Bevor wir unseren “Hausstrand” in Agnes Water endgültig verlassen, wollten wir wenigstens einmal in der Bucht geschwommen haben. So früh wie es abends stockdunkel wird, ein toller Sternenhimmel leuchtet dann immer über uns auf, so früh wird es auch taghell. So waren wir um sieben Uhr zwar die ersten, die sich in die erfrischenden und relativ hohen Flutwellen warfen, blieben aber nicht allzu lange alleine, denn die ersten Surfer rückten mit ihren Brettern an. Die vergleichsweise schmale aber tiefe Bucht scheint ein besonders geeigneter Ort zum Surfen zu sein. Als wir aus dem Wasser stiegen, paddelten die ersten auf ihren Brettern hinaus, um auf die geeignete Welle zu warten. Im Verlaufe unserer Küstenbesuche und Beobachten der Surfer haben wir unser Bild von diesem Sport etwas modifizieren müssen. Die riesig hohen Wellen, in deren durch das Überschlagen der Welle sich bildenden Tunnel die Surfasse das Brett steuern, sind hier nie gegeben; der Sport wird in unseren Augen auf den eher harmlosen etwa 1 Meter hohen Wellen betrieben, die atemberaubenden Fahrten folglich auch nicht vom Strand aus zu sehen. Dennoch, die Zahl der mit ihren Brettern auf dem Dachgepäckträger an die Surfstrände Eilenden ist enorm, wie wir bei unserer Abfahrt aus Agnes Water wieder einmal bemerken konnten.
Der nächste uns interessierende Küstenabschnitt, die Capricorn Coast, liegt gute 300 Kilometer weiter nördlich, also war mehrstündiges Fahren angesagt. Hier wurde wieder einmal deutlich, wie groß das Land ist und wie wenig Abwechslung die Landschaft während der Kilometerfresserei bietet. Die ersten 60-70 Kilometer standen die Plantagenbäume oft wie die Zinnsoldaten rechts und links neben der Straße, kilometerlang zog sich das hin, nur ab und an unterbrochen durch schmale Transportschneisen. Daran schloß sich dann von kleinen Gehölz und Waldstreifen durchsetztes Weideland an, meistens ohne weidende Viecher. Das diese Strecke ziemlich eintönig ist, wissen auch die Verkehrsexperten und versuchen, die an der Straße mit Ratefragen aufgestellte Schilder die Aufmerksamkeit zu wecken. Immer wieder auch Hinweise, eine Pause zu machen, jedoch findet man im Anschluß an diesen guten Rat über viele Kilometer keinen Rastplatz, um den guten Hinweis umzusetzen. Makaber aber sicherlich wirkungsvoll das Schild das sinngemäß lautet : rasten oder r.i.p.! Katrin bemühte sich nach Kräften, den Fahrer bei Laune und hoher Aufmerksamkeit zu halten; der überschaubare Verkehr war nicht aufmerksamkeitsfördernd.
Rockhampton, unsere für heute letzte Station an der M1 gen Norden, wies schon von weitem auf ein wesentliches Merkmal der Stadt hin : wir wurden von einem riesigen Rindvieh begrüßt, Rockhampton, “Beef Capital of Australia”, in dessen Umgebung es von den Viechern nur so wimmelt. Zu Gesicht haben wir die Millionen Rindviecher nur in wenigen Exemplaren entlang unserer Strecke bekommen. Rockhampton weist wie alle Mitte des 19. Jhd. so langsam gewachsenen küstennahen Städte eine ganze Reihe imposanter und interessanter alter Gebäude auf, wie wir bei unserer Fahrt durch die Stadt, mit über 70.000 Einwohnern nicht gerade klein, sehen konnten. Unser Augenmerk galt aber weniger der Geschichte der Stadt, sondern einem Laden von Vodafone. Wir hatten ja vor etwas über einem Monat einen prepaid mobile Broadband-stick von Vodafone erstanden, um jederzeit Netzzugang zu haben; da uns ein Aufladen unseres Kontos aus welchem Grund auch immer nicht gelang hofften wir auf Hilfe bei den Fachleuten. In einer so großen Stadt sollte doch ein Laden zu finden sein, ballen sich doch in deutlich kleineren Städten zu Hause die Shops. Die angefahrene Touristeninformation konnte uns auch zwei Ladenadressen mitteilen; leider waren deren Daten sämtlich überholt, auch aus Rockhampton hat sich Vodafone zurückgezogen. Der nächste Shop liegt etwa 600 Kilometer weiter nördlich!! So standen wir dann da mit unserem Bedürfnis, Netzzugang zu bekommen. Die bekannte Möglichkeit eines freien W-Lans in der öffentlichen Bibliothek schlossen wir aus, da wir am Stadtrand in einem großen Einkaufszentrum nach dem zweiten verschwundenen Laden gesucht hatten, denn das hätte ein zurück in das Stadtzentrum bedeutet. McD ist dann eine Lösung, was aber auf Dauer wiederum keine Lösung ist. Alle Versuche schlugen fehl, unser prepaid-Konto zum weiteren Betrieb des Sticks aufzufüllen. Das wird noch Streß bedeuten!
