Sehr viel weiter in den Nordosten Queenslands als bis nach Mossman kommt man auf normalen Straßen kaum noch, nach etwa weiteren 80 Kilometern kurz hinter Cape Tribulation ist Schluß, von dort ab geht es nur noch mit einem robusten 4WD-Fahrzeug auf dem Bloomfield Track Richtung Cooktown und weiter zum Cape York, für uns unerreichbar. Aber das kurze Stück Weg an der Küste entlang bis zum Cape Tribulation wollen wir uns auf jeden Fall ansehen.
Mossman, der Ort an dem wir gestern am 6.5. eingetroffen sind, ist entsprechend der Selbstdarstellung die nördlichste Stadt (Australiens) der Zuckerindustrie; dies sieht man, wenn man durch dass Umland fährt. Wir stellen uns immer wieder die Frage, wer denn diese Zuckermengen überhaupt benötigt – Abnehmer scheint es in Mengen zu geben, denn angabegemäß werden die Anbauflächen eher ausgeweitet statt stillgelegt. Der Weltmarktpreis entwickelt sich für die Landwirte wohl positiv. Angesichts der vorhandenen Gefahr durch Schlangenbisse tauchte bei uns wiederholt die Frage auf, wie viele Menschen früher, als die Felder noch nicht maschinell abgeerntet wurden, sondern das Rohr per Hand geschnitten wurde, diese harte Arbeit mit dem Leben bezahlt haben. Die heute verfügbaren Gegengifte waren vor einigen Jahrzehnten nicht kurzfristig verfügbar.
Mossman ist aber auch der Ort, der praktisch das Tor hinein zur Mossman Gorge bildet, einer tiefen Schlucht in der Bergregion des Mount Carbine, die bereits Teil des Daintree National Parks ist. Kurz hinter Mossman beginnt der NP, der jedoch, wie eine Karte zeigte, sich weniger durch eine große zusammenhängende Schutzzone auszeichnet, sondern vielmehr einen riesigen Flickenteppich geschützter Bereiche darstellt. Viel Privatland existiert zwischen den geschützten Flächen, Konflikte sind vorprogrammiert, denn die Nutzungsmöglichkeiten dieser Flächen sollen begrenzt worden sein. Geschützt wird hier der Tropische Regenwald, der auf Meereshöhe beginnt und sich bis in die höheren Lagen der eingeschlossenen Berge, d.h. bis über 1300 Meter fortsetzt. Hier gibt es den größten zusammenhängenden Teil eines sich so in die Höhe fortsetzenden Regenwaldes. Nun sind wir bereits in den letzten Tagen wiederholt im Regenwald gewandert, aber diese Vegetationsform in einer Schlucht hinaufsteigend zu sehen, reizte. Der erste “Programmpunkt” des Tages war deshalb der Besuch der Mossman Gorge. Es war ein sehr schöner Regenwald, dicht gewachsen. Wieder einmal konnten wir staunen, wie von unten nach oben gewachsen wird, oder umgekehrt, wie sich egal in welcher Etage des Waldes die Äste ineinander verhaken, wie die Pflanzen versuchen, dem Licht näher zu kommen, wie erfolgreiche Symbiosen der Pflanzenwelt aussehen, wie der Kot der Vögel Grundlage/Ausgangspunkt von für das Entstehen von Pflanzen in den oberen Hausetagen sein kann, wie im Wald gemordet wird, um selber als Pflanze zu überleben, wie in diesem scheinbaren grünen Chaos irgendwie doch eine höhere Ordnung besteht. Und bei allem gilt, fasse nichts an, was du nicht kennst. Nahezu herzförmige Blätter könnten auf Grund ihrer Form dazu verfuhren, sie nicht nur aus der Nähe zu betrachten, sondern vielleicht auch ein Blatt zu pflücken. Dann sollte man aber dicke Hornhaut an den Fingern und allen die Pflanze berührenden Körperteilen haben, um sich nicht die unvermeidlichen Stachel der Pflanze einzuhandeln. Der Wald ist verführerisch, man tut gut daran, sich von der Schönheit der Pflanzen nicht verführen zu lassen. Einen entsprechenden Hinweis hatten wir vor einigen Tagen bereits gesehen, hier fiel uns ein solcher auf einer Wegtafel auf, nachdem (!) wir von unserer kurzen Wanderung bereits zurück gekehrt waren.
Durch das Tal strömt der Mossman River, in den von den seitlichen Berghängen immer wieder kleinere Flüsse münden. Obgleich das Flußbett relativ weit erscheint, in der Regenzeit können die Wassermassen nicht aufgenommen werden und größere Teile der Uferregion werden stark überschwemmt, wie man während des Durchwanderns gut feststellen kann. Millionen Jahre Wasserkraft haben die großen und kleinen im Flußbett oder am Rand liegenden Granitsteine gut geformt, manche Murmeln waren zu erkennen, an manchen muß noch das eine oder andere Jahr gearbeitet werden. Daß der Fluß kein kleiner Bach ist, konnten wir auf der Wanderung die ganze Zeit hören, denn je mehr Bäche in ihn mündeten, um so stärker das Gebrause.
Auf unserer kurzen Wanderung hatten wir ständige Begleiter, die auch bei einem schnellen Schritt kaum abzuschütteln waren. Nicht einzeln traten die Freunde auf, sondern in Schwärmen, die gemeine Stechmücke. Letztlich war sie auch dafür verantwortlich, daß wir den möglichen Rundweg nach einem Drittel der Strecke abgebrochen haben und den Rückzug zum Camper antraten. So geht es, wenn man als Optimist auf die Chemiekeule verzichtet.
Krokodile, gleich ob Salzwasser oder Süßwasserkrokodile gehören hier in Queensland zum Leben der Menschen wie anderswo die Sportschau. Man weiß oder meint zu wissen, wie man sich zu verhalten hat; damit man in seiner Vorsicht nicht erlahmt, gibt es immer wieder Hinweistafeln.
Es muntert auf zu lesen, wie viele hundert Kilometer selbst “salties” die Flüsse hinaufschwimmen, wie lange sich ein Krokodil auf die Lauer legt, um den günstigsten Zeitpunkt für eine Attacke auf seine Beute zu starten. Und immer wieder fallen an Flüssen und an Strandzugängen Warnhinweise ins Auge. Wie meinte ein Campingplatzbesitzer, mit dem wir über die Stingergefahr an der Küste von Queensland sprachen sinngemäß, wenn wir beim Schwimmen im Meer von den Giftquallen verschont geblieben sind, holt uns halt das Krokodil, d.h. mit trockenem Humor die Gefahr auf den Punkt gebracht. Auch heute auf unserer Fahrt entlang der Küste nach Cape Tribulation, auf der wir immer wieder an großen und kleinen Stränden vorbeikamen, fehlte es nicht an entsprechenden Hinweisschildern, sowohl auf das Stingerrisiko bezogen als auch die Krokodilgefahr. Putzig wenn es heißt, das Krokodil könne einem Schmerzen zufügen oder uns töten.
