Für solche Temperaturen sind wir nicht gemacht; selbst nach Einbruch der Dunkelheit verharrt das Thermometer auf über 37 Grad, der Schweiß fließt nicht in Strömen, es sind Sturzbäche, zumindest empfinden wir es so. Dabei hatte es am Morgen in der Früh des 24.5. so gut angefangen, bei leichtem Wind, Sonnenschein und angenehmen Temperaturen draußen frühstücken, was am Uluru wegen der doch niedrigen Temperaturen in der Nacht und in der Frühe nicht möglich war. Wie bald darauf die Quecksilbersäule emporschoß war unglaublich, wir suchten jeden Windhauch, während der Fahrt waren die Fenster heruntergelassen. Da schmerzten die unzähligen Mückenstiche des Abends doppelt. An die möglichen eher kürzeren Wanderungen durch insbesondere waldreichere Teile des Nationalparks war dabei nicht zu denken, sondern die Devise lautete : möglichst nicht bewegen. Aber wie will man dann etwas Neues sehen?
Der Kakadu National Park ist mit seiner Größe von fast 20.000 Quadratkilometern, grob gesprochen etwa 100 Kilometer breit und 200 Kilometer lang, der größte NP in Australien hält seit 1992 für das gesamte Areal – ausgenommen Flächen im Osten des Parks, in denen seit einigen Jahrzehnten Uran abgebaut wird, was auch immer wieder zu Konflikten mit den Interessen der traditionellen Eigentümer führt – den Weltkulturerbestatus. Man trifft hier auf unterschiedliche Landschafts- und Vegetationsformen, die bei Mongroven an der Küste beginnen, in die Wetlands übergehen, flood plains/Überschwemmungsgebiete, die nach der Regenzeit extreme Ausweitungen erfahren und durchaus auch 20 Kilometer Breite erreichen können, dauerhafte Sümpfe, mit offenem Busch-/Savannenwald bewachsene große Ebenen und in Richtung Osten quasi als Begrenzung, dem Arnhem Land zu, steil aufragende Sandsteinfelsen einer Hochebene, die 50 bis 400 Meter über NN liegen. Aus der Verwitterung dieser Fläche bestehen einige Felsformationen im Randbereich zum Arnhem Land, die von besonderer kultureller und spiritueller Bedeutung für die traditionellen Eigentümer des Landes sind. Die traditionellen Eigentümer sind auch heute wieder Eigentümer, sie haben ihre Landrechte zurück erhalten und, analog zum Uluru NP, das Land an den Staat für 99 Jahre zum Erhalt des Nationalparks verpachtet. Ihre Dörfer im Park bleiben ebenso erhalten wie sie ihre angestammten Rechte z.B. auf die Jagd nicht aufgegeben haben. Damit dies im Einklang mit den Zielen sowohl der Parkverwaltung als auch den Traditionen und Gesetzen der hier ansässigen Stämme geschieht, wird der Park praktisch von beiden Seiten gemeinsam verwaltet, gesteuert. Ein großer Teil des Artenreichtums Australiens ist hier versammelt, wobei die genannten Zahlen nicht immer identisch sind, alle aber sehr deutlich machen, daß in toto zwischen 50 und 70 Prozent aller in Australien anzutreffender Vogelarten hier anzutreffen sind, bei den Fischen sind es etwa 25 Prozent. Wenn es dann auch heißt, hier seien um die 100 verschiedene Reptilienarten beheimatet, manche davon ausschließlich, dann verwundert das kaum noch. Die Vielseitigkeit der Landschaft gepaart mit dem vorhandenen Artenreichtum machen Kakadu NP als Ziel interessant, zumindest die Beschreibungen des Parks wecken die Lust, ihn zu bereisen. Wenn dann auch noch einzelne (zwei bis drei) der an die 5000 Stellen mit Felsmalereien, die 20.000 Jahre und älter sein sollen, zugänglich sind – derartige Orte sind bei der Urbevölkerung heilige Orte, zu denen Fremde eigentlich keinen Zutritt haben sollen –, gibt es kaum ein Argument, hier nicht zwei-drei Tage zu verbringen.
