Zurück nach Pucon – jetzt den Volcano Villarrica vor Augen

Vor wir wissen gar nicht mehr wieviel Wochen hatten wir Pucón den Rücken gekehrt bei strahlendem Wetter. Leider haben wir dabei den Volcano Villarrica nur von unten gesehen, statt wie erhofft oben auf ihm zu stehen. Unser Zeitpolster erlaubt es, auf dem Weg gen Norden hier einen 2-Tagesstop einzulegen. Ob das Wetter diesmal für eine Bergwanderung geeignet ist?

Fünf schöne Tage hatten wir in der Posada del Colono verbracht, auch viel mit Emma und Marcelo gesprochen, wir haben uns hier sehr wohl gefühlt, der Abschied von den beiden und dem so gar nicht als Wachhund tauglichen Pepe fiel herzlich aus. Zu Pepe ist folgendes nachzutragen. Während unserer Anwesenheit nächtigte auch ein Paar hier, das per Fahrrad unterwegs war. Pepe freundet sich mit jedem der hier ankommt an und begleitet sie, sei es nur zum Auto, zum See oder, wie die beiden Radfahrer, diese auf ihrer nächsten Etappe zum Ort Entre Lagos, nicht auf direktem Weg, sondern auf Umwegen. Seine Abwesenheit wurde erst nicht so richtig bemerkt, bis ein Anruf Emma aus dem 50 Kilometer entfernten Rupanco erreichte, hier sei ihr Hund angekommen. Offensichtlich hatten die beiden Radler den dann wohl ziemlich matten Pepe irgendwo auf der Strecke “abgeben” können. Den Hund abholen, daran wurde kein Gedanke verschwendet. Marcelo kehrte das harte Bauernherz heraus, Pepe sei eh kein Wachhund, sondern eher wie ein kleines Kind, soll er doch sehen, wie er zurück kommt. Also wurde nichts unternommen. Am nächsten Morgen lag dann ein völlig erschöpfter Pepe vor der Tür; der kleine Kerl hatte den Rückweg gefunden und war wohl froh, wieder bei seinem Fressnapf zu sein. Die ersten beiden Tage war mit ihm nicht viel anzufangen, verständlich, wenn man als Hund zwei Marathons am Stück in den kleinen Beinen hat.

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Wir haben ja keine Eile, nach Pucón zu kommen und legten einen Übernachtungsstop in Futrono am Lago Ranco ein. Da wir gemächlich fuhren, trafen wir dort auch erst am Spätnachmittag ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir nicht nur 5 weitere mehr oder weniger sehr große Seen, schließlich bewegen wir uns hier im chilenischen Seengebiet, sondern auch teilweise sehr unterschiedliche Landschaften. Die Region um den Lago Llanquihue ist nicht nur hügelig, sonden die landwirtschaftlich genutzten Flächen oft auch relativ kleinteilig. Viehhaltung in Mehrhundertergröße haben wir hier nicht wahrgenommen, Großbetriebe fehlten, stattdessen immer wieder kleine Gehöfte und Katen entlang der Strecke. Wiesen und Weiden, immer wieder durch große Waldflächen aufgelockert, zahlreiche Bäume auf den Weiden spenden den Rindviechern Schatten. Getreideanbau konnten wir nicht ausmachen. Dies änderte sich, als wir in den Einzugsbereich des Lago Ranco, nachdem wir vorher einen kleinen Abstecher an den Lago Rupanco, leider erfolglos, denn ein Seezugang war nicht möglich, gemacht hatten, kamen. Die Hügel waren noch sanfter, die Weideflächen nahmen oft sehr große Dimensionen an, bäuerliche Großbetriebe bestimmten das Bild mit ihren in unseren Augen manchmal nicht mehr nach hunderten Tieren zu zählenden Viehbeständen. Hier wurde auch Futtergetreide und Mais in großem Umfang angebaut, Kleefelder wurden über ein umfangreiches Rohrsystem dauerhaft bewässert. Kleinbetriebe gab es kaum, kleine Katen waren von der Bildfläche verschwunden, stattdessen waren um den Hof herum eine ganze Reihe identischer Holzhäuser gebaut worden, offensichtlich für die Arbeiter und ihre Familien.

