Eigentlich war uns für den heutigen Tag, der 13.2., strahlender Sonnenschein als Entschädigung für den verregneten Vornachmittag in Aussicht gestellt worden. Zumindest regnete es nicht mehr, aber Sonne am Himmel Fehlanzeige, selten sahen wir partiell blauen Himmel. Stattdessen hingen die Wolken oft sehr tief, eine Weitsicht auf und in die Berge war nur eingeschränkt möglich. Der Mount Aspiring war zwar erkennbar, seine Bergspitze und Teile des Eisfeldes blieben hinter einer Wolkendecke unsichtbar. So verließen wir unsere Bucht in Wanaka und machten uns auf den Weg zur Küste. Erster Zwischenstop bei dem praktisch nur um die Ecke, d.h. 12 Kilometer entfernt, in den Bergen liegenden Lake Hawea, an dessen Südende eine kleine Staumauer den stattlichen See aufstaute. Die nächsten 18 Kilometer verlief die Straße immer am See entlang, rechts der See und links die Bergflanke, verbunden mit schönen Ansichten der schroffen Berghänge auf der gegenüber liegenden Seite. Über einen kleinen Pass ging es wieder zurück zum Lake Wanaka, dem wir auf ebenso gewundener Straße bis zum nördlichen Seeende folgten.
Nachdem wir eine kleine Ebene durchfahren hatten, umgab uns wieder Urwald, der Regenwald des Mount Aspiring National Park. Durch eine dichte Allee fuhren wir, leider meistens im Regen, Lust auf einen Abstecher in Form eines Spaziergangs zu Wasserfällen, Aussichtspunkten kam da nicht auf. Eine Ausnahme machten wir jedoch, bei den Fantail Falls, auch weil es nicht mehr von oben nässte. Im Grunde kein Wasserfall für den man meilenweit anreist, aber das gesamte Bild, ein breites Flußbett voller Kies mit einem nur träge dahin fließenden Fluß, ein kleiner Wasserfall, der aus dem Urwald kommend in dieses Flußtal hinabfällt und von weitem sichtbar die vielen Steinmännchen, denen einerseits in den Bergen manchmal die Funktion einer Richtungsorientierung zukommt, andererseits aber im Himalaya m.E. auch eine religiöse Bedeutung besitzt. Ein insgesamt schöner Anblick.
Bei Haast hatten wir den NP hinter uns gelassen und wieder den Pazifik, hier als Tasman Sea, erreicht. Die Sichtbedingungen verschlechterten sich weiter, die möglichen Blicke gen östlich liegende Bergkette wurden vom Wolkennebel aufgesogen. Eines wurde bei der Fahrt entlang der Küste auch deutlich – die hier einmündenden Flüsse hatte alle sehr sehr breite Flußbette, voller Geröll und einem derzeit schmalen Flüßchen.
Bevor unsere Straße wieder im Bergland verschwand, hielten wir kurz am Knight Point Lookout an. Hier liegen, wieder einmal, einige Felsen vor der Steilküste im Meer, sind hier zu bestimmten Jahreszeiten auch Rast- und Ruheplatz der fur seals – aber nicht derzeit. So blieb das Panorama.
Vorbei am Lake Moreaki ging es das Flußtal des River Moreaki hinauf um dann hinter den Küstenbergen in Richtung Norden zu fahren. Relativ eng waren die Täler, die Berghänge gut bewaldet, selten bemerkten wir Gehöfte. Wie generell die gesamte Westküste sehr dünn besiedelt ist. Sicherlich auch damit begründet, daß der nutzbare Landstreifen vor den Küstenbergen oft sehr schmal und somit für die Landwirtschaft nur bedingt geeignet ist. Bei Bruce Bay überquerten wir ein Flußbett, dessen Breite mehr als enorm war und es mit dem Rhein auch im Niederrheingebiet leicht aufnimmt. Und mittendrin oder mehr am Rand dann ein vergleichsweise dünnes Rinnsal.
Nur ein kurzes Stück verlief die Straße wieder direkt hinter den Dünen und somit am Meer entlang, bevor wir endgültig ins Binnenland in Richtung Fox Glacier abbogen. Für Treibholzsammler muß dieser Küstenstreifen ein ideales Gebiet sein, denn Material lag hier mehr als genug herum und wartete entweder auf den nächsten Sturm oder darauf, abgeholt zu werden. Vor Sandy Beach fielen uns die sehr oft entlang der Küste im Wasser liegenden Felsbrocken auf, ein Merkmal der Westküste, wie auch die oft steil ins Meer fallenden Küstenberge. Dieser Strand ist darüber hinaus auch Anziehungspunkt für Menschen, die sich über Steinbeschriftungen anderen mitteilen wollen. Richtige Halden beschrifteter weißer Steine liegen direkt am Strand und offensichtlich kommen täglich neue hinzu, wie die aktuellen Daten bei den Inschriften belegen.