Das alles gelesen, Empfehlungen zu einem Besuch erhalten, haben wir uns hierhin auf den Weg gemacht. Wenn wir gewußt hätten, unter welchen klimatischen Bedingungen wir reisen müssen, welche Einschränkungen auch einige Wochen nach dem Ende der Regenzeit noch bestehen, würde die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen sein. Die Sperrung einzelner Streckenabschnitte, meistens tief in den Park hinein und nur mit 4WD zu befahren, haben wir zur Kenntnis genommen, betrifft uns ja nicht; weniger aufmerksam waren wir bei der Einschätzung der derzeit nicht zugänglichen Wanderstrecken. Auch wenn die Hitze längere Wanderungen nicht zulässt, um einige der Wasserlöcher wären wir schon gerne herum gelaufen, um nach den hier zahlreich beheimateten Vögeln auszuschauen. So nach und nach wir deutlich, weshalb einige insbesondere wassernahe Strecken nicht gelaufen werden dürfen : die Krokodile, die mit der Ausdehnung der Gewässer während der Regenzeit weit von ihrer ursprünglichen “Heimat” sich aufhalten, sind u.U. noch immer in diesen Regionen, stellen also ein Gefahr für die Wanderer dar. Mit Hilfe von Fallen versuchen die Ranger, diese Tiere einzusammeln, um sie dann in den Flüssen wieder auszusetzen. Da sie unter Artenschutz stehen, können sie nicht erlegt werden. Insgesamt ergeben sich daraus einige ärgerliche Einschränkungen unserer Pläne, die Hitze hilft, dies zu verschmerzen, ersparen wir uns doch Schweißduschen.
Von unserer Lodge am Mary River sind es einige Kilometer bis zum Parkeingang, die, rückblickend betrachtet, uns nicht durch eine wesentlich andere Landschaft führten als im zumindest ersten Teil des Parks; auch hier tauchten immer wieder Feuchtgebiete, Wetlands auf.
Dann erreichen wir den Parkeingang, nicht ganz 200 Kilometer sind es von Darwin bis hierher.
Als wären wir nicht genug über die Alligator/Krokodilgefahr informiert worden, alle Nase lang überqueren wir einen Alligator River, seinen West Arm, den East Arm, als Creek, als Fluß. Trotz schärfsten Hinblickens bei der Querung einer Brücke über diese nicht immer schmalen Flüsse konnten wir kein Tier erkennen, das dem Fluß seinen Namen zur Verfügung gestellt hat.
Auch wenn Katrin bei jeder Brückenüberfahrt angestrengt nach Schemen eines Krokodils Ausschau hält, zum Picknickplatz direkt am South Alligator River sind wir dann doch nicht abgebogen. Unser erster Stop war im Vergleich dazu eher harmlos, denn die Mamukala Wetlands sind in bestimmten Jahreszeiten ein Vogelparadies, kein Wunder, wenn man sich die enorme Ausdehnung dieser Feuchtgebietes ansieht. Vögel sahen wir von einer großen Beobachtungsplattform aus keine, die beste Zeit hierfür ist in der späten Trockenzeit ab September, dafür aber einen riesigen See voller Seerosen/-anemonen und erfuhren eine totale Stille über dem Wasser, Entspannung trotz oder wegen der Hitze in Vollendung.
Nach 110 Kilometern durch den Park auf dem Arnhem Highway beschaffen wir uns noch weitere Informationen im Bowali Visitor Centre, bevor wir an die Grenze des Parks zum Arnhem Land nach Ubirr, am East Aligator River, weiterfahren, denn dort gibt es “Rockart” der Aborigines zu bestaunen. Eigentlich hatten wir vor, um 16 Uhr an einer Führung durch die Felslandschaft teilzunehmen und auf den Sonnenuntergang zu warten, entschieden uns vor Ort jedoch dann um, damit wir nicht mehr als zwei Stunden in der Affenhitze warten müssen.
