Dunedin

Dunedin heißt es, sei die am besten erhaltene Stadt mit victorianischen und edwardianischen kulturellen Erbe, was sich an der Baukultur insbesondere widerspiegelt. Insofern kann man hier klein England erwarten, so auch unsere Erwartung. Die Geschichte der Stadt beginnt nicht erst mit der Ankunft der ersten Siedler um 1850, oder den bereits ab 1820  hier anlandenden Walfängern, sondern mit der Ankunft der ersten Maori um das Jahr 1100. Bislang haben wir über die Besiedlung durch die Maori noch wenig erfahren, wir setzten auf die gut bestückten Museen auf der Nordinsel. Dennoch, auch im Alltagsleben sind Bezüge zur Maorikultur spürbar, ist wahrzunehmen, wie man sich als Neuseeländer auch der Kultur der Urbevölkerung erinnert. In vielen Fällen wird man mit einer Maori-Begrüßung angesprochen. Der größere Anteil der Erstsiedler aus der neuen Welt stammte aus Schottland, auch Menschen mit einem besonderen Nationalstolz. Da ist es nur natürlich, wenn die neu gegründete Stadt nach der eigenen Hauptstadt, Edinburgh, genannt wird, natürlich dann auf gälisch, d.h. Dunedin. Nicht wirklich überraschend zu lesen war, daß bereits mit den ersten Siedlern auch Prediger ankamen, um ihre Kirche hier zu vertreten. Dabei hatte die presbyterianische Kirche mit ihrem Pfarrer Burns die Nase vorn, denn er war schon 1848 (?) vor Ort, so m.E. eine Tafel in der Ersten Presbyterianischen Kirche von Dunedin. Diese Kirche besitzt ein fast quadratisches Kirchenschiff, an das ein Chor gebaut wurde und wirkt im Inneren durch seine Schlichtheit.

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In heutigen Maßstäben nicht weit von der Stadt entfernt, wurde im 19. Jhd. Gold gefunden, eine Quelle des späteren Reichtums. Eine große Kolonie chinesischstämmiger Bewohner geht auf einen großen Zustrom zu Goldgräberzeiten zurück; das besondere Geschick der Asiaten trug ebenfalls zum Wohlstandsgewinn der jungen Stadt bei. Dieser Wohlstand aber auch der Bezug zur alten Herkunftsheimat England prägte in vielen Fällen die auch heute noch zu bestaunenden Bauten. Für Mitteleuropäer wie wir sind manche der gefundenen Baustile stark gewöhnungsbedürftig. Dies gilt insbesondere für die historischen Anleihen, das extrem verspielte in manchen der dennoch anmutigen Bauten.

Es heißt, die Dunedin Railway Station, m.E. erst nach 1900 erbaut, sei das meistfotografierte Objekt Neuseelands; kann durchaus sein, denn auch wir haben es uns von allen Seiten angesehen, seine alten Fahrkartenschalter bestaunt, nicht zuletzt auch deshalb, weil in unmittelbarer Nachbarschaft samstags ein  Bauernmarkt stattfindet.

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Mindestens ebenso interessant ist es, einen Blick auf das alte Gefängnis, auch heute noch in Gebrauch und das direkt daneben liegende prunkvolle Gerichtsgebäude zu werfen.

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Das “Octagon” ist der zentrale historische Platz der Stadt. Natürlich gruppieren sich hier herum besonders bedeutsame Gebäude. Die St.Paul’s Kathedrale ist eines davon, obgleich dieses anglikanische Kirchengebäude bei weitem nicht das älteste ist. Überraschend auch die Feststellung, daß es zum Bau dieses imposanten Gebäudes erst einer Schenkung mit der Auflage verbunden, den gestifteten Betrag zu verdoppeln bedurfte, um Anfang des 20. Jhd. mit dem Bau zu beginnen. Erst vor wenigen Jahrzehnten wurde dann der Chorraum hinzugefügt, das Geld für den vollständigen Bau der Kathedrale fehlte einfach. Diese Gebäude wie auch viele andere für das Stadtbild von damals wichtige Häuser wurden aus Sandstein gebaut bzw. die Fassaden mit diesem im Süden der Insel abbaubaren Stein verkleidet.

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Und wie es sich an solch einem Platz gehört, auch die Stadtoberen und ihre Verwaltung wollen sich präsentieren; die reichen Händler, der Hafen und die Goldgräber lieferten die Grundlagen für den damaligen Wohlstand.

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Das Rathaus sieht zwar ganz schön alt aus, wurde zwischen 1876 und 1880 gebaut. Die ursprüngliche Absicht, eine Art Volkshalle anzuschließen, wurde/konnte bis heute nicht umgesetzt werden. An deren Stelle muß der Bürger mit einem häßlichen Funktionalbau aus Beton vorliebnehmen.

Geht man durch die Straßen der Innenstadt begegnet man immer wieder wunderschön restaurierten alten Gebäuden aus der Gründerzeit Dunedins. Auffallend viele Handels-  und Bankgebäude von sehr großem Ausmaß schmücken die Straßen. Nicht immer entspricht die heutige Nutzung der Ladenlokale unserem Geschmack bzw. entspricht nicht unbedingt dem Stil des Hauses. Zu diesen gewöhnungsbedürftigen Nutzungen alter Gebäude gehören auch die zahlreichen um das Octagon herum befindlichen Gaststätten und Pubs. Für das Leben in der Stadt sind diese jedoch von besonderer Bedeutung. Während wir am Freitagnachmittag auf dem Weg zur Touristenauskunft am Octagon landeten und auf eine lebhafte, geschäftige, volle Innenstadt trafen, konnten wir die Besucher der Innenstadt am Samstagvormittag und –mittag, bei leider im Vortagsvergleich bedeckten Himmel, fast mit Handschlag begrüßen. Samstag und kaum einer bewegt sich in der Innenstadt! Heißt das, das Zentrum wird nur durch die hier arbeitenden Menschen an Wochentagen belebt?

Am Octagon befindet sich auch die Dunedin Public Art Gallery, für uns aus zwei Gründen am Samstag von Interesse. Zum einen um zu sehen, was hier so gezeigt wird, zum anderen gibt es in öffentlichen Gebäuden oft kostenlosen Internetzugang, den wir dringend benötigten. Letztere Möglichkeit war nur sehr begrenzt gegeben, dafür wurden wir jedoch mit einer beeindruckenden Ausstellung von Linolschnitten aus den 30ger Jahren des vorigen Jahrhunderts mehr als entschädigt. Unglaublich, wie die hier ausgestellten Künstler es vermocht haben, auch sehr dynamische Eindrücke in mehreren Farben auf Linol zu schneiden und dann in einer kaum vorstellbaren Präzision zu drucken. Linolschnitte, so heißt es, war auch der Versuch, die Kunst für den kleinen Mann, das Volk erschwinglich zu machen.

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Mit den von zumindest in Neuseeland sehr anerkannten Installationskünstlern ausgestellten Lichtinstallationen konnten wir hingegen wenig bis nichts anfangen.

Fast zwei Nachmittagsstunden verbrachten wir in der öffentlichen Bibliothek und  nutzten deren Internetmöglichkeiten, um unsere Flugmöglichkeiten von Sydney nach Hobart zu checken und nach einem günstigen Quartier in der Nähe von Sydneys Flughafen zu suchen.

Auf dem Rückweg zum Campingplatz kamen wir an einem Playground vorbei, auf dem nun wohl Hobbymannschaften  im Kricket gegeneinander spielten und sahen kurz zu. Zu uns gesellte sich Ian, ein waschechter Dunediner. Wir baten ihn, uns diesen für uns sehr unbekannten Sport zu erklären, was er auch ausführlich, aber auf Grund seines stark dialektgefärbten und extrem schnell gesprochenen Englisch – oder war es doch eine andere Sprache? – für uns nicht in jeder Einzelheit verständlich versuchte. Das eine oder andere der Regeln haben wir verstanden, aber bei weitem nicht die Feinheiten. Insbesondere Katrin unterhielt sich dann mit ihm über dit un’ dat und zum Schluß, unvermeidlich, über das nicht gerade sommerliche Wetter, zumindest nach unserer Auffassung. Trocken und ohne eine Spur von Zweifel meinte Ian darauf, die heutigen 17 Grad wären doch warm, viel wärmer würde es eh nicht. Das sei hier der Sommer. Na dann haben wir die warmen Sachen wirklich zu früh Richtung Heimat verschickt!

