In der Nacht vom 6. auf den 7.11. ließ der Starkregen nach und am früher Morgen fiel kein Tropfen mehr. Die Region bietet genug Möglichkeiten in den zahlreichen Naturparks zu wandern, Grund vor Ort zu bleiben und nicht weiterzufahren. Einzig der uns nicht mit Bargeld versorgende Geldausgabeautomat der örtlichen Bank und die geringen vorhandenen chilenischen Bargeldbestände machten Fahrt zur Bargeldversorgung in das 90 Kilometer entfernte Temuco notwendig.
Auf der Suche nach dem lokalen Tourismusbüro fielen uns mehrere Hinweise auf Hostels auf; dem ersten gingen wir sofort nach und stießen auf ein sehr empfehlenswertes Hostel, Epu PeweN, in dem wir uns sofort für zwei Nächte einquartierten. Das gelöste Quartierproblem gab uns die Chance, statt nach Temuco direkt in den Nationalpark Tolhuaca, gute 30 Kilometer nördlich gelegen, zu fahren, in dem einige schöne Wanderwege existieren. Und wir wurden nicht enttäuscht.
In der Region gibt es, auf Grund der besonderen geologischen vulkanischen Situation zahlreiche Thermalquellen und –bäder. Auf dem Weg zum Park stießen wir auf eine derartige Einrichtung mit einem Außenbecken in einer Anlage, die früher bessere Tage hatte, da der Gesamtkomplex sichtbaren Renovierungsbedarf hatte. Mit Blick auf die fast auf Null gesunkenen Bargeldbestände entschieden wir dann trotz im Wagen vorhandener Badeausstattung, den Thermenbesuch zu vertagen. Stattdessen machten wir uns auf den mit 1 1/2 Stunden einfache Wegstrecke ausgewiesenen Wanderweg zur Laguna Verde. Vorbildlich die Wegmarkierung, zumindest am Einstieg in den Weg; später erübrigten sich wohl weitere Markierungen, der schmale Fußweg leitete den Wanderer vorzüglich. An der Tafel am Streckenbeginn war die Weglänge mit 2 Kilometern angegeben, eigentlich auf einem Bein zu bewältigen in der angegebenen Zeit. Es ging unter einem grünen Blätterdach anfangs stetig bergauf,manchmal mußten wir auch über Baumstämme klettern, uns über das Geröll eines Bachbettes “hocharbeiten”, die ersten Araucariebäume wurden gesichtet, denen immer mehr folgten. Wir fühlten uns wohl, das Wandern machte so richtig Spaß und zu unserem Glück blieb es trocken, teilweise konnte man die Sonne durch die Wolkenlücken erahnen. Nach etwa einer Stunde bergangehen kamen erste Zweifel auf, ob wir auf dem richtigen Weg uns befinden, 2 Kilometer, die sind doch schon längst hinter uns. Da wir uns an eine Weggabelung nicht erinnern konnten blieb nur die Schlußfolgerung, dem richtigen Weg zu folgen – Angaben können auch fehlerhaft sein, siehe unsere Versuche der Passüberquerung in den vergangenen Tagen. Irgendwann, es müssen gut 1 1/2 Stunden vergangen sein, hörten wir ein immer stärkeres Geräusch eines bergabfließenden Baches – dann kann die Quelle und vermutlich der See nicht weit sein. Schließlich waren wir am Ziel, an einem idyllisch von hochstämmigem Wald, in der Mehrzahl Araucariebäume umsäumten kleinen Bergsee, in dem sich wenige Enten tummelten, ansonsten war hier eine herrliche Ruhe. Wir freuten uns, nicht nur, das Ziel erreicht zu haben, sondern so etwas ruhiges, friedliches und schönes zu Gesicht bekommen zu haben, der Tag war bereits jetzt ein Erfolg.
Die Zeit des Rückweges stoppten wir und als wir feststellen mussten, trotz schnellem Gang 50 Minuten gebraucht zu haben, war die ursprünglich angegebene Weglänge als fehlerhaft entlarvt. Es müssen eher 4-5 Kilometer sein, so unsere Schätzung, aber für uns war nicht die Länge, sondern das Erlebnis von Bedeutung.
