… verdamp lang her …

 

ist der Titel eines Liedes von BAP, trifft auch auf uns zu, zwar nicht mit den wesentlichen Aussagen dieses anrührenden Liedes, aber mit obiger Zeile in Bezug auf den Kontakt zu Freunden, Familie. Ja, es ist verdammt lange her

– das wir die Familie live und in Farbe gesehen und gesprochen,

– mit Freunden und Bekannten ein Bier getrunken und geschwätzt, etwas unternommen haben,

– im eigenen Bett geschlafen und in der großen Wohnung herumspaziert sind, Platz zum ausbreiten hatten,

– ein Viertele Roßwager Halde getrunken haben,

– mit den Nachbarn geschwätzt haben,

– im Wald gejoggt sind,

– einen Tatort und die Sportschau gesehen haben,

– täglich eine aktuelle Zeitung lesen konnten und informiert waren.

– und noch so vieles anderes.

Es ist so vieles verdammt lange her – ist man in der Ferne unterwegs, lernt man auch die angenehmen Seiten des Zuhause besonders schätzen, beginnt dieses zu vermissen. Und je länger die Abwesenheit von Zuhause ist, um so weniger können die durch das Reisen auf einen einströmenden täglich neuen Eindrücke das schleichende Entstehen von Heimweh unterdrücken, das Fehlen so vieler Dinge, wozu insbesondere das soziale Umfeld gehört, kompensieren. Der eine stellt diesen Mangel früher, der andere später fest, kaum einer bleibt davon verschont. Man kann eine Weile versuchen, den Einflüsterungen, wie schön es doch zu Hause ist, sich zu widersetzen, sie bei Seite zu schieben, aber der stete Tropfen höhlt den Stein und irgendwann ist der Wunsch so stark, daß man diesem nachgeben will ja muß.

Gute acht Monate sind wir bereits unterwegs und haben unser Privileg, von der Welt einiges zu sehen, bereits ausgiebig in Anspruch genommen. Wir stellen aber fest, die ersten Monate in Südamerika haben wir intensiver unsere Umwelt “erfahren”, waren in unserer Wahrnehmung wacher, insgesamt auch bereiter, uns besonderen Belastungen auszusetzen, als das im Augenblick der Fall ist. Zum einen sind auf uns derart viele Eindrücke herabgeprasselt, die zu verarbeiten sehr schwer, die Masse zu ordnen nicht leicht ist, der Blog dabei sicherlich eine Hilfestellung leisten kann, das Gros der Arbeit aber unser Gedächtnis und unser Gefühlswahrnehmungen leisten müssen, zum anderen fordert das Umherreisen mit dem Ziel, möglichst viel auch zu sehen, zu besuchen, seinen Tribut, denn so mit links regelt sich nicht alles. Individuell zu reisen ist ein großes Vergnügen, die Zeit und das Geld dazu zu haben ein besonderes Privileg, gleichzeitig aber auch eine Last, ist anstrengend. Fast jeden Tag an einem anderen Ort zu sein, in einem anderen fremden Bett zu schlafen, dabei viel weniger als daheim mit anderen Menschen ausgiebig kommunizieren zu können, kostet Körner, Spannkraft, Energie. Es ist ein Mythos, die Freiheit des Individualreisenden sei grenzenlos, denn diese Freiheit, der Freiraum soll ja ausgefüllt werden und dieses “ausfüllen” geschieht nicht automatisch, sondern muß von uns bewältigt werden, täglich bewältigt werden. Daheim vollzieht sich das Leben in klar bekannten Bahnen, meistens zumindest, hier auf der Reise ist jeder Tag etwas Neues, kommen wir nicht mit Routine und Altbekanntem klar, sondern müssen uns nahezu täglich notwendige Informationen beschaffen, ständig Entscheidungen treffen, werden mit unbefriedigenden Situationen konfrontiert, müssen Frust verarbeiten, dürfen uns aber wie Bolle freuen, wenn wir, wie sehr oft, etwas schönes gesehen, erlebt haben. Wenn man sich nicht einfach treiben lässt, sondern die Reiseländer intensiv bereisen will, geht das nicht ohne besondere geistige und körperliche Kraftanstrengung ab. Wir stellen fest,  so langsam nimmt unser Kraftdepot ab; wir sind zwar nicht abgeschlafft und schleppen uns nur noch von Station zu Station, aber eine längere Ruhepause wäre doch ganz schön. Dort wo diese geplant waren, konnten wir uns nicht entspannen. Vielleicht fällt es uns auch besonders schwer, wenn schon in der weiten Welt unterwegs, dann wollen wir auch ein Optimum aus dieser Reise machen, faulenzen ist nicht, wo geht es denn nun Morgen hin, uns einfach treiben zu lassen. So sind wir aber nicht gestrickt.

