfahrungskiste Brauchbares entnehmen. Eine ganz große Rolle spielt die Atmosphäre im Hostal/Hostel; gibt es einen Raum, sich zu treffen, ergeben sich schnell ausgiebige Gespräche, die schnell über das woher, wohin, hast du schon… hinausgehen. Und wenn dann noch die “Gastgeber” sich mit einbringen, wie Sandra und Thomas hier in Coyhaique, fühlen wir, auch wenn wir nur (!) einen Tag im Patagonia Hostal geblieben sind, uns hier sauwohl. Da sind dann Momente entstanden, an die man wie auch wir gerne zurückdenken.

Südwärts in Richtung Carretera Austral

Wenn wir heute am 20.11. Bariloche verlassen, kehren wir einer Gegend und Landschaft den Rücken, die zu bereisen, zu erwandern, anzusehen und anzufassen uns unheimlich viel Freude gemacht hat. Wir hätten noch mehr als nur einige Tage hier in argentinischen Seengebiet zubringen und verbringen können, allein der Abflugtermin im Januar und die vielen noch vor uns liegenden ebenso spannenden Reisestationen legen nahe, Abschied zu nehmen. Es war sehr schön hier und, wie Katrin sagte, allerliebst und wunderschön. Vor allem Katrin wird sich, das zeichnet sich schon jetzt ab, immer wieder an diese Zeit, in der fast nur die Sonne schien, es relativ warm war, Wind in Maßen – meistens – blies, zurückerinnern, denn bereits jetzt weist sie auf die von ihr so erwarteten völlig anderen Witterungsbedingungen im eigentlichen Patagonien hin, zu dem wir uns jetzt, wenn auch in kleinen Schritten aufmachen, den El Bolsón ist unser nächstes und zugleich relativ nahes Ziel.

Gemächlich ließen wir den Vormittag angehen und verabschiedeten uns von unserem kanadischen Herbergsvater erst nach 10:00 Uhr. El Bolsón liegt nur gute 120 Kilometer die RN 40 nach Süden gefahren, also nur eine geringe Annäherung an die Carretera Austral. El Bolsón, die Stadt, die sich als erste zur atomwaffenfreien Zone erklärt hat, bietet dem Trecker eine Vielzahl von Wandermöglichkeiten; darüber hinaus sollen hier die Bedingungen für Rafting außerordentlich gut sein, Grund genug, hier einen Zwischenstop einzulegen.

Und wieder wurde unsere Liste der besuchten Seen länger. Zuerst passierten wir, diesmal auf der Ostseite den Lago Gutiérrez, dann erreichten wir den Lago Mascardi. Geplant war, an ihm entlang durch den Nationalpark zum Örtchen Pampa Linda, gut 50 Kilometer see- und flußaufwärts,zu fahren, um von dort aus in gut 2 Stunden zu einer Schutzhütte am Vulkan Tronador zu wandern. Am Parkeingang angekommen wurde uns mitgeteilt, daß eine Zufahrt zum Tronador bis 14:00 Uhr möglich sei, von 16-18:00 Uhr wäre eine Rückfahrt möglich, da die gesamte Strecke immer nur im Einbahnverkehr zu befahren sei. Wir begannen den notwendigen Zeitaufwand zu kalkulieren und mussten feststellen, für die Wanderung bleibt keine Zeit, denn inzwischen war es nach 12:00 Uhr und die reine Fahrtzeit bis zum Ort Pampa Linda muß mit mindestens 1 Stunde je Strecke kalkuliert werden.. Im Dunkeln in El Bolsón auf Quartiersuche zu gehen wollten wir vermeiden. Zudem schien es eine Alternative zu geben, die Fahrt zum Lago Steffen.

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Dieser liegt etwas mehr als 20 Kilometer weiter in Richtung El Bolson; das Hinweisschild war zwar kaum zu erkennen, aber durch die auf der Karte angegebenen Streckenkilometer der RN 40 konnten wir uns auf eine abzweigende Schotterpiste einstellen und sie rechtzeitig sichten. Allein die Anfahrt auf den Lago Steffen war ein Genuß, denn wir fuhren von der Höhe in ein Tal hinein und hatten dabei nicht nur einen Panoramablick auf den Lago Steffen, sondern zugleich auch auf den dahinter liegenden Lago Martin. Inzwischen war es 12:55 Uhr, der Parkeingang noch einige Kilometer entfernt und ab 13:00 Uhr wird die Straße – siehe oben – für den hineinfahrenden Verkehr gesperrt. Also im Grunde zu spät angekommen; Schlußfolgerung : den Streß, jetzt auf der Schotterpiste die letzten Kilometer hinzurasen tun wir uns nicht an – Abbruch des Versuchs.

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Gemütlich ging es die letzten Kilometer in Richtung El Bolson. Plötzlich nahmen wir querab links einen großen Wasserfall wahr, ober am Bergkamm begann er und stürzte dann in Kaskaden nach unten, nicht immer sichtbar, da der Hand auch noch bewaldet war. Anhalten und abbiegen war eins, wir standen am der “cascade de virgen”, Näher heranzukommen war nicht einfach; der normale Zugang war gesperrt, wir versuchten es über den auf der anderen Bachseite liegenden “kirchlichen” Bereich, der durch einen Kreuzweg bergauf ebenso gekennzeichnet war wie durch eine kleine Kapelle am Ende des Weges. Der war dann auch zu Ende, denn ein Zaun versperrte das weitere Vorankommen, aber nicht uns. Solch kleine Hindernisse lassen sich doch überwinden und wenige Minuten später standen wir dann vor dem letzten Teilstück dieses mehrstufigen Wasserfalls.

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Bei soviel Wasser glaubte Katrin einen Autowaschtag einlegen zu müssen und begann eine leere Wasserflasche mit Bachwasser zu füllen, um den seit fast zwei Monaten auf dem Lack lagernden Staub abwaschen zu können. Da hilft man doch, auch wenn das Ergebnis insgesamt noch verbesserungswürdig ist. Wir hoffen, daß der nun fast im Neuglanz dastehende Pickup keinen auf dumme Gedanken bringt.

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El Bolsón ist, zumindest in der Zwischensaison, wie sie derzeit besteht, ein Eldorado für den Quartiersuchenden, denn er kann wählen. Und unsere Wahl fiel diesmal auf eine sehr große Cabana in Innenstadtnähe. Wobei Innenstadt bei einem 20.000 Einwohner großen Ort, der sehr flächenintensiv sich ausdehnt, zu viel Ehre ist, zumindest konzentrieren sich hier die kaum besuchten Lokale.

Unsere Herberge, Hostal und Cabanas, ist gut besucht; damit bestehen auch gute Voraussetzungen, an den Erfahrungen der anderen Gäste partizipieren zu können. Erstes Ergebnis, unsere Idee, einen Ausritt zu unternehmen – Raftingtouren finden mangels ausreichender Nachfrage nicht statt, wir zwei sind kein Anlaß, ein Boot zu Wasser zu lassen – nimmt am Abend konkrete Gestalt an, denn ein Gast, Rick aus den USA, will sich und sein Gepäck zu Pferd zum Ausgangspunkt einer 5-tägigen Rundwanderung bringen lassen und freut sich über Mitreitende. Wir nehmen die Chance wahr und werden somit Morgen zwischen 6 und 8 Stunden uns per Pferd gemächlich bergauf und bergab tragen lassen. Als wir uns hierzu entschlossen wussten wir noch nicht, wie lange diese Zeit auf dem Rücken eines Pferdes im Gelände sein kann!

Fast pünktlich kamen wir am Morgen (8:45 Uhr) am Bauernhof an, von wo aus auch Reittouren durchgeführt werden. Vier gesattelte Pferde warteten bereits auf uns. Als jedoch Javier, Chef und unserer Begleiter, Ricks Rucksack in seinen starken Armen wog, war er nicht mehr damit einverstanden, mit vier Pferden auf die Tour zu gehen. Wir mussten im Nachhinein zugeben, Recht hat der Mann, denn Rick glaubte mit gut 30kg über die Berge laufen zu müssen und hatte im Rucksack zwar alles Notwendige, aber vieles im Überfluß, so daß wir ihn später überzeugen konnten/mussten, das eine oder andere wieder mit uns auf die Rückreise zum Hostal zu geben. Also musste ein fünftes Pferd her und für den Transport gesattelt werden.

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Um 9:30 ging es dann los, toller Sonnenschein begleitete uns. Die Pferde gingen die ganze Zeit eigentlich gemächlich, aber stetig, hatten jedoch die Eigenart, wann immer der Abstand zum Vordermann zu groß geworden war, in Trab oder, sehr selten, in Galopp zu verfallen. Man kann sich vorstellen, was das für den Reitneuling, wie Katrin und ich es sind, denn die wenige Male, an denen wir als Kinder auf einem Pony oder Pferd ein paar Runden gedreht haben, können hier nicht wirklich als Erfahrung zählen, bedeutete. Konnten wir bei normalen Gang unseres Pferdes uns noch dem Rhythmus anpassen, wurden wir bei jedem Tempowechsel hilflos hin und her geworfen; Versuche, sich über die Steigbügel aufzurichten waren erfolglos, nicht nur, weil wir es nie schafften, diese unter unseren Körperschwerpunkt zu bekommen, sondern weil im Verlaufe der vielen Stunden dann auch langsam die Kraft fehlte. Manchmal hatten wir das Gefühl, die einflußlose Last auf dem Pferderücken zu sein. Dennoch, der Weg hinauf zum “Refugio Hielo Azul” weitgehend durch einen alten Wald, immer wieder im Geröll von Bachläufen dem Ziel entgegen, oft mit tollen Ausblicken in das Tal und die umliegende Bergwelt, war traumhaft. Dieser Ausritt entsprach, zumindest bis zur Halbzeit, ganz unseren Vorstellungen. Nur manchmal, wenn der Weg allzu steil und das Geröll, über das die Pferde sich ihren Weg suchen mussten, zu unwegsam erschien, taten uns unsere Tragetiere leid und es gab Situationen bei Katrin und mir, in denen wir bereit gewesen wären vom Pferd zu steigen, um ihm den Weg zu erleichtern.

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Das eine oder andere Hindernis musste dabei auch überwunden werden; zum einen lagen in dem geschützten Wald immer wieder Bäume quer über unserem Pfad, die es entweder zu übersteigen oder zu umgehen galt – manchmal sprang unser Tragtier dann zu unserer Überraschung hinüber und löste bei dem Reiter nicht unbedingt Freude, sondern eher Verzweiflung aus, denn hiermit hat man nicht gerechnet und infolgedessen auch gut damit zu tun, oben zu bleiben, die Steigbügel nicht zu verlieren und dem Pferd den Zügel freizugeben; zum anderen mussten wir mehrere Bäche queren, die angesichts des Tauwetters eine gute Menge Wasser mit sich führten. Javier war dann immer wieder gefordert, nach einem passenden Übergang zu suchen. Ohne wesentliche Schäden, das einzige waren nasse Schuhe durch die Bachquerungen, kamen wir dann am Refugio an.

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Anfangs schien es, als ob sie noch nicht geöffnet wäre, denn keine Menschenseele wurde gesichtet. Doch dann tauchte der Verantwortliche für diese Hütte des Club Andino de El Bolsón auf, er hatte auf einer Bank für uns nicht sichtbar ein Nickerchen gemacht. Auch hier gibt es Bürokratie, denn  alle mussten sich anmelden und in das Hüttenbuch eintragen, auch wenn Javier, Katrin und ich uns auf den Rückweg machen würden. Das Refugio war wirklich “nur” ein Refugio und wenig vergleichbar mit den aufgepeppten Hütten in unseren Alpen, alles viel einfacher und rudimentärer; der Zweck, ein Refugium zu sein, wird jedoch erfüllt. Dies war dann Ricks erstes Quartier; von hier aus will er dann in den kommenden fünf oder sechs Tagen das Massiv des Dedo Gordo umwandern. Erster Rückschlag bei seinen Plänen – der direkte Aufstieg zu einem Bergsattel, um von dort aus auf kürzestem Weg zu nächsten Hütte/Refugio zu gelangen, war wegen der hohen Schneelage unmöglich. Insofern ganz gut, wenn wir ihn überzeugen konnten, sich von einigen überflüssigen Rucksackinhalten zu trennen.

Das Refugio, aus einfachen Holzbauten bestehend, mit abseits liegendem Bano, liegt mitten im Wald unmittelbar an einem kleinen Bach, dem Arroyo del Teno, der manchmal, wie die diversen über das Gelände laufenden Bachbette zeigen, immer wieder sein Bachbett wechselt, am Ende eines Talkessels. Von hier aus geht es nur noch nach oben, teilweise in den Fels, teilweise über Geröll und im Augenblick durch tiefen Schnee. Kein Wunder, wenn das Refugio erst ab 1.11. wieder geöffnet ist, denn wer sollte sich früher hierhin auf den Weg machen? Für den Chef vor Ort dann auch eine Abwechslung, wenn sich bereits jetzt, wir schreiben den 21.11., mal einer hierhin in die Einsamkeit verirrt.

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Für den Hinweg hatten wir genau wie geplant 4 Stunden benötigt; in dieser Zeit wurde den Pferden nach langen und steilen beschwerlichen Anstiegen dreimal eine kurze Pause von vielleicht jeweils 3 Minuten gegönnt. Wir verspürten zwar nach diesen 4 Stunden eine gewisse Anspannung unserer Oberschenkel- und  Wadenmuskulatur, benötigten nach dem Absteigen auch einige Meter, um wieder normal zu gehen, aber uns ging es gut. Den Rückweg meistern wir ebenso leicht, glaubten wir, aber es kam anders.

Nach einer Pause von fast 2 Stunden hieß es wieder auf die Pferde und Rick seinem Schicksal überlassen, Rick, stellte sich als durchunddurch netter Kerl heraus, auch wenn er für den US-Staat als Justitiar im Auswärtigen Dienst, z.Zt. in Brasilia, arbeitet. Auch wenn keine Wegmarkierungen erkennbar waren, kein Pfad sichtbar, Javier führte uns zielstrebig vom etwa 1.400m hoch gelegenen Refugio auf das Niveau des Rio Azul (etwa 300m üNN), den wir zum Abschluß queren mussten, um dann wieder steil das Ufer hinauf zu reiten bis zum etwa 1,5 Kilometer entfernten Hof. Was beim Aufstieg eine Mühsal für die Pferde war, die steilen Geröllstrecken, war es auch auf dem Rückweg – mit einem Unterschied : wir litten jetzt wohl mehr als die Pferde, denn dieses Geschaukel verlangte von uns fast ständigen Beinschluß, die Muskeln begannen so richtig zu brennen. Als wir nach dreieinhalb Stunden wieder auf Javiers Hof ankamen mussten Katrin und ich konstatieren, der Reitausflug war (zwar) schön, aber mindestens 2 Stunden zu lang. Obgleich wir nicht das Gefühl hatten, so richtig etwas geleistet zu haben, wir waren völlig kaputt, erschöpft, sei es wegen der Anspannung, sei es weil doch der eine oder andere Muskel dauerhaft gearbeitet hat. Also ein schöner Ausflug, den Katrin sich sehr gewünscht hatte, der aber in dieser Intensität keine Wiederholung, Stand heute (!) erfahren dürfte.

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Auf unserem Plan für El Bolsón stand noch eine längere Wanderung auf den Cerro Piltriquitron, die wir vorerst zurückgestellt hatten. Da unser Hostal für die folgende Nacht ausgebucht war, mussten wir uns um ein Ersatzquartier für die morgige Nacht kümmern. Also hieß es auf dem Rückweg vom Reiten, es war inzwischen deutlich nach 19:30 Uhr, ein Folgequartier zu finden. Alle uns bekannten im engeren Stadtbereich befindlichen Hostals fuhren wir ab, ohne Erfolg. Als letzte Möglichkeit auf unserer Liste war das Hostal Refugio Patagonico, etwas außerhalb gelegen. Ärgerlich, daß dieses Hostal noch im Bau war, insofern hätten wir uns diese Fahrt sparen können, noch ärgerlicher, daß ich bei Zurücksetzen vor dem Hostal mit einem Rad in einem Graben landete und der Wagen auf der Hinterachse schräg aufsetzte. Der Schrecken war uns und insbesondere mir als verantwortlichem Fahrer in die Glieder gefahren; wie herauskommen, aus eigener Kraft unmöglich, also Hilfe holen, am besten zum Herausziehen. Katrin hielt einen vorbeifahrenden Pickup an, der leider nicht helfen konnte, dann sprach sie den Chef des benachbarten Campingplatzes an. Als er so richtig verstanden hatte, was unser Problem war, holte er noch drei Kollegen und die waren dann die Lösung und die Rettung. Der Wagen wurde hinten angehoben, das freischwebende linke Hinterrad nach und nach mit Holz unterfüttert bis man glaubte, die restlichen Zentimeter zieht der Wagen sich von selber aus dem Graben. Zu unserer Freude gelang das auch. Der Dank gilt den netten Kerlen von nebenan.

Am 22.11. stand dann zuerst noch einmal der Versuch ein neues Nachtquartier zu finden auf der Tagesordnung. Da wir direkt neben unserem Hostal ein weiteres gesichtet hatten wurde nachgefragt und ein neues Quartier war gefunden. So konnten wir dann den Tag so gestalten wie geplant. Etwa 13 Kilometer außerhalb von El Bolsón liegt auf dem Weg zu unserem “Berg”, dem Cerro Piltriquitron, der “Bosque Tallado”, ein auf etwa 1400m Höhe im Wald gelegenes “Museum”, in dem von verschiedenen südamerikanischen Holzschnitzern, in manchen Fällen wohl genauer Kettensägekünstlern, aus alten Holz, teilweise aus noch stehenden abgestorbenen Bäumen wunderschöne und oft sehr eindrucksvolle Skulpturen geschaffen wurden. Die fast 50 Kunstwerke, im Wald oder in einer Lichtung stehend, somit oft toll in die Umgebung eingepasst, waren es wirklich wert, hier vorbei zu schauen. Zur Freude wohl des “Wächters”, denn allzu viele Besucher verirren sich nicht hierher, dafür liegt dieses offene Museum zu abseits. Nicht nur eine Anfahrt von rund 13 Kilometern  ist zu bewältigen, sondern vom Parkplatz aus sind es noch gut 200 Höhenmeter, die über einen steilen teilweise unwegsamen Weg zu überwinden sind.

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Weitere gut 100m höher liegt dann das Refugio Piltriquitron, der Ausgangspunkt für den dann noch steileren Anstieg/Aufstieg zum gleichnamigen Berg. Dieser liegt so hoch, daß über die auf der gegenüberliegenden Talseite liegenden Berge spielend hinausgeblickt werden kann und bei gutem Wetter nicht nur die Andengipfel, sondern auch der weiter in Chile liegende Vulkan Osorno zu identifizieren sind. Wir quälten uns die Geröllwege hinauf, manchmal an die Echternacher Springprozession erinnert oder nach dem Motto zwei vor, einer zurück. Als wir nach 1 3/4 Stunden dann etwa 100m unterhalb des Gipfels (2.225m) angekommen waren und vor uns dann ein großes Schneefeld ausmachten, das entweder durchstiegen werden musste oder durch Felskletterei umgangen werden konnte, wozu wir uns aber nicht in der Lage sahen, war es aus mit dem Gipfelsieg und der Weitsicht. Auf letztere konnten wir auch leichten Herzens verzichten, denn der Himmel hatte sich zunehmend bezogen, den ersteren hätten wir schon gerne verbucht; heute galt halt, der Weg ist das Ziel. Und so mühsam der Aufstieg in dem feinen Gestein war, so mühsam gestaltete sich auch der Abstieg. Er dauerte zwar weniger als die Hälfte der Aufstiegszeit, aber das ständige Abrutschen verlangte schon besondere Aufmerksamkeit. Zudem mussten wir feststellen, die am Vortag besonders beanspruchten Muskelpartien haben auch heute ganz schön mitarbeiten müssen; insofern waren wir am Auto angekommen ganz schön ausgepowert, dennoch sehr zufrieden mit dem Tag.

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Morgen geht es dann endgültig “zurück” nach Chile, zuerst nach Futaleufu/Chile und von dort aus auf die berühmte Carretera Austral. Die zwei Tage in El Bolsón waren zwar anstrengend, gleichzeitig haben wir eine Region kennengelernt, die wir als sehr schön und erholsam empfunden haben; es hätten hier durchaus ein paar Tage mehr sein können.

Der 23.11. war im Grunde nur ein Transfertag hinüber nach Chile, nach Futaleufu. Dieser Ort soll auch ein Mekka der Raftingfreunde sein, vielleicht haben wir hier mehr Glück als in El Bolsón. Katrin konnte ihrer Seeliste weitere Namen hinzufügen, einer wieder einmal schöner gelegen als der andere und oft kaum andere Besucher als wir. Häufig weit unter unserer Piste lag der Lago Rivadavia, schmal dahingestreckt, von bis ans Ufer ragendem Wald umgeben; nicht immer hatten wir einen guten Blick auf Wasser und Berge, denn oft stand ein dichter Wald im Weg. Dieser See gehört zum Teil zum Parque Argentino Los Alerces, in dem insbesondere die verbliebenen Bestände der Alercen geschützt werden. Es handelt sich um eine Zypressenart, die nicht nur unheimlich alt werden kann (einige Exemplare wurden auf über 4000 Jahre geschätzt), sondern sehr hoch wächst und bis zu 70m hoch werden kann bei einem Stammdurchmesser von bis zu 4m, sondern als immergrüne Pflanze und geschichtlich sehr alter Baum gilt. Wir durchquerten auf unserer gut 60 Kilometer langen Seenfahrt immer wieder größere Bestände der Alercen, die jedoch nicht immer stramm nach oben gewachsen waren, sondern oft auch stark mißgebildet wirkten. Leider waren die Bäume von keinem Standpunkt aus so vor die Linse zu bekommen, daß man ihre wahre Größe wahrnehmen kann. Es bleibt der Eindruck der schieren Größe und eine beeindruckende Rindenform, die an längliche Schindeln erinnert.