Am Nachmitttag gegen 15:00 Uhr waren wir dann auf dem Parkplatz des Fox Glacier angekommen, wie auch unzählige andere Reisende. Und immer wieder kamen neue dazu, oft per Bus, stiegen aus und machten sich auf den kurzen Weg zum Lookout auf den Gletscher. Wenn das Wetter es nur besser mit uns gemeint hätte – trist war es, frisch, wolkig und nicht sonnig. Man will doch das Eis des Gletschers in der Sonne blinken sehen! Heute leider nicht möglich, eine kleine Enttäuschung, damit muß jedoch in Küstennähe immer gerechnet werden. Damit war die ganze Dimension des Eisfeldes weder zu sehen noch zu ahnen, aber einen imponierenden Eindruck hat der Gletscher schon gemacht. Wie in einer Broschüre erwähnt, fällt der Gletscher vom Bergrücken bis ins Tal auf gut 260 Meter Höhe über eine Strecke von 12 Kilometern; seine Mächtigkeit wird mit über 300 Metern angegeben. Vom Parkplatz aus ging es durch das Gletschertal etwa 30 Minuten hin zu einem Aussichtspunkt. Von den umliegenden Bergflanken rann das Wasser nur so herab; die erkennbare jedoch geringe Vegetation wies sehr deutlich darauf hin, daß wir uns in einem (gemäßigten) Regenwaldgebiet (hier ohne Wald) befinden; Steine waren bemoost, Farne wuchsen, also beste Rahmenbedingungen, damit ein Gletscher so richtig lange leben kann!? Wir erfuhren, wo die Gletscherzunge vor vier Jahren sich befand; enorm, wie weit sich das Eis in so kurzer Zeit zurück gebildet hat. Von einer alten Moräne hatten wir den Fox-Gletscher im Blick, konnten seine Eismächtigkeit staunend betrachten, bemerkten eine Art Tunnel, aus dem das Gletscherwasser sehr stark floß. Insbesondere der untere Teil des Gletscherfeldes war nicht weiß, sondern schwarz, d.h. mit Geröll bedeckt. Die von weitem erkennbaren Gletscherspalten in den oberen Gletscherteilen lassen vermuten, daß ein Herumsteigen in diesen Regionen nur Experten vorbehalten ist. Den Amateuren wird unter Begleitung von Bergführern erlaubt, im unteren Eisfeld einige Schritte auf dem ewigen, dennoch schmelzenden Eis zu gehen. Das hätte auch uns gereizt, jedoch bei diesen Wetterbedingungen schien es uns wenig attraktiv zu sein. Wir haben den Fox Gletscher gesehen, er war/ist schön, er ist groß und mächtig, aber sofort kamen uns eigentlich nicht statthafte Vergleiche mit den in Patagonien besuchten Gletschern ins Gedächtnis. Für diese Region ein Highlight, das man gesehen haben sollte, wenn möglich jedoch bei strahlendem Sonnenschein.
Am nächsten Tag wollen wir uns den Franz Josef Glacier näher ansehen und haben deshalb im Ort in unmittelbarer Nähe einen super Campingplatz gefunden, der seinem Namen, Rainforest Camping, alle Ehre macht. Er liegt in einem Waldgebiet, in dem die alten Bäume aus dem Regenwald noch stehen, Grün ohne Ende um uns herum. Diesen Platz kann man auf jeden Fall weiter empfehlen.
Das Nieselwetter hielt auch über den Abend an, große Hoffnung, am heutigen Tag den Franz Josef Gletscher im Sonnenlicht erleben zu dürfen, hatten wir nicht. Der Morgen war zwar trocken, der Himmel jedoch ziemlich bewölkt, also keine Eile, um den Gletscher von Schummerlicht beleuchtet zu besuchen. Gegen zehn Uhr machten wir uns dann auf den Weg, wie sich herausstellte, keine falsche Entscheidung. Auch hier kann man ein gutes Stück mit dem Wagen in das Gletschertal hineinfahren, wenn man nicht den ganz gemächlichen Zugang zum Gletscher durch eine Mehrstundenwanderung sucht. Schon auf der Zufahrt zum Franz Josef Gletscher wird bei jedem Meter deutlich, hier ist Regenwald. Nicht nur daß es ringsum so von den Bäumen triefte, der ganze Wald machte dies mit seinem Bewuchs deutlich, Farne über Farne, Moos überall. Vom Parkplatz aus liefen wir dann das Gletschertal aufwärts, anfangs noch durch einen Rest von Regenwald. Später sahen wir wie breit dieses Tal ist, dessen Boden vollständig mit Geröll bedeckt war.