Nicht immer gelang es uns, ohne Umwege unsere geplante Strecke zu fahren, fehlten, wieder einmal, an wichtigen Kreuzungen Schilder, waren die angegebenen Entfernungsangaben nicht mit den der Karte zu entnehmenden identisch und führten uns deshalb in die Irre. Wahrscheinlich verschlägt es in diese Gegend zu selten Gäste, um diesen Mangel zu beheben. Über die Orte Entre Lagos, wo uns angesprochene Bewohner mit mißverständlichen Hinweisen nach dem Ort der Tankstelle fast in jede Himmelsrichtung schickten, über Crucero, als Ort kaum wahrzunehmen, es standen aber einige Häuser um eine Kreuzung herum, kamen wir zum Ort Lago Ranco am gleichnamigen See, ein unscheinbares Örtchen. Bei der Fahrt entlang des Sees, einer ehemals schmalen Schüttelpiste konnten wir wieder einmal die Bauwut im Land “bewundern”. Hier wurde großzügig auf zwei Spuren ausgeweitet, neue Brückenbauwerke errichtet und unendliche Kubikmeter Erde und Gestein bewegt. Eine normale Fahrt war kaum möglich, ständig musste gewartet oder Baufahrzeuge  vorbei gelassen werden. Die Aussicht an den wenigen anfahrbaren Aussichtspunkten war jedoch immer den Stop wert. Im Lago Ranco befinden sich einige mehr oder weniger große Inseln, deren bedeutendste die Isla Huapi ist, Wohnort einer größeren Mapuche Gemeinde. Wir umrundeten den See fast vollständig und müssen sagen, der Seeblick vom Süden aus war der eindruckvollste, im Osten und Norden führte uns die Straße zu oft vom Seeufer weg und um die den See eingrenzenden Bergrücken herum. Unsere Zeit ließ einen kleinen Abstecher zum etwas abseits gelegenen Lago Maihué zu; unsere Karte wies einen Ort namens Puerto Llolles auf, unser Ziel. Dort angekommen standen wir dann vor den Resten einer Steganlage, Bebauung gab es keine, aber einen kleinen Strand und einen ganz friedlich daliegenden ruhigen See. Zufahrend auf das Tagesziel wurde deutlich, was die seit längerem erkennbare umfassende Forstwirtschaft und die Anlage von überwiegend Eucalyptusplantagen angedeutet haben – wir waren in einem der Zentren der Holzwirtschaft gelandet. Große, kleine und sehr große Sägewerke befanden sich in der Nähe und in der Stadt Futrono. Immer wieder sahen wir auch sehr weit vor der Stadt auf den “Höfen” rechts und links der Straße Maschinen und Lkws stehen, die in der Forstwirtschaft und im Holztransport eingesetzt werden. Futrono ist deshalb auch keine von einem Reisenden besonders zu beachtende Stadt, ihr einziger touristischer Vorteil, weshalb hier auch eine Anzahl von Cabanas zur Vermietung angeboten werden, ist der See und der vor der Stadt liegende Strand.

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Am 29.12. setzten wir unsere Seenrundfahrt in Richtung Norden und an den Lago Villarrica fort. Den ersten am Wegesrand liegenden See, den Lago Rinihue steuerten wir an, mussten beim Versuch an sein Ufer zu kommen, wieder einmal vor den vielen Stacheldrahtzäunen und dem Privateigentum aufgeben. Vor Panguipulli stießen wir auf großflächige Obstanbaugebiete; unserer unfachmännischen Meinung nach könnte es sich hier um Blaubeeren handeln, Auskunft konnte uns keiner geben, obgleich hier im Land am Sonntag nicht nur die Landwirte, sondern auch (z.B.) die Müllwerker ihrer Arbeit nachgehen.

Panguipulli gehört auch zu den unscheinbaren und irgendwie am Rande liegenden Orten in dieser Region; obgleich angabegemäß 16.000 Menschen hier leben sollen, eine gewisse Ausdehnung hat diese Stadt auch, ihre Anziehungskraft, insbesondere wirtschaftlich ist begrenzt, wie wieder einmal der Zustand der in der Innenstadt liegenden Häuser belegt. Nach unserer Auffassung standen hier vergleichsweise viele Objekte leer und waren ihrem Verfall überlassen, andere suchten einen Käufer. Bei unserem kleinen Spaziergang entlang der Ufer”promenade” konnten wir nicht nur oberhalb eine ganze Reihe kleiner Giebelhäuschen mit ihrem tollen Blick in die Weite des Lago Panguipulli ausmachen, sondern stießen auch auf eine Holzskulptur, die offensichtlich die friedliche “Bekehrung” der indigenen Völker darstellen soll, eine Geschichtsverfälschung ersten Ranges, denn friedlich gingen die Glaubensvertreter gar nicht vor.