Reisen macht Freude, ist inspirierend, aber auch anstrengend, wenn man nicht eine vorkonfektionierte Reise unternimmt. Wir sind so langsam müde geworden, könnten durchaus noch weitere Ziele ansteuern, aber der Nutzen, den wir daraus ziehen, wird immer geringer.

Wir glauben auch den jeweiligen Ländern immer weniger gerecht werden zu können, denn es hat sich die Tendenz entwickelt, die einzelnen Länder, ihre Höhepunkte, zu vergleichen. Dabei wissen wir doch, daß jedes Land seine Eigentümlichkeiten, seine Besonderheiten besitzt. Wie soll ich die Strände Grönlands mit denen auf einem Südseeatoll vergleichen – toll, wenn es einen Sandstrand in Grönland gibt, den die Menschen zum Baden nutzen können, gleich ob dieser schmal oder breit ist, aus weißem oder schwarzen Sand besteht.- welche Rolle spielt dann der Traumstrand in der Südsee?

Inzwischen glauben wir, eine kürzere Reisezeit verbunden mit (noch) weniger Ländern hätte den Genuß, die Freude am Reisen noch weiter gesteigert, wir hätten mehr Aufmerksamkeit den dann kleineren Reisegebieten gewidmet. Die uns geschenkte Freiheit, ein Jahr lang mehr oder weniger völlig unbeschwert zu reisen, in drei Blöcke von je vier Monaten Dauer aufgeteilt, in denen in Block eins und drei jeweils eine Region intensiv bereist worden wäre, ist die bessere Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit. Bei den von uns ausgewählten Ländern ist das aus klimatischen Gründen nicht möglich, so hätten dann die Reiseziele anders definiert werden müssen. Weniger ist daher mehr, obgleich, bei Lichte betrachtet, wir nicht wie die Wahnsinnigen durch die Länder gejagt sind, sondern uns intensiv einigen Regionen eines Landes gewidmet haben. Andere Globetrotter schaffen es in den uns einschließlich Sprachschule für Chile und Teile Argentiniens zur Verfügung gestandenen etwas mehr als 4 Monaten nicht nur, diese beiden Länder zu bereisen, sondern ganz Südamerika, am besten in Mexico beginnend. Man war halt überall, aber war man wirklich vor Ort? Wir glauben, hinsichtlich der in den einzelnen Ländern verbrachten Zeitspannen eine gute Orientierung besessen zu haben, auch wenn hier und da wir mal etwas länger, mal etwas kürzer hätten dort reisen können.

Alle bisher bereisten Regionen haben uns etwas gegeben, uns bereichert, uns mit Eindrücken versorgt, manchmal überversorgt. Keine würden wir bei einer erneuten Reise aus der Liste streichen wollen, auch wenn Katrin unsere Entscheidung nach Samoa zu reisen rückblickend negativ beurteilt. Auch in Samoa haben wir einige schöne Begegnungen gehabt, konnten zwei Südseeinseln, von denen wir sonst nur gertäumt hätten, etwas näher betrachten. Wenn dann das Bild – es ist ein Bild und nicht die Realität, es soll die Realität nur Abbilden abbilden – dieser Südseewelt, unser Bild, nicht mit dem Vorgefundenen in jeder Einzelheit übereinstimmt, dann stimmt das Bild nicht, die Realität/reale Welt ist gegeben. Vielleicht hätte unser Eindruck über die Südsee dem geistigen Bild entsprochen, wenn wir unsere Absicht, die Cook-Islands zu besuchen, hätten verwirklichen können.

Dennoch, es wird Zeit, dem Heimweh nachzugeben, uns wieder in dem Umfeld von Familie, Freunden und Bekannten zu bewegen, das uns auch das Gefühl vermittelt, dort hinzugehören. Die Reiseziele wurden überarbeitet, Papua New Guinea aus unterschiedlichen aber wohlbegründeten Überlegungen heraus aus unserer Reiseplanung gestrichen; damit haben wir, zumindest vorübergehend, einen sehr großen Reisetraum erst einmal bei Seite gelegt, aber nicht aufgegeben. Wir werden also früher zurückkehren, als zu Beginn unserer Reise geplant; es werden wohl etwas mehr als 9 Monate an Stelle der ins Auge gefassten 10-11 Monate sein. Aber  …. verdamp lang her … – und das ist es in der Tat!

Ein Gedanke zu „… verdamp lang her …

  1. Willkommen zurück Katrin und Thomas !!
    Hoffentlich seid ihr inzwischen gut zuhause angekommen und gewöhnt euch schon wieder langsam ein. Vielen Dank an dieser Stelle für eure ausführlichen und lebendigen Berichte über die 9 Monate – wir haben uns immer fast wie „dabei“ gefühlt, freuen uns aber schon auf den direkten Austausch eurer Erlebnisse und Erfahrungen!

    Bis hoffentlich bald mal wieder,
    Frank

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert