Letzte Tage in Chile – Valparaiso und Santiago

Nachdem wir den Wagen erfolgreich an sein Ziel gebracht hatten, machten wir uns per Metro und dann bei Überlandbus nach Valparaiso auf den Weg, raus aus der mit einer Dunst- und Smogwolke überlagerten Großstadt. Nach zwei Stunden Busfahrt am Ziel, ohne bislang der Meer gesehen zu haben, dafür jedoch eine sehr trockene, fast vertrocknete Landschaft. Mit Hilfe eines Ministadtplans ging es dann vom zentralen Busbahnhof quer durch die Stadt in einer Art erstem Stadtrundgang  zu unserem Quartier in der Templeman, der Casa Kultour, mitten im Barrio Concepcion und damit in dem zum Weltkulturerbe erklärten historischen Bereich.

P1090446P1090449P1090339

Bereits hier konnten wir am eigenen Leib erfahren was es heißt, in Valparaiso, insbesondere in seinen alten Stadtteilen, zu leben, nämlich Treppensteigen, mehr oder weniger steile Straßen und Sträßchen hinauf- und hinabzugehen. Da weiß man, wie schwer der Einkauf war und orientiert sich hin zu den kleinen Geschäften in der Wohnumgebung. Ein erster Eindruck dieser von manchem als schön bezeichneten Stadt : Valparaiso hat etwas, versprüht eine besondere Atmosphäre, zumindest in seinen aus der früheren Blütezeit im 19. Jahrhundert stammenden Vierteln. Ob man deshalb aber Hymnen über die Stadt dichten muß, wie Pablo Neruda, der hier in einem seiner drei Häuser, der La Sebastiana, immer wieder gelebt hat, es vermochte, sei dahin gestellt. Das Valparaiso eine seiner Herzensangelegenheiten war, kann man seinen Äußerungen jedoch deutlich entnehmen.

Der Besucher der Innenstadt erlebt eine Stadt voller Leben, geschäftig, aber nicht hektisch, belebt aber nicht überfüllt, modern und aus dem 19. Jahrhundert stammend, mit sehr regem Busverkehr und oft vollen Straßen, geduldig an den Haltstellen Wartenden, fliegenden Händlern, Musikern, schöner alter Bausubstanz, oft ansprechend restauriert, oft aber auch dem Verfall preisgegeben. Je weiter man sich vom “Plan”, dem wassernahen Büro-, Verwaltungs-, Einkaufsbereich, entfernt, desto größer ist der teilweise morbide Charme der Stadt und seiner alten Viertel spürbar, in denen in großer Zahl, insbesondere auch in den unter den Weltkulturerbeschutz gestellten, die Gebäudeverwahrlosung oft sehr deutlich wird. Dies kann bedrücken, stimmt traurig, wie mit dem Kulturerbe umgegangen wird, ist aber nur die eine Seite der Stadt. Die andere Seite ist abends zu spüren, wenn gerade in diesen Vierteln nicht nur durch die Touristen, sondern vor allem durch die Einheimischen die Plätze und Gassen belebt werden.

Dieser Lebensfreude entspricht die oft sehr farbenfrohe Gestaltung der Häuser, seien sie noch so klein, sanierungsbedürftig oder vom Verfall umgeben. Hier hat man Mut zur Farbe, die ganze Farbpalette wird abgearbeitet, nicht nur Einheitspastelltöne fallen bei einem Rundumblick ins Auge.

P1090353P1090387P1090396P1090426

Valparaiso ist die Stadt die, so heißt es, auf 42 Hügeln gebaut wurde. Wir haben uns nur den im historischen Innenstadtbereich befindlichen gewidmet, vor allem wurden die Barrios Santo Domingo,Concepcion, Allegre,Pantheon, Bellavista und Carcel durchstreift. Auf alten Bildern von Mitte des 19. Jhd. kann man erkennen, daß es kaum eine Hügelbebauung gab, verständlich, denn Valparaisos Blütezeit kam erst noch. Der Hafen als Umschlagplatz hatte bis zur Eröffnung des Panamakanals eine große Bedeutung und war ein wesentlicher Grund für das Aufblühen der Stadt. Aus dieser Zeit Ende des 18. Anfang des 19. Jhd. stammen die allermeisten Bauten, in Hafennähe oft extrem repräsentativ, oft erinnernd an Gründerzeitbauten in ihrer Wuchtigkeit, auf und an den Hügeln in exponierter Lage riesige Villen der Begüterten, im weiteren Umfeld dann auch die Häuschen von nicht so betuchten Bürgern. Alten Bildern ist zu entnehmen, daß zuerst auf den Bergrücken gebaut wurde, um anschließend sich den Hang hinab zu arbeiten. Beeindruckend, wie man es geschafft hat, auf dem felsigen Untergrund manche Objekte zu errichten. Manchmal mussten meterhohe Mauern hochgezogen werden, um ein Baufundament zu erhalten, manchmal gab es nur einfache Balkenkonstruktionen, auf denen dann das oft kleine Haus steht. Hin und wieder scheinen die Häuser wie ein Schwalbennest an den Bergen zu kleben. Zahlreiche Treppen verbinden die unten liegenden Häuser mit den auf dem Hügelrücken verlaufenden Straßen oder es werden Treppenfluchten bis ins “Tal” geschaffen. Es scheint es, als sei alles mit allem irgendwie verbunden.

P1090347P1090362P1090364P1090446P1090368P1090481P1090451P1090476P1090502P1090370

Valpo hat viele Besonderheiten, eine der herausragendsten sind jedoch seine “ascensores”, kleine Seilbahnen, bei der sich zwei Kabinen gegenläufig hinauf-oder hinabziehen. Die älteste von 1883 überbrückt einen Höhenunterschied von vielleicht 50 Metern im Stadtteil Concepcion und erspart den Benutzern den Gang über eine schier nicht enden wollende Steintreppe. Nicht alle dieser in den Plänen verzeichneten ascensores sind aktuell in Betrieb, verständlich, denn sie wurden im wesentlichen bis Anfang 1900 gebaut und werden seitdem nahezu unverändert in Betrieb gehalten. Natürlich erfolgen auch technische Überprüfungen. Einer Panne bei der Durchführung einer solchen Prüfung muß im vergangenen Jahr ein Altertumsstück zum Opfer gefallen sein, denn durch einen Fehler bei der Befestigung der Seile rauschte eine Kabine im Test in die Tiefe; dieser ascensor wird wohl nicht mehr eröffnet werden. Über den Spuren anderer wächst, da seit langem außer Betrieb gesetzt nicht nur das Gras, sondern ganze Büsche und Bäume. So reduziert sich nach und nach die früher einmal 42 betragende Zahl der aktiven Seilbahnen. Es wäre schade, wenn diese Bestandteile der Baukultur und des Lebens in den Vierteln endgültig von der Bildfläche verschwinden würden. Wir sind mit verschiedenen der ascensores gefahren und fühlten uns sicher; erstaunlich dann der Hinweis des Außenministeriums, man solle aus Sicherheitsgründen von der Benutzung dieser Seilbahnen absehen! Das rief auch bei Oliver mehr als nur ein Schmunzeln hervor, eher war es völliges Unverständnis für derartige Hinweise.