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Der nächste See, der Lago Amutui Quimai, mit dem ersten durch einen aquamarin wirkenden Fluß verbunden, wirkte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern vor allem auch durch die umfassenden Straßenbauarbeiten. Während Teile der wichtigen Nord- und Südargentinien verbindenden RN40 immer noch über eine Schotterpiste zu befahren sind, bemüht man sich hier im dünn besiedelten Patagonien, die bisherige Schotterstraße am See entlang zu einer anscheinend dreispurigen Asphaltrennbahn auszubauen mit allen Schikanen. Ob bei dem dann möglichen Fahrtempo die geschützte Landschaft weiter geschützt bleibt und der Reisende diesen Park auch genießt, muß bezweifelt werden.

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Wie so oft, erleichterten uns die fehlenden Straßenhinweise nicht unbedingt die Orientierung, aber letztendlich sind wir an unser Ziel gekommen, ohne nennenswerte Umwege in Kauf nehmen zu müssen. Kaum aus den NP herausgefahren, ändert sich die Landschaft. Die großen schroffen Berge treten zurück, das Tal weitet sich zur Ebene, auf großen Flächen ist intensivere Viehhaltung zu erkennen, die Berge werden kleiner und nach und nach zu Hügeln, die Vegetation wirkt nicht mehr so intensiv wie an den Vortagen im Seengebiet. Doch schon bald ab dem Dorf Los Cypreses ging es wieder in die Berge, um über einen niedrigen Pass, dem Paso Futaleufu nach Chile zu kommen. Kurz vor Erreichen der argentinischen Grenzstation bemerkten wir einen der Straße folgenden Fluß, der erstaunlicherweise in unsere Fahrtrichtung, d.h. Richtung Chile floß. Während wir bislang gewohnt waren, daß der Grenzverlauf entlang der Wasserscheide verläuft, ist man wohl hier davon abgewichen. Grenzformalitäten wurden relativ zügig abgewickelt, auf beiden Seiten, wobei auf der chilenischen Seite das erste Mal auf unserer Reise unser Gepäck, wenn auch sehr oberflächlich, kontrolliert wurde. Gebeten, unser Gepäck aus dem Wagen zu nehmen, waren wir erst mehr als erstaunt, gleichzeitig aber wiederum froh, als nach kurzem Check unserer Rucksäcke wir wieder aufgefordert wurden, das Gepäck einzuräumen.

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Kaum die Grenzstation verlassen, begrüßte uns der chilenische Regen, der zunahm und auch am Abend noch nicht nachgelassen hatte. Positiv, wir konnten vor der Bergwelt einen schönen Regenbogen genießen.

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Futaleufu ist ein kleines Nest, hat aber eine Touristeninformation. Da ich vor dieser entgegen der Fahrtrichtung parkte und wohl, beim Umsetzen des Wagens auch noch von der örtlichen Polizei beobachtet wurde, suchte man das “Gespräch” mit mir. Ich konnte nicht nachvollziehen, was die Streifenwagenbesatzung von mir wollte. Nachdem auch Katrin hinzugekommen war schien es so zu sein, ich wäre falsch abgebogen, ich durfte nicht linksabbiegen, obgleich kein entsprechender Hinweis zu sehen war. Offensichtlich dörfliches Recht? Zum Glück beließen die Beamten es bei einem Hinweis. Auch nach Internetrecherche können wir nicht nachvollziehen, wogegen ich hier verstoßen haben soll.

Kleines Dorf, überschaubare Übernachtungsmöglichkeiten und die wenigen im allgemeinen auch überteuert. Wir sind untergekommen und sofort zu einer Adventureagentur wegen unseres Raftingwunsches gefahren. Ja Rafting wird hier durchgeführt, aber erst ab 4 Personen – wir sind zwei, der Rest fehlt noch! Vielleicht finden sich bis Morgenfrüh um 10:00 Uhr noch zwei Mitstreiter bei der Agentur ein, dann kommen wir endlich in den Genuß einer Raftingfahrt, wenn nicht, müssen wir es anderswo erneut versuchen. Hier wirkt sich die noch nicht angelaufene Saison für uns negativ aus. Morgen beginnt dann entweder unsere Fahrt auf der Carretera Austral oder es wird geraftet.

San Carlos de Bariloche

Am Montag stand nach dem regulären Informationsbesuch bei der Touristeninformation ein kleiner Stadtbummel an, von dem kaum etwas zu berichten ist. Bariloche ist keine Schönheit, sondern eine in einem wunderschönen Umfeld gelegene Ferienstadt mit rund 100.000 Einwohnern. Manches Gebäude versucht durch seine Architektur auf seine Wintersportaffinität hinzuweisen, andere imitieren einen landhausgeprägten Stil nach und wiederum andere sind scheinbar modern-funktional und in unseren Augen häßlich.  Wir ankern auch nicht wegen der Stadt hier am See, sondern wegen der Landschaft, von der Großes berichtet wird. Von Bariloche aus sind schöne Eintages- aber auch zahlreiche Mehrtageswanderungen im allgemeinen mit durchschnittlichem Anforderungsprofil möglich; hinzu kommt der See mit seinen zahlreichen Inseln, vielen Buchten und dem imponierenden Blick auf die ihn umgebende Bergwelt.

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Ab Mittag saßen wir dann im Wagen und machten uns auf den circuito chico, den kurzen Rundweg entlang an Ufern, Buchten, Stränden, durch Wälder, die umliegenden Berge bis hinauf zur Talstation des Cerro Catedral. Es muß darauf hingewiesen werden, daß hier auch Wintersport betrieben wird; infolgedessen hat sich auch an der Talstation der Seilbahn als Zubringer für eine nennenswerte Anzahl Sessellifte ein sehenswerter Wintersportort entwickelt, der jetzt natürlich entvölkert  und häßlich obendrein ist. Natürlich hatten wir immer wieder Blick auf den See, konnten anhalten und staunen, aber der allergrößte Uferteil, gleich ob in Stadtnähe oder 20 Kilometer entfernt, ist in Privathand, bebaut, eingezäunt, mit einem Schutzwall aus Bäumen umgeben. Nur hin und wieder hat das gemeine Volk, wie auch in Bariloche-Pucon festgestellt, eine Gelegenheit seine Füße in den See zu stecken. Kein Wunder, wenn auf Grund dieser Verhinderungspolitik der gemeine Bürger seine Grillutensilien einpackt und in die Nationalparks zum wilden Grillen fährt. Die Parzellen sind, soweit erkennbar, nicht gerade klein geraten, auf denen dann imposante, repräsentative und manchmal auch schön anzusehende Wohn- oder eher Residenzdomizile stehen, mit einem uneingeschränkten unvergleichlichen Blick auf die Tiefe des Sees und seine Umgebung. Da könnte man neidisch werden, denn die Aussichten waren oft wirklich traumhaft schön.

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Nach rund 25 Kilometer Fahrt stadtauswärts standen wir auf einmal auf einer Landenge – auf der einen Seite dominierte das riesige Hotel Llao-Llao mit seinem Golfplatz den Blick, auf der anderen Seite fiel ein Fähranlegen ins Blickfeld. Wir waren am Puerto Panuelo angekommen, von wo aus täglich, Fährpreis 320 Arg. Pesos, das sind fast 50 Euro, nach  Bosque de Arrayanes, einer Halbinsel im nördlichen Seeteil nahe Villa de Angostura gefahren wird. Die Anzahl der parkenden Fahrzeuge ließ auf eine gute Nachfrage nach diesem Trip schließen..

Nahbei der kommunale Park Llao-Llao, in dem es große Bestände der Arrayabäume zu sehen gibt. Für uns Gelegenheit, uns auf eine kleine Wanderung durch diesen Wald zu begeben, ungestört und mit einem schönen “mirador” als Ziel. Von einer kleinen Bergkuppe konnten wir dann weit in die Ferne schauen, sahen, bei besten Fernsichtbedingungen auch die schneebedeckten Andengipfel im Westen.

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Vorbei an noch verlassenen kleinen Badebuchten, oft an einem Hotel gelegen, ging es wieder nach Osten Richtung Bariloche zurück. Der Hinweis auf der Karte “Colonia Suiza” veranlasste uns zu einem Umweg. Gemeinhin verbindet man mit der Schweiz mehr oder weniger geordnete Verhältnisse und gute Straßen. Hier schien es, als wollte die hiesige Kolonie dieses Bild Lügen strafen, denn wesentliche Teile der Wegstrecke hin und über den Ort hinaus rangieren auf unserer Skala der schlechtesten Straßenverhältnisse in Südamerika weit weit unten. Unser Auto hat es geschafft, die Hindernisse auf den Wegen zu umfahren, zu überfahren, wir sind wieder in unserer Bleibe angekommen. Gesehen von diesem Dorf haben wir wenig, ausgenommen einige sehr dürftige Hütten, hin und wieder einen Hinweis auf Restauration, Häuser, die wohl den schweizer Vorbildern an Alpenhäusern nachempfunden waren. Den Umweh hätten wir uns sparen können es sei denn, wir beziehen die von einer Anhöhe aus gesichteten Großanwesen und ihre Häuser mit ein. Dann ist hier wirklich die kleine Schweiz, zumindest was die Vermögen angeht!

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Der Abend brachte uns dann noch zwei weitere schöne Überraschungen. Auf dem Weg zur Unterkunft fiel Katrin das Schild einer Panaderia/Bäckerei auf, in dem auch “Brezel” angepriesen wurden. Nachdem wir seit Wochen immer wieder die süßen Hörnchen zum Frühstück bekommen hatten war es eine wirkliche Abwechslung, endlich einmal etwas salziges zwischen den Zähnen zu spüren und zubeißen zu können. Der Höhepunkt war dann das Abendessen. Auf unserer üblichen Suche nach einem Restaurant hatten wir am Sonntag ein vegetarisches Restaurant weniger als 10 Gehminuten vom Hostal entfernt gefunden, am Sonntag leider geschlossen, dafür aber am Montag wieder offen. Also Montag ist Test- und wie sich herausstellte Festtag. Zur üblich späten Abendessenzeit nach 20:00 Uhr fanden wir uns mit sehr knurrendem Magen im “El Vegetariano” ein, sahen ein bis auf einen Gast leeres Lokal, jedoch eine Gaststube mit angenehmen Erscheinungsbild, es sah wirklich schön aus hier in diesem kleinen Restaurant. Wie uns dann auf unsere Bitte nach einer Speisekarte erklärt wurde, gibt es eine solche nicht, stattdessen kann man unter den drei Gängen eines Menues wählen. Der Wirt war überzeugend, das dann verspeiste auch. Es zeigte sich, auch vegetarisch kann sehr vielfältig gekocht werden, wir haben die beiden ersten Gänge sehr genossen. Und zu unserer Freude füllte sich die Gaststube bis gegen 21:00 Uhr nahezu bis auf den letzten Platz, alle Tische waren besetzt und der Wirt kam kaum nach, jedem neuen Gast seine “innovative” Speisekarte zu erklären. Kein Gast ging, alle ließen sich wohl, so sie keine Dauergäste waren, auf das Experiment mit den Menuegängen ein. Es hat sich wirklich gelohnt, dieses Experiment.

Heute am Mittwoch können wir zwei weitere Seen unserer Liste hinzufügen, den Lago Gutiérrez und die auf gut 1.700m Höhe liegende Lagune Tonchek, weil heute Wandertag war. Um Bariloche herum gibt es zahlreiche Möglichkeiten einen oder auch am Stück mehrere Tage zu wandern/trecken, denn der Club Andino de Bariloche hat eine ganze Reihe von Hütten und Refugien in der umliegenden Bergwelt errichtet und unterhält diese auch. Wir entschieden uns für eine Strecke, die vom Wintersportzentrum oberhalb von Bariloche, der Villa Catedral, hinauf zum Refugio Frey auf 1.700m Höhe geht; für die gut 8,5 Kilometer lange Strecke sollte man einfach bis zu vier Stunden veranschlagen. Am späteren Vormittag parkten wir dann unseren Pickup auf dem leeren Parkplatz vor dem Skizentrum und machten uns auf den Weg bei strahlendem Sonnenschein, wieder einmal! Die Strecke verläuft für gut zwei Wanderstunden entlang des Lago Gutiérrez nahezu immer auf der gleichen Höhenlinie, um dann, nachdem man in ein Seitental abbiegen konnte, stetig bergan zu steigen, um auf den restlichen gut 3,5 Kilometern dann fast 600 Höhenmeter zu überwinden. Unser anfangs zügiger Schritt wurde auf diesen letzten Kilometern schleppender, nicht nur wegen der Steilheit, sondern auch auf Grund der Wegbeschaffenheit. Immer wieder waren Bachbett und Weg eines; zum Glück waren die meisten Bachbette nicht oder nur kaum wasserführend. Eigentlich sollte uns der Weg bis kurz vor das Refugio durch einen schönen Wald führen – eigentlich, denn auch hier muß vor einigen Jahren ein Großfeuer den Waldbestand an der Ostflanke des Lago Gutiérrez völlig vernichtet haben. So hatten wir am Vormittag keinen Schatten, denn die  nachwachsenden Gehölze und der sich ausbreitende Bambus waren als Schattenspender einfach zu klein.

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Das änderte sich mit Beginn des Aufstiegs im Seitental, jetzt wanderten wir unter dem Blätterdach hoher alter Bäume und wurden dabei lange Zeit von dem Rauschen eines Wildbaches begleitet. Nachdem wir dann kurz vor der Hütte über Steine balancierend den Wildbach überquert und wenige Meter durch Schnee gestapft waren, standen wir vor der kleinen Hütte. Hier hatten sich bereits eine ganze Anzahl von Kletterern und Wanderern eingefunden; einige richteten sich häuslich für einen längeren Aufenthalt ein, bauten z.B. ihr Zelt auf, andere bereiteten sich auf den Rückweg vor und wiederum einige nahmen in Begleitung eines Führers eine weitere Etappe des hier möglichen Rundweges zu Refugio Jacob in Angriff, mit Seil auf der Schulter und einer Vielzahl von Haken am Gurt. Direkt hinter der auf einer leichten Anhöhe stehenden Hütte lag dann See Nummer zwei des heutigen Tages, die Lagune Tonchek. Alles wurde überragt von einer Mehrzahl sehr schroffer Berggipfel, die in einem Halbbogen um die Hütte herum standen. Ein schönes Panorama.

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Bergab ging es dann etwas leichter, auch wenn wegen der schlechten Wegverhältnisse sehr konzentriertes Gehen verlangt war. Im Grunde verlief der Rückweg ohne besondere Ereignisse – im Grunde. Noch im alten Waldbestand wandernd hörten wir plötzlich einen lauten Knall, es hörte sich fast wie ein Schuß an, aber hier im Nationalpark? Dann etwa 30 Sekunden später ein zweiter Knall und dann direkt folgend ein berstendes Geräusch, Blätterrauschen, Astbrechen und ein dumpfer Aufprall. Da in diesem Wald keine Bäume gefällt werden dürfen, wurden wir Ohren- und teilweise Augenzeuge, wie ein alter Baumriese zu Boden ging.

Als wir dann wieder am Wagen ankamen, waren wir fast sieben Stunden unterwegs gewesen, fast 3 1/2 Stunden bergan und 2 1/2 Stunden bergab. Das Wandern auch manche Muskelpartien beansprucht, merkten wir dann auch und waren froh, in unserem Quartier die Beine – endlich – einmal hochlegen zu können. Auch wenn hier um Bariloche noch zahlreiche andere Wandermöglichkeiten bestehen haben wir beschlossen, Morgen etwas weiter in den Süden zu fahren, nach El Bolson oder vielleicht direkt nach Esquel, denn an beiden Orten soll es interessante überschaubare Wandermöglichkeiten in einer schönen Landschaft geben.

Die Seen sind nicht mehr zu zählen!

Unsere nächste Fahretappe soll uns von Pucon über die argentinische Grenze nach San Carlos de Bariloche bringen. Da es auf dem Weg auch viel zu sehen gibt, sind wir entspannt gefahren und haben einen Übernachtungsstop in Junín de los Andes eingelegt.

Verlässt man Pucon fallen einem die an der Straße stehenden Häuser wohl stärker auf als in der Stadt. Augenscheinlich müssen einige Auswanderer aus dem Schwarzwald hier ansässig geworden sein, nicht wegen der auch hier erhältlichen Kirschtorte oder den sonstigen “Kuchen”, sondern weil öfter Häuser auffielen, deren Außenwände und das Dach mit Holzschindeln gedeckt sind. In Pucon selber haben wir ein größeres Hotelgebäude in dieser Außenhaut bemerkt, entlang der Strecke zum Paso de Tromen (1.207m) trafen wir derartige Häuser mehrfach an, die Krönung war jedoch ein kleines Kirchlein am Straßenrand in eben dieser Erscheinung.

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Und nicht nur Schwarzwälder schienen hier eine neue Heimat gefunden zu haben, es gibt Hinweise auf bayrischen Ursprung und ein Mitbewohner unserer Hosteria in Pucon, ein Schweizer, meinte, nachdem er über Wochen von Peru, Bolivien und zuletzt die ebenso eintönige Atacama Chiles gereist ist, hier in Pucon und Umgebung fühle er sich so richtig wieder an die Heimat erinnert, es sei wie zu Hause – Wälder, Seen, Schnee und die Berge, wobei wir hinzufügen, statt schroffer Felsen wie bei den Eidgenossen dominieren hier die Vulkane. Auch wir hatten oft Assoziationen an das heimatliche Umfeld, sind also eher vom Grün als dem eintönigen Braun-Beige geprägt.

Auf dem Weg zum Paß begleitete uns lange Zeit der Vulkan Villarrica, heute ohne Wolkenkranz, und der die Region hier prägende Wald; nach wie vor heben sich immer wieder Araucarie durch ihre majestätische Größe heraus. Schnell erreichten wir den Pass, zuletzt bergan über eine Schotterstrecke. Die Grenzprozeduren, inzwischen haben wir fast Routine, brachten wir relativ schnell hinter uns. Der “Kultur”-/Komfortunterschied zwischen der chilenischen und der argentinischen Station war deutlich geringer als beim Paso de Pino Hachado.

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Schon bei der Annäherung an den Pass tauchte immer wieder zu unserer Rechten, also südlich der Fahrtstrecke der Vulkan Lanin, der “Grenzvulkan”, auf; er begleitete uns nicht nur heute den ganzen Tag, da immer wieder sichtbar, sondern auch den folgenden Tag zu großen Teilen.

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Während auf chilenischer Seite der NP Villarrica dem Schutz der Vegetation dieser Region dient, schließt sich auf argentinischer Seite der NP Lanin an, dem im direkten Anschluß die NPs Nahuel Huapi und Los Arrayanes folgen, so daß beiderseits der Andengipfel über eine Strecke von vielen hundert Kilometern eine Schutzzone besteht. Auf argentinischer Seite angekommen hatten wir zwei Optionen, einerseits nach Süden an die Flanke des Lanin zu wandern, was aber nicht in 2-3 Stunden zu bewältigen gewesen wäre, oder anderseits uns dem grenznahen Lago Tromen zuzuwenden. Aus zeitökonomischen Gründen fiel die Wahl auf den See, aber nicht nur, denn Katrin wollte hier, wie auch auf dem gesamten Reiseabschnitt die Wasserqualität und die Bademöglichkeit testen. Man kann sich dem See zu Fuß nähern, dauert nicht ganz eine Stunde, oder, wie es die offenbar bequemen Argentinier bevorzugen, per Fahrzeug. Letzteres hat den Vorteil, die ganzen Grillutensilien sowie Tisch und Stühle nicht den ganzen Weg mitschleppen zu müssen. Argentinier sind wohl Weltmeister im Grillen, denn so viele Grillstellen wie hier haben wir bislang noch nie gesehen. Und so wird dann mit Blick auf den See im Windschatten des geparkten Wagens das Feuer entfacht oder ein Grill in Betrieb genommen. Da stört es auch nicht, wenn im Nationalpark offenes Feuer verboten ist! So zogen dann Fleischdüfte auch in meine Nase – Katrin hatte schnell reißaus in Richtung Seeufer genommen und testete. Über hochgekrempelte Beine kam sie nicht hinaus – es fehlte nicht nur der Bikini, sondern auch der Mut, in diesem schneeschmelzkalten Wasser zu schwimmen. Gut so, denn bei den geprüften Temperaturen war ein Kälteschock nicht auszuschließen. Halten wir fest, a) der Lago Tromen war der erste Andensee auf diesem Reiseabschnitt, dem noch zahlreiche folgen werden; b) er liegt wunderschön eingebettet in der Bergwelt, ist teilweise von hohen Fels-/Bergwänden umgeben, ein traumhafter Anblick.

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Während der Lago Tromen im wesentlichen noch von Wald umgeben ist, begleitete uns dann den Nachmittag über das sattsam bekannte Bild einer Buschsteppe, sattes Grün ade! Statt Bäume nun Pferde und Kühe, auch eine Art der Flächennutzung. Dem ersten See in Grenznähe wollten wir den Besuch des als märchenhaft gelegenen Lago Huechulafquen folgen lassen, zwar nicht direkt am Weg gelegen, aber was unternimmt man nicht alles, um die Badefreude von Katrin zu unterstützen. Da kann doch ein Umweg von 50 Kilometern nicht ins Gewicht fallen. Die auf den See gesungenen Lobeshymnen können bestätigt werden, sein erster wie auch die weiteren Eindrücke waren imposant. Gegen 16:00 Uhr trafen wir am Parkeingang ein, denn der See liegt – natürlich – im NP Lanin. Unser Ziel war, die dem See folgende Piste ca. 30 Kilometer bis zum “Hafen” Puerto Canoa zu fahren, eine Wanderung war, auch auf Grund des nahenden Abends nicht geplant.  Katrin holte im Parkbüro ausführliche Informationen zu den Aktivitätsmöglichkeiten ein und kam dann mit zwei Eintrittskarten über jeweils 6.500 Arg. Pesos, das sind fast 20 Euro, zurück. Für die Fahrt zu dem kleinen Hafen auf einer öffentlichen Straße eine derartige Maut bezahlen – hier wohl üblich, in unseren Augen aber unverschämt und unverhältnismäßig, da das Ticket nur heute galt. Wo jetzt das Ticket mit Goldstaub bezahlt war galt es auch, sich den Park in Ruhe anzusehen, und so fuhren wir auch erst gegen 18:30 wieder durch die Parkpforte hinaus. In der Zwischenzeit konnten wir schöne Baumalleen durchfahren, durchquerten große alte Baumbestände, kamen an unzähligen privaten Campingplätzen der hier lebenden Mapuche vorbei, bestaunten immer wieder, wie es den Argentiniern gelingt, auf dem kleinsten Uferstück eine Grillparty zu feiern, standen an der Südflanke des Lanin ebenso wie an der Mole des Hafens, die einzig dazu diente, auf ein kleines Motorboot, Ablegezeit 15:00 Uhr – Rückkehr 16:50 Uhr, für eine Seerundfahrt steigen zu können, und wohnten Katrins Testreihe, 2. Badeversuch in mehr als drei Etappen bei. Katrin nahm das Risiko des Kältetodes in Kauf und versuchte mehrfach auf dem unangenehmen Kies ins Wasser zu gehen, kam dabei bis fast in die Schwimmlage bis sie einen Angler bemerkte, der sie wohl auch, um dann schnellstens Richtung Ufer zu stolpern, schließlich war der Bereich nicht als Nacktbadestrand ausgewiesen.

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Um 19:15 Uhr kamen wir dann in Junín des los Andes an, gemäß Eigenwerbung die Stadt der Fliegenfischer und Hochburg für alles, was mit Angeln zu tun hat. Selbst die Straßenschilder dienen dazu, diesen Anspruch deutlich zu machen. Zumindest der abends von Katrin verspeiste Fisch, hoffentlich eine aus hiesigen Gewässern stammende Forelle, war von einer Qualität, die den Anspruch bestätigte.

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Am Sonntag den 17.11. stand eine Fahrt an, die uns zu unzähligen Seen führte; die in den Reiseführern beschriebene große Rundfahrt mit 7 angesteuerten Gewässern stellten wir mit unserer innovativen Route, von A (Junín de los Andes) nach B (Bariloche) führende Strecke, weit in den Schatten. Um das Ergebnis und die Eindrücke des Tages vorwegzunehmen – ein See war schöner als der andere – oder waren alle nicht gleich beeindruckend? Wir hatten das Glück bei tollem Sonnenschein einen der u.E. schönsten Teile Argentiniens, seine Seeplatte, zu durchfahren und kamen aus der Begeisterung über das Gesehene nicht mehr heraus. Immer wieder mußte Katrin konstatieren, daß der heimatliche Königsee durch nahezu alle hier gesehenen Seen in den Schatten gestellt wird, traumhaftes Wasser, mal azurblau, mal grün, mal vor Sonne glitzernd,, mal im Schatten der hohen Bäume liegend, mal eng, mal weit, mal mit vernünftigem Wellengang, mal ganz glatt daliegend, mal mit Sandstrand, mal ohne oder nur über einen Kiesstrand zu betreten, mal von hohen Felswänden eingerahmt, mal waren es nur bewaldete Kuppen – und (fast) immer waren wir allein an unserem Aussichtspunkt auf die Pracht. Manche Zufahrt zu einem See war wohl zu eng, daß zu viele Grillfreunde sich die Mühe gemacht haben, auch hier ein schönes Picknickplätzchen zu ergattern; insbesondere in der Zeit bis gut 12:00 Uhr reisten wir ungestört von See zu See, danach wurde der Verkehr etwas dichter, aber immer noch mehr als erträglich. Einzig an wenigen Seen ballte sich das Aufkommen der Picknicker, hier traf man sich in größerer Zahl zum gemeinsamen Grillen.

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Über das mangelnde Verständnis für Verbote, in den NPs offene Feuer anzuzünden, kann man sich nur wundern. Verbotsschilder stehen häufig in der Nähe möglicher und bevorzugter Grillplätze – allein sie entfalten keine Wirkung. Offensichtlich reicht des den argentinischen Grillfreunden auch nicht wenn sie in verschiedenen Gebieten ihrer wunderschönen Nationalparks feststellen, daß der alte Baumbestand einem Flächenbrand zum Opfer gefallen ist. Vom Tal bis hoch hinauf an den reinen Fels hat das Feuer alles vernichtet, nur spärlich wächst kleines Buschwerk nach. So am heutigen Tag nicht nur in unmittelbarer Nähe zum Rangerstützpunkt direkt am Paso de Tromen gesehen, wo der Wald mehrere Kilometer die Straße entlang hinauf in Richtung Vulcan Lanin nur noch aus Baumgerippen besteht; selbst die alten Araucarien waren nicht widerstandsfähig genug, dem Feuer standzuhalten. Sondern auch auf der Anfahrt zum Lago Lolog, bei der rechts und links unserer Piste alles was höher als zwei Meter war verbrannt war. Irgendwann wird dann kein Wald mehr in seiner ursprünglichen Form sichtbar sein, stellt sich die Frage, unter welchem Dach die Grillfreunde dann ihr Feuer entzünden.

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Über jeden der Seen zu berichten, ist unmöglich, waren es doch ganz schön viele. In der Reihenfolge des Besuches waren wir am Lago Lolog, Lago Lacar (2 mal! – näheres später), Lago Meliquina, Lago Hermoso, Lago Faulkner, Lago Villarino, Lago Traful, Lago Correntoso, Lago Espejo, und als krönender Abschluß ging es dann gute 35 Kilometer am Lago Nahuelhuapi dem Tagesziel San Carlos de Bariloche entlang. Aber das Fazit ist eindeutig – es waren wunderschöne Eindrücke, immer wieder neu, immer wieder inspirierend, also einer der Tage, die für eine so lange Reise von Bedeutung sind. Und jeder See wurde getestet, Katrin in ihrer typischen Hockposition direkt am Uferrand, eine Hand im Wasser, um die Temperatur zu erfühlen. Nicht immer fiel das Urteil badetauglich, aber oft genug, um selber einen Versuch zu wagen. Nicht nur sichtlich erfrischt, sondern auch voller Freude am Erlebten kam Katrin dann zurück zum Auto.

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Der zweite Abstecher zum Lago Lacar führte uns durch die Mapuche Gemeinde Curruhuinca an den Ort Quila Quina. Schöner fast leerer Strand obgleich es eine Bootsverbindung von der Seebrücke nach San Martin los Andes gibt. Die Zahl der sonntäglichen Gäste verlief sich auf dem großzügigen Strandgelände oder verschwand in den schön im Wald gelegenen Ferienhäusern. Wie so oft, gab es keinen direkten Weg, sondern es ging, wie immer über diverse Hügelkuppen und durch Täler um an das Ende des 12 Kilometer langen Sackweges zu gelangen zum Schluß steil bergab, für manchen der uns bei der Rückfahrt entgegenkommenden Mountainbiker eine Herausforderung am Lenker – steil, holprig, voller Schlaglöcher und steinig. Und wie immer an diesen Seen, ein wunderschöner alter Wald, in dem nur vereinzelt Flächen gerodet waren. Zu den Stille am Ufer passte dann auch die vielminütige Beobachtung einer 12-köpfigen Entenfamilie, wie sie aus dem Wasser an Land wanderte um dort in aller Ruhe im Gras nach Futter zu suchen. Eine schöne Pause für uns um die Mittagszeit.

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Den ganzen Tag über blies ein ganz schöner Wind; dies störte uns nicht besonders, bewegten wir uns im wesentlichen an Seen, die tief in die Landschaft eingebettet und oft von einem schützenden Wald umgeben waren. Dies änderte sich, als wir am Lago Nahuelhuapi entlangfahrend immer wieder, um die Aussicht in Ruhe zu genießen, anhielten. Auf dem Wasser war ein schöner Wellengang zu bemerken, die Wellenkämme häufig gischtig, also eine gute Windstärke vier. Hier hätte segeln so richtig Spaß gemacht! Aber niemand war auf dem Wasser zu sehen – für hiesige Verhältnisse zu stark? Wohl nicht, denn auf einem anderen See hatten wir einen Surfer, natürlich im Neoprenanzug gesichtet, aber für den normalen Segler wohl noch zu früh im Jahr? Ich erinnere mich an Zeiten in Potsdam, zu der bereits im April angesegelt wurde.

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Mehr wurden wir nach Bariloche hineingeblasen als das wir hineinfuhren; da das Touristenbüro sonntags bereits um 17:00 Uhr geschlossen hat, wir kamen erst gegen 18:00 Uhr an, machten wir uns an Hand der Hinweise im Lonely Planet auf die Quartiersuche und fanden schnell unser Nachtlagen für die kommenden drei Nächte in der Hosteria Portofino, zentral gelegen, komfortabel und zudem noch zu einem vernünftigen Preis.

In Araucania – Teil 2 : Villarrica-Pucon

Am offiziellen Beginn der Karnevalzeit hieß es Abschied zu nehmen. Wir hatten wir sehr schöne Tage in Curacautín verbracht, die Gelegenheiten zur Erkundung der wunderschönen Umgebung und der Nationalparks ausgiebig genutzt, Wetterglück stand uns zur Seite, sind interessanten Menschen auf ihrer Reise begegnet, sind auf Hostel”eltern” und eine Mannschaft gestoßen, die sehr aufgeschlossen, hilfsbereit und, bezogen auf Antonio, diskussionsfreudig war. Sehr herzlich war dann auch der Abschied am Morgen.

Unser nächstes Ziel war die Region Villarrica-Pucon, die sich nicht nur durch einen, nein mehrere besuchenswerte große Seen auszeichnet, sondern darüber hinaus mehrere Nationalparks umfasst, in denen es zahlreiche Wanderwege gibt, die uns reizen. Die rund 180 Kilometer südlicher gelegene Zielregion gilt als eines der unbedingt in das Besuchsprogramm aufzunehmenden Ziele in Chile, was auch die Inländer wissen und in der Ferienzeit in Größenordnung hierhin reisen. Lassen wir uns überraschen und lassen wir uns nicht vom ersten Eindruck, dem bei der Anreise anfangs leichten Nieselregen, der bei Ankunft in Pucon in Starkregen übergegangen war, täuschen. Wir haben Pucon als Standort gewählt, weil die interessanten Punkte in der Region von hier aus leichter und schneller zu erreichen sind. Gemeinhin gilt Pucon nicht als attraktive Stadt, unser erster Eindruck deckt sich mit den Vorinformationen, wird eher als der unruhige Ort am Lago Villarrica bezeichnet. Angesichts der sehr überschaubaren Gäste in der Stadt, wie die riesige Auswahl nicht ausgebuchter Herbergen belegt, ist mit Party in der Stadt nicht zu rechnen.

Unser Weg gen Süden, wieder fasst ausschließlich über Schotterpisten, so langsam vergessen wir das Gefühl, das beim Fahren über Asphalt aufkommt, führte uns auf der westlichen Seite an unserem “Hausvulkans”, dem Llaima, vorbei. Wir mussten feststellen, per Zufall bei unseren früheren Fahrten in den NP Conguillio mit der Wahl der östlichen Route die eindeutig bessere Wahl getroffen zu haben. Hier auf der Westseite ist, offensichtlich auf Grund diverser Vulkanausbrüche in den vergangenen Jahrhunderten kaum noch etwas von dem alten Baumbestand mit vor allem den Araukarieriesen zu sehen. Stattdessen dominiert eher üblicher Mischwald, immer wieder durchbrochen von Flächen mit nahezu gar keinem Baumbestand, sondern stattdessen sieht man kreuz und quer liegende verfaulende Urwaldriesen. Während unserer halben Umrundung wiesen immer wieder Schilder auf einen “Mirador” hin, durch die niedrigen Wolken und den leichten Regen war jedoch kein nennenswerter Blick auf den Llaima möglich.

Die weitere Fahrt entlang der Cordillera de Melo und an den Lago Colico ähnelte zeitweise einer Fahrt durch das Voralpenland mit leichten Hügeln/Bergen, viel Wald, viel Wiese, oft mit Baumbestand aufgelockert, vielen Rindviechern, wenigen Schafen und Ziegen, manchmal sehr großen Gehöften. Die Landschaft und die Straße hatten wir fast für uns allein. Auf der gesamten Strecke bis kurz vor Villarrica, das sind fast 200 Kilometer, begegneten wir keinen zehn Fahrzeugen, d.h. man kann hier ungestört fahren, wartet im Falle einer Panne aber auch unendlich lange auf eine Hilfe.

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Was wir auf dieser Fahrtstrecke aber auch früher schon bemerkt haben sind die Kleinstgehöfte oder Minisiedlungshäuser, die häufig in einem sehr heruntergekommenen mehr als reparaturbedürftigen Zustand – teiloffene Dächer waren kein Einzelfall – offensichtlich immer noch bewohnt werden. In dieser Region ist die wirtschaftliche Entwicklung an vielen Menschen vorbeigegangen, ist hier nicht angekommen. Die hier von uns vermutete Armut bei größeren Teilen der Landbevölkerung, die von der Aufzucht weniger Tiere häufig lebt/leben muß, wurde uns wiederholt in Gesprächen mit Einheimischen bestätigt. Aber, so deren Aussage, da es sich nur um eine relativ kleine Zahl in “entfernteren” Regionen lebender Betroffener  handelt, dürfte der Entscheidungsdruck wie auch die politische Bereitschaft, hier etwas zu ändern, sehr gering sein. Und wie so häufig sind die Hauptleidtragenden die Nachkommen der indigenen Ureinwohner, z.B. der hier in größerer Zahl lebenden Mapuche.

Die letzten Kilometer geht es zwischen Villarrica und Pucon dem Lago Villarrica entlang – so ist der Straßenverlauf zumindest den Karten zu entnehmen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen bedeutet “entlang” im Grunde entlang einer Baummauer zu fahren, die von den Seegrundstücksbesitzern zum eigenen “Schutz” angelegt wurde. Nennenswerte Blicke auf den See und die ihn umgrenzende Bergwelt waren uns kaum vergönnt. Können wir dies noch verschmerzen, denn in Pucon kann man direkt an zwei Strände gelangen, ist dies für die Einheimischen wohl eher ein Problem – Seezugang ist kaum oder nur mit großen Hindernissen möglich. Im Abstand von einigen Kilometern wiesen Piktogramme auf einen Seeuferzugang hin, idR ein etwa 1m breiter Weg. Da jedoch das Parken an der Uferstraßen verboten ist und Ausweichflächen nicht existieren, weil in Privatbesitz und bebaut, kommt man nur als Radfahrer, ausdauernder Geher/Wanderer oder Taxinutzer in den Genuß eines Strandbesuches.

Rechtzeitig in Pucon angekommen konnten wir systematisch unsere “Empfehlungsliste” an Unterkünften abarbeiten und gleichzeitig auch noch die eine oder andere Alternative am Wegesrand in Augenschein nehmen. Und wieder trafen wir es gut, das Hostel Victor empfing uns bei dem Schmuddelwetter mit einer vom Holzofen gewärmten Stube.

Der Dienstagmorgen überraschte uns mit sonnigem Wetter, das den ganzen Tag anhielt. Was macht man bei derartig gutem Wetter in Pucon – natürlich wandern. Zwei große Nationalparks sind von hieraus schnell zu erreichen, zum einen der NP Villarrica mit seinem gleichnamigen Vulkan, zum anderen der NP Huerquehue. In beiden weisen die über die CONAF beschafften Karten zahlreiche, teilweise sogar mehrtätige Wanderrouten aus. Beginnen wollten wir mit dem nordöstlich gelegenen Park Huerquehue, da dies mit einem Besuch des Örtchens Caburgua am Südzipfel des Lago Caburgua gut zu verbinden ist. Wir hatten diesen See bereits im Norden kurz besucht/gestreift. Er liegt in einer sehr waldreichen Region, soweit wir blicken konnten, reichten die Wälder bis in die Uferzone, wenn nicht, wie in gewissem Umfang im Ort Caburgua geschehen, der Wald der Bebauung weichen mußte.

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Ein schöner leicht kiesiger Strand lag vor dem Ort; die erkennbare Bebauung und die später wahrgenommene Ferienhaussiedlungen deuten auf starken Besuch in wärmeren Zeiten hin. Heute war hier nichts los, die Ruhe war erholsam. Zum Ort gehört auch die “Playa Blanca”, ein Strand mit wirklich weißem Sand und nicht, wie in den Vulkanregionen oft anzutreffen, schwarzem Sand. Diese Besonderheit hat wohl zur Anlage einer ausgedehnten Ferienhaussiedlung bis hinunter an den Strand in zurückliegenden Jahren gesorgt. Nur durch intensives Suchen nach einer Lücke zwischen den Privatparzellen nahmen wir – den berühmten – engen Weg war, der entlang eines Bachlaufes hinunter zum Strand führte der sich wirklich als weißer Strand entpuppte.

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Auf der Fahrt nach Caburgua hatten wir den versteckt angebrachten Hinweis auf die “Ojos de Caburgua” und den entsprechenden Abzweig übersehen, dies galt es nachzuholen. Bei den “Augen des Caburgua” handelt es sich um eine Reihe von Quellpools, die vom gut 5 Kilometer entfernt gelegenen See gespeist werden. Aus allen Richtungen strömt hier in landschaftlich schöner Lage das Wasser in einen kleinen Pool um es dann in einem großen Strom zu verlassen. Um diesen Quellpool hat sich eine große Picknickzone entwickelt, was für die Anziehungskraft im Sommer spricht, von der wir, jahreszeitbedingt, zum Glück nichts spürten und fast ungestört herumwandern konnten.

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Der Parkeingang zum NP Huerquehue war aus dem Ort Caburgua gut anzufahren, bezogen auf die Richtungshinweise; für die Strecke gilt dies weniger. Auf teilweise sehr enger, wie üblich geschotterter Piste mit erdenen Abschnitten ging es zuerst am Ostufer des Caburguasees bergauf; ab und an ermöglichten Baumlücken einen Blick hinunter.

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Nach gut 15 Kilometern war dann der Parkeingang erreicht. Angesichts der Tageszeit, inzwischen war es 13:00 Uhr geworden, entschieden wir uns für einen Rundweg zu drei Höhenseen auf gut 1.300m Höhe, für den 3 1/2 Stunden für eine Wegstrecke kalkuliert wurden. Auf dem Weg bergan machten wir dann unser Matschtreterdiplom, denn der starke Regen des Vortages hatte natürlich auch hier die Wege sehr aufgeweicht, teilweise stand dieser auch unter Wasser. Der Weg führte uns durch einen schönen alten Wald mit dem üblichen Baumbestand, darunter natürlich auch viele Araukariebäume, an zwei Wasserfällen vorbei, zu denen wir die erforderlichen Abstecher auch machten, an zwei Aussichtspunkten, von wo aus der unten liegende See in einer Linie mit dem Vulkan Villarrica zu sehen war, in gut 2 Stunden von knapp 700m auf gut 1.300m und den ersten See, den Lago Chico.

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Dieser war, wie beim weiteren Wandern deutlich wurde, wirklich der kleinste der drei. Alle Seen zeichnete das sehr klare Wasser aus; es war möglich weit im Wasser liegende Bäume sehr gut zu erkennen. Und um uns herum eine Ruhe, die nur selten von Vogelstimmen gestört wurde. Ein ganzer Park nur für uns allein? Da uns beim Aufsteigen einige Wanderer begegnet waren lag dies wohl daran, daß wir ziemlich spät unterwegs waren. Aus Unsicherheit, wie das Matschtreten auf dem teilweise sehr steilen Weg bergab zu bewältigen ist entschieden wir, um 16:30 Uhr uns auf den Rückweg zu machen. Anfangs glaubten wir auch, allein auf weiter Flur zu sein, bis wir, nachdem der letzte See, der Lago Chico, passiert war, etwa 5 Gehminuten später auf einer kleinen Kuppe eine Gruppe französischsprechender Eltern mit ihren Kindern, alle in einer Kraxe heraufgetragen, antrafen. Deren Stimmung war gut, alle lachten und auch die Aussage, nach weiteren 5 Minuten dann endlich am ersten Zielpunkt zu sein, schreckte die Truppe nicht. Wir fragten und auf dem Rückweg, der unserem Gleichgewichtsgefühl manchmal besondere Leistungen abverlangte, wie die jungen Männer mit der Zusatzlast diesen Rückweg  hoffentlich ohne Absetzer bewältigen. Gegen 18:30 standen wir dann wir an unserem Wagen. Die Strecke war zwar nicht sehr lang gewesen, wir waren jedoch die ganze Zeit in schnellem Tempo durchgegangen und spürten nun unsere Muskeln. Geschadet hat es nicht, es hat viel Spaß gemacht und der NP Huerquehue hat neue Fürsprecher gefunden.

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Der Wetterbericht für den Mittwoch sprach von wechselhaftem Wetter, kein Grund, in der Unterkunft zu bleiben. Neben dem Anstieg auf den Vulkankrater des Villarrica bietet der Park auch zahlreiche Wanderrouten an. Wir entschieden uns für einen Weg, der von der Südseite, dem Parkeingang Quetrupillán, hin zu einer Gletscherzunge führen soll.  Zufahrt mit eigenem Fahrzeug möglich, die Karte wies hierfür auch die berühmte Schotterpiste aus, also kein Problem für unseren hochachsigen Pickup – glaubten wir, bis wir die letzten etwa 3-4 Kilometer hin zum Parkeingang in Angriff nahmen. Wir waren ja schon in der Nähe von San Pedro eher ungeplant einen mehr aus großen Steinen denn aus Schotter bestehenden Viehkarrenweg in und aus Schluchten heraus gefahren und hatten Blut und Wasser geschwitzt, dort heil wieder heraus zu kommen. Der hier vorgefundene Weg stand dem früheren in fast nichts nach, lediglich die steilen Abgründe am Wegesrand fehlten. Vermutlich in knappen Schritttempo sind wir den Weg gefahren, mussten ihn auch so fahren, denn eine Möglichkeit zu wenden sahen wir nicht; also das Angefangene auch zu Ende bringen. Glücklich ohne Schramme geblieben zu sein, parkten wir vor dem Rangerhaus das, wohl jahreszeitlich bedingt, auch nicht besetzt war. Hier sahen wir dann, bezogen auf die folgende Strecke den Hinweis, daß der Fahrweg sich in schlechtem Zustand befindet. Das war, wie wir beim Entlanglaufen dieses Weges bemerkten, keine Untertreibung. Nicht nur große Steine erschwerten das Fahren, die Fahrbahn, so sie denn jemals eine war, wies mal in seiner Mitte, mal mehr zu den Rändern verlagert, eine sehr tiefe Rinne aus, die bei Regen das Wasser aufnimmt. Dort wo möglich, haben wohl hilfreiche Hände Steine oder Holz in diese Grube geworfen – ein Unimog wird so sicherlich zum Ziel kommen, aber ein Pickup wie unserer benötigt nicht nur einen Vierradantrieb, sondern zudem einen rallyeerfahrenen Piloten. Das größte Erstaunen kam bei uns bei der Abfahrt aus der “Wildnis” auf. Geplant war, die zum Park führende Schotterpiste weiter bis nach Conaripe zu fahren, denn auf den folgenden Kilometern liegen mehrere Thermalbäder rechts und links der Strecke, um entlang des Lago Calafquen über den Ort Lican Ray nach Villarrica und schlußendlich nach Pucon zu gelangen. So der Plan. Vergeblich suchten wir die in den Süden nach Conaripe führende Schotterpiste bis wir feststellten, auf dieser Piste durch den Park gelaufen zu sein, diese berühmte unpassierbare “Wasser”straße (!) Schon erstaunlich, wenn eine aktuelle Straßenkarte diesen Streckenabschnitt als normal befahrbar kennzeichnet. Die Rundfahrt fiel dadurch sehr kurz aus, einen Versuch, uns als Rallyepilot zu beweisen, gab es natürlich nicht.

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Der NP Villarrica hat viele Gesichter, wir sahen eines mit viel Mischwald, zahlreichen Araucariebäumen, gut zu findenden Wegen, ein windiges und ein eisiges. Ziel war ja, an die Gletscher im Süden heranzulaufen, d.h. es mußten etliche Höhenmeter überwunden werden, ging über die Baumgrenze bei gut 2.000m hinaus. Wir wurden freundlich hier oben empfangen, sie Sonne schien, gleichzeitig ging aber auch ein Wind, wenn wir aus geschützter Lage in die Geröllfelder traten, so daß wir schnell unsere Fleece aus dem Rucksack zerrten. Die ersten kleineren Schneefelder überquerten wir noch ohne Murren, doch als sich abzeichnete, daß dies die nächsten hunderte Höhenmeter so weitergehen würde, sahen wir wenig Sinn, unser ursprüngliches Ziel mit aller Kraft weiter zu verfolgen. Zudem waren wir auf einem Höhenrücken angelangt, der uns sowohl einen ungestörten Blick auf den Vulkan Villarrica als auch auf den im Osten liegenden Vulkan Lanin, exakt auf der chilenisch-argentinischen Grenze gelegen, ermöglichte, ganz abgesehen von den weiteren im NP liegenden kleineren Vulkankegel, die alle ihre weiße Mütze aufhatten. Ein schönes Bild, das mit der Entscheidung nicht weiterzugehen versöhnte. Es ist keine Schande umzukehren, wenn die Vernunft es anrät. Und so wurden wir vom starken Wind fast zu Tal geblasen, bis wir wieder im Schutz des Waldes waren. Eine schöne Wanderung, ein schöner Wald, den wir ohne Schlammtreten durchwanderten, leider kürzer ausgefallen als geplant, denn diesmal saßen wir nach gut 4 Stunden Gehzeit wieder im Wagen.

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Pucon ist eine attraktive Stadt – dies bezieht sich auf das, was von hier aus unternommen werden kann. Strand ist vorhanden, sogar Strände, Wasser zum Baden, Surfen, Segeln ohne Ende (aber kalt), Wälder zum Wandern – nur in den NPs, die sonstigen Wälder sind idR hier alle eingezäunt und privat (!) – Mountainbiken, anspruchsvolle Straßen für die Radfahrer, Funsportarten aller Art werden angeboten, Rafting, Kanufahren auf hohem Niveau etc. Der Ort selber ist natürlich geprägt von seiner Geschäftsidee : den Menschen Zerstreuung und Urlaub zu ermöglichen, was zu unendlich langen Aneinanderreihungen von Geschäften aller Art in nahezu jedem Gebäude rund um die Hauptstraße führt und zu einem nicht enden wollenden Übernachtungsangebot. Das Geschäft prägt den ganzen Ort, der außer diesen Geschäften nichts zu bieten hat, auch keine besondere Atmosphäre ausstrahlt. Nun denn, wir sind ja hierher gekommen, um uns das Umland anzusehen, und dies war es wert, hier unser Zelt aufzuschlagen.

Heute am 14.11. hätte niemand seinen Hund, es sein denn, um das Notwendige zu erledigen, vor die Tür gejagt, denn der Regen war doch sehr heftig. Dieser Tag kam uns jedoch zupaß, denn die weiteren Stationen mussten geplant werden, wir müssen Quartier für die Osterinsel festmachen und uns um das Fahrzeug für Neuseeland kümmern, um die drückendsten Aufgaben zu nennen. Es fällt leichter, sich hierum zu kümmern, wenn die Alternativen sehr eingeschränkt sind. Jetzt am Abend sind zwar einige, leider nicht alle Aufgaben erfüllt, d.h. in den nächsten Tagen werden wir noch einige Stunden vor dem Netbook verbringen müssen.

Über Nacht stiegen die Befürchtungen, in den nächsten Tagen keinen guten Netzzugang zu bekommen und mit unserer Fahrzeugsuche und –buchung in Neuseeland immer weiter ins Hintertreffen zu geraten. Dann besser, die Recherche hier vor Ort weiterzuführen und noch einen Tag zu bleiben, obgleich das freundliche Wetter zur Weiterreise auch animiert hat. Einen guten Vormittag verbrachten wir vor dem Rechner, studierten Angebote, versuchten zu vergleichen, lasen ellenlange Vermietungsbedingungen, machten uns schlau über mögliche Zusatzversicherungen um den Selbstbehalt einzuschränken/auszuschließen und stellten diverse Anfragen. Nicht alle wurden inzwischen beantwortet – es war ja hier in Chile Freitagmittag. Unser größtes mentales Problem ist, daß bei einer Direktbuchung in Neuseeland die Zahlungsströme weit vor der Fahrzeugübergabe erfolgen, aber eine Art Sicherungsschein zumindest für uns erkennbar nicht abgegeben wird. Hier muß dringend Klarheit her, denn nach der Pleite mit der doppelt zu bezahlenden Erstübernachtung in Buenos Aires wollen wir nicht ein zweites Mal unserem Geld hinterhersehen. Also heißt es warten, weiter prüfen und in den nächsten Tagen dann entscheiden.

Den Nachmittag nutzten wir dann noch einmal zu einem Rundgang durch Pucon, zu einem Besuch der noch leeren Strände, entlang der zahlreichen Adventure-agenturen und schließlich zu einer kleinen Bootsfahrt auf dem Lago Villarrica. Ziemlich gemächlich fuhr diese Art Catamaran eine gute dreiviertel Stunde lang an der Pucon nahen Küste vorbei und gab uns Gelegenheit, von Weitem zu sehen, wo denn einerseits die Schönen und Reichen der Region/des Landes ihre Villen in die Wälder und an den Strand haben bauen lassen, wenig alte Substanz war zu erkennen, anderseits auch einige hohe Apartmenthäuser mit Ferienwohnungen zu “bestaunen”. Es gibt schlimmere Küstenbebauungen als hier, jedoch mit Blick auf die wunderschöne Umgebung schmerzt es zu sehen, wie nur einigen wenigen der direkte Blick auf den großen Lago Villarrica möglich ist. Und über allem tront der Vulkan Villarrica, heute sehr gut sichtbar und nur ab und zu von einigen kleinen Wolken teilweise verdeckt, jetzt in noch umfangreicherer weißer Schneepracht, denn während es hier unten am See heftig geregnet hat, wurde am Berg eine Neuschneedecke von gut einem halben Meter gemessen. Aufstieg möglich, aber erst am Sonntag, zu spät für uns, denn wir haben noch einiges vor.

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Unsere Zeit hier im Bereich Villarrica-Pucon ist zu Ende, nicht jede gewünschte Wanderung und Fahrt war möglich; hiermit müssen wir uns anfreunden. Morgen geht es dann wieder hinüber nach Argentinien, vorbei am Vulkan Lanin und durch den entsprechenden Nationalpark, um einige Tage im argentinischen Seengebiet zu verbringen bei, wie der Wetterbericht aussagt, gutem Wetter.

In Araucania – Teil 1: Curacautín

In der Nacht vom 6. auf den 7.11. ließ der Starkregen nach und am früher Morgen fiel kein Tropfen mehr. Die Region bietet genug Möglichkeiten in den zahlreichen Naturparks zu wandern, Grund vor Ort zu bleiben und nicht weiterzufahren. Einzig der uns nicht mit Bargeld versorgende Geldausgabeautomat der örtlichen Bank und die geringen vorhandenen chilenischen Bargeldbestände machten Fahrt zur Bargeldversorgung in das 90 Kilometer entfernte Temuco notwendig.

Auf der Suche nach dem lokalen Tourismusbüro fielen uns mehrere Hinweise auf Hostels auf; dem ersten gingen wir sofort nach und stießen auf ein sehr empfehlenswertes Hostel, Epu PeweN, in dem wir uns sofort für zwei Nächte einquartierten. Das gelöste Quartierproblem gab uns die Chance, statt nach Temuco direkt in den Nationalpark Tolhuaca, gute 30 Kilometer nördlich gelegen, zu fahren, in dem einige schöne Wanderwege existieren. Und wir wurden nicht enttäuscht.

In der Region gibt es, auf Grund der besonderen geologischen vulkanischen Situation zahlreiche Thermalquellen und –bäder. Auf dem Weg zum Park stießen wir auf eine derartige Einrichtung mit einem Außenbecken in einer Anlage, die früher bessere Tage hatte, da der Gesamtkomplex sichtbaren Renovierungsbedarf hatte. Mit Blick auf die fast auf Null gesunkenen Bargeldbestände entschieden wir dann trotz im Wagen vorhandener Badeausstattung, den Thermenbesuch zu vertagen. Stattdessen machten wir uns auf den mit 1 1/2 Stunden einfache Wegstrecke ausgewiesenen Wanderweg zur Laguna Verde. Vorbildlich die Wegmarkierung, zumindest am Einstieg in den Weg; später erübrigten sich wohl weitere Markierungen, der schmale Fußweg leitete den Wanderer vorzüglich. An der Tafel am Streckenbeginn war die Weglänge mit 2 Kilometern angegeben, eigentlich auf einem Bein zu bewältigen in der angegebenen Zeit. Es ging unter einem grünen Blätterdach anfangs stetig bergauf,manchmal mußten wir auch über Baumstämme klettern, uns über das Geröll eines Bachbettes “hocharbeiten”, die ersten Araucariebäume wurden gesichtet, denen immer mehr folgten. Wir fühlten uns wohl, das Wandern machte so richtig Spaß und zu unserem Glück blieb es trocken, teilweise konnte man die Sonne durch die Wolkenlücken erahnen. Nach etwa einer Stunde bergangehen kamen erste Zweifel auf, ob wir auf dem richtigen Weg uns befinden, 2 Kilometer, die sind doch schon längst hinter uns. Da wir uns an eine Weggabelung nicht erinnern konnten blieb nur die Schlußfolgerung, dem richtigen Weg zu folgen – Angaben können auch fehlerhaft sein, siehe unsere Versuche der Passüberquerung in den vergangenen Tagen. Irgendwann, es müssen gut 1 1/2 Stunden vergangen sein, hörten wir ein immer stärkeres Geräusch eines bergabfließenden Baches – dann kann die Quelle und vermutlich der See nicht weit sein. Schließlich waren wir am Ziel, an einem idyllisch von hochstämmigem Wald, in der Mehrzahl Araucariebäume umsäumten kleinen Bergsee, in dem sich wenige Enten tummelten, ansonsten war hier eine herrliche Ruhe. Wir freuten uns, nicht nur, das Ziel erreicht zu haben, sondern so etwas ruhiges, friedliches und schönes zu Gesicht bekommen zu haben, der Tag war bereits jetzt ein Erfolg.

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Die Zeit des Rückweges stoppten wir und als wir feststellen mussten, trotz schnellem Gang 50 Minuten gebraucht zu haben, war die ursprünglich angegebene Weglänge als fehlerhaft entlarvt.  Es müssen eher 4-5 Kilometer sein, so unsere Schätzung, aber für uns war nicht die Länge, sondern das Erlebnis von Bedeutung.

Die Weiterfahrt durch den Nationalpark führte uns an immer neuen Baumriesen vorbei an eine große Laguna, die Laguna Malleco, die wir bereits durch die Bäume während unserer Wanderung in weiter Ferne ausgemacht hatten. Schon bald hinter dem Parkende breiteten sich größere Ackerflächen ebenso aus wie riesige abgeholzte Areale, die jetzt brach lagen. Uns begegneten zahlreiche LKWs mit Hängern, voll beladen mit Holzstämmen – hier wurde offensichtlich der Baumbestand drastisch reduziert und zu Geld gemacht. Später bemerkten wir, daß zumindest auf einigen der abgeholzten Flächen eine Wiederaufforstung stattgefunden hat. Dann wiederum stießen wir auf lange Alleen sehr hoher und sehr schlanker Bäume, bei näherem Hinsehen stellten sich diese als Eukalyptusbäume heraus, die plantagenartig angepflanzt und, wie an den abfahrenden LKWs ersichtlich war, ebenfalls großflächig gefällt wurden. Wie wir später erfuhren, verkaufen die Landwirte ihre ausgelaugten Äcker an die Holzindustrie, die dann dort Plantagen mit schnellwachsenden Pinien und Eukalyptusbäumen anlegt.

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Die vom Park in die rund 55 Kilometer entfernte Stadt Victoria führende Straße war die übliche Schotterstraße, bei der an Schlaglöchern nicht gespart worden ist. Um so erstaunter waren wir, als an unserem haltenden Wagen ein Holztransporter vorbeistob, bei dem sich ein etwa 4m langer Stamm schon fast zur Hälfte herausragte und drohte auch vom Hänger zu fallen. Wir hinterher und nach etlichen Kilometern, die der LKW zum Teil mit Tempo 70 auf dieser Strecke zurücklegte, konnten wir ihn endlich überholen und auf sein Ladeproblem aufmerksam machen. Für uns erstaunlich, wie sorglos hier geladen wird; Zurrgurte sind zumindest bei den gesehenen Holztransportern wohl unbekannt, denn am Weg liegende Stämme zeugten davon, daß auch andere Transporter bereits Lasten verloren hatten.

Autobahnen und der Verkehr darauf sind bei uns streng reglementiert; wer dies auf hiesige chilenische Verhältnisse übertragen will, irrt. Nun hat sich sicherlich auch bei uns einmal ein verwirrter Radfahrer auf eine Autobahnauffahrt verirrt, hier in Chile scheinen jedoch Radfahrer auf diesen Pisten nicht zwingend die Ausnahme zu sein, und schon gar nicht bei Fahrten entgegen der Fahrtrichtung. Fußgänger nutzen auch die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, d.h. sowohl Überquerungen der Fahrbahnen trotz teilweise aufgestellter Zäune zwischen den beiden Richtungsbahnen finden in bemerkenswerter Zahl statt wie auch das Nutzen der Fahrbahn als Fußweg. Schließlich scheinen die Autobahnen ein guter Treffpunkt zu sein, wenn man für eine Mitfahrt verabredet ist, wie zahlreiche am Rande wartende Bürger belegen.  Andere Länder, andere Sitten, hier muß wohl mit allem gerechnet werden.

Temuco haben wir kurz zum Geldtanken besucht, so interessant soll die Stadt auch nicht sein, um hier Stunden zu verbringen. Am Abend nutzten wir dann die Küche unseres Hostels und konnten seit langem endlich einmal etwas anderes als die sattsam bekannten Restaurantspeisen genießen.

Freitag den 8.11. hatten wir uns vorgenommen, im südlich von Curacautín gelegenen Nationalpark Conguillio eine mehrstündige Wanderung in Richtung der Berggruppe Sierra Nevada zu unternehmen, ein Weg, der als wunderschöner Aussichtsweg mit Blick auf den Lago Conguillio und den Vulkan Llaima beschrieben wird. Die Absicht zu dieser Wanderung konnten wir nicht umsetzen, denn wer läuft schon gerne stundenlang bergauf, um dann in Wolken zu stehen und das gewünschte nur vor dem inneren Auge wahrzunehmen? Während der Anfahrt auf den Nationalpark sank die Wolkendecke zunehmend, vom Vulkangipfel war nichts wahrzunehmen. Dennoch, die Fahrt in und durch einen guten Teil des Parks waren ein Gewinn. Immer wieder gingen die Augen nach oben und suchten die Baumkronen der Riesenbäume, die hier im Park in sehr großer Zahl stehen. Es war wie im Urwald, denn der Park und sein Baumbestand wird sich selber überlassen. Manchmal sah man von der Piste aus die Riesen flachgelegt und verfaulend. Auf einem kleinen Rundweg durch einen nahezu ausschließlichen Araucarienbestand waren wir den alten Bäumen dann greifnah, konnten seine sehr dicke schrundige oft als Fünfeck ausgeprägte Borke deutlich sehen und fühlen, sammelten ausgeworfenen Samen und versuchten, die Baumhöhen zu schätzen.

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Der Vulkan Llaima gehört zu den regeren seiner Art; zuletzt  ist er am 1.1.2008 ausgebrochen; auf der Fahrt durch den Park kann man sehr deutlich die Bahnen sehen, die das Lava damals genommen hat; auch entfernt von der eigentlichen Flußstrecke hat der Baumbestand nicht unerheblich gelitten, wie verkohlte Stämme zeugen.

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In der Hoffnung auf Wetterbesserung haben wir die Wanderung nur aufgeschoben.

Das war ein Tag, der 9.11., ein Tag, den man sich an die Wand hängen kann! Damit sind nicht Ereignisse gemeint wie der Matrosenaufstand 1917 oder der Mauerfall 1989, sondern unser Tag hier in Curacautín und dem angrenzenden Nationalpark Conguillio. Zwar schien früh morgens keine Sonne, aber die Hoffnung bestand auf einen Anstieg der Wolkendecke. Als wir uns dann um 10:00 Uhr auf den Weg in den 35 Kilometer entfernten Park machten gab es Hoffnung aber keine Gewißheit auf einen ungestörten Blick auf den Llaima. Aus dem Ort fahrend hatten wir endlich freien Blick in Richtung Süden und waren  mehr als überrascht, denn wir sahen nicht nur den ganzen Vulkan in stolzer Größe, sondern bis weit hinunter an den Fuß in der Ebene war Weiß zu erkennen – es hatte kräftig geschneit und so kamen wir in den Genuß eines märchenhaften Bildes. Unten im Ort war es in der Nacht zwar ziemlich kalt, etwas über Null Grad wies die Vorhersage aus, aber es war trocken geblieben. Schön, wenn dann wenige Kilometer entfernt das Wetter eine so überraschende Wendung nimmt. Nicht nur der Llaima, sondern auch die übrigen sichtbaren Vulkane wie der Lonquimay, der Lanin viel weiter im Süden und die Sierra Nevada trugen reichlich Neuschnee. Auf der Fahrt in den Park konnte zumindest ich mich  an dem tollen Bild nicht sattsehen.

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Geplant war eine Wanderung beginnend am südöstlichen Ende des Lago Conguillio hinauf auf Aussichtspunkte in der Sierra Nevada, um von dort einen, wie beschrieben, unglaublichen Blick über See und Araucariewälder auf den Vulkan zu haben. Und das war nicht zuviel versprochen. Wir gingen mehr oder weniger stetig durch eine Art Märchenwald bergan, in dem Monsterbäume zu Hauf standen, nicht alle bei bester Gesundheit, will sagen, aus unerfindlichen Gründen waren einigen die Kronen abhanden gekommen. Aber ihre Baumstammumfänge, wir schätzten auf 1,50-2m in vielen Fällen und die Stammhöhen, die auf kein Bild zu bannen waren, imponierten. Der Wald wird sich selbst überlassen als Naturpark, weshalb Leben und Tod nebeneinander immer wieder Platz haben, umgestürzte Bäume von noch gesunden aufgefangen und gehalten werden oder kreuz und quer liegen und langsam sich zersetzen. Der hier durchwanderte Wald war ein Mischwald, in dem neben den häufig anzutreffenden Araucariebäume auch Buchen stehen.