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Die anschließende Fahrt entlang des nordöstlichen Seeufers des Lago Panguipulli fand leider bei zunehmend schlechterem Wetter statt, es begann leicht zu regnen, der Himmel war dunkel, die Sicht nicht gerade gut. Den im Südosten liegenden Volcano Choshuenco konnten wir mehr ahnen als in seinen Umrissen wahrnehmen. Bei diesem zunehmend unbefriedigendem Wetter verzichteten wir auf einen Abstecher des malerischen Lago Pirehueico, über den auch eine Möglichkeit besteht, per Boot und Bus nach San Martin de los Andes in Argentinien zu reisen, um eher zügig als gemächlich zu unserem Tagesziel zu gelangen. Wir passierten tief unter uns liegend den Lago Neltume, drangen wieder in stark bewaldetes und zunehmend bergigeres Land vor, mussten diverse Regenschauer über uns bzw. unseren Flitzer ergehen lassen, bevor wir an die Thermen von Conaripe kamen. Ein Thermenbesuch war uns ja bislang nicht vergönnt gewesen, also fuhren wir in die Anlage, die zu einem Hotel gehört. Der gewonnene Eindruck deckte sich leider mit vielen früheren Wahrnehmungen – manche Unternehmen halten von Gebäudeunterhalt nicht sehr viel. So war auch dieser sehr weitläufige Hotel- und Resortkomplex mehr schlecht als recht in Schuss gehalten. Die Thermenbecken waren klein und nachdem uns der Preis für einen Besuch mitgeteilt wurde, das Wetter so schlecht wurde, so daß ein Aufenthalt im Freien wenig Freude macht, denn es wurde zunehmend bitter kalt, verschoben wir den Besuch erneut. Es gibt noch genug Thermen entlang unserer Route. Bald darauf durchfuhren wir Conaripe, auch eine dem Tourismus zugewandte Stadt am Lago Calafquen um anschließend am “Hauptort” dieses Sees, Lican Ray endlich mal an einen hier schwarzen Strand zu gehen. Und es regnete immer noch, was einem Gang an das Wasser jedoch keinen Abbruch tat. Lican Ray ist eine Ansammlung von Cabanas wie man sie sich kaum vorstellen kann. Hier stehen im Grunde nur kleine Ferienhäuschen und Cabanas, sonst nichts, wenn von den für einen funktionierenden Ferientourismus notwendigen Infrastrukturen wie Tankstelle, Gastronomie, Lebensmittelgeschäften abgesehen wird. Noch steppte hier nicht der Bär, aber erste Anzeichen für den kommenden Ansturm waren erkennbar, die Vergnügungsindustrie war dabei, ihre Angebote aufzubauen. Aber was ist in diesem Ort außerhalb der Urlaubszeit los – nichts, tote Hose. Die Strände, die schön tief und lang waren und aus feinem schwarzen Lavasand bestanden, sind jedoch attraktiv.

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Und dann war es nicht mehr weit zu unserem Ziel, Pucón, die Strecke waren wir bereits vor Wochen im wesentlichen gefahren. Unser Quartier, die Casa Satya, hatten wir vorab gebucht; wir befürchteten, nicht ganz zu Unrecht, mit unserer üblichen Strategie in den Ort fahren und suchen, kein vernünftiges Quartier zu finden. Die Casa Satya passt schon, ein sehr schönes uriges und überschaubares Domizil für die nächsten drei Nächte.

Unser Ziel ist ja, auf den Volcano Villarrica zu wandern, was entsprechend gutes Wetter voraussetzt. Direkt nach unserer Ankunft machten wir uns auf den Weg zu den beiden empfohlenen Veranstaltern um sehr ernüchtert ins Quartier zurück zu kehren. Nicht nur das schlechte Wetter, der Himmel war und blieb bedeckt, machte uns einen Strich durch unsere Pläne, darüber hinaus erfuhren wir, daß für den eventuell möglichen Termin, Wetterbesserung vorausgesetzt, der 31.12., mehr Voranmeldungen vorlagen, als mitgenommen werden. Für uns sah es sehr schlecht aus, dennoch ließen wir uns auf die Warteliste bei beiden Agenturen setzen. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung.

