So langsam wird es zur Regel, daß wir durch das Vogelgeschrei oder –gezwitscher aufgeweckt werden. Heute eher mit melodischen an Stelle von laut krächzenden Tönen. Es wird keine Rücksicht darauf genommen, ob es ein normaler Tag oder ein Sonntag ist. Uns kommt der frühe Weckruf dennoch gelegen, so sind wir auch früher unterwegs. Während das Gros der Camper sich noch einmal umdreht oder gerade in Richtung Dusche strömt, passieren wir den Schlagbaum der Ausfahrt. Viel haben wir von Townsville nicht gesehen, sind am späten Nachmittag die Strandpromenade The Strand entlang gefahren und konnten beobachten, daß selbst in den durch Stingernetze geschützten Bereichen am Strand gähnende Leere herrschte, während die Wiesen stark belegt waren. Einen großen Steinwurf von der Küste entfernt liegt gegenüber von Townsville die weitgehend als Nationalpark geschützte Insel Magnetic Island. Wieder eine Namensgebung durch James Cook, dessen Kompassnadel in Inselnähe 1770 verrückt spielte, was er auf den besonderen Magnetismus der Insel zurückführte, daher der Name. Tatsache ist, nicht die Insel war für die Fehlweisungen der Nadel verantwortlich, sondern magnetische Anomalien auf dem Meeresgrund. Irgendwie unwichtig, die Insel hat dennoch ihren Namen behalten und zieht insbesondere wegen der ausgedehnten Wandermöglichkeiten durch seine Wälder und auf seine Hügel zahlreiche Gäste an. Die Insel hat die Form eines nahezu gleichschenkligen Dreiecks mit Schenkellängen von unter 10 Kilometern. Es sollen hier insgesamt 4.000 Gästebetten bestehen, also ist die Insel auch ein Touristenmagnet, nomen est omen. Für einen Besuch muß man mindestens einen vollen Tag einplanen, zu viel bei der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Daher blieb nur ein Blick auf die Insel, direkt gegenüber von unserem Campingplatz gelegen.
Den heutigen 4.5. kann man unter die Tage verbuchen, an denen das Programm zu groß geraten ist, um an das gewünschte Ziel zu gelangen. Nein, getrödelt haben wir nicht, nur die Landstriche und Natursehenswürdigkeiten angefahren und angesehen, die entlang unserer Route liegen.
Seit geraumer Zeit bewegen wir uns in den Tropen, nicht nur die dauerhaft hohen Temperaturen, sondern auch die Vegetation bestätigt dies. Bislang hieß es, wir bewegen uns in den trockenen (!) Tropen, ab Ingham sollen es die feuchten sein, bis dahin sind es noch 80 Kilometer. Hoffen wir, daß dies nicht gleichbedeutend mit ständigen Regengüssen ist.
Küsten- und Badeorte könnten wir in nicht zu nennender Zahl auf dem Weg nach Norden anfahren, Strände begutachten und auf das Bad im Meer aus bekannten Gründen verzichten. Aber warum sollen wir uns den Tort, den Frust antun, einen sehr schönen Strand zu sehen, und ihn nicht zweckentsprechend zu nutzen. Also lassen wir Orte wie Blue Water, Balgal Beach,Forrest Beach, Taylors Beach und wie sie alle heißen rechts liegen und biegen nach links vom Bruce Highway, der A1 nach Norden ab.
Wohl nicht nur als touristischen Gag sondern mit ernsten Absichten hat die australische Regierung sich erfolgreich darum bemüht, die in Queensland vor allem bestehenden aber aus zahlreichen kleinen Flicken bestehenden Reste des feuchten tropischen Regenwaldes durch die Erlangung des Naturwelterbestatus unter Schutz zu stellen. Damit besteht quasi ein zweifacher Schutz, zum einen durch den Nationalparkstatus, den die entsprechenden zu schützenden Gebiete erhalten sowie zum anderen durch die moralische Verpflichtung, das Welterbe für die künftigen Generationen zu bewahren. Nach dem sich fortsetzenden Straßenbild, das durch die Zuckerrohrplantagen geprägt ist, war uns sehr an einer Abwechslung gelegen. Der Paloma Range National Park, etwa 60 Kilometer nördlich von Townsville in den Küstenbergen gelegen, war da gerade recht. Bald hinter Rollingstone weist ein Schild den Weg hinaus in Richtung Mount Spec. Die Straße, die wir dann das Tal und die Berghänge hinauf in den Weiler Paluma befahren, ist eine historische Straße. In diesem Fall bezieht man sich beim Zuweisen dieses Attributes auf die Entstehungsgeschichte dieser sich fast 20 Kilometer stetig hinaufschraubenden schmalen Straße, denn sie wurde als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ab 1930 gebaut. Einer kleinen Tafel konnten wir entnehmen, daß unverheiratete Männer für 7 Wochen und einen Tagessatz von 2 Dollar Arbeit fanden, verheiratete wurden 10 Wochen lang beschäftigt. Sicherlich hat die Strecke inzwischen die eine oder andere Renovierung erfahren, sie ist jedoch nach wie vor extrem schmal und weiterhin die einzige Verbindung für Paluma mit dem Rest der Welt – für uns der einzige Zuweg hinauf in den Nationalpark. Geschätzte 500 Meter Höhenunterschied überwindet die Straße auf 18 Kilometern, für die wir fast 30 Minuten benötigten. Wenn alle Straßen hier so sind, erreichen wir unser Tagesziel geschweige denn unser Endziel nie.