Die Weiterfahrt durch den Nationalpark führte uns an immer neuen Baumriesen vorbei an eine große Laguna, die Laguna Malleco, die wir bereits durch die Bäume während unserer Wanderung in weiter Ferne ausgemacht hatten. Schon bald hinter dem Parkende breiteten sich größere Ackerflächen ebenso aus wie riesige abgeholzte Areale, die jetzt brach lagen. Uns begegneten zahlreiche LKWs mit Hängern, voll beladen mit Holzstämmen – hier wurde offensichtlich der Baumbestand drastisch reduziert und zu Geld gemacht. Später bemerkten wir, daß zumindest auf einigen der abgeholzten Flächen eine Wiederaufforstung stattgefunden hat. Dann wiederum stießen wir auf lange Alleen sehr hoher und sehr schlanker Bäume, bei näherem Hinsehen stellten sich diese als Eukalyptusbäume heraus, die plantagenartig angepflanzt und, wie an den abfahrenden LKWs ersichtlich war, ebenfalls großflächig gefällt wurden. Wie wir später erfuhren, verkaufen die Landwirte ihre ausgelaugten Äcker an die Holzindustrie, die dann dort Plantagen mit schnellwachsenden Pinien und Eukalyptusbäumen anlegt.
Die vom Park in die rund 55 Kilometer entfernte Stadt Victoria führende Straße war die übliche Schotterstraße, bei der an Schlaglöchern nicht gespart worden ist. Um so erstaunter waren wir, als an unserem haltenden Wagen ein Holztransporter vorbeistob, bei dem sich ein etwa 4m langer Stamm schon fast zur Hälfte herausragte und drohte auch vom Hänger zu fallen. Wir hinterher und nach etlichen Kilometern, die der LKW zum Teil mit Tempo 70 auf dieser Strecke zurücklegte, konnten wir ihn endlich überholen und auf sein Ladeproblem aufmerksam machen. Für uns erstaunlich, wie sorglos hier geladen wird; Zurrgurte sind zumindest bei den gesehenen Holztransportern wohl unbekannt, denn am Weg liegende Stämme zeugten davon, daß auch andere Transporter bereits Lasten verloren hatten.
Autobahnen und der Verkehr darauf sind bei uns streng reglementiert; wer dies auf hiesige chilenische Verhältnisse übertragen will, irrt. Nun hat sich sicherlich auch bei uns einmal ein verwirrter Radfahrer auf eine Autobahnauffahrt verirrt, hier in Chile scheinen jedoch Radfahrer auf diesen Pisten nicht zwingend die Ausnahme zu sein, und schon gar nicht bei Fahrten entgegen der Fahrtrichtung. Fußgänger nutzen auch die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, d.h. sowohl Überquerungen der Fahrbahnen trotz teilweise aufgestellter Zäune zwischen den beiden Richtungsbahnen finden in bemerkenswerter Zahl statt wie auch das Nutzen der Fahrbahn als Fußweg. Schließlich scheinen die Autobahnen ein guter Treffpunkt zu sein, wenn man für eine Mitfahrt verabredet ist, wie zahlreiche am Rande wartende Bürger belegen. Andere Länder, andere Sitten, hier muß wohl mit allem gerechnet werden.
Temuco haben wir kurz zum Geldtanken besucht, so interessant soll die Stadt auch nicht sein, um hier Stunden zu verbringen. Am Abend nutzten wir dann die Küche unseres Hostels und konnten seit langem endlich einmal etwas anderes als die sattsam bekannten Restaurantspeisen genießen.