P1090414P1090409P1090422P1090496

Auch Valparaiso war, zuletzt 2010, immer wieder von mehr oder weniger großen Erdbeben betroffen, wurden Gebäude zerstört, weniger dort, wo auf den Granitfelsen gebaut wurde, sondern insbesondere im Bereich des vor den Hügeln liegenden Plan, dem im wesentlichen in den letzten 150 Jahren neu gewonnenen, dem Meer abgerungenen Land. Hier stand/steht die alte Markthalle, heute nur noch als Gerippe der Außenmauern, Folge des letzten Erdbebens.

P1090427

Manche Institution der Stadt hat die Zeit gut überlebt, ohne sich dabei grundegend geändert zu haben wie z.B. das Lokal Cinzano an der Plaza Anibal Pinto. Tritt man hier ein, wird man um viele Jahrzehnte zurück gebeamt. Das Interieur erinnert nicht nur an die 30er Jahre, es stammt aus dieser Zeit, die Bilder an der Wand, oft von Künstlern, aber auch Stadtansichten, zeugen von einer vergangenen Epoche. Und irgendwie passen die um die 70 Jahre alten Kellner und Barmänner mit ihren grauen Haren, dem kräftigen Bierbauch auch dazu. Eine Institution in der Stadt, von der es noch viele gibt, man muß sie nur entdecken.

P1090546P1090543Imagen destacada en Bar Restaurante Cinzano (FB)

Hatten wir in Santiago den Eindruck, uns in der Stadt der Grafittokünstler, dem Zentrum der “Bewegung” zu sein, müssen wir uns nach unserem Besuch von Valparaiso korrigieren. Hier prangt an fast jeder Ecke ein nicht immer sehr gelungenes Graffito. Unscheinbare Ecken erhalten dadurch besondere Aufmerksamkeit, werden “sinnvoll” genutzt und zeugen auch von der Lebensfreude in der Stadt.

P1090374P1090372P1090428P1090450P1090506P1090550

Valparaiso hat zwar seine große Bedeutung als Hafenstadt für den Warenverkehr verloren, an deren Stelle ist jedoch der Besuch zahlreicher Kreuzfahrtschiffe getreten, bei deren Ankunft und vor allem Abfahrt sich viele Menschen an der Muelle Prat einfinden, um die riesigen Ungetüme zu bestaunen und zu verabschieden. Dann ist heftiges Gewusel auf dem Kai, umfahren kleine Boote mit Gästen die weißen Dampfer.

P1090433P1090438P1090443

Im Verlaufe einer Stadtrundfahrt mit der Linie 612, die über zahlreiche, insbesondere die historisch bebauten Hügel der alten Innenstadt fährt, besuchten wir auch busfahrend Vina del Mar. Diese Stadt hat wohl das Glück, im wesentlichen in einer Ebene sich entwickeln zu können. Während in Valpo Hochhäuser eher selten zu finden sind, alte Bauten das Stadtbild der Innenstadt  prägen, reihen sich in Vina die Betonklötze aneinander. Wenn diese Stadt ein Gesicht haben soll, wir haben es nicht gesehen. Demgegenüber weist Valpo ein eindrucksvolles wenn auch teilweise geschundenes Gesicht auf, das sehr ausdrucksvoll und vielfältig ist und zu langem Erkundungsgängen einlädt.

Von Oliver bekamen wir den Hinweis, daß in einer im Stadtteil Alegre befindlichen anglikanischen Kirche (ca. 1850 errichtet), jeden Sonntag ein kleines Orgelkonzert auf der historischen Orgel stattfindet. Wir besuchten das kleine Konzert, vor dessen Beginn der Organist erst einmal Hand an die Orgeltechnik legen musste, um das alte Instrument seinen Bedürfnissen entsprechend einzustimmen. Und dieser Anstrengung mit anschließendem Orgelkonzert folgten nur knapp 50 Personen! Herausragende Museen befinden sich nicht in der Stadt, heißt es. Kürzlich wurde jedoch auf dem Cerro Alegre das Museo de Bellas Artes in einem restaurierten Palast, dem Palacio Baburizza, wieder eröffnet. Nach Aussagen von Oliver zwar gut gefüllt mit Landschafts- und Portraitmalerei des 18. und 19. Jhd., bemerkenswert seien jedoch die, leider, wenigen Stadtansichten aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das mit einer wunderbaren Aussicht auf den Hafen ausgestattete Gebäude war uns schon bei einem früheren Spaziergang durch das Barrio aufgefallen, nun konnten wir den Blick auch aus seinem Inneren heraus genießen. Die Gemäldesammlung muß man nicht unbedingt besucht haben, die alten Stadtansichten waren den gut einstündigen Rundgang wert.

P1090383P1090382P1090402

Eigentlich wollten wir ja auch den Strand von Valpo genießen; uns war aber entgangen, daß dieser sich nicht in Zentrumsnähe befindet; die Badesachen hatten wir vergeblich mitgenommen.

Die beiden Tage in Valpo waren völlig ausreichend, um einen guten Einblick zu erhalten, interessant war es, hier herum zu laufen, anstrengend durch die vielen Hügel teilweise auch. Nett waren die Menschen, hilfsbereit. Nicht nur einmal wurden wir darauf hingewiesen, nicht mit der Kamera in der Hand in einen bestimmten Teil von Santo Domingo, dem alten Hafen nah gelegen, zu gehen, wenn wir auch danach noch fotografieren wollten. Aufmerksam!

Damit verblieben uns noch zwei Tage bis zum Abflug auf der Osterinsel, in denen wir unsere Rücksäcke beim Autovermieter abholten, Wäsche waschen fuhren, unser Päckchen mit Literatur zu den nächsten Reisestationen bei unserer alten Sprachschule entgegen nahmen und viel im Internet zu der übernächsten Station, französisch Polynesien, recherchierten. Unsere Planung ist ja rollierend, d.h. die Infos zur nächsten Station beschaffen wir uns – leider – immer dann, wenn sie benötigt werden. So steht jetzt Tahiti und die umliegenden Inseln auf dem Programm.  Ergebnis der Recherche ist, neben der Insel Tahiti auch auf eine weitere der Gesellschaftsinseln, Huahine, zu fliegen. Also Flüge suchen, mit unserem Anflug nach Tahiti abstimmen, Quartiere suchen und reservieren. es war genug zu tun am letzten Tag vor unserem Abflug aus Südamerika, der sich dann noch, aus nicht mitgeteilten Gründen kurzfristig um 3 1/2 Stunden verschob. So konnten wir den 9.1. gemütlicher als ursprünglich vorgesehen, angehen.

Ein besonderes Erlebnis in Santiago muß an dieser Stelle erwähnt werden : bei unserem Kurzbesuch bei unserer Sprachschule, um ein hierhin adressiertes für uns bestimmtes Päckchen abzuholen, wurden wir laut, mit Freude und unseren Vornamen begrüßt. Das hätten wir nicht gedacht, daß sich Lehrer, Chef und Sekretärin nach so langer Zeit an uns erinnern.