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Fast während der gesamten Wanderung vernahmen wir nur naturnahe Geräusche wie fließendes Wasser, herabstürzende Bäche, Vogelgezwitscher, Blätterrauschen und auch das Pochen eines, nein es waren erkennbar drei verschiedene Spechte. Hoch oben, leider oft sehr gut durch die Blätter verdeckt, bearbeiteten die Vögel das Holz. Ihr “Klopfen” war deutlich zu hören, selbst von mir, jedoch die Vögel finden? Dank Katrins guter Augen entdeckten wir den Arbeitertrupp, der sich von den Menschen dort unten auf dem Weg nicht abhalten oder verscheuchen ließ.

Wie wir am ersten größeren Aussichtspunkt feststellten, waren wir nicht die einzigen auf dem Weg. Wir trafen dort vespernd eine Schulklasse auf ihrer Abschlußfahrt an, im Verlaufe des Tages begegneten uns darüber hinaus auch mehrere Wanderer aus deutschsprachigen Ländern, die sich fast ausnahmslos durch ihr “Hallo” und keine spanische Begrüßung zu erkennen gaben.

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Nach etwa 1 3/4 Stunden Anstieg hatten wir den Kamm eines Bergrückens erreicht, auf dem wir zum abschließenden Aussichtspunkt, der dem Vulkan und seinen beiden Kegeln genau gegenüber liegt, wandern wollten. Das Schnee gefallen war, hatten wir ja gesehen, jedoch war uns nicht klar, bis auf welche Höhe der Schneefall reichte. Und dann trafen wir, mit normalen Wanderschuhen ausgerüstet, auf die ersten kleineren Schneefelder, die sehr langsam wegen des ziemlich abschüssigen Geländes überquert wurden. Zuerst wechselten sich die durch Bewuchs geschützten und praktisch schneefreien Flächen mit den ausgesetzten und stark beschneiten Flächen ab. Dann ganz oben auf dem Kamm lag vor uns nur noch eine weiße Fläche, in die wir uns hineinarbeiteten. Immer wieder konnten wir die Sicht auf den Vulkan genießen, bemerkten aber gleichzeitig, wie der Schnee trotz besten Bemühens den Weg in die Schuhe fand und wir nasse Socken bekamen. Nach einer guten 3/4 Stunde Stapfen im Schnee ohne Aussicht auf grundlegende Besserung, denn der angepeilte Aussichtspunkt lag auch auf einer sehr ausgesetzten Stelle des Kamms, entschieden wir, die letzten vor uns liegenden wenige hundert Meter uns zu schenken, denn deutlich besser als der vom aktuellen Punkt ermöglichte Blick über See, Wald und Vulkan dürfte weiter vorn nicht zu erwarten sein, umzukehren. Ein, wie sich herausstellte sehr guter Entschluß.

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Gut eine viertel Stunde später bemerkten wir über uns zwei große Vögel, die fast ohne einen Flügelschlag ihre Kreise am Himmel zogen; einer von ihnen ließ sich bald talwärts gleiten, der andere zog weiterhin erst große, dann über uns immer kleinere Kreise, kam im Flug immer tiefer und ließ sich dann etwa 200m entfernt auf einem Araucariebaum nieder. Von uns aus schwer auszumachen, um was für einen Vogel es sich handelt, getippt wurde auf einen Geier, denn Kondore sollen ja einen roten Dutt auf dem Kopf haben, den wir jedoch nicht wahrnehmen konnten. Leider platzierte sich der Vogel für die Kamera so ungeschickt auf seinem Baum, daß er uns förmlich den Rücken zuwandte und die “Nase in den Wind drehte”. Schade, denn den Kerl auf die Platte zu bannen war so kaum möglich. Ab und an hob er die Flügel an aber offensichtlich nicht, um wieder abzuheben, worauf der Fotograf wartete, sondern wohl nur, um sich etwas Wind unter die Federn blasen zu lassen. Nach mindestens 5-minütiger Warterei gingen wir davon aus, daß dieses Flugobjekt für längere Zeit in Parkposition gebracht worden war und gingen unseres Weges. Katrin, oft mehr als einen Schritt voraus, während ich immer wieder Ausschau nach rechts oder links nahm, wartete bald auf mich um zu berichten, daß in einem Abstand von vielleicht zwei Metern ein riesiger wohl ähnlicher Vogel auf einem Baum regungslos vor ihr über Minuten gesessen hätte, um dann den Abflug zu machen. Also waren uns an diesem Tag drei sehr große Vögel begegnet.

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Am Abend in unserem Hostel zeigte ich die wenigen Bilder, die möglich waren, den Mapuche-Hostelbetreibern, um eine Antwort auf die Frage Geier oder was zu erhalten. Wir wurden aufgeklärt, daß in dieser Region der Anden Geier nicht vorkämen. Ein Blick auf die Fotos und dann anerkennende Äußerungen. Wir hätten wirklich Kondore gesichtet; daß diese Vögel uns so nah herangelassen hätten, sei kein Normalfall. Aus Mapuchesicht hätten die Vögel uns quasi begrüßt und uns ihren Respekt bezeugt. Gleich wie die Sichtweise der naturverbundenen Mapuche ist, wir freuten uns riesig,  diese Vögel über so lange Zeit beobachtet und gesehen zu haben.

Der Tag war somit ein besonderer für uns, tolle Wanderung in beeindruckender Landschaft, freier Blick auf einen sonnenbeschienenen schneebedeckten Vulkan, eine imposante Berglandschaft darum herum und die Begegnung mit drei Flugobjekten, die sich als Kondore herausstellten. Was will man mehr an einem Tag?

Am Abend trafen wir dann im Hostel auf neue Gäste, von denen zwei sich als auf der Fahrt in den Park gesichtete Radfahrer herausstellten. Hatten wir den beiden am Straßenrand stehenden Sportlern bereits beim Vorbeifahren durch den hochgereckten Daumen unsere Anerkennung signalisiert, wuchs unsere Hochachtung im Verlaufe eines abendlichen Gespräches mit dem aus dem Elsaß stammenden Paar. Im Verlaufe von 7 Monaten hatten die beiden Teile von Peru und Bolivien durchfahren und sind die Anden entlang in Chile und Argentinien – unter Einschluß der Halbinsel Valdez in Argentinien (!) – bis tief in den Süden nach Ushuaia geradelt; jetzt quasi auf einer Zwischenetappe wieder im Seengebiet gelandet, um in etwa zwei Wochen dann im Süden die Mutter der Radfahrerin zu treffen. Auf rund 10.000km seien sie gekommen mit ihren einschließlich Gepäck zwischen 40 und 50kg schweren Rädern. Übernachtung in der Regel im Zelt, auch bei deutlichen (20) Minustemperaturen, Verpflegung wurde mitgeschleppt und bestand in der Zeit meistens aus Reis, Nudeln und Fischkonserven. Vielfach seien sie auf sehr hilfsbereite Menschen gestoßen, hätten aber auch oft Unverständnis hervorgerufen – Unverständnis aus Unwissenheit, denn hier ist man ein armer Mensch, wenn er kein Auto hat, sondern mit dem Fahrrad herumfahren muß! Europäer, die sich kein Auto leisten können – hier ein Treppenwitz, wenig Verständnis dafür, daß es auch andere als konsumorientierte Lebensentwürfe gibt. Wie Allain und seine Frau uns erzählten, war dies nicht die erste und wird nicht die letzte monatelange Fahrradtour sein. Als nächstes Ziel steht Tadschikistan/Kirgisistan auf dem Wunsch- und Planungszettel! Und die beiden haben einen Elan – abends angekommen wird sofort für den nächsten Tag eine Besteigung des schneebedeckten mehr als 2700m hohen Lonquimay mit Pickel und Steigeisen, die hier im Hostel ausgeliehen werden können, in Angriff genommen, Abmarsch ist 06:30 Uhr. Dass Angebot, doch mitzukommen, haben wir dankend abgelehnt, obgleich wir bei den beiden bergerfahrenen in guten Händen gewesen wären, denn Allain kann allein 14 Besteigungen des Montblanc aufweisen.

Für den 10.11. hatten wir dann den Besuch des Nationalparks Malalcahuello und Nalcas mit seinem Hauptvulkan Lonquimay ins Auge gefasst. Bei seinem letzten Ausbruch 1988 ist hier ein zweiter junger Krater entstanden, zu dem wir wandern wollten. Am Park angekommen mussten wir feststellen, daß der Schnee weiter herabreichte als wir uns vorgestellt haben und der Weg für den vierstündigen Anstieg im wesentlichen durch die Geröllfelder alter Vulkanausbrüche führt, für dass Auge nach den vergangenen grünen Tagen eine Strafe, für den Wanderer bei starker Sonne ohne Schatten keine Freude. Wir hatten, wie uns die Elsässer am Abend berichteten, schon etwas verpasst, aber trockene Füße behalten. Stattdessen entschieden wir uns für die erste Hälfte des Weges “El Coloradito”, von dem aus in größerer Höhe immer wieder Blicke auf den Vulkan möglich sein sollen. Anfangs gab es auch, wie wir es von den Vortagen gewohnt waren, Wegmarkierungen, die sich jedoch dann im Nichts verloren. Wir stapften dann eine gute halbe Stunde über die letzte Markierung hinaus einem als solchen empfundenen Pfad nach, der sich entlang eines Baches nach oben schlängelte, bis wir vor einer nahezu undurchdringlichen grünen Wand standen. Ein weiterer Weg war weder zu erkennen noch zu erahnen – Konsequenz : Rückweg nach fast einer Stunde Gehzeit. Am Startpunkt dann angelangt bot es sich an, den Weg auf einen kleinen Nebenberg zu gehen, auf den wir uns dann auch machten. Es floß Schweiß, aber nach einer guten Stunde waren wir dann auf gut 1800m Höhe angekommen, genossen aber nur kurz die Sicht, denn vom Tal kam der Wind in starken Böen hochgeschossen. Auch wenn wir heute unser ursprüngliches Ziel nicht erreichten, wir haben dennoch einige schöne Wanderstunden erlebt.

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Unsere beiden unkaputtbaren Elsässer hatten – selbstverständlich – den Vulkangipfel erreicht; dazu reichte ihnen die Zeit von 07:30-11:00 Uhr. Sie haben sich dann auf dem Gipfel und einer anderen Abstiegsroute auch über den jungen Vulkan einen schönen Nachmittag gemacht und kamen ohne Anzeichen einer besonderen körperlichen Anstrengung wieder im Hostel an.

Sowohl im Naturschutzgebiet des NP Conguillio als auch in NP Malalcahuello-Nalcas bestehen Skiarenen an jeweils einer Vulkanflanke mit jeweils drei relativ kurzen Liften an augenscheinlich problemlosen Hängen. Insbesondere am Eingang des NP Conguillio hat sich in der Vergangenheit eine rege Bautätigkeit entwickelt; eine größere Ansammlung von Cabanas/Hütten und eine gewisse Skiinfrastruktur mit Skischule, Restaurants, Sportshops etc. sind die Folge. Die umliegenden Ortschaften bis hin zum gut 25 Kilometer entfernten Curacautín profitieren von den Übernachtungsgästen im hiesigen Winter. Wie wir bei einer Kaffeeinkehr auf der Rückfahrt vom NP Malalcahuello-Nalcas in einer kleinen Hütte Cafe Aleman Augsburg von der Besitzerin, einer deutschstämmigen Chilenin erfuhren – Streuselkuchen von bescheidener Qualität, zwar Bohnenkaffe, aber in der Stärke den chilenischen Verhältnissen angepasst –, hat sich die Skisaison wegen stark reduzierter Schneemengen in den vergangenen 10 Jahren merklich um einen guten Monat verkürzt. Nach ihrer von uns natürlich unwidersprochenen gebliebenen Auffassung Ausdruck des Klimawandels. Kurze Wintersaison und eine ebenso kurze Sommersaison – das Leben der vom Tourismus Abhängigen dürfte nicht leicht sein.

Drei Versuche nach Chile zu reisen –oder : traue keiner offiziellen Auskunft!

Nun hatten wir am Vorabend den Abreiseentschluß gefasst und uns gedanklich bereits mit dem neuen Startort in Chile für die weitere Reise angefreundet. Da die Strecke nur gut 350 Kilometer lang war, ließen wir uns am Morgen mit der Abreise auch Zeit, kauften Proviant ein und fuhren gemächlich die Ruta National 40 in Richtung Süden. Den Streckenkilometerangaben handelt es sich wohl um die längste Argentinien durchmessende Straße, denn bis zum Endpunkt im tiefen Süden waren es noch fast 3.000 Kilometer.  Erstaunlich, daß eine derart bedeutungsvolle Straße, je weiter man gen Süden kommt (und je dünner die Bevölkerungsdichte ist), der Anteil nicht asphaltierter Strecken spürbar ansteigt. Knapp 20 Kilometer hinter Malargüe ging das Geschüttel dann wieder los und sollte nahezu den ganzen Tag anhalten.

Wiederholt aufgefallen waren am Straßenrand aufgestellte Nationalitätsschilder, auf denen entweder die Umrisse der Malvinas/Falklandinseln abgebildet waren oder aber in deutlicher Schrift auf die Zugehörigkeit der Malvinas zu Argentinien hingewiesen wurde. Wir können die rechtliche Situation, wer wann diese Eilande im Pazifik wem “abgenommen” hat, nicht beurteilen, erinnern uns jedoch an der Falklandkrieg um diese im Grunde nutzlose Eilande, bei dem auf beiden Seiten sinnlos Menschen sterben mussten; die einen, weil ein großmannssüchtiger Staatschef von inneren Problemen ablenken und den Krieg anzetteln musste, zum anderen eine ehemalige Großmacht seine Ansprüche meinte mit Waffengewalt verteildigen zu müssen. Warum die Frage nicht vor einem internationalen Gremium ohne Einsatz kriegerischer Mittel zur abschließenden Verhandlung gebracht wurde, wenn es denn etwas zu richten gegeben hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Unzweifelhaft scheint für die Argentinier jedoch der Falklandkrieg mit einer nationalen Schmach einherzugehen; man sollte tunlichst vermeiden, mit Argentiniern dieses Thema zu politisieren, wenn man sich keinen Ärger einhandeln will. Es hat den Anschein, als solle mit den an den Straßen präsenten “Parolen” dem Volk eingeimpft werden, wer die wirklichen Ansprüche an diesen paar Felsen im Meer hat.

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In Bardas Blancas, dem Ort an der RN40-Sur wurde kräftig gebuddelt; der Ort gibt nichts her, gebaut wird jedoch, als ob hier in Kürze der Verkehr einer Großstadt zu bewältigen ist, unter 4 Spuren geht wohl nichts. Hier mussten wir in Richtung Westen abbiegen und nun in unendlichen Kurven dem Flußlauf des Rio Grande folgen, mal in unmittelbarer Nähe zum Flußlauf, mal über eine Bergkuppe uns quälen, später ging es einem Zufluß des Rio Grande entlang aufwärts.Endlich einmal ein Flußbett, in dem Wasser in sichtbarer Menge floß, stark braun gefärbt. Bei Sonnenschein und jedem gewonnenen Kilometer stieg die Stimmung, denn auf der anderen Andenseite würde es wieder grün sein, d.h. Abschied von den hier dominierenden Brauntönen, in die sich in Wassernähe manchmal zartes und dunkleres Grün von Sträuchern und Grasbüscheln mischte. Gegen 13:00 Uhr erreichten wir den letzten Ort vor der Paßhöhe, Las Loicas, eine kleine Ansammlung von Hütten.

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Dann nahmen wir ein Schild wahr, das auf die Grenzkontrolle auf Argentinischer Seite hinwies. Verständlich, wenn an dieser Stelle die Straße durch ein Tor versperrt ist, glaubten wir anfangs. Doch dann verstanden wir die Welt nicht mehr. Der freundliche Grenzbeamte vermittelte uns, der Pass nach Chile sei gesperrt, unpassierbar, da auf chilenischer (!) Seite noch 2 Meter Schnee auf der Straße liegen würde. Wir konnten es nicht fassen – dieser Pass auf 2.583m ist wegen Schnee unpassierbar, die bislang kennengelernten Pässe bei Mendoza (3.832m) oder der Paso De Jama (4.425m) auf dem Weg nach Salta waren passierbar und wir erinnern uns nicht, in der Nähe der Pässe Schneemassen gesichtet zu haben. Und hier wegen Schnee unpassierbar? Warum ist der Hinweis in Bardas Blancas auf den Grenzübergang nach Chile nicht sichtbar gestrichen – die 200und Kilometer bis Talca signalisieren doch, hier geht es lang! Der Grenzer war nicht zu erweichen, dies hieß nun, die ganze Strecke bis Bardas Blancas zurück! Welcher Pass denn in der “Nachbarschaft” geöffnet sei – eine Sofortauskunft war dem Beamten nicht möglich, er ging aber in sein Büro, offensichtlich, um sich kundig zu machen. Als Ergebnis seiner Recherche und Nachfragen nannte er uns dann den weiter südlich liegenden Paso de Pichachen (2.062m) und zeigte diese Möglichkeit auf unsere Bitte hin uns auch auf unserer Straßenkarte. In unmittelbarer Nähe liegt dieser Pass zwar nicht, für uns hatte das eine weitere Fahrstrecke von gut und gerne 350 Kilometern zur Folge, an diesem Tag eh nicht mehr zu schaffen. Also neu orientiert, Uhrenvergleich und mit der gebotenen Geschwindigkeit auf Schotter- oder Dreckpiste dem neuen Übergang entgegen. Wir hofften bis zum Abend den Ort Chos Malal erreichen zu können, wollten so nah wie möglich an den neuen Übergang herankommen. Wir fuhren schon einen heißen Reifen, auch, um die am Vormitttag vertrödelte Zeit zumindest zum Teil wieder aufzuholen. Zum Glück hatten wir am Vorabend darauf verzichtet, in Talca uns ein Quartier zu buchen, der Schaden war groß, er hätte größer sein können.

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Wenn die Straßenkarte auch bei schlechteren Straßenverhältnissen eine Abkürzung zuließ, wurde diese auch gefahren. Mir war in Erinnerung geblieben, daß in der Nähe der Ortschaft Barrancas eine 80 Kilometer lange Schotterpiste in die Nähe von Chos Malal führen sollte, die RN40-Sur kam auf gut 115 Kilometer bei nicht unbedingt deutlich besserem Straßenbelag. Den Ort Barrancas passiert hielten wir die Augen offen und nahmen, fast aus den Augenwinkeln, die Abzweigung einer Schotterpiste wahr, also abbiegen, aber anfangs kein Hinweisschild. Nach einigen hundert Metern dann der erste Hinweis : bis zum Regionalpark Tramen knapp 50 Kilometer. Von diesem Park hatten wir noch nie etwas gelesen, schien eine Sackgasse zu sein, also zurück auf die RN40-Sur.  Katrin studierte, wenn der Straßenbelag es zuließ, immer wieder die in unserer Straßenkarte enthaltenen Zusatzinformationen, aktuell die zu unserem nächsten Übernachtungsort. Dann laut werdend – zu dem Park Tramen kann man auch von Chos Malal fahren! Das war die Lösung, denn wenn man von Barrancas zu dem Park genau so fahren kann wie von Chos Malal dann war dies die gesuchte Abkürzungsstrecke!

Und wieder einmal eine Kehrwende, diesmal eine, die sich wirklich lohnte. Kilometer um Kilometer ging es wieder einmal auf- und abwärts, vorbei an manchmal großen Haziendas mit teilweise sehr großen Pferdebeständen. Im Verlaufe der Fahrt verschlechterte sich der Fahrbahnzustand immer mehr, zügiges Fahren war eher selten, wir schaukelten uns meist im 2. Gang über die Steine und durch die Schlaglöcher. Wasserläufe wurden durchfahren, Zweifel kamen auf, ob dies doch der richtige Weg sei und nicht im Nirgendwo enden würde. Die Landschaft war beeindruckend, dafür hatten wir trotz aller Unsicherheit immer wieder ein Auge, vor uns ein großer Vulkankegel, der die Landschaft förmlich beherrschte und natürlich fotografiert wurde.

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Und dann, als wir kaum noch damit rechneten tauchte vor uns ein Schild auf, das auf den Beginn des Naturparks Tramen hinwies, wir waren am Ziel. Die skeptische Katrin wies jedoch immer wieder darauf hin erst dann von der Richtigkeit der Route überzeugt zu sein, wenn wir auch wirklich auf diesem Weg Chos Malal erreicht haben und nicht die ganze Strecke zurück fahren müssten. Was dann folgte, wog den Frust über den geschlossenen Pass auf. Wir sahen einen großen See vor uns, auf dem einzelne Punkte, bei genauem Hinsehen sogar rötlich schimmernde Punkte auszumachen waren. Vögel, Flamingos. Je näher wir dem See kamen um so deutlicher wurde, hier handelt es sich nicht um einzelne Exemplare, sondern um Hundertschaften von Flamingos. Den Wagen stehen gelassen näherten wir uns behutsam dem Seeufer und hatten wiederum Glück, denn die anfangs durch uns aus der Uferzone verscheuchten Vögel gesellten sich zu einer etwas entfernteren Gruppe. Dieser kamen wir nachher noch so nah, daß einige Fotos der Kolonie gelangen. Und nicht nur Flamingos waren sichtbar, sondern auch zahllose Schwäne, vereinzelt auch Schwarzhalsschwäne. Der Tag war durch diese Bilder so richtig rund und zum Glückstag geworden, denn ohne den gesperrten Pass, den zufällig gefundenen Ausflugshinweis im Straßenatlas wären wir niemals auf den Park Tramen gestoßen. Vermutlich gehört dieser Park auch nicht zu den Orten, die häufig Besuch von Touristen erhalten.