Auf der Anfahrt nach Ubirr müssen wir kleine Furten durchfahren, worauf wir sogar in Darwin hingewiesen wurden, die Wasserhöhe von 20 Zentimetern bereitete uns keine Probleme, vielmehr wurde der Unterboden einmal gründlich gewaschen, eigentlich insgesamt viermal.
Mit der Annäherung an das Ziel tauchen auch Sandsteinfelsen und Bergzüge entlang der Strecke auf, manchmal auch eine besondere (Gesichts-)Form aufweisend, bestimmend für Arnhem Land. Dem gegenüber dann weit ausgedehnte Wetlands im Westen.
unspektakulär der “Empfang” an dieser berühmten historischen Stätte, zu der sich zumindest jetzt wenige Besucher verirrt haben. Es soll in der Hauptsaison im Juni/Juli völlig anders sein wurde uns versichert. Gut so für uns, denn wir können in Ruhe und ungestört die vier Orte ablaufen, an denen unter Felsvorsprüngen oder durch Überhänge geschützt Felszeichnungen sichtbar sind, die in ihrer untersten Schicht in Teilen auf bis zu 3.000 Jahre zurück datiert werden können. Das Gros der Zeichnungen, so können wir lesen, stammt aus der “freshwater period”, also einer Zeit genügender Wasserversorgung auf dem Kontinent, d.h. aus den letzten 1.500 Jahren. Die gut gedeckte Tafel mit den zahlreich abgebildeten Fischen sind ein Beleg dieser guten alten Zeit. Auf den ersten Blick erstaunlich, in welch guter Verfassung sich die Zeichnungen heute noch befinden. Auf einer Führung am 25.5. und durch Erläuterungstafeln wurde uns klar, daß es entsprechend den Gesetzen der Urbevölkerung, des hier lebenden Stammes zulässig ist, die vorhandenen Zeichnungen detailgetreu zu “erneuern”, ein Verfremden war nicht erlaubt. Diese Auffrischungsarbeiten dürfen nur von bestimmten dazu auserwählten Personen ausgeführt werden. Auch der Zeitpunkt wird von den Oberhäuptern der Sprachgruppe/des Stammes/Volkes festgelegt. Durch Röntgenaufnahmen hat man an einigen Stellen ermitteln können, wie zahlreich die Übermalungen im Verlaufe der vielen tausend Jahre sind, an anderen Orten kann man von einigen zehntausend Jahren sogar sprechen.
Wir konnten hier nur herum gehen und staunen, lesen, welche der sichtbaren Figuren welche Bedeutung in der Mythologie des Stammes hatte, welche “Geschichte” mit den Bildern erzählt wurde, wozu sie dienen (z.B. Erziehung der Kinder, Warnung vor dem bösen Mann, hier Krokodil, Schlange etc.). Erkennbar war für uns, daß oft die Dinge abgebildet wurden, die mit dem Speiseplan zu tun haben, verschiedene Fischarten z.B., Schildkröten, Krokodile; manchmal gab es auch Szenen mit Menschen, die von uns nicht ausgelegt werden können, erkennbar waren aber Abbildungen von Jägern, die einen Speer in der Hand halten. Ganz überraschend dann auf einer sehr großformatig bebilderten Wand zwei Figuren, die nach den Angaben auf einer Erklärungstafel erst entstanden sein können, nachdem es Kontakt zu “Weißen” gegeben hatte, denn die Figuren sind in weiß gehalten, von denen eine eine Pfeife (?) rauchen soll.
