Nach unserem Verständnis von alt ist Arrowtown dies wirklich nicht, denn was sind schon 150 Jahre Stadt-/Dorfgeschichte? Dennoch wollten wir uns diese piktoreske Städtchen ansehen, dessen wichtigste Usprünge auf die Goldgräberzeit um 1860 zurück gehen. Wie durch Kulissen gingen wir auf den wenigen Straßen des alten historischen Ortes. Die Mehrzahl der damals erstellten Häuser ist erhalten, zeitgemäß restauriert und vor allem mit Leben gefüllt. Arrowtown lebt von dem Bild eines Museums insbesondere im Sommer sowie von seiner Nähe zu einigen Skigebieten im Winter. Auch heute schlenderten gegen zehn Uhr viele Touristen durch den Ort, nutzten die zahlreichen Gelegenheiten einzukehren, bescherten den nicht gerade wenigen Boutiquen Umsatz.
Nachdem 1862 in dem an Arrowtown vorbeifließenden Arrow River Gold gefunden wurde, zu dieser Zeit entdeckte man auch in anderen Gebieten des heutigen Otago dieses Metall, strömten die Glück- und Goldsuchenden hierhin. Der Goldsegen versiegte bald, m.E. gegen 1880, aber die Grundlage für die Stadtentwicklung war gelegt. Heute kann man die hölzernen Geschäftsgebäude entlang der Buckingham Street bewundern, auch die rückwärtigen Gebäude an der Ramshaw Lane stammen oft aus dieser Gründerzeit. Alles hat etwas von einer Puppenstube, nicht jedermanns Geschmack, schön, für einen ganz entspannten Rundgang.
Da wo Menschen leben werden auch Kirchen erbaut. In der Zeit von 1871 bis 1873 bauten die anglikanische Kirche (St. Pauls), die Katholiken (St. Patricks) und die Presbyterianer (St. Johns) ihre Gebäude, alle in Holz, alle klein aber schmuck anzusehen.
Bevor in Neuseeland der Goldrausch ausbrach, strömten die Goldsucher bereits in Richtung Amerika, dann nach Australien. Unter ihnen auch eine große Zahl von Chinesen aus dem Kanton Huantchou (?). Sie bauten sich abseits des Ortes in der Nähe des Arrow River ihre kleinen Hütten und lebten dort weitgehend abgeschieden vom Rest der Bevölkerung. Es wird berichtet, daß (nur) etwa 20 Chinesen dauerhaft hier lebten; während der wärmeren Zeit kamen aus anderen Regionen weitere chinesische Goldsucher hinzu. Diese kleine Gemeinde hatte alles, einen Krämer, der zugleich auch ihr Sprachmittler gegenüber den Neuseeländern war, die Korrespondenz mit der Heimat bewerkstelligte, denn die hierher gekommenen Männer hatten ihre Familie daheim gelassen und hofften, in einer überschaubaren Zeit durch das Goldschürfen genügend Mittel zu erwerben, um daheim sich als Landwirt niederlassen zu können, was nur wenigen gelungen zu sein scheint. Oft hatten sie einen kleinen Garten, den sie zum Anbau von Gemüse nutzten, was zugleich eine Lebensgrundage für manchen von ihnen war, als die Goldfunde versiegten. Für uns heute befremdlich zu hören, daß diese kleine chinesische Kolonie sich der Anfeindungen der europäisch stämmigen Bevölkerung erwehren mussten; sie ertrugen diese Außenseiterstellung. Der heutigen Politik war die damalige Fremdenfeindlichkeit, die sich auch darin zeigte, daß sie von dem Versorgungssystem des Landes bis weit ins 20. Jhd. ausgeschlossen waren, so peinlich, daß man sich nicht nur zu einer offiziellen Entschuldigung gegenüber den Nachfahren durchrang, sondern auch sich bemühte, die damalige Geschichte aufzuarbeiten und die Reste ihrer Siedlung zu bewahren. Auch wir profitierten davon, denn sonst wären die wenigen damaligen Hütten der chinesischen Siedlung völlig verfallen. Die ersten drei Bilder zeigen das Haus und den Laden des chinesischen Krämers, der offensichtlich durch ein Holzgitter geschützt seine Ware verkaufte; die Toilette war ein abseits stehenden kleines offenes Steinhäuschen. Die Häuser waren aus geschichteten und vermörtelten Steinen gefertigt. Ersichtlich wohlhabender muß der Krämer gewesen sein, denn die Hütten der einfachen Goldsucher waren deutlich kleiner und bescheidener.
Die Häuser der europäischstämmigen Goldsucher stehen in direkter Nachbarschaft zur Innenstadt, sind schmucke restaurierte Holzhäuser.
Nach so viel Puppenstube zog es uns dann wieder hinaus in die Realität. Es ging in Richtung Wanaka, ein Ort, der am Südufer des gleichnamigen Sees liegt. An Stelle einer in unseren Augen langweiligen und deutlich weiteren Fahrt durch die Täler nahmen wir den direkten Weg über einen gut 1.000 Meter hohen Pass, in dessen Umfeld einige der Skigebiete liegen. Die Aussicht entlang der Strecke war toll, wir konnten bis hinüber zum Lake Wakatipu, die dahinter liegenden Thomson Mountains und natürlich auf Teile von Queenstown blicken. Genau so deutlich wurde, wie trocken es in den zurückliegenden Monaten war. Nur dort, wo mit Bewässerung/künstlicher Beregnung nachgeholfen wird, bestehen grüne Flecken, ansonsten schaut man auf trockenes Gras. Selbst auf den Golfplätzen kann man wohl nicht mehr von den “greens” sondern von den “browns” reden.
Nach Überquerung des Passes ging es das Tal des Cardrona River hinunter. Kurve reihte sich an Kurve, links und rechts nur Gras tragende Bergflanken, irgendwie langweilig, denn auch die Weitsicht war nicht gegeben, wir schraubten uns nur abwärts. Dann, wir waren am Talanfang angekommen, standen einige wenige Holzhäuser am Straßenrand, ein Ortsschild nannte diesen Flecken Cardrona. Wieder ein Überbleibsel der goldenen Jahre, denn wir standen dann vor einem Hotel und Kneipe, das aus den 1860er Jahren stammte und auch heute noch als solches betrieben wird. Mit einer kleinen Tafel wird auf einen ehemaligen Besitzer, Peterson, hingewiesen, der auch noch im Alter von 90 Jahren hinter dem Tresen stand und die Geschicke des Ladens lenkte. Offensichtlich benötigt man eine Alkoholausschanklizenz denn es heißt, diese habe man dem 90-jährigen entzogen, worauf er dann im Alter von 91 Jahren verstarb. Die Nähe zu einem Skigebiet sorgt wohl heute für ein anderes zahlungskräftigeres Publikum als zu Goldgräberzeiten.
Irgendwann endet auch die längste Anfahrt, die heutige nach Wanaka war nur knapp 70 Kilometer lang. Wanaka ist zwar auch ein touristisch geprägter Ort, Geschäfte und Lokale nicht nur an der Seefront richten sich ausschließlich an dieses Publikum, der Gästezuspruch ist auch sehr groß, aber es geht hier alles etwas ruhiger und entspannter zu. Den Anspruch, den Gästen den neuesten Kick zu präsentieren, hat man hier nicht. Es gibt einen wunderschönen badefähigen See und Berge, die erwandert werden wollen. Das sollte doch ausreihen. Der Mount Aspiring Nationalpark bietet viele Möglichkeiten für kurze, Tages- und Mehrtageswanderungen. Die Wahl unseres Campingplatzes an einer Bucht des Lake Wanaka aber 10 Kilometer vom Ort entfernt gelegen, wurde auch vor dem Hintergrund eines leichten Zugangs zum Nationalpark gewählt. Es war eine gute Wahl, denn wir blicken direkt auf den See, den Katrin ebenfalls zu ihrem “allerliebsten See” erkoren hat, nicht nur, nachdem sie in ihm geschwommen ist.