Freitag den 8.11. hatten wir uns vorgenommen, im südlich von Curacautín gelegenen Nationalpark Conguillio eine mehrstündige Wanderung in Richtung der Berggruppe Sierra Nevada zu unternehmen, ein Weg, der als wunderschöner Aussichtsweg mit Blick auf den Lago Conguillio und den Vulkan Llaima beschrieben wird. Die Absicht zu dieser Wanderung konnten wir nicht umsetzen, denn wer läuft schon gerne stundenlang bergauf, um dann in Wolken zu stehen und das gewünschte nur vor dem inneren Auge wahrzunehmen? Während der Anfahrt auf den Nationalpark sank die Wolkendecke zunehmend, vom Vulkangipfel war nichts wahrzunehmen. Dennoch, die Fahrt in und durch einen guten Teil des Parks waren ein Gewinn. Immer wieder gingen die Augen nach oben und suchten die Baumkronen der Riesenbäume, die hier im Park in sehr großer Zahl stehen. Es war wie im Urwald, denn der Park und sein Baumbestand wird sich selber überlassen. Manchmal sah man von der Piste aus die Riesen flachgelegt und verfaulend. Auf einem kleinen Rundweg durch einen nahezu ausschließlichen Araucarienbestand waren wir den alten Bäumen dann greifnah, konnten seine sehr dicke schrundige oft als Fünfeck ausgeprägte Borke deutlich sehen und fühlen, sammelten ausgeworfenen Samen und versuchten, die Baumhöhen zu schätzen.
Der Vulkan Llaima gehört zu den regeren seiner Art; zuletzt ist er am 1.1.2008 ausgebrochen; auf der Fahrt durch den Park kann man sehr deutlich die Bahnen sehen, die das Lava damals genommen hat; auch entfernt von der eigentlichen Flußstrecke hat der Baumbestand nicht unerheblich gelitten, wie verkohlte Stämme zeugen.
In der Hoffnung auf Wetterbesserung haben wir die Wanderung nur aufgeschoben.
Das war ein Tag, der 9.11., ein Tag, den man sich an die Wand hängen kann! Damit sind nicht Ereignisse gemeint wie der Matrosenaufstand 1917 oder der Mauerfall 1989, sondern unser Tag hier in Curacautín und dem angrenzenden Nationalpark Conguillio. Zwar schien früh morgens keine Sonne, aber die Hoffnung bestand auf einen Anstieg der Wolkendecke. Als wir uns dann um 10:00 Uhr auf den Weg in den 35 Kilometer entfernten Park machten gab es Hoffnung aber keine Gewißheit auf einen ungestörten Blick auf den Llaima. Aus dem Ort fahrend hatten wir endlich freien Blick in Richtung Süden und waren mehr als überrascht, denn wir sahen nicht nur den ganzen Vulkan in stolzer Größe, sondern bis weit hinunter an den Fuß in der Ebene war Weiß zu erkennen – es hatte kräftig geschneit und so kamen wir in den Genuß eines märchenhaften Bildes. Unten im Ort war es in der Nacht zwar ziemlich kalt, etwas über Null Grad wies die Vorhersage aus, aber es war trocken geblieben. Schön, wenn dann wenige Kilometer entfernt das Wetter eine so überraschende Wendung nimmt. Nicht nur der Llaima, sondern auch die übrigen sichtbaren Vulkane wie der Lonquimay, der Lanin viel weiter im Süden und die Sierra Nevada trugen reichlich Neuschnee. Auf der Fahrt in den Park konnte zumindest ich mich an dem tollen Bild nicht sattsehen.
Geplant war eine Wanderung beginnend am südöstlichen Ende des Lago Conguillio hinauf auf Aussichtspunkte in der Sierra Nevada, um von dort einen, wie beschrieben, unglaublichen Blick über See und Araucariewälder auf den Vulkan zu haben. Und das war nicht zuviel versprochen. Wir gingen mehr oder weniger stetig durch eine Art Märchenwald bergan, in dem Monsterbäume zu Hauf standen, nicht alle bei bester Gesundheit, will sagen, aus unerfindlichen Gründen waren einigen die Kronen abhanden gekommen. Aber ihre Baumstammumfänge, wir schätzten auf 1,50-2m in vielen Fällen und die Stammhöhen, die auf kein Bild zu bannen waren, imponierten. Der Wald wird sich selbst überlassen als Naturpark, weshalb Leben und Tod nebeneinander immer wieder Platz haben, umgestürzte Bäume von noch gesunden aufgefangen und gehalten werden oder kreuz und quer liegen und langsam sich zersetzen. Der hier durchwanderte Wald war ein Mischwald, in dem neben den häufig anzutreffenden Araucariebäume auch Buchen stehen.