Trotz oder vielleicht auch wegen des Respekts, den wir einer Begegnung mit einem Krokodil entgegenbringen, wollten wir möglichst viele live und in Farbe in ihrem gewohnten Lebensumfeld sehen, also keine Krokodilfarm besuchen, in der die Tiere zu Vorführzwecken gehalten und gefüttert werden, sondern in freier Wildbahn. Der Daintree River, den wir auf dem Weg nach Cape Tribulation überqueren müssen, ist Heimstatt der Tiere. An seinem Ufer im Umfeld der Gemeinde Daintree haben sich eine Reihe von kleineren Veranstaltern angesiedelt, die Beobachtungsbootstouren anbieten, darunter auch ein Anbieter, der sein Boot mit einem solargespeisten Elektromotor antreibt, auf den natürlich unsere Wahl fiel. Auf unserer einstündigen Flüsterfahrt den Fluß hinauf haben wir wenige Krokodile gesichtet, genau genommen nur drei; das größte, Scarface, war angabegemäß 4,60 Meter lang (haben die einen Zollstock angelegt?), und tauchte unmittelbar bei unserem Erscheinen in den Fluten unter, dann ein Jungtier, das erst zwei Jahre alt war und schließlich ein Exemplar klein und handlich, vor wenigen Wochen aus dem Ei geschlüpft und nun gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt selber zu beschaffen.
Also keine sehr reichhaltige Ausbeute unserer Beobachtungsfahrt, aber angesichts von knapp 60 Krokodilen, die sich hier bis etwa 8 Kilometer aufwärts von der Flußmündung aufhalten, positiv zu werten. Wenn man dann noch erfährt, daß die Population auf Grund des überschaubaren Nahrungsangebotes sich von selber reguliert, mehr als die vorhandene Zahl kaum eine Lebensgrundlage finden würde, geht das Gesehene in Ordnung. Und im Gegensatz zu Afrika, wo die Krokodile praktisch in Rudeln auftreten, sind sie hier Einzelgänger, d.h. jedes Tier muß erst einmal gefunden werden. Eines, das größte hier gesichtete Krokodil ist seit zwei Jahren verschwunden – das letzte Mal wurde es mit einer Kuh im Maul gesichtet. Ob die Beute ausreichte, die zwei Jahre ohne neuen Fang zu leben oder ob das Krokodil sich einfach nur überfressen hat, weiß niemand. Die Menschen leben mit dem Fluß und seinen Gefahren, sollte man meinen. Betroffen werden wir jedoch als uns auf Nachfrage nach Vorfällen erzählt wird, daß vor zwei Jahren ein tödlicher Unfall passiert sei. Ein Ausflugsbootsbetreiber, der erst seit kurzem hierher mit seiner Familie gezogen war, hatte seinen kleinen Kindern erlaubt, zusammen mit dem Hund in einem kleinen in den Daintree River mündenden Fluß zu baden. Was wir nicht wussten, das Krokodil sucht sich, wenn es bei der Beute eine Wahl hat, immer das kleinere Beutetier aus, deshalb geht man mit Hund ins Wasser! Aber offensichtlich war der Größenunterschied nicht groß genug, um das Unglück zu vermeiden. Selbst Alteingesessene sind vor Unfällen nicht gefeit; einem Bootsbesitzer wurde bei Reparaturarbeiten an seinem Boot sein auf der Bootskante stehender Hund von einem herausschnellenden Krokodil genommen. Ein Grund mehr, kein Körperteil allzu nah am Wasser zu halten.
Der Daintree NP umfasst nicht nur die verschiedenen Arten von Regenwald, sondern in seinen Randbereichen zum Meer und den Flüssen auch ausgedehnte Mangrovengebiete, wie wir auf der Flußfahrt sehen konnten. Neu für uns war die besondere Art der Wurzelbildung; die im Uferbereich aus dem Boden herausragenden spitzen Triebe sind Teil des Wurzelsystems der Bäume, die auf diese Weise sich das notwendige Kohlendioxyd ´für ihr Wachstum beschaffen.
Mit dem Auffinden von Vögeln hatten wir auf unserer kurzen Bootsfahrt nicht gerechnet aber offensichtlich haben die Betreiber entweder ein gutes Auge oder die Tiere sind, weshalb auch immer, bestimmte Plätze gewohnt, denn Dave, unser Steuermann, fuhr zielgerichtet auf einen kleinen Bereich in den Mangroven zu und präsentierte uns den Kingfisher. In der Nähe entdeckten wir einen weiteren mir nicht bekannten Vogel.