Unser Campingplatz liegt ja in unmittelbarer Nähe zu einem großen Strand; was liegt näher, als diesem so weit wie möglich entlang zu laufen. Und wieder einmal ein Strand, von dem man träumen kann, bei Ebbe ein unendlich breiter Sandstrand und im Rücken eine mächtige Düne. Man kann in jede Richtung kilometerlang laufen, wir machten uns nur in eine Richtung auf den Weg und verschätzten uns erheblich, als wir wieder landeinwärts zu unserem Campingplatz kommen wollten. Angekommen sind wir; das Gehen im Sand fordert ganz andere Muskelpartien als auf der Straße, wie wir wieder einmal feststellen konnten. Morgen geht es dann auf die vor Dunedin gelegene Halbinsel Otago.

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Von allen Seiten wird man darauf hingewiesen, ja nicht zu versäumen, die direkt bei Dunedin gelegene  Halbinsel Otago zu besuchen. Gestern hatten wir uns richtig entschieden und blieben bei dem mehr als bedeckten Himmel in der Stadt und verschoben den Ausflug auf heute, den 2.2.. Wir lagen richtig, denn heute Morgen schien die Sonne und der Himmel war nur teilweise bewölkt. Das richtige Wetter, um die Landschaft der Halbinsel zu genießen.

Angepriesen werden vor allem Besuche bei den nur in einer sehr kleinen Kolonie hier noch lebenden gelb-äugigen Pinguine, die Albatrosse am Taroa Head und die sich dort oft auf den Felsen lümmelnden Seerobben. Von einer aus Fellbach stammenden mit uns in Dunedin übernachtenden Camperin erhielten wir den Ratschlag, diesen Anpreisungen nicht zu folgen. Sie hat am Samstag alle Angebote für teuer Geld in Anspruch genommen und hat im Grunde nichts zu sehen bekommen, ausgenommen die Fellrobben. Tiere haben halt so ihre Eigenarten und warten nicht auf uns Besucher. Die Pinguine tauchen, so ist zu hören, wenn dann in der Abenddämmerung auf. Dann ist bei einem frühen Ausflug die Enttäuschung vorprogrammiert. Für zwei Ausflüge jeweils gut 40 Euro pro Person hinzulegen und anschließend wegen der fehlenden Tierbeobachtung gefrustet weiter zu fahren, wollten wir nicht. Man kann auch ohne diese kommerziellen Ausflüge die Halbinsel ganz gut erkunden, was sich bei uns bis in den  Nachmitttag hinzog.

Otago ist eine von Höhenzügen durchkreuzte Halbinsel mit unendlich vielen Buchten, die alle mehr oder weniger zum baden einladen, wäre da nicht die sehr niedrige Badetemperatur und der starke Wind. An den Dutzenden Badestellen sahen wir niemanden, der es ins Wasser wagte. In der Nähe von Dunedin sind die Hügel, Aussichts- und Wasserlagen intensiv bebaut; viele Häuser haben sehr viele Jahrzehnte schon auf dem Buckel, die früheren Generationen, die über das notwendige Kapital verfügten, wußten sehr wohl, wo eine interessante Wohnlage besteht. Je weiter man jedoch sich von Dunedin entfernt, die Halbinsel ist etwa 20 Kilometer lang, desto ländlicher wird es. Die Häuser sind von einfacherer Bauart aber oft nicht weniger interessant anzusehen wie die Millionenbauten. Felder und Wiesen, oft von Schafen beweidet, dominieren. Interessant auch zu sehen, wie häufig hier zumindest Teile eines Waldes stehen gelassen wurden, wahrscheinlich um als Windschutz oder –brecher zu dienen. Manchmal sprangen die kleinen Höhenzüge etwas zurück, manchmal begleiteten sie uns auf der Fahrt über die Küstenstraße, die an der Nordwestseite von Otago entlang verläuft. Ein Pendant hierzu verläuft ab Portobello auf dem Bergrücken in gleicher Richtung; hiervon zweigen einige Stichstraßen in Richtung Ostküste ab, oft nicht asphaltiert, aber durchaus befahrbar. Uns hat es unheimlich viel Freude bereitet, in angemessenem ruhigen Tempo die Küstenstraße zu befahren, die sehr abwechslungsreiche Küstenlandschaft aufnehmen zu können.

