Der Wind hatte zwar über Nacht nachgelassen, die Wolken blieben uns aber am Morgen noch erhalten; der vor unserem Fenster zu beobachtende Wellengang in der Long Bay zeigte, wie stürmisch die Nacht war.
Heute, den 5.3., und Morgen wollen wir uns die kleine Halbinsel Coromandel “erfahren” und wo möglich auch ab und an erlaufen. Bei der Planung des Tages und einen Blick in die Camper-Mietbedingungen mussten wir feststellen, daß es uns untersagt ist, die Pisten nördlich von Colville auf der Halbinsel zu befahren. Damit war eines der interessanten Ziele, den ganz im Inselnorden befindlichen Coromandel Walkway entlang der Küste und durch das Gebirge von der Wunschliste zu streichen. Aber bis hinauf nach Colville war erlaubt, also nahmen wir die Strecke von Coromandel Stadt dorthin unter die Reifen. Nicht jeder Kilometer verlief entlang der Küste, aber wenn, dann hatten wir wieder das Bild einer wilden, steilen, teilweise nicht bezwingbaren Küste; die Strecke im Hinterland zeigte ein zwiespältiges Bild. Insbesondere dort, wo sogenannte “scenic reserves” oder ein offizieller Park eingerichtet wurde, Wälder in jeder Form, zwar nicht als Urwald, aber zumindest als Nutzwald; gleichzeitig wurde uns auch vor Augen geführt, wie intensiv hier geholzt worden war und heute nur noch Grasland besteht. Offensichtlich aber eine gute Grundlage für die Viehhaltung. Zufällig stießen wir in Colville auf die Vorbereitungen für eine Viehauktion. Per Spezial-LKW wurde die Auktionsware herangekarrt, soweit erkennbar aus dem nördlichen Coromandel, und in die einzelnen Verschläge getrieben. Fachkundige drehten ihre Inspektionsrunden, fachsimpelten und der Auktionator band sich bei seinem Auto noch den Schlips um. Wir wollten der Auktion nicht beiwohnen und gingen durch den Ort. Uns kamen dabei immer mehr Interessierte entgegen, offensichtlich ein wichtiges Ereignis hier kurz vor dem Nirgendwo.
Colville scheint auf zwei Arten eine große Anziehung auszuüben. Die eine ist eine Möwenart, von denen sich einige hundert am Strand vor der Bucht versammelt hatten und sich auch durch uns nicht in ihrer Formation stören ließen. Die andere “Art” sind Menschen, hier Buddhisten, die unweit des Ortes ein Yoga- und Meditationszentrum errichtet haben und mit einer kleinen am Straßenrand stehenden Stupa auf sich aufmerksam machen.
So wie wir nach Colville gefahren sind, mussten wir auch wieder nach Coromandel zurück fahren; die alternativen Schüttelstrecken waren nach Aussage der Touristeninformation kaum durch unseren Camper zu bewältigen. Die Nationalstraße 25 führt einen rund um die Halbinsel herum, ist keine Rennstrecke, weist aber durchgängig zwei Fahrspuren auf und führt den Reisenden immer wieder an schöne Orte, insbesondere Strände. Die Fahrt geht durch die Hügelzüge der Halbinsel, trifft aber immer wieder auch auf das Meer. Eines muß an dieser Stelle herausgestrichen werden : die Halbinsel ist im großen und ganzen eine sehr grüne und stark bewaldete Insel. Sicher, dies ist zu einem guten Teil auf den sehr großen Coromandel Forest Park zurückzuführen, aber auch normale Forstwirtschaft trägt zu diesem Bild bei; gleichzeitig ist die Topografie der Halbinsel nicht gerade darauf ausgelegt, hier bis an den Horizont reichende Felder anzulegen. Von Coromandel kommend treffen wir bei Te Rerenga wieder auf den Pazifik, passieren diese sehr weite Bucht, den Whangapoua Harbour, und nehmen uns vor, beim nächsten Mal den Strand wieder zu inspizieren. Das war dann in Kuaotunu der Fall, weiter weißer Strand, im Hintergrund eine beachtliche Anzahl von offensichtlichen Ferienhäusern, denn die Vorhänge waren in den meisten Fällen zugezogen. Ein schöner Flecken um am Meer zu entspannen, nur hier war niemand!
Manchen Strand auf der Strecke ließen wir aus, in Wharekaho Beach fuhren wir so nah am Strand vorbei, daß ein kurzer Halt fast zwangsläufig erfolgte.
Whitianga ist die erste nennenswerte Stadt an unserer Strecke, voll auf den Sommertourismus eingerichtet mit schönem Hafen, in dem auch eine ganze Reihe größerer Segelboote vertäut waren, und vor allem Luxusdomizilen mit dazugehörigem Liegeplatz. Dieser Ort liegt zwar weniger als 50 Fahrkilometer von Coromandel Stadt entfernt, man benötigt aber Stunden, um hierher zu kommen. Wir lernen, unsere Tagesziele sehr bescheiden zu definieren. Zwei standen auf dem Plan : die Cathedral Cove und die Hot Water Beach, beide unweit des Örtchens Hahei gelegen. Am Parkplatz bei Hahei, um zu der Cathedral Cove zu gehen, sind wir am Nachmittag. Schon von weitem ist beeindruckend, wie viele kleine Inseln sich vor der Küste befinden, manche von diesen auch mit Bäumen und Sträuchern bewachsen. In einer nicht ganz dreiviertelstündigen “Wanderung” gelangen wir an die Bucht, wo sich diese berühmte und auf jeden Fall zu besuchende Cathedral Cove befindet. Wie anderswo auch, hat das Wasser das vorhandene Gestein geformt, in diesem Fall durch einen Felsen eine riesige Öffnung geschaffen. Beim Durchschreiten, am besten bei Ebbe, sonst gibt es nasse Füße, dieses Durchbruches ist erkennbar, wie hoch diese offene Höhle ist. Viele Menschen strömen hierher, um dieses “Naturwunder” zu bestaunen; in unseren Augen nice to see, aber meilenweit fahren würden wir hierfür nicht noch einmal. Deutlich beeindruckender der Blick auf das Meer und die vorgelagerten Inseln oder ein genaues Betrachten der direkt vor dem Strand stehenden Felsformationen, an denen Wasser, Wind und Sand auch künstlerisch gearbeitet haben.
Andere Buchten haben auch schöne Felsskulpturen wie die nahe gelegene und auf dem Rückweg zum Parkplatz leicht anzulaufende Stingray Bay. Aber im Gegensatz zur Cathedral Cove verirrt sich hierhin kaum jemand. Schade, eine Kathedrale kann diese Bucht nicht bieten, aber die Anfänge hierfür sind bereits gemacht.
Als wir gegen 17:00 Uhr wieder den Camper erreichen ist unser letztes Ziel des Tages einen vernünftigen Campingplatz in der Nähe der Hot Water Beach zu finden. Bei Whenuakite werden wir fündig, nur gut 8 Kilometer bis zum Strand. Die Hot Water Beach kann nur zwei Stunden vor und nach Erreichen des niedrigsten Wasserstandes betreten werden, wann das ist – wir haben keine Ahnung und fragen beim Einchecken den Campingplatzbetreiber. Ganz trocken meinte er, Morgen früh ab 04:30 Uhr sei die Beach bestimmt ganz frei, aber so früh würden wir wohl nicht aufstehen wollen, dann sollten wir uns am besten sofort auf den Weg machen, denn bis etwas nach 19:00 Uhr dürfte die Beach betreten werden – es war inzwischen 17:45 Uhr. Da mussten wir nicht lange überlegen sondern flitzten zum Camper und stoben von dannen. Die Fahrzeit hat keiner gestoppt, auch nicht die Sekunden, bis wir unsere Badesachen angezogen hatten oder Minuten die es dauerte, bis wir den Strand erreichten, auf jeden Fall waren wir schnell unterwegs. Was muß man sich unter der Hot Water Beach vorstellen? So wie wir es erfahren haben, am eigenen Leib quasi, tritt warmes bis heißes Wasser in diesem Küstenabschnitt knapp unter der obersten Sandschicht aus. Wenn man eine 20-30 cm tiefe Grube gräbt, sammelt sich dort das Wasser, je nach Tiefe und Lage der Grube warm bis heiß, in das man sich legt, um diese wohltuende Wärme aufnehmen zu können. Wer zuerst kommt, hat natürlich die besten Grabeplätze, wer zuletzt kommt, so wie wir, kann sich unter den inzwischen verlassenen Löchern das passende aussuchen und spart Arbeit. Nicht so ganz, denn der Sand läuft permanent wieder in die Grube und zwingt den Nutzer immer wieder, für die notwendige Tiefe nachzugraben. Und so befinden sich viele Dutzend dieser Badelöcher auf dieser Strandfläche, man liegt entspannt in seiner Kuhle. Das warme Bad war entspannend, der Sand, auch entsprechend warm/heiß, wirkte wie eine Fangopackung und das alles ohne Krankenschein zu nutzen. Und das notwendige Bad im eigentlich kalten Meer war sehr erfrischend – zugleich aber auch erforderlich, um sich von dem vielen Sand zu befreien. Das Vergnügen endet, wenn die auflaufende Flut das jeweilige Loch/Kuhle erreicht hat und dieses flutet. Einziger Wermutstropfen dieses Ausflugs – in einem unbewachten Augenblick hat sich ein anderer Strandgast unseren gekennzeichneten Spaten gegriffen und ist unerkannt entkommen. Dinge gibt’s – was will die Person mit dem Spaten? Ist er/sie Dauergast an diesem Ort, quasi Kurgast? Ärgerlich, aber zu verschmerzen. So haben wir dann doch noch unsere beiden Tagesziele voll erreicht.
Wieder einmal ein Tag, der grau und wolkenverhangen begann und im Sonnenschein endete. Scheint die Sonne nicht auf’s Haupt, sind wir weniger elanvoll, lassen den Tag ruhiger angehen. Das gilt auch für heute, 6.3., denn wir wollen nur noch eine Wanderung im Kauaeranga Valley, Teil des Coromandel Forrest Park, zu den Pinnacles, einer besonderen Bergformation unternehmen. Zu dieser Wanderung, über die Dauer haben wir unterschiedliche Angaben gefunden, sie reichen von einer strammen Eintageswanderung bis zur Empfehlung, den Rückweg auf den Folgetag zu legen, wollen wir gegen Mittag aufbrechen. Dafür müssen wir aber bis fast nach Thames fahren auf einer Strecke, die die bekannten Straßenverläufe besitzt, d.h. es reihen sich pausenlos Kurven aneinander. So queren wir bildlich gesprochen die Höhenzüge des Schwarzwaldes, blicken weitgehend auf einen geschlossenen Wald, und folgen verschiedenen Flüssen in ihrem Verlauf. Nachdem wir dann noch 15 Kilometer vom Ort Thames in das Kauaerangatal zum DOC-Besucherzentrum meistens geschüttelt hinter uns hatten, folgten weitere nahezu im Schritttempo zu bewältigende 9 Kilometer bis zum Startpunkt der Wanderung. Für diese wurde uns eine Richtzeit von 3 Stunden für den Hinweg mit auf den Weg gegeben. Als wir uns um 12:40 auf den Weg machten hieß das nicht zu schlurfen, sondern zügig zu wandern. Der Parkplatz, von dem es ausging, war fast leer; neben einigen Kleinbussen standen nur noch drei PKW verlassen da, also wenig los im Wald, denn von hier gehen mehrere Routen durch das Naturschutzgebiet.
Diese Wanderung zählt mit zu den schönsten, die wir in Neuseeland unternommen haben. Bis auf die letzten 10 Minuten liefen wir ausschließlich im Wald, im Grunde nichts besonderes wenn man bedenkt, daß die Pinnacles bei 759 Metern enden. Dennoch tat es gut, im Schatten zu laufen, denn inzwischen schien die Sonne kräftig. Wie so oft in den neuseeländischen Wäldern, es mutet urwüchsig an, ist auch wild, aber kein ursprünglicher Wald von vor der Siedlerzeit. Die Berghänge, an denen wir vorbei wanderten, waren vor weniger als 80 Jahren noch von großen viele hundert Jahre alten Kauribäumen bewachsen, die fast ohne jede Ausnahme gefällt wurden. Auf dem Rückweg haben wir mehr auf den sichtbaren Baumbestand geachtet und konnten vom Weg aus nicht mehr als 7 solcher Bäume erkennen. Einen “vergessenen” Holzlog fanden wir am Weg, dort seit Jahrzehnten auf den Verfall wartend, und immer noch imposant in seinem Durchmesser, der über 2 Meter betragen dürfte. Auf unserer Wanderung profitierten wir zu einem Teil von den “Wegen”, die die Bäumfäller damals angelegt hatten, weniger, um bequemer zur Arbeitsstätte zu gelangen, sondern um den Pferden und Maultieren, mit denen die Versorgung zu den Arbeitscamps in den Bergen transportiert wurde, einen besseren Stand zu ermöglichen. So wurden Teile der Pfade mit Steinen verfüllt, damit auch im Regen ein Fortkommen möglich war, in den Felsen wurden Stufen geschlagen. Bei trockenem Wetter sicherlich eine Erleichterung auch für Wanderer, aber wenn es geregnet hat, und hier regnet es häufiger als man denkt, abgestorbene Blätter und Moosbewuchs auf den Steinen diese zur Rutschbahn machen, vergeht die Wanderfreude, muß man bei jedem Schritt aufpassen. Den Kauaerangafluß und Nebenflüsse mussten wir mehrfach überqueren, manchmal über eine schwankende Hängebrücke, meistens aber über den Fluß/Bach selber, kamen an kleinen Wasserfällen vorbei, hörten und sahen ab und an auch Vögel, die sich gegen das Geräusch der Zikaden durchsetzen konnten.
Wenn an kleinen Kuppen oder auf einem Bergrücken ein Blick ins Rund möglich war, sahen wir um uns herum nur Wald und einige imposante Felsformationen. Von der Ausprägung des Umfeldes der Pinnacles kann vermutet werden, daß wir in einem alten Vulkan, zumindest teilweise, herumkraxelten, denn die sichtbaren Bergrücken bildeten fast ein Rund. Die angestrebten Pinnacles selber stachen durch ihren etwas zackigen Gipfel aus den umliegenden Höhen hervor, wie es auch ein Felsturm tat, den wir passierten.
Nach knapp zwei Stunden hatten wir die Kauaeranga Hut, die 50 Minuten Weg unterhalb des Gipfels liegende DOC-Schutzhütte erreicht. Dabei ist Schutzhütte oder Hütte mehr als untertrieben, denn es handelt sich nach unserem Verständnis um ein komfortables Schullandheim mit entsprechenden Räumlichkeiten. Nun erklärte sich auch, weshalb wir auf unserem Weg drei Jugendgruppen, zwei davon aufsteigend, getroffen und überholt hatten. Ihr Ziel diese “Hütte”, in der natürlich auch normale Wanderer, nach Anmeldung unten im DOC-Office, übernachten können. Wir konnten uns ausrechnen, daß selbst bei flottem weiteren Anstieg zu den Pinnacles wir auf dem Rückweg in die Dämmerung hineinlaufen würden. Deshalb kehrten wir nach einer kleinen Vesper auf der Terrasse der Hütte um, aber nicht, ohne den wenige Gehminuten entfernten Kauridamm besucht zu haben. Hier handelt es sich um einen in Teilen noch erhaltenen aus der Holzfällerzeit stammenden Damm, der dazu diente, das Wasser des Flusses so aufzustauen, daß in ihm zigtausende Holz/Kaurilogs schwimmen konnten, um dann nach einer plötzlichen Öffnung des Dammes die Masse Holz das Tal in dem Wasserschwall hinunter zu schwemmen.
Nach knapp vier Stunden zurück am Ausgangsort freuten wir uns über eine sehr schöne, leider nicht ganz so lange Wanderung. Erst nach 18:00 Uhr und einem kurzen Halt, um ein wunderschönes altes Herrenhaus noch einmal in Ruhe anzusehen, endlich wieder auf einer zügiger zu befahrenen asphaltierten Straße war uns nicht der Sinn nach einer weiteren längeren Fahrt in Richtung Auckland und wir beschlossen, den Campingplatz in Thames aufzusuchen.