Die Strecke hinauf eröffnete manchen Blick durch die Vegetation in das Tal und die Ebene bis zur Küste, barg aber auch andere Überraschungen. Ein größerer Teil der Strecke verlief entlang eines Bachlaufes, dem Little Crystal Creek, der etwa auf halber Strecke den Berg hinauf in das Gestein kleine Becken gefräst hat, die sich als Badelöcher eignen und, wie der von einigen Fahrzeugen am frühen Morgen besetzte Parkplatz zeigt, entsprechend genutzt wird.
Nun ja, schwimmen konnte man in den kleinen Tümpeln nicht, und so trug Katrin ihre Badesachen trocken wieder zu Camper zurück. Vielleicht ergeben sich heute ja andere Bade- und insbesondere Schwimmmöglichkeiten.
Oben auf dem Bergrücken in Paluma angekommen bot sich zuerst ein toller Ausblick zur Küste hin, besser, als wir ihn während der Auffahrt hatten. Der Aussichtspunkt, McClelland’s Lookout, zu dem wir gelenkt wurden, hatte eine besondere Bedeutung im WWII; die Japaner drohten in Australien einzufallen und hier oben war eine Radarstation zuerst mobil durch die Amerikaner, später stationär durch die Australier errichtet worden. Hiervon ist heute nichts mehr zu sehen; vielleicht stammt die Einfriedung der Plattform noch aus dieser Zeit. Der Blick war auf jeden Fall toll, unten liegt die weit ausladende Halifax Bay vor uns und draußen vor der Küste einige Inseln der Palm Islands
Hier in der Nähe des Aussichtspunktes begann dann unsere zweistündige Wanderung durch den tropischen Regenwald des Paluma Range NP, und damit wir uns orientieren konnten, strebten wir zu den Cloudy Creek Falls. Wolkig war es nicht und wir hofften, es würde so bleiben und wurden nicht enttäuscht. Der Weg verläuft, abgesehen von der letzten Passage zu dem Wasserfall, fast ständig auf nahezu einem Höhenniveau, größere Kraxelei wird nicht verlangt. Der Wald ist wirklich noch ein Wald mit altem Baumbestand, mächtige weit in den Himmel hinauf ragende Bäume bestimmten das Bild und dadurch auch das Wachstum der unteren Etagen in diesem Regenwald; zu Glück ließen die Baumkronen genügend Licht durch, um auch auf den unteren Ebenen Pflanzenwachstum in großer Vielfalt zu ermöglichen. Immer wieder bedauern wir, uns in der Botanik kaum auszukennen; es wäre schön zu wissen, welcher Baum denn ein Eisenbaum ist, wie der Baum mit der gescheckten Baumrinde heißt etc. Mit dem Mangel leben wir und erfreuen uns vorrangig am Anblick.