Fast während der gesamten Wanderung vernahmen wir nur naturnahe Geräusche wie fließendes Wasser, herabstürzende Bäche, Vogelgezwitscher, Blätterrauschen und auch das Pochen eines, nein es waren erkennbar drei verschiedene Spechte. Hoch oben, leider oft sehr gut durch die Blätter verdeckt, bearbeiteten die Vögel das Holz. Ihr “Klopfen” war deutlich zu hören, selbst von mir, jedoch die Vögel finden? Dank Katrins guter Augen entdeckten wir den Arbeitertrupp, der sich von den Menschen dort unten auf dem Weg nicht abhalten oder verscheuchen ließ.
Wie wir am ersten größeren Aussichtspunkt feststellten, waren wir nicht die einzigen auf dem Weg. Wir trafen dort vespernd eine Schulklasse auf ihrer Abschlußfahrt an, im Verlaufe des Tages begegneten uns darüber hinaus auch mehrere Wanderer aus deutschsprachigen Ländern, die sich fast ausnahmslos durch ihr “Hallo” und keine spanische Begrüßung zu erkennen gaben.
Nach etwa 1 3/4 Stunden Anstieg hatten wir den Kamm eines Bergrückens erreicht, auf dem wir zum abschließenden Aussichtspunkt, der dem Vulkan und seinen beiden Kegeln genau gegenüber liegt, wandern wollten. Das Schnee gefallen war, hatten wir ja gesehen, jedoch war uns nicht klar, bis auf welche Höhe der Schneefall reichte. Und dann trafen wir, mit normalen Wanderschuhen ausgerüstet, auf die ersten kleineren Schneefelder, die sehr langsam wegen des ziemlich abschüssigen Geländes überquert wurden. Zuerst wechselten sich die durch Bewuchs geschützten und praktisch schneefreien Flächen mit den ausgesetzten und stark beschneiten Flächen ab. Dann ganz oben auf dem Kamm lag vor uns nur noch eine weiße Fläche, in die wir uns hineinarbeiteten. Immer wieder konnten wir die Sicht auf den Vulkan genießen, bemerkten aber gleichzeitig, wie der Schnee trotz besten Bemühens den Weg in die Schuhe fand und wir nasse Socken bekamen. Nach einer guten 3/4 Stunde Stapfen im Schnee ohne Aussicht auf grundlegende Besserung, denn der angepeilte Aussichtspunkt lag auch auf einer sehr ausgesetzten Stelle des Kamms, entschieden wir, die letzten vor uns liegenden wenige hundert Meter uns zu schenken, denn deutlich besser als der vom aktuellen Punkt ermöglichte Blick über See, Wald und Vulkan dürfte weiter vorn nicht zu erwarten sein, umzukehren. Ein, wie sich herausstellte sehr guter Entschluß.
