Wir hatten nicht die alles in den Schatten stellende Fernsicht erwartet – und auch nicht bekommen –, dennoch waren wir enttäuscht, als wir uns auf die Rückfahrt machten, die seine Zeit benötigte, bis wir wieder die “Hauptstrecke” in den Park erreicht hatten. An einer Stelle unserer Strecke war in der Vergangenheit eine große Steinlawine von einer steil aufragenden Felswand weit oberhalb der Piste abgegangen; die Piste musste anschließend auf einigen hundert Metern beräumt werden; dies machte uns deutlich, wie labil diese felsige Region ist. Unwesentlich später öffnete sich der Wald wieder einmal; in der Ferne im Tal glaubten wir den Lake Rowallan sehr undeutlich auszumachen, an dem vorbei wir zum Ausgangspunkt unserer Wanderung fahren müssen. Etliche Kilometer ging es tiefer in den NP hinein, der Wald war in dieser tieferen Region ziemlich dicht, bestand zumeist aus schlank aufragenden und oft sehr hohen Pinien. Die Straße, die bald zur Piste mutierte folgte die ganze Zeit einem Fluß. Auch hier konnten wir wieder einmal erstaunt feststellen, in welch großem Umfang auf Tasmanien Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung betrieben werden, denn wir passierten bis wir den großen Stausee Lake Rowallan erreicht hatten, zwei kleinere Staustufen mit entsprechenden Kraftwerken.
Unsere Piste führte am Lake Rowallan vorbei und nach weiteren 7-8 Kilometern endete sie an einem kleinen Parkplatz, auf dem bereits wenige Fahrzeuge von Wanderern standen. Hier war auch unser Startpunkt für die Wanderung hinein und hinauf in den Nationalpark. Von hier kann man in einer Dreitageswanderung den NP durchqueren und erreicht den Lake St. Clair, ein Ziel, das auch auf unserem Wunschzettel steht, jedoch vorzugsweise mit dem Camper anzufahren. Im Gebirge stehen einige Schutzhütten, die genutzt werden können und in dessen Nähe man auch sein Zelt aufschlagen kann. Wer hier wandert, muß alles was er zum Leben benötigt, in seinem Rucksack mitnehmen, ausgenommen Getränke, denn die Quellbäche führen genießbares Wasser. Einen dieser Langstreckenwanderer haben wir getroffen, wie er sich und seinen schweren Rucksack den steilen Pfad bergauf schleppte. Noch spielte das Wetter mit, denn es blieb trocken, ja freundlich war es teilweise – dies sollte sich jedoch im Verlaufe der kommenden Tage grundlegend ändern. Bei Regen diese Pfade zu gehen, was oft ein steigen ist, denn Hindernisse liegen immer wieder im Weg und Felsen müssen überwunden werden, ist wirklich sehr mühsam. Wir hatten nur die Zeit, einen großen Teil der ersten Tagesetappe aufzusteigen und dann umzukehren, erhofften uns davon diese wilde Berglandschaft etwas näher kennen lernen zu können. Unseren Umkehrzeitpunkt legten wir nach längsten 3 1/2 Stunden Aufstieg fest, für den Abstieg kalkulierten wir 2 Stunden. Damit sollte es möglich sein, noch vor Dunkelheit einen Campingplatz zu erreichen. Im Gegensatz zu den Mehretappenwanderern konnten wir uns mit leichtem Gepäck auf den Weg machen und kamen folglich auch schnell voran. In etwa der Hälfte der vorgegebenen Zeit waren wir an Trapper Hut, erreichten bald einen in einer Senke fast verborgenen See, an dem mit Genehmigung durch die Parkverwaltung auch gecampt werden kann und stiegen weiter aufwärts. Der anfangs dichte und immer wieder mit sehr mächtigen Pinien durchsetzte Wald lichtete sich zunehmend. Wir erreichten einen Höhenzug, von dem aus die umliegenden Bergketten gut zu sehen waren. Welche Höhe wir inzwischen erreicht hatten wissen wir nicht; wir liefen mit einer kopierten Kartenskizze den gekennzeichneten Weg entlang, dessen Kennzeichnung wir manchmal verloren haben oder die nicht vorhanden war, was uns zur Suche nach dem richtigen Weg zwang. Richtig verlaufen haben wir uns nicht, es war halt manchmal etwas mühsam. Nach mehr als 2 1/2 Stunden waren wir auf einer Art Hochebene angelangt, auf der sich das Wasser staute, ein Hochmoor mit einem kleinen See (Lake Salome?) wurde durchquert. Hier trafen wir dann auch einen Wanderer, der am frühen Morgen gestartet war und einen der umliegenden Berge im Eiltempo erwandert hatte. Auch dies zeigte uns, wir sind auf dem richtigen Weg. Kurz bevor wir Damascus Gate erreichten, war unsere Aufstiegszeit abgelaufen und der Rückweg musste angetreten werden.
Um unseren Zeitplan einzuhalten sputeten wir uns so weit dies möglich war; das Geläuf war nicht wirklich geeignet, schnell voran zu kommen, denn dazu bestanden zu viele “Fallstricke” entlang des Weges. Wie fast immer bei unseren Wanderungen, bei denen wir den Weg zum Camper zurück laufen müssen kommt uns der Rückweg länger als der Hinweg vor, es zieht sich, was vielleicht auch mit der fehlenden Pause zu erklären ist, denn wir sind inzwischen an die fünf Stunden ununterbrochen unterwegs. Wir kamen an, ganz schön kaputt, vesperten schnell und warfen den Motor an, denn es ging stramm auf 18:00 Uhr zu, Zeit, ein Quartier zu suchen.
Der Straßenatlas wies einen Campingplatz in Mole Creek, 40 Kilometer Fahrt, und einen am Eingang zum Craddle Mountain NP, 80 Kilometer Fahrt, aus. Wenn wir Morgen zeitig unsere Wanderung in Angriff nehmen wollen ist ein Nachtlager vor Ort die beste Lösung – glaubten wir und fuhren die nächsten 1 1/2 Stunden einen heißen Reifen. Viele Blicke konnten wir auf die durchfahrenen Wälder und Landschaften nicht werfen, die Piste war tückisch, zumal wir, um einen Umweg von über 40 Kilometer uns zu ersparen, eine Art Waldweg nutzten. Wir kamen durch und an, aber es dämmerte bereits, als wir den Campingplatz erreichten. Alle Schranken waren geschlossen, obgleich es nicht sehr weit nach 19:00 Uhr war, das Büro geschlossen. Ein freundlicher Zettel an der Tür wies auf “Öffnungszeiten” bis 19:00 Uhr hin! Nutzen denn die Australier nicht den ganzen Tag? Derartig frühe Schließzeiten der Anlagen kannten wir aus Neuseeland nicht. Der Zettel enthielt für den Notfall auch eine Telefonnummer. Im Normalfall, so hatten wir gelernt, stellt man sich als Spätankommender auf einen freien Platz und zahlt beim Verlassen des Platzes; hier aber nicht möglich, die Schranken verhindern ein Einfahren auf die Anlage. Also ist der Notfall da, wir rufen an und Katrin führt ein kurzes und frustrierendes Gespräch mit der Platzverwaltung. Sämtliche Stellplätze seien besetzt, wir seien zu spät dran; als möglichen Ausweichplatz nannte die Frau uns eine Anlage in Sheffield, mindestens 60 Kilometer entfernt, wir kommen in der Dunkelheit an, vermutlich dann auch geschlossen und für uns nicht zugänglich. Im Nachhinein hätten wir es ahnen können, nachdem wir am Vortag den letzten Stellplatz ergattert hatten. So blieb uns nichts anderes übrig, als uns einen geeigneten Platz zum freien Campen zu suchen, was sich als nicht sehr einfach herausstellte. Etwa 15 Kilometer vom Parkeingang entfernt sahen wir einen kleinen Parkplatz am Straßenrand, auf dem bereits ein Camper stand. Dann musste dies eben unsere Bleibe für die Nacht sein. In Windeseile bauten wir unsere Betten und richteten uns für die Nacht ein. Für eine Nacht können wir auf den Komfort eines Campingplatzes verzichten, aber eine dauerhafte Lösung kann dies nicht sein. Die nächsten Plätze werden wir vorreservieren, nahmen wir uns vor und führten dies auch durch. So ganz ruhig schliefen wir nicht, horchten nachts, was um uns herum passiert, nahmen wahr, daß weitere Gestrandete hier ihren Hafen gefunden hatten. Vermutlich sind Katrin und ich erst in früheren Morgenstunden richtig eingeschlafen. Der kurz vor Toresschluß aufgenommene schöne Abendhimmel konnte uns im Grunde über die eingetretene aber bewältigbare Sondersituation nicht wirklich hinwegtrösten.