Tiere bekamen wir so gut wie gar nicht zu Gesicht; vielleicht lag es daran, daß wir nicht gerade leise schlichen, denn um eventuell auf dem Weg liegende Schlangen rechtzeitig auf uns aufmerksam zu machen, stapften wir kräftig auf. Ob es geholfen hat – wir wissen es nicht, zumindest gab es in dieser Hinsicht keine Begegnung. Als Katrin, voraus gehend, plötzlich laut schrie und hinter sich auf die ziemlich dichte grüne Wand am Pfadrand wies und “… da, da…” schrie, glaubte ich, gleich würde ein Ungeheuer aus dem Dickicht brechen, so oder so ähnlich. Als der Grund dieses Warnrufes sich aufgeklärt hatte konnte ich die Aufregung gut verstehen. Katrin hatte als Vorausgehende, so wie ich gestern, immer wieder Spinngewebe im Gesicht; diesmal war dieses so stark, daß sie sich umsah und dann laut zu rufen begann. Der eine oder andere hätte sicher ähnlich reagiert bei diesem Anblick :
Das Tier war größer als meine Hand, die Spinnfäden so robust, daß ein kleiner Ast von etwa 50 Zentimeter Länge und mit einem Durchmesser wie mein kleiner Finger problemlos festgehalten wurde. Obgleich das den Weg überspannende Spinnnetz zerrissen war, der Hersteller rührte sich nicht vom Fleck.
Bei dieser Tierbegegnung waren wir schon dabei, zu dem genannten Wasserfall abzusteigen. Der Wald wurde dichter, aber immer noch nicht wurden wir von Wolken umhüllt. Es wäre besser gewesen, diesen “Wasserfall” nicht zu sehen, denn er entlarvte sich als ein nicht gehaltenes Versprechen. Wir standen nach einer guten Stunde Wanderung nicht an einem Wasserfall, sondern am Rande einer kleinen Wasserkaskade – zwar auch schön anzuschauen, aber so einen richtigen großen Wasserfall hätten wir doch gerne zu Gesicht bekommen.
Nun denn, wie so oft, der Weg ist das Ziel und die Wanderung war auch ohne diesen erwünschten Anblick interessant und hat uns Freude bereitet.
Die fast 20 Kilometer Bergauffahrt ging es wieder retour, um etwa ein Dutzend Kilometer später von der Ebene ein weiteres Mal in den Nationalpark einzubiegen. Diesmal folgten wir dem Versprechen, am Big Crystal Creek eine geeignete Badestelle zu finden. Hier war es wirklich möglich, nicht nur in dem Wasserloch zu sitzen, sondern einige Schwimmzüge zu machen. Erfrischend war es auch, für Katrin angenehm, die hier picknickenden Australier fanden das Flusswasser ziemlich kalt. So ist Katrin wenn auch etwas verspätet dann doch noch zu ihrem heutigen Badevergnügen ohne Risiko gekommen.
Wenn man genau hinsah, konnte man hier und da erkennen, daß wir in den Tropen sind, aber das, was wir meistens sahen, entsprach selten dem landläufigen Bild einer Tropenvegetation.
Auf unserem Wunschzettel für heute standen noch einige Abstecher von der A1 nach Westen, der nächste ging in den Jourama Falls National Park, also wieder ein Wasserfall und wir hofften, diesmal keiner Werbeente aufgesessen zu sein. Der Weg dorthin war nicht so zeitaufwändig wie in den Paluma Range NP, bereits nach etwa 15 Kilometern waren wir am Endpunkt der fahrbaren Strecke angekommen. Bis hierhin durchfuhren wir einige Furten, ab hier ging es zu Fuß weiter.
Wir strebten dem Talende entgegen, überquerten den Fluß und stiegen an seiner Seite den Berg aufwärts. Von weitem konnte man hoch oben einen Wasserfall erkennen; nach weiteren 15 Minuten an einem Aussichtspunkt angekommen, waren wir nicht wirklich viel näher an ihn herangerückt. Dennoch, aus einer Ausgangshöhe von deutlich über 300 Metern stürzte das Wasser teilweise eine Vielzahl von Metern ungestört hinab, weitere kleinere Wasserfälle folgten auf dem Weg zum Talboden, wo sich auch eine Badestelle gebildet hatte, verwaist und ungenutzt, auch von uns.
Wie man an der Verschattung des Berges erkennen kann, es war inzwischen Nachmittag geworden; wo wir die Zeit liegen gelassen haben, wir wissen es nicht, hatten natürlich auch keinen Zeitplan gemacht sondern geglaubt, dies alles und noch viel mehr heute erleben zu können. Nun gegen 16:00 Uhr hieß es, die Uhr neu zu stellen, andere Ziele erst einmal hinten an zu stellen und uns einen Campingplatz für die Nacht zu suchen. Wir fanden einen direkt an der A1, vom Palmen umgeben und relativ ruhig trotz der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Von unserem eigentlichen Tagesziel Innisfail trennen uns noch mindestens 150 Kilometer. Da gilt es, die Strecke für Morgen zu überdenken.