Anfangs konnten wir nur ahnen, wo denn der Gletscher liegen könnte; weit in der Ferne blinkte etwas weißes auf und darüber schien die Sonne zu scheinen. Mehr als eine halbe Stunde liefen wir auf dem Geröll auf unser Ziel zu; wie eine Tafel zu Beginn des letzten Wegstückes auch plastisch belegte, war vor wenigen Jahren der Weg zum Ziel deutlich kürzer. Der Franz Josef Gletscher hat sich in den letzten vier Jahren wie auch der Fox Glacier dramatisch zurück gebildet, obgleich der Zugang an Schnee in den letzten Jahren nicht abgenommen hat. Auf kurze Sicht betrachtet also ein “Phänomen” der Erderwärmung, andererseits heißt es auch, der Gletscher habe im Verlaufe der Jahrhunderte wiederholt sich vor- als auch zurückentwickelt. Aus vom Tal aus nicht einsehbaren Schnee- und Eisfeldern hoch oben in den Bergen werden diverse Wasserfälle gespeist, die immer wieder herabstürzen. Wie groß das Gletschereisfeld wirklich ist, kann man nur aus der Luft beurteilen. Dies mag auch für den einen oder anderen der Grund für einen Helikopterflug über den Gletscher sein, obgleich erkennbar das Fluggerät sehr bald in den Wolken verschwindet. Für uns Kurzwanderer war natürlich dieser Fluglärm störend, er gehört einfach nicht in die Berge.
Je näher wir kamen desto deutlicher wurden die Ausmaße des Gletschers, der jedoch nur immer wieder für wenige Augenblicke nicht von Wolkenbänken zumindest teilweise verdeckt wurde. Und aus östlicher Richtung blinkte ab und an ein Sonnenstrahl durch. Man läuft nicht gerade und direkt auf das weiße Eisfeld zu, sondern das Gletschertal windet sich leicht nach Osten. Die aus der Bodenperspektive erkennbare Dimension von Höhe, Breite und Tiefe erhält man wirklich erst, wenn der letzte zugängliche Moränenhügel erklommen ist, immer noch sehr weit vom wahrnehmbaren Gletscher entfernt. Da liegt schon ein beachtliches Stück Eisfeld sehr stark zerklüftet vor uns. Hoch hinauf reicht es, steil abfallend. Da muß eine wahnsinnige Kraft bestehen, die den Koloss kontinuierlich nach unten schiebt. Im unteren Bereich natürlich von Geröll übersäht, der allergrößte Teil strahl jedoch mehr oder weniger weiß. Das typische Gletscherblau des Eises haben wir nicht wahrnehmen können; ob es an den Lichtverhältnissen gelegen hat, wissen wir nicht. Aus Sicherheitsgründen wurde der Aussichtspunkt sehr weit vom scheinbaren Gletscherende eingerichtet, obgleich der Geröllhügel direkt neben unserem Ausguck offensichtlich im Innern aus Eis besteht, also Teil des Gletschers ist. Wir waren somit hautnah am Franz Josef Gletscher.
Das Eis des Franz Josef Gletschers scheint so aktiv zu sein, daß eine Begehung des Gletschers für Touristen nicht möglich ist. Kein Wunder, wenn dann die Massen auf den Fox Glacier sich fokussieren und konzentrieren, wie von uns gestern beobachtet.
Das unten stehende Bild zeigt den Blick vom Gletscher talabwärts und dokumentiert damit auch das Gebiet, das er früher bedeckt hatte. Mitte des 18. Jhd. soll das Gletscherende in Höhe des heutigen Parkplatzes gelegen haben, d.h. nach unserer Schätzung reichte er fast drei Kilometer weiter hinab als heute. Welch künstlerische Kraft im Eis (und Wasser) steckt, kann an der Form einiger Felsen im Gletschertal ersehen werden.
So langsam schloß sich die Wolkendecke wieder über den Bergen und sank herab, beste Zeit, sich von der Gletscherwelt zu verabschieden. Massen strömen in diese Ecke Neuseelands, die Tourismusindustrie kurbelt beständig die Besucherströme an; es war und ist ein Erlebnis, dies hier sehen zu können, insbesondere, weil diese Gletscher nicht hoch in den Bergen enden, sondern gut 250 Meter über NN. Einen Hype, wie geschehen, würden wir jedoch hierum nicht machen. All die schönen Pläne, wie es möglich ist, einen Panoramablick auf die Bergkette mit der Gletscherwelt zu erlangen, waren bei diesen Witterungsbedingungen Makulatur. Es heißt, im Lake Matheson würden sich die Gipfel und Gletscher spiegeln, was wohl wahr ist, denn dieser See liegt mehr als 20 Kilometer in Richtung Küste. Eine schöne Illusion, denn prüfen können und wollen wir diese Empfehlung nicht. Den einen und anderen Blick auf einen kleinen Ausschnitt der vom Westen sichtbaren Berg- und Gletscherwelt haben wir werfen können, das große Ganze blieb uns leider verborgen. Das ist sehr bedauerlich aber nicht zu ändern. So werden wir uns die nicht gehabten Eindrücke über das Betrachten von Fotos in Bildbänden verschaffen müssen. Auch eine Möglichkeit, aber weit schlechter, als live und in Farbe vor Ort.