Gut eine viertel Stunde später bemerkten wir über uns zwei große Vögel, die fast ohne einen Flügelschlag ihre Kreise am Himmel zogen; einer von ihnen ließ sich bald talwärts gleiten, der andere zog weiterhin erst große, dann über uns immer kleinere Kreise, kam im Flug immer tiefer und ließ sich dann etwa 200m entfernt auf einem Araucariebaum nieder. Von uns aus schwer auszumachen, um was für einen Vogel es sich handelt, getippt wurde auf einen Geier, denn Kondore sollen ja einen roten Dutt auf dem Kopf haben, den wir jedoch nicht wahrnehmen konnten. Leider platzierte sich der Vogel für die Kamera so ungeschickt auf seinem Baum, daß er uns förmlich den Rücken zuwandte und die “Nase in den Wind drehte”. Schade, denn den Kerl auf die Platte zu bannen war so kaum möglich. Ab und an hob er die Flügel an aber offensichtlich nicht, um wieder abzuheben, worauf der Fotograf wartete, sondern wohl nur, um sich etwas Wind unter die Federn blasen zu lassen. Nach mindestens 5-minütiger Warterei gingen wir davon aus, daß dieses Flugobjekt für längere Zeit in Parkposition gebracht worden war und gingen unseres Weges. Katrin, oft mehr als einen Schritt voraus, während ich immer wieder Ausschau nach rechts oder links nahm, wartete bald auf mich um zu berichten, daß in einem Abstand von vielleicht zwei Metern ein riesiger wohl ähnlicher Vogel auf einem Baum regungslos vor ihr über Minuten gesessen hätte, um dann den Abflug zu machen. Also waren uns an diesem Tag drei sehr große Vögel begegnet.
Am Abend in unserem Hostel zeigte ich die wenigen Bilder, die möglich waren, den Mapuche-Hostelbetreibern, um eine Antwort auf die Frage Geier oder was zu erhalten. Wir wurden aufgeklärt, daß in dieser Region der Anden Geier nicht vorkämen. Ein Blick auf die Fotos und dann anerkennende Äußerungen. Wir hätten wirklich Kondore gesichtet; daß diese Vögel uns so nah herangelassen hätten, sei kein Normalfall. Aus Mapuchesicht hätten die Vögel uns quasi begrüßt und uns ihren Respekt bezeugt. Gleich wie die Sichtweise der naturverbundenen Mapuche ist, wir freuten uns riesig, diese Vögel über so lange Zeit beobachtet und gesehen zu haben.
Der Tag war somit ein besonderer für uns, tolle Wanderung in beeindruckender Landschaft, freier Blick auf einen sonnenbeschienenen schneebedeckten Vulkan, eine imposante Berglandschaft darum herum und die Begegnung mit drei Flugobjekten, die sich als Kondore herausstellten. Was will man mehr an einem Tag?
Am Abend trafen wir dann im Hostel auf neue Gäste, von denen zwei sich als auf der Fahrt in den Park gesichtete Radfahrer herausstellten. Hatten wir den beiden am Straßenrand stehenden Sportlern bereits beim Vorbeifahren durch den hochgereckten Daumen unsere Anerkennung signalisiert, wuchs unsere Hochachtung im Verlaufe eines abendlichen Gespräches mit dem aus dem Elsaß stammenden Paar. Im Verlaufe von 7 Monaten hatten die beiden Teile von Peru und Bolivien durchfahren und sind die Anden entlang in Chile und Argentinien – unter Einschluß der Halbinsel Valdez in Argentinien (!) – bis tief in den Süden nach Ushuaia geradelt; jetzt quasi auf einer Zwischenetappe wieder im Seengebiet gelandet, um in etwa zwei Wochen dann im Süden die Mutter der Radfahrerin zu treffen. Auf rund 10.000km seien sie gekommen mit ihren einschließlich Gepäck zwischen 40 und 50kg schweren Rädern. Übernachtung in der Regel im Zelt, auch bei deutlichen (20) Minustemperaturen, Verpflegung wurde mitgeschleppt und bestand in der Zeit meistens aus Reis, Nudeln und Fischkonserven. Vielfach seien sie auf sehr hilfsbereite Menschen gestoßen, hätten aber auch oft Unverständnis hervorgerufen – Unverständnis aus Unwissenheit, denn hier ist man ein armer Mensch, wenn er kein Auto hat, sondern mit dem Fahrrad herumfahren muß! Europäer, die sich kein Auto leisten können – hier ein Treppenwitz, wenig Verständnis dafür, daß es auch andere als konsumorientierte Lebensentwürfe gibt. Wie Allain und seine Frau uns erzählten, war dies nicht die erste und wird nicht die letzte monatelange Fahrradtour sein. Als nächstes Ziel steht Tadschikistan/Kirgisistan auf dem Wunsch- und Planungszettel! Und die beiden haben einen Elan – abends angekommen wird sofort für den nächsten Tag eine Besteigung des schneebedeckten mehr als 2700m hohen Lonquimay mit Pickel und Steigeisen, die hier im Hostel ausgeliehen werden können, in Angriff genommen, Abmarsch ist 06:30 Uhr. Dass Angebot, doch mitzukommen, haben wir dankend abgelehnt, obgleich wir bei den beiden bergerfahrenen in guten Händen gewesen wären, denn Allain kann allein 14 Besteigungen des Montblanc aufweisen.
Für den 10.11. hatten wir dann den Besuch des Nationalparks Malalcahuello und Nalcas mit seinem Hauptvulkan Lonquimay ins Auge gefasst. Bei seinem letzten Ausbruch 1988 ist hier ein zweiter junger Krater entstanden, zu dem wir wandern wollten. Am Park angekommen mussten wir feststellen, daß der Schnee weiter herabreichte als wir uns vorgestellt haben und der Weg für den vierstündigen Anstieg im wesentlichen durch die Geröllfelder alter Vulkanausbrüche führt, für dass Auge nach den vergangenen grünen Tagen eine Strafe, für den Wanderer bei starker Sonne ohne Schatten keine Freude. Wir hatten, wie uns die Elsässer am Abend berichteten, schon etwas verpasst, aber trockene Füße behalten. Stattdessen entschieden wir uns für die erste Hälfte des Weges “El Coloradito”, von dem aus in größerer Höhe immer wieder Blicke auf den Vulkan möglich sein sollen. Anfangs gab es auch, wie wir es von den Vortagen gewohnt waren, Wegmarkierungen, die sich jedoch dann im Nichts verloren. Wir stapften dann eine gute halbe Stunde über die letzte Markierung hinaus einem als solchen empfundenen Pfad nach, der sich entlang eines Baches nach oben schlängelte, bis wir vor einer nahezu undurchdringlichen grünen Wand standen. Ein weiterer Weg war weder zu erkennen noch zu erahnen – Konsequenz : Rückweg nach fast einer Stunde Gehzeit. Am Startpunkt dann angelangt bot es sich an, den Weg auf einen kleinen Nebenberg zu gehen, auf den wir uns dann auch machten. Es floß Schweiß, aber nach einer guten Stunde waren wir dann auf gut 1800m Höhe angekommen, genossen aber nur kurz die Sicht, denn vom Tal kam der Wind in starken Böen hochgeschossen. Auch wenn wir heute unser ursprüngliches Ziel nicht erreichten, wir haben dennoch einige schöne Wanderstunden erlebt.
Unsere beiden unkaputtbaren Elsässer hatten – selbstverständlich – den Vulkangipfel erreicht; dazu reichte ihnen die Zeit von 07:30-11:00 Uhr. Sie haben sich dann auf dem Gipfel und einer anderen Abstiegsroute auch über den jungen Vulkan einen schönen Nachmittag gemacht und kamen ohne Anzeichen einer besonderen körperlichen Anstrengung wieder im Hostel an.
Sowohl im Naturschutzgebiet des NP Conguillio als auch in NP Malalcahuello-Nalcas bestehen Skiarenen an jeweils einer Vulkanflanke mit jeweils drei relativ kurzen Liften an augenscheinlich problemlosen Hängen. Insbesondere am Eingang des NP Conguillio hat sich in der Vergangenheit eine rege Bautätigkeit entwickelt; eine größere Ansammlung von Cabanas/Hütten und eine gewisse Skiinfrastruktur mit Skischule, Restaurants, Sportshops etc. sind die Folge. Die umliegenden Ortschaften bis hin zum gut 25 Kilometer entfernten Curacautín profitieren von den Übernachtungsgästen im hiesigen Winter. Wie wir bei einer Kaffeeinkehr auf der Rückfahrt vom NP Malalcahuello-Nalcas in einer kleinen Hütte Cafe Aleman Augsburg von der Besitzerin, einer deutschstämmigen Chilenin erfuhren – