Nach der Enttäuschung in Akaroa strebten wir unserem ersten großen Berg, dem Mount Cook entgegen, nicht sofort und direkt, aber mit einem oder zwei Zwischenstops möchten wir schon vor Ort sein.
Über kleine Seitenstraßen, die Ortschaften Lincoln und Burnbam erreichten wir die Nationalstraße 1, unser “Begleiter” für mehr als 140 Kilometer bis nach Hinds, von wo aus wir über Straßen und Sträßchen uns einem Zwischenziel, dem Peel Forrest näherten und ihn nach kaum einem Umweg auch erreichten. Schon bald hatten wir westlich unserer Route wunderschöne Begleiter ausgemacht, nicht nur eine Bergkette, sondern sogar schnee- oder eistragende Berge kamen in unser Sichtfeld. Irgendwie erinnerte dies uns an manche Strecke in Argentinien oder Chile.
Landwirtschaft begleitete unsere Fahrt Richtung Peel Forrest; auf den letzten 20 Kilometern lernten wir eine weitere Form der neuseeländischen Viehwirtschaft kennen. Plötzlich sahen wir große Herden von Rehwild hinter deutlich höheren Zäunen als bei Rindern auf den Weiden äsen. Im Gegensatz zu den Schafen, die bereits beim Anschein eines Stops reißaus nahmen, blieben diese höchstens aufmerksam stehen und beäugten den Ankömmling. Die hiesige Viehwirtschaft hat wohl den steigenden Bedarf an Wildfleisch (aus China?) erkannt und bedient diese Nachfrage. Diese Reh-/Rotwildwiesen waren kein Einzelfall; je näher wir dem Peel Forrest kamen, desto häufiger bemerkten wir entsprechend große Herden von Rehwild auf den Weiden.
Auf den Peel Forrest als erstes besonderes Ziel außerhalb des Einzugsbereiches von Christchurch sind wir per Zufall gestoßen. Der Park ist einer der kleineren im Land, erscheint recht unscheinbar, weist aber Baumbestände auf, von denen man träumen kann. Auch in dieser Region wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. heftig die Axt geschwungen; der wunderschöne alte Wald wurde mehr oder weniger systematisch gefällt und anfangs durch “pit sawing” in Bretter zersägt, später übernahmen diese Arbeit unzählige Sägewerke im Land. Der Raubbau an der Natur, nicht nur durch das Baumfällen, sondern teilweise auch durch Brandrodung, erschreckte das britische MP Arthur Mills bei einem Besuch so sehr, daß er 16 Hektar nicht angegriffenen naturbelassenen Waldes umgehend erwarb; dies war der Embryo des heutigen Peel Forrest, der inzwischen 783 Hektar groß ist. Innerhalb dieses Geländes wurden bis 1908 die meisten großen Bäume gefällt, zum Glück aber nicht alle. Und diese sowohl große Bäume als auch altersmäßig die ältesten im Lande haben unsere Neugier geweckt und uns hierhin gelotst.
Der Wald ermöglicht eine ganze Reihe von Wanderungen, kurze, sehr kurze und Tageswanderungen; bei allen kommt man mit der Besonderheit dieses Naturparks in Kontakt, den alten Pinienbäumen, deren größte und älteste des Landes hier stehen. Der Wald selber ist ein Regenwald, was auch bei jedem Schritt und Tritt durch das Gelände sichtbar und manchmal unter den Sohlen spürbar wird. Der strake Regen der Vornacht hatte auch hier im Wald und insbesondere auf den Pfaden seine Spuren hinterlassen; auf dem von uns ausgesuchten Weg war nach einer dreiviertel Stunde kein Weiterkommen mehr möglich. Natürlich hatten wir viel, aber nicht genug gesehen. Die Methusalems und Baumriesen kann man zwar aus der Entfernung teilweise erkennen, ihren Umfang, ihre Höhe, ihre schiere Mächtigkeit aber nur erahnen. Der von uns dann als Abschluß und zur Entschädigung gewählte Rundweg führte uns dann an den ganz großen Bäumen praktisch haut-/rindennah vorbei. Diese Bäume sind einfach gigantisch. Und wenn man berücksichtigt, daß ihr Alter auf gut 1.000 Jahre geschätzt wird, wird man ehrfürchtig vor dieser Natur. Das größte Exemplar ist mehr als 31 Meter hoch und weist einem Stammumfang von 8,40 Meter auf. Dieser Wald hat uns enorm beeindruckt, eine Empfehlung für jeden, der dieses Land bereist; man sollte auch mehr Zeit als uns zur Verfügung stand mitbringen, um, besseres Wetter vorausgesetzt, die längeren Wandermöglichkeiten zu nutzen.
Das Department of Conservation (DOC) unterhält eine ganze Reihe von Campingplätzen in Neuseeland, auch hier am Peel Forrest kann man legal seinen Camper abstellen. Leider verfügen diese Plätze in fast allen Fällen nicht über einen Stromanschluß, so daß wir auf die Leistung unserer Batterie über die Nacht angewiesen sind, um unseren Kühlschrank in Betrieb zu halten. Wir sind skeptisch, ob die Leistung bis zum morgigen Tag ausreicht und verzichten auf den malerisch im Tal gelegenen Platz. Zum Glück befindet im nicht weit entfernten Geraldine ein Campingplatz, den wir ansteuern.
Unser Ziel für den 28.1. ist Lake Tekapo. Auf dem Weg dorthin durchfahren wir Landschaften, die auch in Europa, z.B. Toskana, liegen könnten, leicht hügelig, weite Felder, Pinienbäume, Sonnenschein, kurvenreiche Straßen, bergauf und bergab geht es. Einzig die manchmal in der Ferne auftauchenden hohen Berge, der Schnee in den hohen Lagen, weist auf etwas anderes hin. Nicht viele Camper standen auf unserem gestrigen Campingplatz, anscheinend haben alle mehr oder weniger das gleiche Ziel, denn man trifft sich bei dem einen oder anderen Stop. Bereits jetzt wird deutlich, dieses Land wird zumindest an einigen Stellen von den mit Campmobilen fahrenden Gästen nahezu geflutet. Was hier an Wohnmobilen, Campern, selten Wohnwagen auf den Straßen unterwegs ist, kann in den großen Ferien mit unseren aus Holland kommenden Wohnwagenkolonnen bevölkerten Autobahnen durchaus Schritt halten.
Unsere Fahrt von Geraldine nach Lake Tekapo verläuft immer wieder in Tälern, ab und an muß eine kleine Höhe genommen werden, bevor es in das nächste Tal hinunter geht. So erreichen wir entspannt den Flecken Fairlie, ein Ort zum Durchfahren, weniger um anzuhalten. Aber gute 30 Kilometer später halten wir an, da wir ein Hinweisschild auf die älteste Kirche der Insel gesehene haben, wir sind in Burkes Pass angekommen. Nur eine Handvoll Holzhäuser steht hier, die Menschen müssen wohl früher auf den im weiten Umfeld befindlichen Farmen gearbeitet haben. Wohl auf die geringe Zahl der Gemeindemitglieder ist die Größe der ansehnlichen Holzkirche abgestellt. Schön, daß die wenigen Dorfbewohner es vermocht haben, die fast zum Abriß vorgesehene Kirche wieder herzurichten. Im Umfeld der Kirche kann man auch einige weitere aus der zweiten Hälfte des 19. Jhd. stammende Holzhäuser besuchen; sogar eine Schule aus der damaligen Zeit existiert noch.
Der Lake Tekapo mit seinem türkis schimmerndem Wasser kündigt sich früh an; wir fahren bergabwärts um eine Kurve und erhaschen den ersten Blick, wie er so vor der Bergkulisse da liegt. Viel Betrieb ist nicht mehr auf der Straße, aber als wir am ersten als sehenswert eingestuften Haltepunkt am Ort Tekapo anhalten, müssen wir uns den Blick auf die Kirche des guten Schäfers (Church of the Good Shepherd) mit einer großen Gruppe chinesischer Touristen teilen. Bürger aus dieser Region scheinen derzeit Neuseeland fast zu überfluten.
Der Ort Lake Tekapo ist ausschließlich, wie so viele hier im Gebiet um den Mount Cook, auf Touristen und Urlauber eingestellt. Zahlreiche Ferienanlagen, Hotels “begrüßen” uns, eine ebenso große Zahl von Bettenkapazitäten ist anscheinend in Planung bzw. schon im Bau, wie die vielen Hinweise entlang der Durchgangsstraße andeuten. Hier kann man offensichtlich ganz gut in den Touristenboom investieren. Wir investieren in einen schönen Campingplatz, am See gelegen mit schnellem Zugang zum Mount John.
Wir stellen unseren Camper ab, vespern kurz, peilen die Lage und machen uns auf den Weg hinauf zum Mount John. Keine wirklich anstrengende Angelegenheit, obgleich wir insgesamt gute drei Stunden unterwegs sind. Von einem kleinen Schwimmbad ging es die erste halbe Stunde durch einen uns vor der sengenden Sonne schützenden Wald bergauf. Welche Wohltat dies war merkten wir in den anschließenden mehr als zwei Stunden und wandern unter der prallen Sonne. Ziel war der Gipfel des Mount John, nicht wirklich hoch gelegen mit seinen vielleicht 900 Metern, aber Standort für eine Reihe von Observatorien. Uns war weniger an einem Blick in den Sternenhimmel gelegen sondern an der von dort auf Lake Tekapo und der in der Nachbarschaft liegenden Lake Alexandrina möglichen Sicht. Zwischen beiden Seen, obgleich vulkanischen Ursprungs, gibt es keine Verbindung; wäre das der Fall, würde der höher gelegene Lake Alexandrina schnell leer laufen, da der Wasserzustrom bei ihm sehr gering ist. Auch hier oben auf der Kuppe eine mit vielen geteilte Sicht mit dem einen Unterschied, während wir mehr als eine Stunde bergauf gewandert sind, hat die dort anwesende Hundertschaft, in der Mehrzahl Chinesen, den bequemen Weg genommen und ist über die Versorgungsstraße hier hinauf gefahren.
Abwärts ging es dann in langen Serpentinen durch trockenes Gras, ab und an mussten wir Schafszäune überqueren, hatten ständig den See und seine Berge vor Augen. Grund genug, auch mal eine Ruhepause einzulegen. Hier war der Weg nicht (nur) das Ziel
Eines konnten wir am Abend beim Blick in den Himmel bestätigen : die Bedingungen für Astronomen scheinen hier hervorragend zu sein, der Himmel war klar und zigtausende Sterne waren erkennbar, nicht mit dem Bild aus heimischen Breitengraden zu vergleichen.