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Leider waren wir trotz allem in Eile, denn wir hatten sowohl das Ziel noch nicht erreicht und darüber hinaus auch noch keinen trockenen Platz zum Schlafen gefunden. Die Freude wurde bald stark eingebremst, denn durch die Piste hatte sich ein Bach “gefressen” – unpassierbar für uns, denn der Schotter rund um das neue Bachbett war sehr aufgeweicht und schien uns keine gute Grundlage für den einen zwingend erfolgreichen Querungsversuch zu sein. Hier oben, wo keine Menschenseele weit und breit ist, in einem Bachbett stecken zu bleiben – keine schöne Vorstellung. So machten wir uns auf die Suche nach einer Art Furt, die ein gutes Stück unterhalb der alten Wegstrecke im nicht ganz so steilen Wiesengelände dann gefunden wurde. Mit gewissem Herzklopfen fuhr ich dann den Wegen durch das Gelände, er quälte sich so richtig ein altes Bachbett hoch, erreichte dann aber die eigentliche Schotterpiste. Nun konnte nur noch ein zugesperrtes Parktor auf der nach Chos Malal führenden Seite uns hindern, diesen “Umweg” erfolgreich abzuschließen. Dieses gab es nicht, und so fuhren wir mit Höchsttempo, manchmal leicht schlingernd wegen des Belags gen Chos Malal.

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Ein Quartier wurde dann ebenso noch gefunden wie ein kleines Restaurant, denn unsere Mägen wurden seit dem Frühstück nur noch mit Kekse versorgt.

In unserem Quartier erkundigten wir uns dann, ob Informationen zu dem von uns zur Fahrt nach Chile vorgesehenen Paso de Pichachen vorliegen. Da diese bei den angesprochenen Personen widersprüchlich waren beschlossen wir, uns am nächsten Morgen vor Aufbruch bei der Polizei zu erkundigen, wie es um die Passierbarkeit dieses Passes bestellt sei. Da glaubten wir noch an die Kompetenz von Staatsdienern.

Am Morgen kam dann Katrin von einem Besuch bei der örtlichen Polizei mit der erfreulichen Nachricht zurück, der angestrebte Pass sei offen, dies sei ihr sowohl auf Spanisch als auch, um die Aussage zu unterstreichen, auf Englisch mitgeteilt und der Pass dann auch noch auf der Karte gezeigt worden. Da spielte es keine Rolle mehr, daß ich bei der abendlichen Recherche auf die Internetseite der Grenzbehörde gestoßen bin, in der auf eine Passöffnung ab dem 1.12.2013 hingewiesen wird – offensichtlich pflegte die Behörde ihren Internetauftritt nicht so richtig (!?) Der Aussage der Polizei vor Ort war besonderes Vertrauen zu schenken, also ging es direkt los in Richtung  Paso de Pichachen.

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Wenige Kilometer hinter Chos Malal bogen wir erneut in Richtung Westen in ein schönes Flußtal ab, vor uns ein bekanntes Bild, interessante Bergformationen, stark fließender Fluß, eine Schüttelstrecke wie aus dem Bilderbuch. Und wie am Vortag die Erfahrung, daß uns kein Auto entgegenkam. Das hatte nichts zu bedeuten, im Gegensatz zu gestern, denn der Pass war ja offen! Und wie zur Bestätigung kam uns dann auch ein Reisebus entgegen – vermutlich ein Langstreckenbus aus Chile, so unsere Vermutung, denn nennenswerte Ortschaften entlang der Strecke zum Pass waren auf der Straßenkarte nicht verzeichnet. Es ging rauf und runter, zu Beginn bei Sonnenschein, später verfinsterte sich der Himmel, auch im sprichwörtlichen Sinn. Während der  Optimist, Thomas, felsenfest davon überzeugt war, am Nachmittag durch den Nationalpark Laguna del Laja zu fahren, wiederholte der Pessimist auf der Beifahrerseite, Katrin, wie ein Mantra, erst wenn die Grenze passiert sei sei sie vom positiven Ausgang des Tages überzeugt. Gut 95 Kilometer waren wir inzwischen westwärts gefahren, der Himmel verdunkelte sich zusehends, es begann zu regnen, anfangs leicht, dann zunehmend stärker, immer böiger Wind kam auf, die wahrzunehmenden Temperaturen sanken zunehmend, nicht nur wegen des Höhengewinns. Die “Straßen”verhältnisse verschlechterten sich immer weiter, inzwischen mussten wir auch kleine Bachläufe durchfahren. Dann nach fast 110 Kilometern der Hinweis auf den Grenzposten in Moncol, 20 Kilometer vor dem Pass. Es war grün um uns herum, kleine Seen lagen links und rechts der sich ständig windenden Straße, trotz des Regens, der zunehmend wie Schnee aussah, kam zumindest bei einem Vorfreude auf, bald auf der anderen grüneren Andenseite zu sein. Wir näherten uns der Grenzstation und stellten fest, daß die Straße nicht (!) durch den üblichen Schlagbaum gesperrt war, vielmehr war das Tor offen! Während ich die Papiere aus dem Rucksack klaubte, kam bereits ein dick eingepackter Grenzer auf uns zu. Zuerst verstanden wir ihn nicht, dann schälte sich aus dem Verstandenen heraus, daß auch dieser Pass geschlossen sei. Nicht nur Unverständnis, sondern auch Ärger stieg auf, nicht so ganz ruhig sondern eher sehr verärgert gab es Nachfragen von unserer Seite. Ein weiterer Uniformierter kam aus der Unterkunft/Grenzstation und machte uns ebenfalls deutlich, hier sei kein Durchkommen, auf chilenischer Seite seien 3 Meter Schnee nicht geräumt (!?). Sie wiesen auf ihren vor der Station stehenden Unimog hin, mit dem es auch nicht möglich sei, auf die andere Grenzseite zu kommen – zu Fuß bzw. auf Skiern ja, aber sonst…Die Passhöhe beträgt 2.062m, 500m niedriger als der gestrige wegen Schnee auf chilenischer Seite nicht passierbare Pass – passieren hier klimatische Wunder oder werden wir so richtig auf den Arm genommen? Nachvollziehbar ist die Begründung nicht, zumal uns gleichzeitig mitgeteilt wurde, der wieder weiter südlich liegende Pass De Pino Hachado (1.884m) sei garantiert geöffnet (was sich mit unseren Internetinformationen tatsächlich deckte!), dort gäbe es keine Schneeprobleme. Wir kamen uns vor wie im falschen Film gelandet, wieder einmal kein Hinweis bei der Zufahrt zur Grenzstraße vor nunmehr 110 Kilometern, die es zurückfahren hieß. Von offizieller Seite wurde uns zweimal die Passierbarkeit dieses Passes bestätigt, diese Aussagen waren, wie sich jetzt herausstellt, nichts wert gewesen!Auf offizielle Aussagen in Zukunft verlassen – wir nicht mehr!

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Mit heftiger Wut im Bauch studierten wir im Auto die Straßenkarte und fanden eine Möglichkeit, über sehr gering klassifizierte Wege uns die Hälte des Rückweges nach Chos Malal zu sparen und auf den grenznahen Ort Las Lajas zuzusteuern, eine Abkürzung, die nicht im argentinischen Straßenatlas sondern in unserem chilenischen Kartenkonvolut dargestellt wurde. Dennoch, bis zur Grenze am Pass de Pina Hachado waren es mindestens 160-180 neue Schüttelkilometer auf dürftiger Piste. Es war gegen Mittag und wir hatten eine Chance, bis zum Abend endlich Chile zu erreichen. Also den Wagen gestartet und in dem leichten Schneefall wieder nach Osten zurück. Für die Landschaft hatten wir natürlich keinen Blick, galt es doch den Frust zu verarbeiten. Der Regen-Schneefall ließ nach, hörte schließlich ganz auf und wir kamen ganz flott voran.

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Plötzlich, wir trauten unseren Augen nicht, weit vor uns ein Radfahrer. Bei dem geringen Verkehr war es selbstverständlich anzuhalten und sich auszutauschen. Neben unserem Auto hielt ein Argentinier mit seinem packeselhaft beladenen Mountainbike, warm eingepackt und nicht aus dem Atem, an. Wie sich herausstellte, war er in Buenos Aires aufgebrochen und über Paraguay, Brasilien jetzt an den Anden angekommen, die er entlangfahren wollte um sie irgendwann, wohl wenn seine drei Monate Reisezeit vorbei sind, Richtung Chile zu überqueren. Die Strecke, das uns bekannte Straßenprofil mit langen Steigungen auf Schotterpiste, ständigem oft sehr hartnäckigem Wind, niedrigen Temperaturen, Regen, Schnee – und das alles alleine, wir zogen vor dem “Radfahrer” im Geiste vor Hochachtung die Mütze, diese Leistung kann man nicht genug würdigen. Dagegen ist das bißchen körperlicher Anstrengung, der wir uns unterwerfen, der Ärger mit der Quartiersuche, den geschlossenen Pässen im Grunde nicht der Erwähnung wert. Hätte der argentinische Sportsfreund wie wir vor der geschlossenen Grenze gestanden, ihn hätte die neue Situation deutlich härter getroffen. So zollten wir ihm unseren Respekt und verabschiedeten uns mit dem Wunsch, er möge gesund bleiben und durchhalten.

Wir fraßen Kilometer um Kilometer, hatten ab und zu auch einen Blick für die sich ändernde Landschaft, zählten im Geiste aber ebenso die Kilometer, die noch vor uns liegen, und schätzten die Ankunftszeit an der Grenze. Bei problemfreier Fahrt könnten wir um 17:00 Uhr dort sein. Endlich dann der Hinweis auf Las Lajas, wo wir noch einmal tanken wollten, wer weiß, wo auf chilenischer Seite die nächste Tankstelle liegt. Es lagen immer noch 60 Kilometer bis zur Grenze vor uns, die wir mit höchstmöglichem Tempo auf jetzt sogar asphaltierter Straße zurücklegten. Die Grenzformalitäten auf argentinischer Seite waren relativ schnell, wenn auch sehr bürokratisch gehandhabt, erledigt, die Grenzer trotz traurigem, weil ziemlich heruntergekommenem Arbeitsumfeld sehr hilfsbereit und freundlich. Eine kurze Wegstrecke später dann die chilenische Grenzstation, moderner Bau, bestens ausgestattet – hier stehen wohl arm und reich einander gegenüber. Die Abfertigung verlief zügig, für mich Gelegenheit am im Warteraum installierten Fernseher, der wohl insbesondere zur Ablenkung der Grenzer gedacht war, das Championleaguespiel Barcelona gegen Milan für einige Minuten zu verfolgen.

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Und dann waren wir wieder in Chile. In die einsetzende Dunkelheit bei regnerischem Wetter ging es immer weiter talabwärts. Die Stimmung stieg, nahmen wir um uns herum doch Wiesen und später auch Wälder wahr, hier war es wirklich grün! Das Leiden am tristen Bild, das große Teile des durchfahrenen Argentiniens für uns abgegeben haben, war zu Ende.

Ziel war Curacautín, eine Gemeinde mit rund 15.000 Einwohnern, wo es auch Unterkunftsmöglichkeiten geben soll, gut 140 Kilometer hinter der Grenze. Wir kamen im Dunkeln und bei Starkregen an, beste (!?) Bedingungen, um im Vorbeifahren Hinweise auf ein Hostel oder Hotel erkennen zu können. Vom zentralen Platz ausgehend fuhren wir die Straßen systematisch ab, sahen außer dem überteuerten Hotel am Platz eine Hospedaje und blieben dort, ohne andere Alternativen gesucht zu haben. Für die eine Nacht durchaus akzeptabel.

Von Mendoza über San Rafael nach Malargüe

Nach vier Tagen in Mendoza war es an der Zeit, die Rucksäcke wieder zu packen; bestärkt in unserer Entscheidung wurden wir dann durch den massenhaften “Einfall” chilenischer Kurzurlauber, wodurch nicht nur unser Hotel ausgebucht war, sondern der auch nächtliche Geräuschpegel dauerhaft hörbar unangenehm anstieg. Mit der nächtlichen beschaulichen Ruhe war es vorbei, also weiter ziehen.

San Rafael, etwa 240 Kilometer weiter südlich gelegen, war unser Ziel, schließlich stand noch die Verkostung der regionalen Weine aus. Direkt fahren war zu einfach, so machten wir einen Schlenker nach Tupungato, eigener Werbung zur Folge die “Hauptstadt der Hochlandweine”, gelegen in einer Region intensiver Landwirtschaft, wozu neben Wein und Oliven auch bodenständige Landwirtschaft gehört. Den Umweg fuhren wir jedoch nicht nur wegen der zugegeben deutlich grünen Landschaft, sondern auch wegen der immer wieder möglichen Blicke auf die Anden, die hier um Tupungato mit dem gleichnamigen Vulkan (6.811m) den m.W. zweithöchsten Berg Argentiniens besitzt. Am Vorabend aus dem Gebiet des Aconcagua zurückkehrend kamen wir in den kurzen Genuß einiger Regentropfen; am Morgen sahen wir dann die Bescherung – in den höheren Andenregionen hatte es so richtig geschneit, was wir wegen der hohen Wolkendecke wunderschön während unser Fahrt in den Süden aus den Augenwinkeln aufnehmen konnten.

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Eigentlich eine geruhsame Fahrt, mit Augenpflege verbunden, denn während des größten Teils unserer Wegstrecke dominierte nicht mehr die allzu bekannte Buschwüste, sondern das Grün von Bäumen, Sträuchern, Wiesen und Feldern.Eindrucksvoll die letzten 8-10 Kilometer auf San Rafael zu, denn die Bäume am Straßenrand verdichteten sich derart, daß die letzten Kilometer in einer Allee unter einem Blätterdach gefahren werden konnten auf einer Straße, die oft über lange Strecken schnurgerade verlief. Einzig hinderlich und ärgerlich zugleich die völlig unzureichende Beschilderung; immer wieder wurden fast detektivische Fähigkeiten abgefordert um die richtige oder annähernd richtige Fahrtrichtung einzuschlagen. Mit geringen Umwegen erreichten wir dann unser Quartier in San Rafael; hier wartete auf uns ein im Vergleich zu Mendoza fürstlich großer Schlafsaal mit voll funktionierendem Bad und allen Annehmlichkeiten, die man sich wünschen kann und das alles zu einem Preis, der genau in unser Budget passte. Die Entscheidung, einen Tag länger zu bleiben, war schnell gefasst, auch gut begründet mit dem von uns anzuschauenden Umland der Stadt.

Ohne weitere Zeit zu verlieren, machten wir uns sofort auf den Weg zur ältesten ansässigen Bodega/Winzer,”La Abeja”, um neben einer Betriebs-/Kellereibesichtigung von den vorhandenen Rebsäften zu kosten. Nach 40 minütigem schnellen Spaziergang erreichten wir kurz vor 16:00 Uhr rechtzeitig das Ziel, mussten jedoch erfahren, heute sei keine englischsprachige Führung mehr möglich. Freundlicherweise wurden wir in die gerade zu Ende gehende spanische Führung zur abschließenden Verkostung eingeschleust. Die Weine waren ok, auch für unseren Geschmack trocken, aber einzigartig waren sie nicht, was wir auch nicht erwartet hatten. So werden wir, wie anschließend abgesprochen, Samstagfrüh eine englischsprachige Führung durch die Kellerei besuchen.

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Auf unserem schnellen Gang durch die Stadt zu Bodega begegneten wir nur sehr vereinzelt Bürgern; die Geschäfte hatten weitestgehend ab 14 bis gegen 16/17 Uhr geschlossen. Ganz anders die Situation am Abend, als wir uns auf die langwierige Suche nach einem Restaurant machten, das nicht nur Pasta, Pizza oder Fastfood anbietet. Jetzt waren die Straßen, es ist Freitagabend, proppevoll, die innerstädtischen Lokale waren sehr gut besucht, die Läden hätten jedoch gut und gerne mehr Kundschaft verkraften können, man wollte wohl im wesentlichen flanieren und gesehen werden.

Nahezu pünktlich, wir hatten uns in San Rafael verfahren, trafen wir am Samstag wohl als erste Besucher um 9:30 Uhr in der Bodega ein und unsere Führerin nahm uns umgehend mit auf den Rundgang. Die Bodega “La Abeja” ist die älteste im Ort, Dutzende sind ihr im Verlauf von über 100 Jahren erfolgt. Wie anders als durch einen emigrierten Franzosen konnte hier der Weinanbau begründet werden; gleichzeitig begründete Herr Iselin auch eine Französische Kolonie, die Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung der Stadt San Rafael war. 1883 wurden die ersten Weinstöcke gesetzt, m.E. sechs Jahre später konnte der erste Wein geerntet werden. Die Bodega blieb, wie uns erzählt wurde, nicht sehr lange im Besitz der Gründerfamilie; inzwischen bewirtschaftet der dritte Eigentümer seit der Gründung die anfangs 700ha Anbaufläche. Was uns sehr erstaunte war die Information, erst seit 10 Jahren den gekelterten Wein selber auf Flaschen zu ziehen, zumindest einen guten Teil der Ernte, der Rest wird, wie früher die gesamte Ausbeute, an größere Winzer weiter verkauft. Erstaunlich, denn der älteste Weinbauer zählt quasi zu den jüngsten Weinproduzenten unter eigenem Namen. Weiterhin erstaunte uns die Aussage, bei den meisten auf Flaschen gezogenen Weinen Vorjahresweine mit bis zu 50% des aktuellen Weins zu “vermischen” – Jahrgangsweine und eindeutige Lagen scheint es hier nicht bzw. nicht bei diesem Weingut zu geben. Insofern nicht sehr erstaunlich, wenn die uns zur Verkostung angebotenen Weine uns auch nur durchschnittlich schmeckten.

Anschließend machten wir uns auf den Weg, das Umland von San Rafael kennen zu lernen. Empfohlen wurde uns durch die Vorgärten der Stadt in den Ort “25 de Mayo” zu fahren, da dort noch Überreste aus der Kolonialzeit und ein alter Ortskern zu finden sei. Das mit dem Ortskern entpuppte sich beim Durchfahren als üblicher Marketinggag, denn hier war nichts untypisches gegenüber den bislang durchfahrenen Ortschaften zu erkennen. Die Überreste aus den Anfängen der Kolonisation fanden wir dann auch – Rest aus einer offensichtlichen Wehrstellung der Spanier, wie immer, ohne nähere Hinweise, so daß jeder sich seine eigenen Gedanken zu den paar Haufen Steinen und Restmauerwerken aus Adobe machen kann. Da dieses Altertümchen nur durch einen schönen Wald zu erreichen war, stimmte uns die Umgebung mit dem Vorgefundenen gnädig – wir hatten schon dürftiges erlebt.

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Und dann begann unsere Rundfahrt, die uns durch den Provinzpark von San Raphael bis an die Staumauer bei Nihuil, einem kleinen verschlafenen Dorf führte, vor dem sich ein großer See – wir wir später bemerkten, einer von vieren – aufstaute. Auf den nächsten gut 50 Kilometern wurde der Rio Atuél noch drei weitere Male aufgestaut. Wesentlicher Zweck ist der Betrieb von Wasserkraftwerken, die sich jeweils am nachfolgenden Staudamm befanden und die ihre Wasserzufuhr über kilometerlange Wasserrohre erhielten. Von Nihuil ging es dann eine Weile steil bergab auf den Talboden des Flusses, der hier nur als kleines Rinnsal zu bemerken war. Vor dem Eingriff von Menschenhand muß dies erheblich anders gewesen sein, denn der Canyon von Atuél schneidet sich teilweise bis zu 500m tief in die Erde ein, bildet zum Teil ein sehr enges Tal, manchmal weitete es sich auch auf, was unheimlich interessante Bergwände zur Folge hat, die auf Grund sehr unterschiedlicher Gesteinsarten und somit Gestaltungsmöglichkeiten durch den Millionenjahre dauernden Erosionsprozess oft bizarre Formen und sehr unterschiedliche Farben aufwiesen.

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Wir sind zwar nicht mit vor Stauen offenem Mund die gut 50 Kilometer durch den Canyon gefahren, haben jedoch immer wieder anhalten müssen, um die Umgebung genauer zu mustern und legten, natürlich, an jedem Stausee einen Sonderstop ein. Das klare aber sehr kalte Wasser schimmerte oft bläulich und bildete somit einen sehr angenehmen Farbklecks in der ansonsten eher durch gedeckte Farben geprägte Landschaft. Die Fahrt und der Canyon waren wirklich sehr eindrucksvoll, auch wenn der Grand Canyon größer als dieser Canyon ist, sehr viel anders als das hier vorgefundene stellen wir uns das Amerikanische Vergleichsobjekt nicht vor, was quasi einem Verzicht auf seinen Besuch darstellt. Diese Tagesreise, gemütlich vollzogen, kann nur empfohlen werden, insofern verwundert, wie wenig Menschen wir auf der Canyonfahrt als Reisende zu Gesicht bekamen. Ob es an der leicht anspruchsvollen Strecke – schmale Piste mit ungesicherten Banketten, vielen engen Kurven und teilweise ganz schön steilen Abhängen – lag?

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Der Canyon Atuél wird auch angepriesen als das Mekka der Wildwasserfahrer und soll für Rafting sehr geeignet sein, natürlich erst ab der letzten Staustufe am Stausee Valle Grande. Wir hatten uns für eine Raftingtour vorbereitet, d.h. die ggf. notwendige zusätzliche Wäsche eingepackt. An den Ablegestellen angekommen bemerkten wir jedoch einen derart zahmen Fluß, der nach Katrins Auffassung noch nicht einmal mit der Enz schritthalten kann, von wildem Wasser keine Spur. Hier floß ein ruhiges Flüßchen gen San Rafael, bei dem lediglich durch den sehr niedrigen Wasserstand ab und an kleine Strudel um aufstehende Steine festzustellen waren. Uns schien dies keinen besonderen Spaß zu machen, also Verzicht, den wir dann bei der anschließenden Autofahrt entlang des Flüßchens auch sehr bestätigt fanden. So wurde es nichts mit der – kalten – Wasserdusche im Fluß.

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Sonntag dann wieder Reisetag, aber von sehr begrenzter Dauer, denn als nächste Station war der Ort Malargüe, etwa 220 Kilometer südwestlich gelegen, auserwählt, dies vor allem, weil er ein guter Ausgangspunkt für den Besuch zweier Nationalparks, einer großen vogelreichen Lagune und eines Vulkans zu sein schien. Von dieser Fahrt im wesentlichen haften geblieben ist die Wahrnehmung, wie die Buschwüste zunehmend wohl wegen der besseren klimatischen Verhältnisse in eine Steppe überging, der Boden ganz mit lockerem niedrigem Buschwerk, sehr selten mit Bäumen und sonst mit niedrigem Gras bedeckt war. Hin und wieder wohl ausreichend, um auf den riesigen eingezäunten Flächen Kühe und Pferde weiden zu lassen. Ab und an waren auch großzügig Wälder angelegt worden, weniger als Windbrecher sondern vielmehr als Nutzholzanlagen. Und in der Nähe von San Raphael dominierte der Obst-, Oliven- und Weinanbau. Bislang unbekannt war die Mitgliedschaft Argentiniens in der OPEC, die jedoch auch hier entlang der Strecke – und früher sogar in einem Nationalparkt vorgefundenen –   in Massen gesichteten Ölförderpumpen lassen vermuten, ähnlich wie im Emsland in Deutschland, daß auch hier ein sicherlich überschaubarer eigener Beitrag zur Erdölversorgung geleistet wird.

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Aus der Heimat eher unbekannt – Windhosen, hier sind wir bei unseren Fahrten durch die wüstenähnlichen Landschaften immer wieder auf dieses Phänomen gestoßen; leider waren sie entweder zu weit entfernt oder zu kurzatmig, um dokumentiert zu werden

Hatten wir bislang mehrfach Gelegenheit, uns einen Salzsee aus der Nähe anzusehen, einen wesentlichen Makel besaßen alle : die Salzkruste war immer im wesentlichen von einer Staub- bzw. Sandschicht dick bedeckt, so war uns heute das Glück hold, denn in der Nähe von El Sosneado tauchte auf einmal sehr überraschend eine weiß glitzernde Fläche linker Hand von uns auf, die sich beim Heranfahren als ein Salzsee entpuppte. Hier wurde sogar Salz abgebaut, wie sowohl eine Zufahrt zum See als auch die Baulichkeiten signalisierten. Sonntags wird wohl keiner vor Ort sein, also Blinker gesetzt und links abgebogen. Was wir sahen, war eine sehr in die Jahre gekommene Produktions- bzw. Abbaustätte des Seesalzes. Die sichtbaren Maschinen hatten schon Patina angesetzt, waren aber offensichtlich noch im Einsatz. Die Lagerhalle enthielt nach Einsichtnahme nur eine Abfüllanlage für das gewonnene Salz in Säcke; im Außenbereich fanden wir Gerätschaften um das Salz zu mahlen sowie, natürlich, einen riesigen Berg gereinigten Salzes. Bei einem kleinen Gang auf den Salzsee hinaus hätten wir, mit geschlossenen Augen, das Gefühl entwickeln können, doch noch in Uyuni auf dem Salzsee zu stehen, die Sonne brannte jedoch zu intensiv, um die kontemplative Ruhe entstehen zu lassen für diese Selbstsuggestion.

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Heute hatten wir endlich einmal sehr viel Zeit, um in Ruhe unser Quartier zu suchen. Da noch keine Hauptreisezeit in Argentinien ist, haben offensichtlich zahlreiche Betriebe ihre Türen fest verschlossen oder zogen es vor, in der Zeit zwischen 14 und 16 Uhr keinem Interessenten zu öffnen. So reduzierte sich die Zahl der Kandidaten sehr schnell. Immer wieder erstaunlich bei der Suche festzustellen, welchen Standard mancher in Malargüe glaubt, gegen Geld noch anbieten zu können – kaum vorstellbar, daß in dem einen oder anderen Hostel bei dem vorgefundenen Dreck und Unordnung überhaupt jemand absteigt.

Die Zeit am Nachmittag nutzten wir auch, um unsere nächsten zwei Tage mit den Parkbesichtigungen zu planen. Wesentliche Feststellung : als Tourismusland steht Argentinien noch am Anfang – nicht primär wegen des immer wieder feststellbaren Verständigungsproblems, wer kein Spanisch spricht/versteht, ist auf verlorenem Posten, sondern weil dem Individualreisenden enorm viele Hürden aufgebaut werden, um die Besonderheiten des Landes, seine Schönheiten kennenzulernen. Der Nationalpark Payuni, vielleicht  nicht jedem bekannt, kann nur in Begleitung eines Führers besucht werden. Um diesen müssen wir uns hier in Malargüe kümmern, der Park liegt aber vier Autostunden entfernt! Was also macht der Reisende, der direkt zum Parkeingang fährt? Nichts bzw. er ärgert sich erheblich, denn wie gesagt, ohne mitgebrachten Führer kein Zugang. Die Verpflichtung, einen Führer zu engagieren, erschließt sich einem auch nicht schnell, denn die Hinweise in den Reiseführern sind nicht nur unklar sondern in dieser Hinsicht auch irreführend. Da heute die entsprechenden Agenturen geschlossen haben heißt es Morgenfrüh die Agenturen abklappern, um einen englischsprachigen Guide aufzutreiben – was bringt uns ein Guide, wenn wir ihn nicht verstehen? Hoffen wir, erfolgreich zu sein.

Das Folgende gehört nicht nur in diese Reisephase, sondern stellt ein immerwährend wiederkehrendes Problem dar : die Suche nach einem geeigneten Restaurant. Natürlich kann man auch auf der Suche nach dem passenden Lokal eine Stadt kennen lernen, aber wer macht das gerne mit knurrendem Magen? Zunehmend nervt es, immer wieder nur die Abfolge Pizza, Pasta, Fastfood in jeder Form oder Fleisch in allen Variationen vorzufinden, als wenn in Argentinien nicht die Zutaten für ein abwechslungsreiches Speiseangebot existieren würden. Gemüse, Kartoffeln, nicht als Frítten, sondern als Salzkartoffel, wir suchten dies oft vergeblich und wurden nur selten fündig. Verständlich, wenn insbesondere Katrin, die als Vegetarierin es noch schwerer als ich hat, passende Speisen zu finden, oft an das heimatliche Essen denkt.

Als erstes stand am Montagmorgen die Suche nach dem/den notwendigen Guides für unsere Ausflüge an; Bedingung : englischsprachig. Wir hatten Hinweise auf zwei Agenturen vor Ort bekommen, die Zugriff auf entsprechende Führer haben. Also steuerten wir morgens um 9:00 Uhr die erste Agentur an. Dort nahm man unser Anliegen auf und sagte für den Abend um 20:00 Uhr zu, daß der Agenturleiter, englischsprachig, dann anwesend sei, mit dem wir alles Weitere besprechen könnten. Um unseren Besuch des Vulkans Malacara in die Wege zu leiten, besuchten wir die einzige Agentur vor Ort, die wohl das Monopol auf diese Exkursion hat. Leider hielt man uns im Unklaren, ob die um 15:00 Uhr am Vulkan beginnende Führung auch auf Englisch erfolgt. Wir waren jedoch positiv wie so oft im Glauben gegangen, daß dies der Fall sein würde. In der Zeit bis zur Vulkanbesichtigung wollten wir das Vogelreservat und die Lagune Llancanelo besuchen. Hier ist ausreichend, sich bei Betreten des Parks beim Parkwächter anzumelden. Beide Orte ließen sich gut miteinander verbinden, da relativ nah zu einander etwa 50 Kilometer von Malargüe entfernt.

Von Parkwächtern wird i.a. erwartet, daß sie wachen – als wir vor Ort eintrafen waren sie sicherlich wach, aber vor Ort wachen – keine Spur. So saßen wir pflichtbewußt vor der verschlossenen Tür der Hütte, leisteten dem “Wach”hund Gesellschaft am zunehmend heißer werdenden Vormittag und warteten. Nachdem mehr als eine halbe Stunde ohne besondere Ereignisse verstrichen war glaubten wir, uns unserer Anmeldepflicht entledigen zu sollen und machten uns eben unangemeldet auf den Weg, und wie sich herausstellte, auf die Suche nach der Lagune. Ja, während der Anfahrt, man nähert sich der Region, indem man in ein riesiges Tal hineinfährt, hatten wir mehrfach Blickkontakt zur Wasserfläche, der natürlich nicht mehr gegeben war, als wir uns auf gleichem Niveau wie die Lagune befanden. Die vor der Parkwächterhütte angebrachte Routenkarte wies uns, scheinbar, den Weg, auf den wir uns dann auch machten. Nun handelt es sich nicht gerade um eine kleine Lagune; um von einem Ende  etwa in ihre Mitte zu gelangen waren gut 18 Kilometer zu fahren, interessante Kilometer. Einige der Vögel, die ihr Quartier in der Lagune haben (sollen), trafen wir auf der Fahrt dorthin an einem überschaubaren Wassertümpel an, den einerseits Kühe und Pferde als Tränke nutzten, andererseits Aufenthaltsort für eine ganze Reihe von Flamingos war. Die Vögel haben wohl besondere Antennen, denn sie stoben davon, als wir uns noch in erheblicher Entfernung zu ihnen auf der Anpirsch befanden. Wasser ist Leben, für manches Rindvieh reichte das wohl nicht aus, denn im Umfeld dieses Wassertümpels lagen mehrere Gerippe verendeter Rinder herum.

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Die Lagune Llancanelo ist ein Naturschutzgebiet, auch wir Besucher sollten uns an strikte Regeln halten. Aus ökonomischen Gründen werden wohl die Regelungen so ausgelegt, wie es den Interessen von Ölfördergesellschaften am besten entspricht. Auch hier stießen wir auf zahlreiche Ölförderanlagen, auf stillgelegte oder verschlossene Bohrungen, auf einen Maschinenpark und auf Anlage von Öltanks, die eigentlich in diesem sensiblen Bereich nichts zu suchen haben.

In einem bestimmten Bereich, der Playa, kann man an die Lagune heranfahren, zumindest zu einem Punkt, bis zu dem sie sich vor vielen Jahren einmal ausgedehnt hatte. Inzwischen ist der Wasserstand so stark zurückgegangen, daß wir in einem halbstündigen Marsch es nicht schafften, an das Laguneufer zu kommen. Manchmal gaukelten uns wohl Luftspiegelungen vor, unmittelbar davor zu stehen, jedoch verschwand das “Wasser” dann schneller, als wir uns im näherten. Der Illusion, am Ufer dann auch noch große Teile der ausführlich beschriebenen Vogelwelt dieses Sees zu sehen zu bekommen, hingen wir schon nicht mehr nach. Man erwähnt sie, also gibt es sie, wir müssen das auch ohne Augenschein glauben.

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Die Region ist von Vulkanen übersäht; ein solcher Drum von über 1.500m Höhe steht auch in Lagunenähe und bietet sich als Aussichtspunkt an. Von hier ober wurde das Dilemma des Sees so richtig deutlich, denn die trockengefallenen Flächen waren deutlich zu erkennen, die ursprüngliche Lagunefläche hatte sich im Verlaufe der Jahre sehr stark  verringert.

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Der Besuch oder besser das Eindringen in den Vulkan Malacara war interessant, denn so nah waren wir noch nie dem Boden eines Vulkans wie es hier der Fall war. Der eigentliche Vulkan besitzt 3 Krater, in denen man herumkraxeln und klettern kann. Schade, daß wir keine geologischen Kenntnisse besitzen, denn die Vielzahl der vorgefundenen verschiedenen Gesteinsarten und ihre jeweilige Verbindung zueinander wäre für uns von Interesse gewesen. So standen wir immer wieder vor den bizarren Formen, die der Vulkan und die über ihn hinweggegangenen Millionen Jahre geschaffen haben, die Vielfalt der wahrzunehmenden Farben. Wir waren auf unsere eigene Wahrnehmung angewiesen, denn die Führerin, die mit zwei weiteren Gästen zum Treffpunkt angereist war, konnte ihr Wissen nur in Spanisch weitergeben, für unsere Ohren und unsere Sprachkenntnisse etliche Nummern zu groß. So blieb am Schluß ein Aha-Erlebnis, aber auch die Erkenntnis, daß der hiesige Tourismus noch einiges dazulernen muß, wenn er seine Schätze auch internationalem Publikum zugänglich machen will. Und diese Sprachprobleme bzw. das Fehlen fremdsprachekundiger Guides zieht sich nahezu von Beginn unserer Reise durch, ein Manko, das besonders die Individualtouristen zu tragen haben, denen es nahezu unmöglich ist, sprachkundige Führer aufzutreiben.

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Womit wir beim Frust des Tages sind. Zur angegebenen Zeit trafen wir am Treffpunkt im Hotel des Agenturbesitzers ein um zu erfahren, der für 20:00 Uhr angekündigte Chef sei noch nicht da, vielleicht um 21:00 Uhr oder auch später. Stimmung auf dem Nullpunkt, da wieder einmal ein Beweis der Unzuverlässigkeit erbracht worden war und frustrierter Abgang von Katrin und Thomas.  Eine Möglichkeit für unsere Tagestour am nächsten Tag in den Provinzialpark El Payun gab es noch, die zweite Agentur, die Zugriff auf fremdsprachenkundige Führer hat/haben soll. Da man hier auch abends arbeitet und oft die Läden bis in die Puppen geöffnet sind, hatten wir Glück, der Laden war noch offen und besetzt – das war es dann auch schon mit der positiven Wahrnehmung. Die Ladenkraft war nicht in der Lage herauszufinden, ob der für den morgigen Tag für diese 12-Stunden-Tour eingeplante Guide mehr al nur Spanisch kann. Nach den Erfahrungen im Vulkan hatten wir jedoch kein weiteres Bedürfnis nur sehende Mitfahrer zu sein, ohne am Wissen des Guides teilhaben zu können. Die Inkompetenz, die wir hier in Tourismusangelegenheiten wiederholt erfahren hatten, wollten wir nicht erneut am eigenen Leib erfahren, deshalb mussten wir uns schweren Herzens von unserem Plan, El Payun zu besuchen, verabschieden. Dies fiel auch deshalb schwer, weil die zu besuchende Region nicht nur besondere Ausprägungen und Ergebnisse vulkanischer Tätigkeit aufweist, sondern weil hier auf engstem Raum Dutzende von Vulkankegeln versammelt sind.

Über die dürftigen Kochkünste haben wir uns schon mehrfach ausgelassen; nach dem Vorstehend geschilderten Frusterlebnis wollten wir mal wieder vernünftig essen und besuchten ein bekanntes Restaurant. Nachdem wir um 19:00 Uhr unter Verweis auf die Öffnung um 20:30 Uhr abgewiesen worden waren, trafen wie gegen 20:45 Uhr ein – als einzige Gäste, auch für die nächste halbe Stunde. Das Essen so la la, die Parilla hat mich nicht überzeugt, die Preise waren teilweise von einem anderen Stern. Dem Faß den Boden schlug jedoch eine Beobachtung Katrins aus, als sie, als erste und wohl bislang auch einzige Frau an diesem Abend die Banos aufsuchte und kopfschüttelnd, mit gewissem Ekel im Gesicht, an den Tisch zurückkehrte. Die Restaurantbesatzung hatte es wohl nicht geschafft, die teilweise Verkotung der Damentoiletten bis zur Öffnung am Abend zu beseitigen oder besser, hat diesen Zustand nicht wahrgenommen. Ein Glück, daß wir schon gegessen hatten.

Der Ausfall des geplanten Tagesausflugs verkürzte unseren Aufenthalt in Malargüe, d.h. am nächsten Morgen war Abreise angesagt. Vom Ort gibt es, wie die Karten belegen, eine Straßenverbindung über den Pass Pehuenche, 2.583m hoch gelegen, nach Chile zum Ort Talca, eine sinnvolle Fortsetzung unserer Reise.

Mendoza

Wer an Mendoza denkt, hat vor allem das Weinanbaugebiet in der Region vor Augen und denkt vielleicht an den einen oder anderen bekannten Tropfen hiesiger Winzer. Wir auch, jedoch lag unser Augenmerk eher auf die Nähe dieser Stadt zum NP Aconcagua, den wir aus der Nähe sehen wollten.

Wie immer steht am Beginn ein Stadtrundgang, bei dem als einer der ersten Aktionen immer das Touristenbüro wegen Karten, Plänen, Informationen angesteuert wird. Die dort ausgesprochenen Empfehlungen, was wir innerhalb der Stadt uns ansehen sollten – auch die Hinweise in den Reiseführern sind äußerst überschaubar –, hatten wir am Abend praktisch “abgearbeitet” und mussten feststellen, so berauschend ist die eigentliche Stadt nicht. Es gibt viele schöne Parks, kleine Grünanlagen und teilweise riesige Parkanlagen (Parque General San Martín) die es wert sind, besucht zu werden. Herausragende architektonische und historische Bauten sucht man hier jedoch vergeblich, kein Wunder, denn vieles wurde bei einem großen Erdbeben in 1861 zerstört, der Stadtkern anschließend verlagert. Bei Mendoza muß man wissen, daß es hier eher heiß als warm ist, d.h. die Sonne brennt dauernd unbarmherzig herunter. Welch eine Wohltat sind deshalb die in der Innenstadt und an vielen Ausfallstraßen vorhandenen Platanen und andere Bäume mit großem Blätterdach, die auf den Gehsteig und die Straßen den notwendigen Schatten werfen und darüber hinaus ein richtig schönes Bild abgeben. Diese Schattenspender finden sich nicht nur im Innenstadtbereich und den großen Avenidas, sondern sind weit im Stadtgebiet vertreten, wie ein Blick vom Cerro de la Gloria belegt. Ich glaube, so ganz ohne diesen großzügigen Baumbestand, der durch die eher breiten Straßenzüge ermöglicht wird, könnte man es hier nicht aushalten.Bei genauer Betrachtung erschließt sich das “Wunder” dieser Schattenspender : ihre Wurzeln werden in Abständen “gewässert”, denn durch ein ausgeklügeltes Grabensystem, das straßenbegleitend direkt an den Baumwurzeln entlang geführt wird und in vielen Fällen offen ist, wird den Bäumen immer wieder Wasser zugeführt.

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Und dennoch, der größten Hitze entfliehen die Bewohner und scheinen sich mittags, wo auch immer, im Kühlen aufzuhalten, denn die meisten Geschäfte hatten heute am Montag von ca. 13:00 Uhr bis gut gegen 16:00 Uhr geschlossen! Hatte gestern noch auf Nachfrage uns ein Hotelmitarbeiter gesagt, nur sonntags seien über die Mittagszeit idR  die Geschäfte geschlossen, so scheint unser Test von heute zu belegen, daß hier jeden Mittag Sonntag ist. Es seí den Menschen gegönnt, denn die Hitze ist schon belastend.

Mendoza besitzt einen riesigen Park, der Anfang 1900 auf über 400ha Fläche damals am Stadtrand geschaffen wurde. Unzählige schöne und alte Bäume kann man hier bewundern, auf den großen Rasen/Wiesen picknicken und spielen, wie es zahlreiche Mendozenos auch heute praktizierten. In unserem Verständnis bedeutet Park, daß hier der Mensch einen Erholungsraum hat und Vorrang vor allem anderen genießt. Dies macht auch die Stadt- und Parkverwaltung deutlich, wenn an dem von uns benutzten Eingang dem Autofahrer mitgeteilt wird, daß der Fußgänger in allen (!) Fällen Vorrang habe. Diesen Hinweis zu geben, sagt einiges über die Situation aus, denn der Park ist von unendlich vielen Straßen durchzogen, auf denen die Fahrzeuge wie sonst auch, das Recht des PS-stärkeren durchsetzen. Schade, denn die grüne Lunge und der Erholungsraum für die Bevölkerung kann der Park dann nur eingeschränkt sein, eher handelt es sich hier im mit umfangreicher Begrünung begleitete Straßenzüge am Rand der alten Innenstadt. Wir sind in diesem Park, der neben Sportanlagen auch einen u.a. von Ruderern genutzten Teich und zahlreiche Spielplätze umfasst, gut 2 1/2 Stunden spazieren gegangen, ohne ihn dabei vollständig erlaufen zu haben, was einen Eindruck seiner Größe vermittelt.

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Für den Dienstag hatten wir uns vorgenommen, in einem großen Bogen um Mendoza herum über die Vorkordilliere der Anden zu fahren und dabei auch die wenigen auf der Strecke liegenden Höhepunkte zu besuchen. Nach 50 Kilomater Anlaufstrecke waren wir dann am Fuß der Vorkordillkiere auf etwa 900m. Von da an ging es immer nur in eine Richtung, bergauf. Unser Zwischenstop lag bei gut 1.800m in Villavicencio. Der Name steht hier in Argentinien für eine große Mineralquelle, dort steht aber auch seit Jahren ein Hotel – leer und die vorhandenen Thermalquellen können nicht benutzt werden, auch heute nicht. Der Eigentümer, die Grupo Danone, soll seit Jahren keine Anstrengungen für eine Wiedereröffnung unternommen haben. Schade, denn dadurch war uns auch der Zugang zu dem Gelände versperrt. Stattdessen versuchten wir von einem etwas oberhalb der Hotelanlage liegenden Parkplatz in die Höhe zu wandern. Auch von dornigen Sträuchern ließen wir uns – anfangs – nicht entmutigen, stellten aber nach einiger Zeit fest, wie wenig Spaß es macht in einem Bachbett in die Höhe zu kraxeln ohne Aussicht auf eine vernünftige Aussicht. Nach einer guten halben Stunde ständigen Bemühens Höhe zu gewinnen entschieden wir uns zur Umkehr. Wieder einmal sahen wir die Feststellung bekräftigt, daß es offensichtlich in Südamerika, zumindest in den bislang von uns kennengelernten Teilen, keine vernünftigen Möglichkeiten zum Wandern gibt. Wege sind kaum zu erkennen und wenn, dann sind diese oft zufälliger Natur oder naturgegeben; Markierungen, Hinweise suchten wir vergeblich. Man könnte vermuten, so den Wander-/Bergführern Einkommensmöglichkeiten schaffen zu wollen – aber wer bemüht sich für 2 Stunden Wandern um einen professionellen Führer? Wohl keiner und deshalb scheint es auch zu stimmen, daß die Südamerikaner im allgemeinen zum Bewegen und Wandern ein eher distanziertes Verhältnis besitzen.