Rockhampton liegt gut 40 Kilometer landeinwärts von der “Capricorn Coast”, ein Streifen nicht nur mit schönen Stränden, wie es heißt, sondern vor dieser Küste befindet sich der Keppel Bay Islands National Park, eine Vielzahl großer und kleiner Felsinseln, von denen einige auch mit dem Boot von Rosslyn Bay aus zu erreichen sind. Uns interessierte ein Besuch von Great Keppel Island, der Strände wegen, aber auch um dort einige Stunden zu wandern. Der Name “Capricorn Coast” folgt aus der Lage dieses Küstenabschnittes; durch ihn verläuft der Wendekreis des Steinbocks.
Die gesamte Capricorn Coast ist touristisch gut erschlossen, zum Glück hat sich hier Gigantomanie noch nicht breit gemacht, die kleinen Küstenorte sind überschaubar geblieben, auch wenn Emu Park im Süden und Yeppoon im Norden sehr deutlich ihre Abhängigkeit vom Tourismus zeigen und durch rege Bautätigkeit weitere Bettenkapazitäten schaffen. In Emu Park stießen wir auf die Küste nach etwa 45 Kilometer Fahrt von Rockhampton aus. Der Stop in Strandnähe fiel ernüchternd aus; es war Ebbe und die Bucht vor dem Ort, an beiden Seiten durch hinein ragende Felsen eingegrenzt, nahezu leer gelaufen. Eine Verheißung für uns war das nicht, aber nach unserer Beobachtung schwimmen die Australier kaum, sondern genießen eher auf dem Strand zu sein. Wie nah die Inseln der Keppel-Gruppe vor dem Festland liegen, war deutlich zu erkennen, nur einen Sprung entfernt.
Die Werbeleute sind um Ideen selten verlegen, um z.B. einen Ort aus der Masse der übrigen Küstenorte herauszuheben. Emu Park hat zu diesem Zweck ein “singing ship memorial” auf einer kleinen Klippe geschaffen; durch aufgehängte Rohre pfeift der Wind und erzeugt unterschiedliche Töne, vergleichbar einer Orgel. Auch in etwas größerer Entfernung war die “Musik” zu hören. Interessant wäre mitzubekommen, wie diese Installation klingt, wenn so richtig Sturmwind durch die Röhren bläst..
An einigen Buchten der Capricorn Coast windet sich die Küstenstraße entlang, bis man den wohl bestimmenden Ort, Yeppoon, erreicht hat. Und wieder hatten wir das Glück, einen Campingplatz direkt am Strand zu finden und standen dann sogar in der vordersten Reihe. Zum Abend und in der Nacht brieste es mächtig auf, Katrin sprach von Sturm, in meinen Augen war es nur etwas stärkerer Wind. Es brauste die Nacht ganz schön um unseren Camper, dennoch schliefen wir fest wie die Murmeltiere. Der vor unserem Fenster liegende Strand war wieder einmal kilometerlang, extrem breit bei Ebbe, während bei Flut das Wasser fast bis an die Stranddüne heran reichte. Obwohl die Wassertemperatur sehr angenehm war, Badende sahen wir bis auf zwei Kinder mit ihrem Vater keine, stattdessen führten einige Hundebesitzer ihre Tiere am Wasser entlang. Auch Katrin verzichtete auf ihr Bad im Meer, obgleich im Touristenbüro man mitteilte, eine Gefahr durch den Box-Jellyfish bestünde nicht, deren Zeit sei vorbei. Es heißt zwar, “ask a local”, um über die Gefahrensituation sich zu informieren, aber gemeinhin heißt es doch, die Saison dauere bis Ende April, teilweise bis weit in den Mai hinein,, aber auch danach bestünde immer noch die Möglichkeit, auf diese giftige Qualle zu stoßen. Katrin war skeptisch, wie diese Aussage zu Stande gekommen sei und vertraute lieber ihrem Instinkt. Es wird andere Bademöglichkeiten geben, aber wohl eher nicht mehr im Verlaufe unserer Küstenfahrt, denn bis hoch in den Norden besteht die Gefahr durch diese und artverwandte Quallen.
Unseren Wunsch zum Great Keppel Island einen Tagesausflug zu machen, haben wir uns nach Prüfung nicht erfüllt. Der morgige Dienstag ist der Tag im Fährplan mit der kürzesten Aufenthaltsdauer auf der Insel, nämlich nur etwas mehr als drei Stunden, zu wenig, um wirklich etwas zu erwandern und die Strände zu nutzen, wenn man denn den Mut aufbringt. Damit müssen wir dann den eine Million-Dollar-Blick von unserem Camper aus bereits nach einem Tag wieder einem anderen Gast überlassen.