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Besiedelt wurde die Halbinsel von den Einwanderer sehr früh. Ein Gang über einen kleinen am Ortsrand liegenden alten Friedhof führt zu Grabmalen, die aus 1853 stammen. Ab und an fallen auch im Vorbeifahren oder wenn man anhält und durch eine der kleinen wassernahen Dörfer läuft Häuser und Häuschen auf, die deutlich mehr als ein Jahrhundert Nutzung hinter sich gebracht haben. Manche wurden besonders herausgeputzt, wie das Fletcher Haus in Broad Bay, andere einfach nur ansprechend in Stand gehalten.

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Sowohl hier, oft in exponierter toller Aussichtslage, als auch in der Stadt Dunedin sind zahlreiche der stilvoll gestalteten Häuser aus dem Ende des 19. Jhd. zu finden.

Auch auf der Halbinsel gab Auswirkungen der letzten Erdbeben. Das Marine Center auf einer Halbinsel vor Portobello besitzt ein interessantes Aquarium mit Meeresfischen, das wegen Erdbebenschäden seit drei Jahren geschlossen ist. Die Lage des Marine Centers reizte uns dennoch zu diesem Abstecher, konnten wir so einen Blick auf die Isolationsinsel werfen, die etwa 100 Meter vor der Halbinsel im Sund liegt. Hier wurden von 1880 bis 1940 erkannte kranke Einwanderer erst einmal vor dem Rest der Insulaner in Sicherheit gebracht und isoliert.

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Die Küstenstraße endet in Taiaroa Head; hier befand sich einmal eine Festungsanlage, wichtiger heute ist das Royal Albatros Center und die, zugegeben seltene, Möglichkeit, die Tiere in freier Wildbahn zu beobachten. Hier ist man nicht auf spanische oder französische Gäste, schon gar nicht auf deutsche eingestellt, sondern im Fokus stehen Japaner und Chinesen. Wie zum Beweis der auf Hinweisschildern entsprechenden Sprachen tauchen Besucher aus diesen Regionen auch mindestens in Hundertschaften auf, in großen Gruppen per Bus oder als Großfamilie mit dem entsprechenden Campmobil. Auch auf den von uns besuchten Campingplätzen war der Anteil asiatischer Reisender extrem hoch. Wie am Ende einer Insel üblich, sieht man einen Leuchtturm, oft einen steil abfallenden Felsen und das Meer. Wir hatten dann das Glück, einige faul auf der Haut und Felsen liegende Fellrobben am Ufer zu entdecken. Katrins anfängliche Begeisterung, sie habe vielleicht doch einen Albatros entdeckt, entpuppte sich nicht als Ente aber als eine sehr große Möwe. Schade.

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Und dann begann fast der schönste Teil unserer heutigen Ausflugs. Ich wollte gerne an die Ostküste über eine Stichstraße fahren, was problemlos gelang. Beim Versuch, auf die über die Inselhügel verlaufende Straße zu gelangen, sind wir falsch abgebogen und landeten zu unserer großen Freude am Sandymount. Vom Parkplatz war es nur ein kurzer gut 1 Kilometer langer Fußweg, der uns anfangs durch eine dicht gewachsene Baumallee führte, um einen besonderen Aussichtspunkt, the Chasm, zu erreichen. Ein weiter fast Rundumblick in das Hoopers Inlet, die Hügelkette vor Portobello, auf Allans Beach – ohne irgendeinen Nutzer –, den gegenüberliegenden Mount Charles und natürlich das weite Meer gab es hier.  Allein dieser Blick war es wert, auf die Halbinsel gefahren zu sein.

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Den Besuch eines wirklichen Schlosses hier auf der Halbinsel, Larnach Castle, 1871 gebaut, um zu imponieren, aber nicht wirklich in diese Landschaft gehörend, schenkten wir uns. Es war auch Zeit, weiter in Richtung Süden zu den Catlins zu fahren.

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