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Hatten wir bis nach Villavicencio schon 900 Höhenmeter überwunden, ging es auf den dann folgenden 365 Kurven und Spitzkehren bis auf den Kamm der Vorkordilliere auf rund 3.100m. Hier lagen dann knapp 30 Kilometer Bergfahrt hinter uns, die zwar wegen der geforderten Konzentration, denn die Piste war schmal und der Abgrund oft nah, nicht mit links zu absolvieren waren, uns aber immer wieder mit grandiosen Blicken in die Weite der unter uns liegenden Ebene und die um uns herum wahrzunehmenden Berghänge entlohnte.Wenn es nicht so dunstig gewesen wäre, wir hätten fast den Atlantik erblickt!  Ab und an wurden wir auch von höherer Warte kritisch und distanziert beäugt; kleine Gruppen von Guanacos standen in den steilen Hängen über uns und versuchten, das letzte Grün von den wenigen Büschen zu rupfen.  Auf den Kamm zufahrend wurden wir durch einem weiteren fantastischen Anblick für die doch lange Anfahrt belohnt : in der Ferne deutlich sichtbar die zum Teil schneebedeckten Andengipfel rund um den Aconcagua, genau auszumachen bei bester Sicht, schneidigem, kaltem Wind. Auf dem Kamm ist ein Kreuz wohl in Erinnerung an die weiter unten im Tal früher in Silber- und Goldminen Beschäftigten und eine kleine Kapelle errichtet. Ein weiteres Hinweisschild führt uns auf den angabegemäß höchsten Kreuzweg der Erde, der von unserem Standort einige 100m in die Höhe führt. (Muß denn immer alles in Superlativen dargestellt werden – selbst bei diesem bescheidenen Kreuzweg, es handelt sich um schlichte Holzkreuze, kommt man nicht umhin, auf den weltweiten Vergleich hinzuweisen!?)

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Von nun an ging es bergab, zuerst nach Paranillos, dann weiter nach Uspallata. Dabei machten wir einen kleinen Abstecher nebst längerem Marsch zum Füßevertreten hin zu aufgelassenen Minen und den Ruinen der Jesuiten von Paramillos. Die dann linker Hand bis nach Uspallata uns begleitenden Berge erinnerten an bereits Gesehenes – auch hier wieder das fast altbekannte Farbspiel, auch hier konnte man von den Bergen mit den sieben Farben sprechen.

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Uspallata fällt kaum auf, liegen seine Häuser häufig hinter Bäumen versteckt, hebt sich von dem vorher Gesehenen durch die kräftige Vegetation einer Art Oase, das dominierende Grün, die vielen Bäume und Sträucher, durch Landwirtschaftsflächen deutlich und wohltuend ab. Ein Ort, der auf Touristen wartet, der eigentliche Ansturm steht noch bevor, wirkte ansonsten aber extrem verschlafen.

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Weiter in Richtung Mendoza passierten wir noch den Stausee von Potrerillos, auch dieser weist, wie oft auf chilenischer Seite bereits festgestellt, einen sehr niedrigem Wasserstand auf.

Fasst man den Tag zusammen, haben wir wunderschöne Landschaft gesehen und uns leider  – wieder einmal – viel zu wenig bewegt.

Dies wollten wir am Mittwoch nachholen und brachen, nachdem notwendige organisatorische Arbeiten wie Suche und dann auch Buchen der kommenden Unterkunft erfolgreich erledigt waren, am späten Vormittag auf. In unmittelbarer Umgebung der Stadt boten sich keine richtig überzeugenden Wandermöglichkeiten an; am ehesten schien noch die “Reserva Ecológica Divisadero Largo, etwa 8 Kilometer vor den Stadttoren geeignet zu sein, mehr als nur ein paar Schritte zu tun. Wir wurden nicht enttäuscht, als wir den kleinen Park auf staubiger Straße endlich erreichten. Wie wir erfuhren, muß sich der Parkwächter und seine Kollegen nicht gerade vor einem Besucheransturm fürchten. Vor allem durch den Besuch von Schulklassen aus der Stadt konnte er auf eine Besucherzahl in diesem Jahr von 2.000 Personen (!) stolz hinweisen. Wir konnten dann auch ungestört von anderen Wanderern unseren Route ablaufen. Der freundliche Parkwächter wies uns ausführlich in die Wegführung ein, erklärte, wann wir wieder in nördlicher Richtung zurücklaufen müssten, wenn wir nicht die nächsten 50 Kilometer bis ans Parkende bewältigen wollten und war ganz erstaunt, als wir natürlich die längere Rundstrecke angehen wollten – die nur rund 5 Kilometer betrug. Offensichtlich ziehen die meisten übrigen Besucher eine der beiden Kurzvarianten vor. Die Entscheidung für die etwas längere Rundstrecke war gut getroffen, nicht nur, daß wir immer wieder schöne Ein- und Ausblicke in das Tal und die umgebende Bergwelt hatten, sondern wir waren gezwungen (!), eine längere Passage entlang eines Bachlaufes zu gehen. Dies hat sich gelohnt, denn obgleich der Bach in Wirklichkeit nur ein Rinnsal war, das zudem dann auch noch im Sand versickerte, hier wurde deutlich, daß durch das Wasser aus dem Gestein Salze gewaschen werden, die sich im Bachbett und am Bachrand nachhaltig und dauerhaft abgelagert hatten, den Boden stark weiß einfärbten,. Aus nächster Nähe war zu beobachten, wie eine vielfältige Vegetation dennoch sich entwickelte. Der Rundweg vermittelte dem Kenner auch zahlreiche Einblicke in die Entstehungsgeschichte dieses Teils der Vorkordilliere, wir haben wohl in den entsprechenden Schulstunden nicht so richtig aufgepasst, denn diese Hinweise gingen mehr oder weniger an uns vorüber. Nicht immer war es hier so ruhig; langsam verfallende Bauten sind Beleg einer früheren Bergbautätigkeit in diesem kleinen Tal.

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Zurück am Parkeingang meldeten wir uns, natürlich, beim Ranger wieder an, der dann die Gelegenheit nutzte uns und insbesondere Katrin auf die vielfältigen Möglichkeiten eines Besuches der anderen ich glaube 17 weiteren Parks und Nationalparks in der Provinz Mendoza hinzuweisen. Dieser Mann lebte und liebte wohl seinen Job.

Trotz ausgiebigem Vesper, es war erst gegen 14:30 Uhr, als wir den Park verließen, glaubten wir, unser Wanderpensum bei weitem noch nicht erfüllt zu haben – was tun? Am Rande des riesigen Parks General San Martin ragt ein kleiner Hügel, mit einer Statue “gekrönt”, in den Himmel, den wir bislang außen vor gelassen hatten. Da der Park zudem auf dem Rückweg in die Stadt zu durchqueren war, gab es Gelegenheit zu einem Gipfelsturm. Wir waren auf den doch steilen Rampen hoch zur Aussichts- und Gedenkplattform nicht allein; zahlreiche Läuferinnen und Läufer nutzen die steilen Wege zum Berglauftraining. Wie immer bei derartigen Hügeln – dieser wurde 1916 seiner heutigen Bestimmung “zugeführt”, die Vegetation nimmt sich ihr Recht und sicherlich schon seit einigen Jahrzehnten gibt es von dort oben keinen ungestörten Blick mehr auf die Stadt. So umrundeten auch wir ein monströses Denkmal zu Ehren von General San Martin, der zwar nicht seinen Rock mit einem Bettler teilte, jedoch mit militärischen Mitteln maßgeblich dazu beigetragen hat, daß Argentinien und Chile sich von der Fremdherrschaft der Spanier befreien konnten. Früher als eigentlich geplant, schlugen wir dann den Rückweg ins Hotel ein, konnten dennoch unter den vorhandenen Umständen auf ein angemessenes Tagwerk an Bewegung verweisen.

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Heute am 31.10. war der Tag, an dem wir dem Aconcagua auf den Pelz rücken, ihn aus der größtmöglichen Nähe betrachten wollten. Die Gelegenheit ist günstig, denn die Mendoza und Santiago de Chile über den Paso de la Cumbre verbindende Nationalstraße 7 durchquert den Provinzpark Aconcagua; von dieser Straße ausgehend kann und wird der “Angriff auf den Gipfel in der Regel gestartet. Nun, Gipfelsturm war und ist nicht, zum einen war uns heute nicht danach, zum anderen ist der allergrößte Teil des Parks bis Mitte November für jedermann, auch den Gelegenheitstrecker gesperrt. Aber ausgehend von dem an der Nationalstraße liegenden Parkbüro kann man eine kleine Runde bis zur Laguna de Horcones gehen und hat dabei, wenn das Wetter mitspielt, einen guten Blick auf den Berg.

Um relativ früh die gut 200 Kilometer in Angriff nehmen zu können, klingelte der Wecker bereits (!) um 7:00 Uhr. Ein Blick nach oben zeigte jedoch, daß heute wohl nicht unser Glückstag sein würde, denn statt in sattem Blau war der Himmel durchweg bewölkt. Schon öfter hatte es tagsüber aufgeklart, so unsere Hoffnung, als wir starteten. Um nicht nur wegen eines oder mehrerer Blicke auf den höchsten Gipfel Südamerikas (und auch von ganz Amerika) drei Stunden Anfahrt in Kauf zu nehmen, hatten wir uns über weitere als sehenswert eingestufte Haltepunkte informiert. Natürlich, die Bergwelt ist immer einen zusätzlichen Blick wert, und der Betrachter kann ständig Neues sehen, insbesondere, wenn durch wechselnden Lichteinfall die verschiedenen Farben der Felsen unterschiedlich leuchten. Seitdem wir in Mendoza sind, werden wir verfolgt, und zwar von dem Namen San Martin. Dieser Mensch, früher einmal General, wird über alles erhoben, ihm wurden unzählige Denkmäler gebaut, Straßen, Schulen, Plätze, Hochschulen nach ihm benannt: Was ihm diese Ehrung eingebracht hat war sein Feldzug gegen die Spanier, den er erfolgreich beendete und damit die Grundlage für den Staat Argentinien gelegt hat, weshalb man ihm noch heute über alle Maßen dankbar ist. Diese “Verehrung” schlägt Kapriolen. Zum “Kampf” gegen die in Chile sitzenden Spanier mußte seine – kleine – Armee den Paso de Cumbre überqueren. Offensichtlich hat man in der jüngeren Vergangenheit jeden seiner Schritte in Richtung Westen rekonstruiert, denn auf dem Weg talaufwärts, dem Rio Mendoza entlang, trifft man immer wieder auf Hinweisschilder, wo das Heer unter seiner Führung entlang gekommen ist. So erhalten dann z.B. kleine Brücken über ein ebenso kleinen Bach eine besondere Bedeutung und werden von allen Neugierigen und Wissbegierigen besucht. Auch wir wollten sehen, was das für eine Brücke sei, die Puente Historico de Picheuta, die unweit der Nationalstraße liegt, und machten den kleinen Umweg. Wie über diese kleine Brücke ein ganzes Heer weiter gezogen ist – uns blieb es ein Rätsel, aber eine schöne Geschichte ist es doch.

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Auch bei unserem weiteren Stop spielt die Sagenwelt eine Rolle, es geht um die Puente del Inca, eine im Grunde auf natürlichem Wege, unterstützt durch dass Thermalwasser, das an dieser Stelle zu Tage trat, entstandene Naturbrücke, bei der offensichtlich das schwefelhaltige Wasser zu einem schönen in Orange gehaltenen Farbenspiel beiträgt. Früher befand sich hier einmal ein Thermalhotel, das jedoch durch einen Erdrutsch  zerstört wurde. Ob die Inka bis hierher vorgedrungen sind, ist nicht geklärt, jedoch ist in die Welt der Märchen zu verweisen, die Inka hätte diese Brücke zur Flußüberquerung gebaut.

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Der eigentliche Höhepunkt, unser Blick auf den Aconcagua, konnten wir alleine genießen, denn mancher Reisender stieg zwar am Parkbüro aus um einen mehr oder weniger flüchtigen Blick in Richtung Berg zu werfen, aber weiter in seine Nähe zu wandern bei dem strammen Wind und den leicht über dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen wollte so gut wie keiner. So waren wir dann alleine auf dem “mirador” und sahen – weiße schnell dahinziehende Wolken. Die Situation verbesserte sich auch nicht, während wir auf ein Wunder warteten, so bleibt in Erinnerung der Blick aus gut 50km Entfernung, den wir vor zwei Tagen auf den Aconcagua hatten.

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Genau der der Grenze zwischen Chile und Argentinien steht Christo Redentor, eine riesige Statue auf 4.200m Höhe und soll an die friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten erinnern, unser nächstes Ziel, das wir jedoch nicht erreichten. Wir hatten schon die Argentinische Grenze hinter uns gelassen, um Verbindungstunnel den Hinweis auf Chilenisches Staatsgebiet und die Grenzabfertigung in 3 Kilometer Entfernung gelesen, dann aber Bammel, auf der Suche nach der Zufahrt zu unserem Ziel die Grenze zu übertreten, was uns immense Probleme beschert hätte. Also direkt hinter dem Tunnel umdrehen und zurück Richtung Mendoza.

In der Nähe der Puente del Inca liegt der Friedhof der Andinisten, der uns bereits auf der Hinfahrt aufgefallen war, so war es zwangsläufig, auch hier noch einmal anzuhalten. Auf einem “nur” zum Teil mit Grabstellen und Erinnerungstafeln belegten Friedhof, in dessen Mitte ein kleiner Felsen aufragt, sind am Aconcagua um das Leben gekommene Bergsteiger beigesetzt, jedoch auch Personen, die sich um den Argentinischen Alpinismus verdient gemacht haben oder Bergsteiger des Landes, die z.B. im Himalaya verschollen oder verstorben sind. Manche Inschrift der Bergkameraden war ergreifend, beeindruckend auch, in wie vielen Fällen Eispickel, Bekleidungsstücke oder Schuhe mit dem Grab verbunden waren. Nicht immer waren alle Inschriften noch lesbar, oft jedoch konnte man erkennen, daß nicht nur junge, sondern  auch 60-jährige am Berg verstorben sind. Ein Friedhof, der durch seine Nähe zum Berg ein besonderer ist.

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In Chile ist der 31.10. ein Feiertag, weshalb offensichtlich ein größerer Bevölkerungsteil die Fahrzeuge betankt und in Richtung Argentinien, hier Mendoza zu einem Kurzurlaub aufbricht. Die Folgen waren auf der Nationalstraße 7 zu beobachten – mindestens 7 Kilometer stauten sich die Fahrzeuge vor der Argentinischen Grenzkontrolle auf, und diese arbeitet gewissenhaft, wie wir bereits erfahren hatten. Innerhalb von einer halben Stunde schob sich die Schlange um etwa 200m nach vorne. Ob die Kurzurlauber erholt ankommen?

Da unser Fahrzeug ein Chilenisches Kennzeichen aufweist, wir jedoch Argentinien nicht verlassen hatten und somit keine Grenzprozedur über uns ergehen lassen müssten, könnten wir eigentlich an den wartenden Fahrzeugen vorbeifahren – könnten! Die das Verkehrsaufkommen regelnden Polizisten glaubten wohl, uns gegen wütende “Landsleute” schützen zu müssen, wenn wir so einfach an ihnen nach vorne fahren würden und forderten uns auf, uns direkt hinter einem talwärts fahrenden LKW zu setzen, nach hinten abgeschirmt durch einen Polizeibulli. Wir kamen unbehindert an der Grenzstation vorbei.

In unserer Tierschau fehlte bislang noch der Kondor. Zufällig schauten wir während der Fahrt nach oben und bemerkten einen Vogel mit großer Spannweite – ein Kondor? Als der Vogel dann auch noch direkt vor uns über die Straße flog, erkannte Katrin seine Kopfzeichnung – wir hatten wirklich einen Kondor in Freiheit gesehen.

Der Rest des Tages : auf direktem Weg zurück zum Hotel, zwischendurch zum Essen eingekehrt; über die Kochkünste hiesiger Küchenchefs schweigen wir besser, denn das nicht umwerfende Ambiente wurde durch die aufgetischten Gerichte leider bestätigt. Die verschmudelte Speisekarte des wohl größten Restaurants in Uspallata ließ übles erahnen, die WCs waren in lausigem Zustand und das Umfeld passte sich dem an. Katrins Forelle vom Grill musste zweimal sterben : einmal, als sie gefischt wurde, das zweite Mal brachte der Koch sie um, als er über den gegrillten Fisch eine braune mit Pilzen angereicherte Sauce goß und ihn damit ertränkte. Wir hatten es geahnt, aber der starke Hunger und das Wissen, sonst 1 1/2 Stunden länger hungern zu müssen, hielten uns am Ort fest.

Daß nicht die Hunnen, aber die Chilenen kommen, konnten wir bei Ankunft im Hotel feststellen : ausgebucht, wie fast alle Hostels und Hotels in der Stadt.

Damit gehen die vier Tage Mendoza zu Ende und der Sachkundige wird sich und uns fragen : und der Wein? Ja, Mendoza und Umland sind für seine Weine sehr bekannt, Führungen werden angeboten, Verkostungen sind möglich. Aber im Ernst, wer würde allen Ernstes eine organisierte Fahrt zu drei Weingütern, wie hier angeboten, unternehmen, bei der nach einem Start gegen 8:30 Uhr am Morgen  die erste Besichtigung mit Verkostung gegen 10:30 Uhr ist, Weiterfahrt um 12:30 Uhr, die zweite Besichtigung mit Verkostung, wieder einsteigen um ca. 15:00 Uhr zur dritten Besichtigung und Verkostung, Rückkehr garantiert mit schwerem Kopf und Gliedern so gegen 18:00 Uhr. Das ist nichts für uns; wir haben entschieden, in San Rafael, wo einige Weingüter zu Fuß zu erreichen sind, uns unter die Verkoster zu begeben.

Autofahren – anders!

Nun haben wir bislang gut 7000km mit unserem Wagen hinter uns gebracht und sind, das gilt es festzuhalten, in unserem Fahrverhalten dem einheimischen Fahrverhalten immer ähnlicher geworden. Rechts vor links – wir haben bis heute nicht erschließen können, ob dieses Prinzip auch hier gilt; bis auf weiteres heißt es an jeder Kreuzung, so wir uns nicht auf einer Bundesstraße befinden, zu schauen,  wer als erster in die Kreuzung einfährt, denn dann hat man gewonnen, so scheint es zumindest. Auch hier gibt es zahlreiche Verbots- und Gebotsschilder und analoge Straßenmarkierungen. Es scheint, als wenn diese hier als Hinweise verstanden werden, denn eine durchgezogene Linie auf der Straße, ein entsprechendes Überholverbotsschild wird sicherlich zur Kenntnis genommen, denn blind ist man ja nicht, aber beachtet? Inzwischen setze auch ich auf den Landstraßen, die nur so wimmeln von durchgezogenen Linien, zum Überholen an, wenn dies opportun erscheint aber verboten ist. Wer soll das hier denn kontrollieren. Und Geschwindigkeitsbeschränkungen – in der Stadt 60kmh, auf der Landstraße m.E. 110kmh stellen auch nur Empfehlungen dar; Tempo 80-100 in der Stadt, selbst bei dichtem Verkehr auf zweispurigen Straßen sind nach unserer Einschätzung eher Regel als Ausnahme. Es scheint, als wenn der vor vielen Jahren verstorbene Rennfahrer Fangio immer noch Vorbild für die Schnellfahrer im Land ist. Häufig fehlten insbesondere in den Städten Fahrbahnmarkierungen – dies ist praktisch, denn nicht jedes Fahrzeug benötigt den gleiche Fahrbahnbreite. Auch wenn neben der Parkspur im allgemeinen Platz für zwei weitere Spuren vorgesehen ist, dort wo zwei PKWs nebeneinander Platz haben sollte auch Raum für ein drittes Fahrzeug sein, so scheint die Devise vieler Verkehrsteilnehmer zu lauten.  Dementsprechend munter geht es dann auch auf den Straßen bei nicht geringer Geschwindigkeit zu; und wenn man nicht schnell genug reagiert – wozu gibt es eine Hupe, von der dann umgehend und ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Paradiesische Zustände? Eher nicht, denn der Fußgänger scheint oft Freiwild zu sein; Zebrastreifen – behindern nur den Verkehr, Fußgänger auf einem Zebrastreifen – sollten am besten umgehend zur Seite springen, wenn ein Fahrzeug in der Nähe ist. Selbst die Busfahrer nehmen keine Rücksicht, ob alt oder jung, die Straße – und der Zebrastreifen gehört ja dazu – sind im Besitz der Autofahrer. Wir wurden von den Fußgängern mit Staunen/Erstaunen angesehen, wenn wir als Abbieger Rücksicht auf die am Zebrastreifen wartenden Fußgänger nahmen; dies ist hier offensichtlich völlig unbekannt.

Nun denn, dieser völlig rücksichtlosen Fahrweise sind wir noch nicht verfallen und hoffen, auch auf unseren vor uns liegenden Kilometern nicht den letzten Anstand, der uns im Straßenverkehr in der Heimat über Jahrzehnte antrainiert wurde, aufzugeben. Wie sehr uns der hiesige Fahrtstil geprägt hat werden wir sehen, wenn wir wieder in der Heimat unterwegs sind.