Was ist das Fazit unserer Monate in Chile und Argentinien?

Wir sind im Verlaufe der Wochen vielen netten Menschen begegnet, Reisenden wie wir aber auch zahlreichen Chilenen und Argentiniern, Es war überraschend und schön festzustellen wie hilfsbereit die Menschen waren. Selbst Autos hielten an um zu fragen, ob sie uns helfen könnten. Die gesehenen Landschaften, ganz gleich ob Berge, Wüste, Seen, Meer, Wiesen und Wälder, Fjorde und Flüsse waren sehr beeindruckend und für uns einzigartig, oft auch atemberaubend schön. Es fällt schwer, aus der Vielzahl der Erlebnisse und Eindrücke die drei herausragendsten zu benennen, Katrin hat andere Präferenzen als ich, aber einig sind wir, das diese Wochen eine echte Bereicherung waren und es wert war, hier diese Wochen verbracht zu haben. Menschlich enttäuscht wurden wir, abgesehen von der Bestätigung unseres Vorurteils über Autoverkäufer, nie. Natürlich muß man bei einer so langen Reise und den vielen Stationen damit rechnen, nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, nicht jeder Wandertraum z.B. erfüllte sich. Dennoch, so viel gewandert und uns in der immer wieder anders sich darbietenden Natur wie auf diesem Kontinent haben wir bislang noch nicht, auch dies ist ein besonderer Gewinn unserer bisherigen Reise. Schön war es hier, wenn auch nicht jeder einzelne Tag das besondere Highlight brachte, es waren aber unzählige Höhepunkte, die wir nicht missen wollen. In der Summe aller Tage sind wir mehr als zufrieden und glücklich.

Nach vier Monaten Südamerika, ein Monat Sprachkurs und drei Monate Rundreise in Chile und Argentinien freuen wir uns, andere Kulturkreise kennen zu lernen.

Talca, das Maule Tal und der Parque Nacional Altos de Lircay

Der Himmel meinte es bei unserer Abreise aus Pucón gut, es nieselte und regnete zu Beginn, also kein toller Blick auf die Bergwelt möglich. Ganz im Gegensatz zu unserer Stimmung, wir waren gespannt, was Talca, gut 650 Kilometer Fahrstrecke weiter nördlich und in Schlagdistanz zu Santiago zu bieten hat. Auf Talca sind wir aus zwei Gründen gekommen : zum einen kann man von hier aus bis zur Mittagszeit, unser Abgabetermin für den Wagen, Santiago erreichen, zum anderen befinden sich in der Nähe mehrere interessante Nationalparks, wobei die Parque Nacional Altos de Lircay uns besonders zusagt.

Nach 6–stündiger Fahrt waren wir am Ziel und checkten am frühen Nachmittag in unserem Hostel ein. Als gegen 19:00 Uhr uns der Hunger plagte machten wir uns auf den Weg zum nahe gelegenen Plaza de Armas, bislang immer ein Ort an dem oder in dessen näherer Umgebung ausreichend Restaurants sich befanden. Auch in Talca mit seinen mehr als 200.000 Einwohnern gingen wir davon aus, fündig zu werden. Wir liefen eine Vielzahl von Straßen rund um den zentralen Platz ab, alle Restaurants waren geschlossen. Ein Kino hatte zwar geöffnet, das benachbarte Restaurant verweigerte sich dem Gast. Nach fast einer Stunde ergebnisloser Suche kehrten wir zum Hostel zurück, vielleicht wußte der Concierge Rat. Dieser schickte uns in eine nahegelegene Straße, in der in der Tat sich zahlreiche Restaurants befinden, jedoch heute alle geschlossen. In unserer Not und mit mehr als nur einem Loch im Bauch besannen wir uns einer Systemgastronomie, die rund um die Uhr jeden Tag im Jahr geöffnet hat, ein “Restaurant”, um das wir sonst immer einen großen Bogen machen. Aber heute schien uns das die einzige Möglichkeit zu sein, nicht mit großem Hungergefühl ins Bett gehen zu müssen. Also stiefelten wir, ausgehend von unserem Hostel, über das wir die Adresse dieses Spitzenrestaurants erfahren hatten, gut 14 Blocks ostwärts und drei Blocks nach Norden. Wir hatten uns nicht geirrt – es kann alles zusammenbrechen, MD hat immer auf und wartet auf sein Geschäft. Groß war der Umsatz mit uns nicht, wir beschränkten uns auf das Allernotwendigste und verließen schnell, zumindest leicht gesättigt, den Tatort.

Es war für uns eine völlig neue Erfahrung, am Neujahrstag in einer Großstadt überall auf geschlossene Lokale zu treffen. Wohl auch deshalb war in der Stadt nicht nur am frühen Abend kaum jemand unterwegs.

Den 2.1. widmeten wir neben einem Stadtrundgang insbesondere weiteren Recherchen zu unseren nächsten Zielen und vor allem dem Versand nicht mehr benötigter Reiseliteratur und unserer Schulbücher. In Santiago wartet bereits ein Karton mit Reiseführern unserer nächsten Stationen. Man mag es kaum glauben, aber der Versand unseres Buchkartons mit etwas über 11 Kg Gewicht kostete so viel, daß wir dafür auch fast 3 Nächte in unserem Hostel, zugegeben, diesmal stimmte der Preis wirklich mal, hätten schlafen können.

Ganz aus unserem Gedächtnis gestrichen war die Information in 2010, in dem ein sehr starkes Erdbeben vor der Küste Chiles insbesondere die Region um Talca heftig getroffen und zu immensen Schäden geführt hatte. Anfangs wunderten wir uns über die auch in der Innenstadt befindlichen zahlreichen Adobehäuser, die leer standen, teilweise keine Dächer mehr besaßen, manchmal zwar von weitem “gesund” aussahen, bei näherem Hinsehen aber von tiefen Rissen im Mauerwerk überzogen waren. Eine stattliche Anzahl von Innenstadtgrundstücken lag brach, war eingezäunt, das Unkraut wucherte. Eigentlich in exponierter Lage nicht verständlich. Aber nicht nur Adobehäuser waren baufällig, auch eine größere Anzahl stattlicher moderner (Schule) oder repräsentativer Bauten (Bank) war gesperrt, die Türen verschlossen, die Fenster teilweise verbrettert oder es gähnte den Betrachter ein großes oft helles Loch entgegen – Licht kam von oben, dem Himmel. Information über die Stadt brachte dann die Erklärung, das Erdbeben in 2010. Wie wir erfuhren, mußten zahlreiche Bürger ihre einsturzgefährdeten Häuser aufgeben, sollen jedoch nicht der Stadt den Rücken gekehrt, sondern sich in den Randbezirken niedergelassen haben. Eine Flucht aus der – gefährdeten – Stadt habe es nicht gegeben. Was jetzt noch fehlt ist ein erkennbarer Einsatz, die noch vorhandenen zahlreichen Schäden dauerhaft zu beseitigen.

P1090258P1090259P1090247P1090246

Unser Reiseführer aber auch die eingeholte Auskunft im örtlichen Tourismusbüro bestärkte uns in der Entscheidung, noch einmal in einen Nationalpark wandern zu gehen. Nächstgelegen ist der Parque Nacional Altos de Lircay, d.h. wir müssen gut 60 Kilometer anfahren, um an die Berge und die Anden zu kommen. Unsere Fahrt führt uns über San Clemente in Richtung Osten in ein kleines Tal, an dessen Ende – fast Ende – das Örtchen Vilches Alto liegt. San Clemente muß man eigentlich  noch der Weinbauregion im Mauletal zurechnen, denn zahlreiche sehr große Weinbaubetriebe säumen die Straße hierhin. Wir hatten zwar von der besonderen Qualität der hiesigen Weine gehört, heute jedoch etwas anderes vor und verzichteten auf die zahlreichen Möglichkeiten einer Weinprobe im Umland von Talca. Was dann aber bei der Einfahrt nach San Clemente sehr befremdete war die “Begrüßung” durch eine auf dem Mittelstreifen aufgebaute alte Flak, die gegen Westen, d.h. Talca zeigte. Ein Weinfass oder wegen des ebenfalls ausgeprägten Obstanbaus ein Symbol dieses Wirtschaftszweiges hätten wir noch verstanden, aber ein Flakgeschütz? Gegen wen richtet es sich, wer soll hier geschützt werden? Geschmacklos und verirrt.

Langsam ließen wir den landwirtschaftliche geprägten Bereich hinter uns, fuhren stetig bergauf und wurden nach und nach vom Wald umgeben und trafen dabei wieder einmal auf einige Gauchos, die einige Rinder vor sich her trieben, eine staubige Angelegenheit.

P1090264P1090263

Bei der Parkverwaltung am Parkeingang informierten wir uns über die Wanderrouten. Unterschiedlich lange Strecken standen für einen Wandertag zur Auswahl; wir entschieden uns, zum etwa 2.300m hoch gelegenen Basaltplateau El Enladrillado zu wandern, einem Ort mit weitem Blick auf und in die umliegenden Andenberge; die Wanderzeit mit angegebenen 8 Stunden passte noch in unseren Zeitplan, denn wir hatten in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung machen können, teilweise erheblich vor den vorgegebenen Zeiten am Startort zurück zu sein. Eine Zusatzoption gab es durch dieses Ziel, bei genügend Zeitpuffer und Lust bestand die Möglichkeit, den Rückweg über die auf 2.200m gelegene Laguna Alto zu wählen. Während wir auf unseren vergangenen Wanderungen durch Nationalparks kaum andere Wanderer angetroffen haben, hier waren doch einige unterwegs, meistens voll bepackt mit Zelt, Schlafsack und Isomatte, Kochgeschirr etc. um einige Tage auf einem der beiden unten im Tal befindlichen CONAF-Campingplätzen zu verbringen. Hier waren dann auch manchmal Familien unterwegs, bei denen erkennbar das eine oder andere Familienmitglied sehr früh unter der Last und dem ansteigenden Weg gelitten hat. Als es dann nach gut 1 3/4 Stunde so richtig bergauf ging, waren wir dann allein unterwegs. So lange wir im Schatten des urwüchsigen Lenga- und Roblewaldes wanderten, lief zwar wegen der großen aber noch auszuhaltenden Hitze auch Schweiß, aber in Grenzen, auch wenn wir nicht gerade bummelten. Doch nach einer weiteren halben Stunde waren wir aus dem Schutz des Blätterdaches heraus und spürten die volle Kraft der Sonne. Ein leichtes Lüftchen brachte etwas Kühlung. Zur Hitze kam dann noch ein immer schlechterer Weg, ein Steig, der immer wieder vorgaukelte, bald hätten wir den Bergsattel erreicht. Nach dreieinhalb Stunden standen wir dann endlich in praller Sonne auf dem Plateau und konnten die wirklich ungewöhnliche Aussicht genießen. So richtig weit sehen konnten wir zwar nicht, dafür waren dann die umliegenden Berge, Bergketten und Vulkane doch zu mächtig, aber die Blicke ins Tal, auf die abwechslungsreichen sichtbaren Felswände, die umherliegenden und den Abhang markierenden Basaltbrocken entschädigten für den vergossenen Schweiß. Als wir dann noch, leider weiter entfernt, einen Kondor in seinem Flug ohne einen Flügelschlag dahingleiten sahen, war der Tag perfekt, wenn nicht noch ein Rückweg durch die Sonne anstehen würde. So interessant der Rückweg über die Laguna Alto auch erschien, wir hätten dann 2 zusätzliche Stunden in der prallen Sonne gehen müssen, wogegen wir uns aus Vernunftsgründen entschieden. Zügig ging es dann auf bekanntem Weg zurück, auf dem wir im Talabschnitt auch zahlreichen wandernden Campern begegneten, von denen einzelne bereits nach einer guten Stunde wandern ziemlich platt am Wegrand saßen. Nach etwas mehr als 5 1/4 Stunden Wanderung meldeten wir uns dann beim Parkranger ab und fuhren zurück nach Talca. Das war dann sicherlich die letzte Wanderung während unserer Reise auf chilenischem Festland. Das nächste Mal werden wir auf Rapa Nui die Wanderschuhe anziehen dürfen.

P1090334P1090272P1090278P1090285P1090286P1090315P1090318P1090323P1090330P1090331

Den Abend verbrachten wir damit, unser Gepäck so zu richten, daß unser Handgepäck das Notwendige für den Kurzabstecher nach Valparaiso enthält, der Rest muß in unseren beiden Rucksäcken verstaut werden. Was anfangs als Problem erschien, stellte sich später als fast leicht zu lösende Aufgabe heraus – alles fand seinen Platz, man muß sich halt von Überflüssigem trennen.

Wir hatten die Wagenrückgabe für den 4.1. gegen 12:00 Uhr vereinbart und starteten deshalb bereits um 07:30 Uhr. Für die 250 Kilometer bis zur Hauptstadt viel Zeit, da wir aber kein ausreichendes Kartenmaterial zur Stadt besitzen und uns den letzten in der Stadt verlaufenden Streckenabschnitt aus einem Routenplaner herausgezogen hatten ohne zu wissen, ob dieser Vorschlag zielführend ist, war uns ein größerer Zeitpuffer sehr recht. Und diesen brauchten wir auch. Offensichtlich sprechen Routenplaner und diejenigen, die für die Ausschilderung vor Ort zuständig sind, nicht ausreichend miteinander. Sobald wir die eigentliche Autobahn verlassen mussten, uns dabei auch an den Kilometerangaben des Routenplaners orientierten, waren wir aufgeschmissen. Die aufgezeichneten Ortsangaben existierten nicht, wir fuhren ab der Stadtgrenze Santiago im Blindflug. Die in Stadtrandnähe ersichtlichen Ortsteilangaben brachten uns auch nicht weiter, denn wir konnten diese nicht zuordnen. Nach mehr als einer halben Stunde Irrfahrt endlich ein Hinweis auf die Richtung ins Zentrum. Da kennen wir uns aus, für den Innenstadtbereich haben wir eine Straßenkarte. Wie stark sich Santiago in der Fläche ausbreitet, haben wir dann in der folgenden 3/4 Stunde im wahrsten Sinne des Wortes erfahren können, bis wir uns endlich auf bekanntem Terrain befanden. Bis wir den Wagen an seinem Bestimmungsort abgeben konnten, leider erst um 12:10 Uhr, sind wir fast volle zwei Stunden durch die Stadt gefahren, hatten wiederholt erheblichen Frust entwickelt und mehr als einmal die wilden und rücksichtslosen Raser in der Stadt mit Schimpfwörtern belegt. Alles ging gut, wir konnten den roten Flitzer nach exakt gefahrenen 20.300 Kilometern ohne Beanstandung dem Vermieter zurück geben. Dreckig, voller Staub war er und wir hatten die letzten Stunden ganz schön geschwitzt. Tschüss, der Toyota war ein verlässlicher und hinsichtlich seines Spritverbrauchs mit seinen 2,4l Hubraum genügsamer “Begleiter”. Damit endet hier in Santiago unsere Rundreise per Auto, jedoch nicht unsere Zeit in Südamerika, denn vor dem Weiterflug nach Rapa Nui werden wir noch einen Abstecher nach Valparaiso unternehmen.

P1090336

Zurück nach Pucon – jetzt den Volcano Villarrica vor Augen

Vor wir wissen gar nicht mehr wieviel Wochen hatten wir Pucón den Rücken gekehrt bei strahlendem Wetter. Leider haben wir dabei den Volcano Villarrica nur von unten gesehen, statt wie erhofft oben auf ihm zu stehen. Unser Zeitpolster erlaubt es, auf dem Weg gen Norden hier einen 2-Tagesstop einzulegen. Ob das Wetter diesmal für eine Bergwanderung geeignet ist?

Fünf schöne Tage hatten wir in der Posada del Colono verbracht, auch viel mit Emma und Marcelo gesprochen, wir haben uns hier sehr wohl gefühlt, der Abschied von den beiden und dem so gar nicht als Wachhund tauglichen Pepe fiel herzlich aus. Zu Pepe ist folgendes nachzutragen. Während unserer Anwesenheit nächtigte auch ein Paar hier, das per Fahrrad unterwegs war. Pepe freundet sich mit jedem der hier ankommt an und begleitet sie, sei es nur zum Auto, zum See oder, wie die beiden Radfahrer, diese auf ihrer nächsten Etappe zum Ort Entre Lagos, nicht auf direktem Weg, sondern auf Umwegen. Seine Abwesenheit wurde erst nicht so richtig bemerkt, bis ein Anruf Emma aus dem 50 Kilometer entfernten Rupanco erreichte, hier sei ihr Hund angekommen. Offensichtlich hatten die beiden Radler den dann wohl ziemlich matten Pepe irgendwo auf der Strecke “abgeben” können. Den Hund abholen, daran wurde kein Gedanke verschwendet. Marcelo kehrte das harte Bauernherz heraus, Pepe sei eh kein Wachhund, sondern eher wie ein kleines Kind, soll er doch sehen, wie er zurück kommt. Also wurde nichts unternommen. Am nächsten Morgen lag dann ein völlig erschöpfter Pepe vor der Tür; der kleine Kerl hatte den Rückweg gefunden und war wohl froh, wieder bei seinem Fressnapf zu sein. Die ersten beiden Tage war mit ihm nicht viel anzufangen, verständlich, wenn man als Hund zwei Marathons am Stück in den kleinen Beinen hat.

P1090125

Wir haben ja keine Eile, nach Pucón zu kommen und legten einen Übernachtungsstop in Futrono am Lago Ranco ein. Da wir gemächlich fuhren, trafen wir dort auch erst am Spätnachmittag ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir nicht nur 5 weitere mehr oder weniger sehr große Seen, schließlich bewegen wir uns hier im chilenischen Seengebiet, sondern auch teilweise sehr unterschiedliche Landschaften. Die Region um den Lago Llanquihue ist nicht nur hügelig, sonden die landwirtschaftlich genutzten Flächen oft auch relativ kleinteilig. Viehhaltung in Mehrhundertergröße haben wir hier nicht wahrgenommen, Großbetriebe fehlten, stattdessen immer wieder kleine Gehöfte und Katen entlang der Strecke. Wiesen und Weiden, immer wieder durch große Waldflächen aufgelockert, zahlreiche Bäume auf den Weiden spenden den Rindviechern Schatten. Getreideanbau konnten wir nicht ausmachen. Dies änderte sich, als wir in den Einzugsbereich des Lago Ranco, nachdem wir vorher einen kleinen Abstecher an den Lago Rupanco, leider erfolglos, denn ein Seezugang war nicht möglich, gemacht hatten, kamen. Die Hügel waren noch sanfter, die Weideflächen nahmen oft sehr große Dimensionen an, bäuerliche Großbetriebe bestimmten das Bild mit ihren in unseren Augen manchmal nicht mehr nach hunderten Tieren zu zählenden Viehbeständen. Hier wurde auch Futtergetreide und Mais in großem Umfang angebaut, Kleefelder wurden über ein umfangreiches Rohrsystem dauerhaft bewässert. Kleinbetriebe gab es kaum, kleine Katen waren von der Bildfläche verschwunden, stattdessen waren um den Hof herum eine ganze Reihe identischer Holzhäuser gebaut worden, offensichtlich für die Arbeiter und ihre Familien.

Nicht immer gelang es uns, ohne Umwege unsere geplante Strecke zu fahren, fehlten, wieder einmal, an wichtigen Kreuzungen Schilder, waren die angegebenen Entfernungsangaben nicht mit den der Karte zu entnehmenden identisch und führten uns deshalb in die Irre. Wahrscheinlich verschlägt es in diese Gegend zu selten Gäste, um diesen Mangel zu beheben. Über die Orte Entre Lagos, wo uns angesprochene Bewohner mit mißverständlichen Hinweisen nach dem Ort der Tankstelle fast in jede Himmelsrichtung schickten, über Crucero, als Ort kaum wahrzunehmen, es standen aber einige Häuser um eine Kreuzung herum, kamen wir zum Ort Lago Ranco am gleichnamigen See, ein unscheinbares Örtchen. Bei der Fahrt entlang des Sees, einer ehemals schmalen Schüttelpiste konnten wir wieder einmal die Bauwut im Land “bewundern”. Hier wurde großzügig auf zwei Spuren ausgeweitet, neue Brückenbauwerke errichtet und unendliche Kubikmeter Erde und Gestein bewegt. Eine normale Fahrt war kaum möglich, ständig musste gewartet oder Baufahrzeuge  vorbei gelassen werden. Die Aussicht an den wenigen anfahrbaren Aussichtspunkten war jedoch immer den Stop wert. Im Lago Ranco befinden sich einige mehr oder weniger große Inseln, deren bedeutendste die Isla Huapi ist, Wohnort einer größeren Mapuche Gemeinde. Wir umrundeten den See fast vollständig und müssen sagen, der Seeblick vom Süden aus war der eindruckvollste, im Osten und Norden führte uns die Straße zu oft vom Seeufer weg und um die den See eingrenzenden Bergrücken herum. Unsere Zeit ließ einen kleinen Abstecher zum etwas abseits gelegenen Lago Maihué zu; unsere Karte wies einen Ort namens Puerto Llolles auf, unser Ziel. Dort angekommen standen wir dann vor den Resten einer Steganlage, Bebauung gab es keine, aber einen kleinen Strand und einen ganz friedlich daliegenden ruhigen See. Zufahrend auf das Tagesziel wurde deutlich, was die seit längerem erkennbare umfassende Forstwirtschaft und die Anlage von überwiegend Eucalyptusplantagen angedeutet haben – wir waren in einem der Zentren der Holzwirtschaft gelandet. Große, kleine und sehr große Sägewerke befanden sich in der Nähe und in der Stadt Futrono. Immer wieder sahen wir auch sehr weit vor der Stadt auf den “Höfen” rechts und links der Straße Maschinen und Lkws stehen, die in der Forstwirtschaft und im Holztransport eingesetzt werden. Futrono ist deshalb auch keine von einem Reisenden besonders zu beachtende Stadt, ihr einziger touristischer Vorteil, weshalb hier auch eine Anzahl von Cabanas zur Vermietung angeboten werden, ist der See und der vor der Stadt liegende Strand.

P1090127P1090130P1090132P1090138P1090148P1090153P1090134P1090156P1090146

Am 29.12. setzten wir unsere Seenrundfahrt in Richtung Norden und an den Lago Villarrica fort. Den ersten am Wegesrand liegenden See, den Lago Rinihue steuerten wir an, mussten beim Versuch an sein Ufer zu kommen, wieder einmal vor den vielen Stacheldrahtzäunen und dem Privateigentum aufgeben. Vor Panguipulli stießen wir auf großflächige Obstanbaugebiete; unserer unfachmännischen Meinung nach könnte es sich hier um Blaubeeren handeln, Auskunft konnte uns keiner geben, obgleich hier im Land am Sonntag nicht nur die Landwirte, sondern auch (z.B.) die Müllwerker ihrer Arbeit nachgehen.

Panguipulli gehört auch zu den unscheinbaren und irgendwie am Rande liegenden Orten in dieser Region; obgleich angabegemäß 16.000 Menschen hier leben sollen, eine gewisse Ausdehnung hat diese Stadt auch, ihre Anziehungskraft, insbesondere wirtschaftlich ist begrenzt, wie wieder einmal der Zustand der in der Innenstadt liegenden Häuser belegt. Nach unserer Auffassung standen hier vergleichsweise viele Objekte leer und waren ihrem Verfall überlassen, andere suchten einen Käufer. Bei unserem kleinen Spaziergang entlang der Ufer”promenade” konnten wir nicht nur oberhalb eine ganze Reihe kleiner Giebelhäuschen mit ihrem tollen Blick in die Weite des Lago Panguipulli ausmachen, sondern stießen auch auf eine Holzskulptur, die offensichtlich die friedliche “Bekehrung” der indigenen Völker darstellen soll, eine Geschichtsverfälschung ersten Ranges, denn friedlich gingen die Glaubensvertreter gar nicht vor.

P1090160P1090162P1090168P1090170P1090166P1090167P1090164

Die anschließende Fahrt entlang des nordöstlichen Seeufers des Lago Panguipulli fand leider bei zunehmend schlechterem Wetter statt, es begann leicht zu regnen, der Himmel war dunkel, die Sicht nicht gerade gut. Den im Südosten liegenden Volcano Choshuenco konnten wir mehr ahnen als in seinen Umrissen wahrnehmen. Bei diesem zunehmend unbefriedigendem Wetter verzichteten wir auf einen Abstecher des malerischen Lago Pirehueico, über den auch eine Möglichkeit besteht, per Boot und Bus nach San Martin de los Andes in Argentinien zu reisen, um eher zügig als gemächlich zu unserem Tagesziel zu gelangen. Wir passierten tief unter uns liegend den Lago Neltume, drangen wieder in stark bewaldetes und zunehmend bergigeres Land vor, mussten diverse Regenschauer über uns bzw. unseren Flitzer ergehen lassen, bevor wir an die Thermen von Conaripe kamen. Ein Thermenbesuch war uns ja bislang nicht vergönnt gewesen, also fuhren wir in die Anlage, die zu einem Hotel gehört. Der gewonnene Eindruck deckte sich leider mit vielen früheren Wahrnehmungen – manche Unternehmen halten von Gebäudeunterhalt nicht sehr viel. So war auch dieser sehr weitläufige Hotel- und Resortkomplex mehr schlecht als recht in Schuss gehalten. Die Thermenbecken waren klein und nachdem uns der Preis für einen Besuch mitgeteilt wurde, das Wetter so schlecht wurde, so daß ein Aufenthalt im Freien wenig Freude macht, denn es wurde zunehmend bitter kalt, verschoben wir den Besuch erneut. Es gibt noch genug Thermen entlang unserer Route. Bald darauf durchfuhren wir Conaripe, auch eine dem Tourismus zugewandte Stadt am Lago Calafquen um anschließend am “Hauptort” dieses Sees, Lican Ray endlich mal an einen hier schwarzen Strand zu gehen. Und es regnete immer noch, was einem Gang an das Wasser jedoch keinen Abbruch tat. Lican Ray ist eine Ansammlung von Cabanas wie man sie sich kaum vorstellen kann. Hier stehen im Grunde nur kleine Ferienhäuschen und Cabanas, sonst nichts, wenn von den für einen funktionierenden Ferientourismus notwendigen Infrastrukturen wie Tankstelle, Gastronomie, Lebensmittelgeschäften abgesehen wird. Noch steppte hier nicht der Bär, aber erste Anzeichen für den kommenden Ansturm waren erkennbar, die Vergnügungsindustrie war dabei, ihre Angebote aufzubauen. Aber was ist in diesem Ort außerhalb der Urlaubszeit los – nichts, tote Hose. Die Strände, die schön tief und lang waren und aus feinem schwarzen Lavasand bestanden, sind jedoch attraktiv.

P1090190P1090192P1090193P1090195P1090198P1090201

Und dann war es nicht mehr weit zu unserem Ziel, Pucón, die Strecke waren wir bereits vor Wochen im wesentlichen gefahren. Unser Quartier, die Casa Satya, hatten wir vorab gebucht; wir befürchteten, nicht ganz zu Unrecht, mit unserer üblichen Strategie in den Ort fahren und suchen, kein vernünftiges Quartier zu finden. Die Casa Satya passt schon, ein sehr schönes uriges und überschaubares Domizil für die nächsten drei Nächte.

Unser Ziel ist ja, auf den Volcano Villarrica zu wandern, was entsprechend gutes Wetter voraussetzt. Direkt nach unserer Ankunft machten wir uns auf den Weg zu den beiden empfohlenen Veranstaltern um sehr ernüchtert ins Quartier zurück zu kehren. Nicht nur das schlechte Wetter, der Himmel war und blieb bedeckt, machte uns einen Strich durch unsere Pläne, darüber hinaus erfuhren wir, daß für den eventuell möglichen Termin, Wetterbesserung vorausgesetzt, der 31.12., mehr Voranmeldungen vorlagen, als mitgenommen werden. Für uns sah es sehr schlecht aus, dennoch ließen wir uns auf die Warteliste bei beiden Agenturen setzen. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung.

Am 30.12. war wahrlich kein Wetter, bei dem es Spaß machte, längere Strecken zu wandern es sei denn, man liebt es, im Regen zu laufen und wenig zu sehen. Wir nicht, deshalb blieben wir weitestgehend in unserem gemütlichen  Quartier. Wir hatten schon Pläne gemacht, wohin wir am letzten Tag des Jahres, vernünftiges Wetter vorausgesetzt, wandern wollen, als wir vom Veranstalter SummitChile angerufen wurden. Es waren Interessenten abgesprungen, wenn wir wollten, könnten wir … So schnell waren wir selten unterwegs, um zum Veranstalter zu kommen. Gut, Garantie gibt es nicht, aber der Wetterbericht für den 31.12. gibt, so hieß es, etwas Hoffnung, auch wenn diese noch relativ klein ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt, wir sind dabei. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß  Morgen wirklich ein Tag für einen Aufstieg auf den Volcano Villarrica ist.

Die nötigen Verpflegungseinkäufe für unsere Tageswanderung wurden noch schnell gekauft, dann erfolgte bereits unser erster Zugriff auf die Internetseite www.snow-forecast.cl, die eine auch von den Professionellen genutzte Vorhersage mit wichtigen Parametern wie z.B. Windgeschwindigkeit, Wolkenhöhe etc. bietet. Überzeugend sah das nicht aus, aber wir waren jetzt dabei, hatten unsere Chance bekommen. Ob es an der von Katrin auch eingekauften Tüte sehr fettiger Chips lag, wir schliefen nicht gerade fest oder viel und waren, als unser Wecker um 05:30 Uhr klingelte, eigentlich schon wach. Gefrühstückt haben wir kaum, Kaffee dafür um so mehr getrunken und sind dann schnellen Schritts, als Dritter aus der Casa Satya kam Max, aus Brasilien wie der Name schon sagt, ein Lotse auf dem Amazonas und in Manaus beheimatet, im Schlepptau mit. Wir waren bei SummitChile nicht die ersten an dem frühen Morgen, Claudio und seine Crew sowie weitere Mitwanderer waren bereits dabei, die bereit gestellte Ausrüstung anzuziehen und das nicht sofort benötigte Equipment, Steigeisen, Eispickel, Überhose und weiteren Anorak, Handschuhe (dicke und dünne), Mütze, Helm, Hilfsmittel zum Abrutschen im Schnee, im bereit stehenden Rucksack zu verpacken. Kurz nach 07:00 Uhr fuhren wir los, wie wir an der Liftstation feststellen konnten, waren wir beinahe die ersten am Abmarschpunkt. Es war schon bequem, per Kleinbus gut 10 Kilometer an den Berg herangefahren zu werden und auf bereits 1.400m Höhe aussteigen zu können, bleiben dann nur noch weitere 1.400m zu absolvierendem Aufstieg. Bei der Abfahrt hat jeder aus unserer kleinen Gruppe, Claudio beschränkt sich immer auf maximal 10 Gäste und begleitet diese mit 4 Bergführern, die übrigen Agenturen füllen fast einen Großbus mit ihren 24 Gästen, denen 3 maximal 4 Bergführer bzw. Assistenten zur Seite stehen, gen Süden auf den Villarrica geschaut und sich gefreut, denn der Vulkan präsentierte sich gerade ohne Wolken, auch wenn einige am Himmel zu sehen waren. Stimmung bei der Fahrt gut, auch wenn sicherlich der eine oder andere angespannt war. Bereits vor der Abfahrt hatte Claudio sehr deutlich gesagt, daß seiner Meinung nach keine guten Bedingungen für eine erfolgreiche Gipfelwanderung herrschen, der Himmel sei zwar im Augenblick klar am Berg, aber der dort herrschende Wind sei schon ganz schön stark, wie der aktuelle Wetterbericht aussagte. Wir könnten dennoch abfahren und dann vor Ort prüfen, wie die Chancen stehen. Klare Worte, die unsere Hoffnung natürlich dämpften, aber wohl nicht von jedem so deutlich verstanden wurden. An der Talstation der Lifte angekommen fuhr der Bus, wie im Nachhinein deutlich wurde, ganz bewußt auf eine etwas ausgesetztere Stelle. Während wir unser Gepäck ausluden, sah man Claudio mit einem Gerät an unterschiedlichen Stellen des Plateaus herumlaufen; er stieg auch auf die Liftstation hinauf, und erklärte uns anschließend sein Tun. Er war mit einem Windmeßgerät unterwegs, die Ergebnisse waren jedoch nicht erfreulich. Die Windgeschwindigkeit, die er hier unten messen konnte, betrug im günstigsten Fall 27m/sec; am Berg, wenn wir aus den windgeschützten Senken herauskämen, würde das deutlich mehr als 40m/sec bedeuten, ab 40m/sec würde im allgemeinen abgebrochen. Zudem sei zu erwarten, daß die weit entfernten Wolken im Verlaufe des Vormittages den Vulkan erreichen würden, bevor man oben sei. Das sei seine Prognose, es könne sich – vielleicht – auch anders entwickeln, unsere Entscheidung sei nun gefragt. Man muß wissen, daß wenn mit der Wanderung begonnen worden ist, es keine Erstattung der gezahlten 50.000 CLP gibt! Eine einheitliche Meinung bildete sich nicht unter uns 6 zahlenden Gästen; einer wollte egal wie den Versuch starten, zwei junge Brasilianerinnen schienen bereits jetzt bei dem Wind zu frösteln, ich wäre ein durchschnittliches Risiko eingegangen, Katrin hätte sich der Mehrheitsmeinung angeschlossen und Max war auch bis zum Schluß unentschieden. Dann rief Claudio uns zu einem engen Kreis zusammen, sah jedem in die Augen und entschied dann : die Chancen bis zum Krater zu kommen sind deutlich geringer als 50 Prozent; es entspricht nicht seiner Philosophie bei so schlechten Aussichten  mit der Wanderung zu beginnen. Im übrigen sei auch er von viel mehr Gipfelbesteigungen zurück gekommen als er Gipfel in seinem Bergsteigerleben erreicht habe. Es habe keinen Sinn, nach zwei Stunden festzustellen, es ginge nicht und dann zurück zu gehen. So fuhren wir wieder zurück nach Pucón, während uns die Heerscharen an Wanderer anderer Agenturen entgegenliefen. Bezeichnend, daß ein Bergführer im Blickkontakt mit Claudio ein Zeichen wie beim Kopfabschneiden machte. Diese Entscheidung von Claudio, die ihn und seine Mannschafft um die Tageseinnahme gebracht hat, ist anerkennenswert, zeugt von sehr seriösem Geschäftsgebaren und ist extrem fair gegenüber seinen Kunden. Wie wir am Abend erfuhren, sind alle (!) Wanderer nach etwa zwei Stunden Anstieg wegen der Bedingungen umgekehrt, hatte jeder seinen “Wett”einsatz verloren und die Agenturen richtig Geld verdient, obgleich offensichtlich schon beim Abmarsch erkennbar war, wie gering die Erfolgsaussichten waren. So wurde z.B. der Sessellift, der im allgemeinen benutzt wird, um erst ab 1.700m mit der Wanderung zu beginnen, wegen zu hoher Windgeschwindigkeit nicht in Betrieb genommen! Daraus kann man nur die Schlußfolgerung ziehen : Wanderer, willst du jemals auf den Volcano Villarrica wandern, mach es mit SummitChile, die Leute kann man nur wärmstens empfehlen! Bei unserem Kleinstgruppenfoto mit Claudio Retamal als Zweitem von rechts, war die Enttäuschung noch nicht jedem anzusehen, Ben, der gipfelsturmbesessene Amerikaner stand abseits.

IMG_0053IMG_0052DSC02179

Wir waren also früher zurück als geplant in unserem Quartier und holten erst einmal das eigentliche Frühstück nach. Was mit dem “gewonnenen” Tag anfangen? Christine, unsere Wirtin, hatte einmal auf einen kleinen privaten Park, den “Parque El Cani” hingewiesen, vom höchsten erreichbaren Punkt gäbe es zur Belohnung nach einem 4 1/2 stündigen Aufstieg einen wunderschönen Rundumblick auf alle großen Vulkane, also eine Tageswanderung. Als wir, ebenso wie Max, gegen 10:00 Uhr immer noch am Tisch saßen und miteinander schwatzten, scheuchte sie uns auf, “also wenn ihr heute noch etwas Wandern wollt, dann wird es aber Zeit”! Christines Fürsorglichkeit als gebürtige aber seit 20 Jahren in Pucón lebende Schweizerin gegenüber ihren Gästen!

Weil ich mir den Fahrweg nicht richtig eingeprägt hatte und wir ohne jegliche Karte unterwegs waren, erreichten wir den Startpunkt der Wanderung erst mit mehr als einer dreiviertel Stunde Verspätung und begannen mit unserer Wanderung um 11:20 Uhr. Ab 17:00 Uhr hatten wir zu Sylvester mit der Heimat Skypetermine vereinbart, bummeln durften wir also nicht, für die Wanderung standen uns maximal 5 Stunden zur Verfügung. Dementsprechendes Tempo schlugen wir auch an, hatten dabei trotzdem genügend Muße, den uns bis zum Gipfelfelsen auf 1.550m begleitenden wunderschönen alten Wald mit seinen riesigen Alercen und später in der Höhe auch großen Araucarien zu bestaunen. Immer wieder konnten wir unter uns im Süden den Lago Villarrica und mehr im Westen den Lago Calburga, nie in Gänze, aber zu einem guten Teil sehen. Nach nicht ganz 70 Minuten hatten wir ein Refugio erreicht

P1090214P1090213P1090210P1090211

und gegenüber den Zeitangaben der Parkranger 35 Minuten hereingelaufen, auf einer Strecke, die permanent mehr oder weniger steil bergan ging. Ob wir uns den Frust aus dem Leib laufen wollten oder die Belastung am Abend verspüren wollten, die wir nach einer Wanderung zum Vulkankrater erfahren hätten, wir wissen es  nicht, aber in dem Tempo ging es weiter bis zum Gipfelblick, den wir nach 160 Minuten erreichten. Ganz verschwiegene Lagunen hatten wir dabei passiert, die Laguna Totoras und die Laguna Negra, erstere war fast ausgetrocknet und dient einer Anzahl von Kühen als Weide, letztere lag still da, umgebenen von zahlreichen Alercen sowie einer großen Anzahl von bis zu 2.000 Jahren alten Araucarien. Hinter der Lagune ragte dann der über steile Serpentinen zu erlaufende Aussichtsfelsen auf.

P1090215P1090217P1090238

P1090218P1090224

Dann waren wir oben auf dem Aussichtsfelsen und schauten in die Runde. Der erste Blick ging natürlich in Richtung Volcano Villarrica – voll von Wolken eingehüllt; auch die übrigen von hier aus sichtbaren Vulkane, die Vulkane Quetrupillán, Lanin und Llaima waren unsichtbar, von Wolken eingehüllt, die Wolken flogen wieder einmal tief. Der Weg war das Ziel. Dennoch, auch ohne den Blick auf die hohen Vulkangipfel, der Blick ins Rund, auf die unter uns liegende nahezu geschlossene Baumdecke war prächtig. Schön zu sehen, wie auch in weiter Entfernung noch der typische Wald der Region an den Bergflanken hinauf reicht, nur in geringem Maße der Kettensäge und den Holzwirtschaftsinteressen zum Opfer fiel. Nach gut 10 minütiger Rundschau, dem Verzehr unseres Gipfelproviants, machten wir uns auf den Rückweg, den wir, wegen der Steilheit des Pfades und dem lockeren Untergrund oft mehr in kleinen Schritten laufend als gehend absolvierten. Was vereinbarte Termine so alles bewirken können – diesmal eine Wanderung, die nur knapp 4 Stunden dauerte an Stelle der anvisierten 6 1/2 Stunden – dann hätten wir aber nicht mehr skypen können – stattdessen saßen wir entspannt und geduscht vor dem Netbook und warteten. Unsere Muskeln teilten uns noch am nächsten Tag mit, sie seien ganz schön gefordert worden, also hat das Training sich auch in dieser Hinsicht gelohnt.

P1090236P1090230P1090231P1090229P1090233

Wir schreiben den 31.12.2013, nicht nur der letzte Tag des Jahres, sondern auch unser letzter Tag in Pucón. Auch wenn wir beim zweiten Versuch, zum Kraterrand des Volcano Villarrica zu wandern, nicht erfolgreich waren, der Ort und seine Landschaft sind es wert gewesen, hier weitere zwei Tage zu verbringen, an denen wir nette Menschen treffen konnten und uns in unserem Quartier sauwohl gefühlt haben. Das berühmte nächtliche Feuerwerk haben wir jedoch nicht bestaunt, nachdem es bald nach unserer Rückkehr von El Cani sehr heftig zu regnen begonnen hatte, ein Zustand, der auch nicht aufhören wollte.

Also, neues Jahr neues Glück, es gibt noch viel zu sehen und zu erleben.