Natürlich wäre zu den wichtigsten Zeichnungen eine ergänzende Erläuterung äußerst hilfreich gewesen, denn ob unsere Erklärungsversuche, Deutungsversuche überhaupt etwas mit dem zu tun haben, was der Bilderschaffer, sein Stamm damit ausdrücken wollten, wissen wir nicht. Selbst das Wissen derjenigen, die uns die eine oder andere Erklärung liefern besitzen dies nur, weil ihnen diese Informationen von Personen des Stammes zur Verfügung gestellt wurden. Da die Aborigines auf eine mehrere 10.000 Jahre umfassende Kultur- und Stammesgeschichte zurückblicken können, über die nur eine mündliche Überlieferung besteht, die jedoch sehr strengen Regeln unterliegt und deshalb wahrscheinlich sehr nah an der Wahrheit liegt, dürften die wenigen vorhandenen Erklärungen dann auch den Intentionen der Schaffer der Werke entsprechen. Das Leben der Aborigines in ihren Stämmen unterliegt sehr klaren Regeln und Gesetzen; Außenstehende in die Geheimnisse der Vorfahren, die in der Vorstellung der Aborigines immer noch als Geist unter ihnen weilen, einzuweihen, wäre ein enormer Gesetzesbruch. Dies zu verhindern dient wohl die Strategie, daß die volle Geschichte des Stammes, alle Erklärungen von Bräuchen, Herkunft, Beziehungen etc. nur wenige Auserwählte kennen, die diese Bewahren und irgendwann neuen Auserwählten in jahrelangen Sessions vermitteln. Folglich kann man unterstellen, das was bekannt über die Figuren ist, ist auch durch die Geschichte(n) unterfüttert. Mehr zu erfahren hätte wirklich viel Sinn gegeben, aber in der Hitze mehr als zwei Stunden zu warten, das Opfer war uns zu groß. Einen Tag später sind wir schlauer, denn unser Ranger meinte, diese Führung wäre für uns ein Gewinn gewesen, da auch durch einen Aborigin durchgeführt. Tja, dumm gelaufen. Da blieb dann nur noch der große Rundblick vom höchsten Punkt dieser Art-Site in die Ebene.
Dann machten wir uns auf den 40 Kilometer Rückweg, um auf einem Campingplatz in Jabiru einen Stellplatz zu ergattern. Im Park zu campen ist an mehreren Stellen möglich, wenn man jedoch gerne einen Stromanschluß haben möchte, schrumpft die Anzahl auf vier Plätze zusammen. Der nächste nach Jabiru würde weitere 50 Kilometer Fahrt bedeuten. Am Straßenrand konnten wir dann in der Nähe von Jabiru sehen, wie mit partiellem kontrollierten Brand entsprechend den Regeln der Eigentümer das Land “aufgeräumt” wird, überflüssiges Gewachsenes dabei verbrennt, um eine bessere Grundlage für neues diversifiziertes Pflanzenwachstum zu schaffen. Und oben in den Ästen saßen die Raubvögel und warteten darauf, daß der eine oder andere Happen vor dem Brand flieht.
Fledermäuse haben wir öfter schon gesehen, aber die hier am Abend aus Bäumen rund um unseren Campingplatz dann aufbrechenden Vögel hatten nach unser ersten Einschätzung wenig mit den Fledermäusen gemeinsam, einzig die Flügelform war sichtbar identisch. Ihre Flügelfrequenz entsprach eher der eines Storchen, d.h. einem großen Tier, und groß waren die Vögel, die wir hier sahen auch. Ihre Länge würden wir auf 30-40 Zentimeter schätzen, der Rumpf war kräftig ausgefallen. Zu hunderten starteten sie fast gleichzeitig in mehreren Wellen von ihrem Ruhebaum in die Ferne, ein beeindruckendes Bild. Auf Nachfrage am Campingplatzbüro wurde uns bestätigt, daß diese Vögel Fledermäuse seien.
Vielleicht ist auf deren Existenz hier in Jabiru die verschwindend geringe Anzahl festgestellter Mücken zurück zu führen, denn dieser Abend draußen zu sitzen war eine Erholung, der Camper wies auch nach Einbruch der Dunkelheit Saunatemperatur auf.
Heute haben wir in unserem Camperleben eine ganz neue Erfahrung gemacht. Nicht der Preis für einen Stellplatz, der happig war, ist erwähnenswert sondern die Tatsache, daß mit jedem Stellplatz ein eigenes Bad mit allem drum und dran verbunden war – campen wie Gott in Frankreich!