Am 30.12. war wahrlich kein Wetter, bei dem es Spaß machte, längere Strecken zu wandern es sei denn, man liebt es, im Regen zu laufen und wenig zu sehen. Wir nicht, deshalb blieben wir weitestgehend in unserem gemütlichen  Quartier. Wir hatten schon Pläne gemacht, wohin wir am letzten Tag des Jahres, vernünftiges Wetter vorausgesetzt, wandern wollen, als wir vom Veranstalter SummitChile angerufen wurden. Es waren Interessenten abgesprungen, wenn wir wollten, könnten wir … So schnell waren wir selten unterwegs, um zum Veranstalter zu kommen. Gut, Garantie gibt es nicht, aber der Wetterbericht für den 31.12. gibt, so hieß es, etwas Hoffnung, auch wenn diese noch relativ klein ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt, wir sind dabei. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß  Morgen wirklich ein Tag für einen Aufstieg auf den Volcano Villarrica ist.

Die nötigen Verpflegungseinkäufe für unsere Tageswanderung wurden noch schnell gekauft, dann erfolgte bereits unser erster Zugriff auf die Internetseite www.snow-forecast.cl, die eine auch von den Professionellen genutzte Vorhersage mit wichtigen Parametern wie z.B. Windgeschwindigkeit, Wolkenhöhe etc. bietet. Überzeugend sah das nicht aus, aber wir waren jetzt dabei, hatten unsere Chance bekommen. Ob es an der von Katrin auch eingekauften Tüte sehr fettiger Chips lag, wir schliefen nicht gerade fest oder viel und waren, als unser Wecker um 05:30 Uhr klingelte, eigentlich schon wach. Gefrühstückt haben wir kaum, Kaffee dafür um so mehr getrunken und sind dann schnellen Schritts, als Dritter aus der Casa Satya kam Max, aus Brasilien wie der Name schon sagt, ein Lotse auf dem Amazonas und in Manaus beheimatet, im Schlepptau mit. Wir waren bei SummitChile nicht die ersten an dem frühen Morgen, Claudio und seine Crew sowie weitere Mitwanderer waren bereits dabei, die bereit gestellte Ausrüstung anzuziehen und das nicht sofort benötigte Equipment, Steigeisen, Eispickel, Überhose und weiteren Anorak, Handschuhe (dicke und dünne), Mütze, Helm, Hilfsmittel zum Abrutschen im Schnee, im bereit stehenden Rucksack zu verpacken. Kurz nach 07:00 Uhr fuhren wir los, wie wir an der Liftstation feststellen konnten, waren wir beinahe die ersten am Abmarschpunkt. Es war schon bequem, per Kleinbus gut 10 Kilometer an den Berg herangefahren zu werden und auf bereits 1.400m Höhe aussteigen zu können, bleiben dann nur noch weitere 1.400m zu absolvierendem Aufstieg. Bei der Abfahrt hat jeder aus unserer kleinen Gruppe, Claudio beschränkt sich immer auf maximal 10 Gäste und begleitet diese mit 4 Bergführern, die übrigen Agenturen füllen fast einen Großbus mit ihren 24 Gästen, denen 3 maximal 4 Bergführer bzw. Assistenten zur Seite stehen, gen Süden auf den Villarrica geschaut und sich gefreut, denn der Vulkan präsentierte sich gerade ohne Wolken, auch wenn einige am Himmel zu sehen waren. Stimmung bei der Fahrt gut, auch wenn sicherlich der eine oder andere angespannt war. Bereits vor der Abfahrt hatte Claudio sehr deutlich gesagt, daß seiner Meinung nach keine guten Bedingungen für eine erfolgreiche Gipfelwanderung herrschen, der Himmel sei zwar im Augenblick klar am Berg, aber der dort herrschende Wind sei schon ganz schön stark, wie der aktuelle Wetterbericht aussagte. Wir könnten dennoch abfahren und dann vor Ort prüfen, wie die Chancen stehen. Klare Worte, die unsere Hoffnung natürlich dämpften, aber wohl nicht von jedem so deutlich verstanden wurden. An der Talstation der Lifte angekommen fuhr der Bus, wie im Nachhinein deutlich wurde, ganz bewußt auf eine etwas ausgesetztere Stelle. Während wir unser Gepäck ausluden, sah man Claudio mit einem Gerät an unterschiedlichen Stellen des Plateaus herumlaufen; er stieg auch auf die Liftstation hinauf, und erklärte uns anschließend sein Tun. Er war mit einem Windmeßgerät unterwegs, die Ergebnisse waren jedoch nicht erfreulich. Die Windgeschwindigkeit, die er hier unten messen konnte, betrug im günstigsten Fall 27m/sec; am Berg, wenn wir aus den windgeschützten Senken herauskämen, würde das deutlich mehr als 40m/sec bedeuten, ab 40m/sec würde im allgemeinen abgebrochen. Zudem sei zu erwarten, daß die weit entfernten Wolken im Verlaufe des Vormittages den Vulkan erreichen würden, bevor man oben sei. Das sei seine Prognose, es könne sich – vielleicht – auch anders entwickeln, unsere Entscheidung sei nun gefragt. Man muß wissen, daß wenn mit der Wanderung begonnen worden ist, es keine Erstattung der gezahlten 50.000 CLP gibt! Eine einheitliche Meinung bildete sich nicht unter uns 6 zahlenden Gästen; einer wollte egal wie den Versuch starten, zwei junge Brasilianerinnen schienen bereits jetzt bei dem Wind zu frösteln, ich wäre ein durchschnittliches Risiko eingegangen, Katrin hätte sich der Mehrheitsmeinung angeschlossen und Max war auch bis zum Schluß unentschieden. Dann rief Claudio uns zu einem engen Kreis zusammen, sah jedem in die Augen und entschied dann : die Chancen bis zum Krater zu kommen sind deutlich geringer als 50 Prozent; es entspricht nicht seiner Philosophie bei so schlechten Aussichten  mit der Wanderung zu beginnen. Im übrigen sei auch er von viel mehr Gipfelbesteigungen zurück gekommen als er Gipfel in seinem Bergsteigerleben erreicht habe. Es habe keinen Sinn, nach zwei Stunden festzustellen, es ginge nicht und dann zurück zu gehen. So fuhren wir wieder zurück nach Pucón, während uns die Heerscharen an Wanderer anderer Agenturen entgegenliefen. Bezeichnend, daß ein Bergführer im Blickkontakt mit Claudio ein Zeichen wie beim Kopfabschneiden machte. Diese Entscheidung von Claudio, die ihn und seine Mannschafft um die Tageseinnahme gebracht hat, ist anerkennenswert, zeugt von sehr seriösem Geschäftsgebaren und ist extrem fair gegenüber seinen Kunden. Wie wir am Abend erfuhren, sind alle (!) Wanderer nach etwa zwei Stunden Anstieg wegen der Bedingungen umgekehrt, hatte jeder seinen “Wett”einsatz verloren und die Agenturen richtig Geld verdient, obgleich offensichtlich schon beim Abmarsch erkennbar war, wie gering die Erfolgsaussichten waren. So wurde z.B. der Sessellift, der im allgemeinen benutzt wird, um erst ab 1.700m mit der Wanderung zu beginnen, wegen zu hoher Windgeschwindigkeit nicht in Betrieb genommen! Daraus kann man nur die Schlußfolgerung ziehen : Wanderer, willst du jemals auf den Volcano Villarrica wandern, mach es mit SummitChile, die Leute kann man nur wärmstens empfehlen! Bei unserem Kleinstgruppenfoto mit Claudio Retamal als Zweitem von rechts, war die Enttäuschung noch nicht jedem anzusehen, Ben, der gipfelsturmbesessene Amerikaner stand abseits.

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Wir waren also früher zurück als geplant in unserem Quartier und holten erst einmal das eigentliche Frühstück nach. Was mit dem “gewonnenen” Tag anfangen? Christine, unsere Wirtin, hatte einmal auf einen kleinen privaten Park, den “Parque El Cani” hingewiesen, vom höchsten erreichbaren Punkt gäbe es zur Belohnung nach einem 4 1/2 stündigen Aufstieg einen wunderschönen Rundumblick auf alle großen Vulkane, also eine Tageswanderung. Als wir, ebenso wie Max, gegen 10:00 Uhr immer noch am Tisch saßen und miteinander schwatzten, scheuchte sie uns auf, “also wenn ihr heute noch etwas Wandern wollt, dann wird es aber Zeit”! Christines Fürsorglichkeit als gebürtige aber seit 20 Jahren in Pucón lebende Schweizerin gegenüber ihren Gästen!

Weil ich mir den Fahrweg nicht richtig eingeprägt hatte und wir ohne jegliche Karte unterwegs waren, erreichten wir den Startpunkt der Wanderung erst mit mehr als einer dreiviertel Stunde Verspätung und begannen mit unserer Wanderung um 11:20 Uhr. Ab 17:00 Uhr hatten wir zu Sylvester mit der Heimat Skypetermine vereinbart, bummeln durften wir also nicht, für die Wanderung standen uns maximal 5 Stunden zur Verfügung. Dementsprechendes Tempo schlugen wir auch an, hatten dabei trotzdem genügend Muße, den uns bis zum Gipfelfelsen auf 1.550m begleitenden wunderschönen alten Wald mit seinen riesigen Alercen und später in der Höhe auch großen Araucarien zu bestaunen. Immer wieder konnten wir unter uns im Süden den Lago Villarrica und mehr im Westen den Lago Calburga, nie in Gänze, aber zu einem guten Teil sehen. Nach nicht ganz 70 Minuten hatten wir ein Refugio erreicht

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und gegenüber den Zeitangaben der Parkranger 35 Minuten hereingelaufen, auf einer Strecke, die permanent mehr oder weniger steil bergan ging. Ob wir uns den Frust aus dem Leib laufen wollten oder die Belastung am Abend verspüren wollten, die wir nach einer Wanderung zum Vulkankrater erfahren hätten, wir wissen es  nicht, aber in dem Tempo ging es weiter bis zum Gipfelblick, den wir nach 160 Minuten erreichten. Ganz verschwiegene Lagunen hatten wir dabei passiert, die Laguna Totoras und die Laguna Negra, erstere war fast ausgetrocknet und dient einer Anzahl von Kühen als Weide, letztere lag still da, umgebenen von zahlreichen Alercen sowie einer großen Anzahl von bis zu 2.000 Jahren alten Araucarien. Hinter der Lagune ragte dann der über steile Serpentinen zu erlaufende Aussichtsfelsen auf.

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Dann waren wir oben auf dem Aussichtsfelsen und schauten in die Runde. Der erste Blick ging natürlich in Richtung Volcano Villarrica – voll von Wolken eingehüllt; auch die übrigen von hier aus sichtbaren Vulkane, die Vulkane Quetrupillán, Lanin und Llaima waren unsichtbar, von Wolken eingehüllt, die Wolken flogen wieder einmal tief. Der Weg war das Ziel. Dennoch, auch ohne den Blick auf die hohen Vulkangipfel, der Blick ins Rund, auf die unter uns liegende nahezu geschlossene Baumdecke war prächtig. Schön zu sehen, wie auch in weiter Entfernung noch der typische Wald der Region an den Bergflanken hinauf reicht, nur in geringem Maße der Kettensäge und den Holzwirtschaftsinteressen zum Opfer fiel. Nach gut 10 minütiger Rundschau, dem Verzehr unseres Gipfelproviants, machten wir uns auf den Rückweg, den wir, wegen der Steilheit des Pfades und dem lockeren Untergrund oft mehr in kleinen Schritten laufend als gehend absolvierten. Was vereinbarte Termine so alles bewirken können – diesmal eine Wanderung, die nur knapp 4 Stunden dauerte an Stelle der anvisierten 6 1/2 Stunden – dann hätten wir aber nicht mehr skypen können – stattdessen saßen wir entspannt und geduscht vor dem Netbook und warteten. Unsere Muskeln teilten uns noch am nächsten Tag mit, sie seien ganz schön gefordert worden, also hat das Training sich auch in dieser Hinsicht gelohnt.

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Wir schreiben den 31.12.2013, nicht nur der letzte Tag des Jahres, sondern auch unser letzter Tag in Pucón. Auch wenn wir beim zweiten Versuch, zum Kraterrand des Volcano Villarrica zu wandern, nicht erfolgreich waren, der Ort und seine Landschaft sind es wert gewesen, hier weitere zwei Tage zu verbringen, an denen wir nette Menschen treffen konnten und uns in unserem Quartier sauwohl gefühlt haben. Das berühmte nächtliche Feuerwerk haben wir jedoch nicht bestaunt, nachdem es bald nach unserer Rückkehr von El Cani sehr heftig zu regnen begonnen hatte, ein Zustand, der auch nicht aufhören wollte.

Also, neues Jahr neues Glück, es gibt noch viel zu sehen und zu erleben.

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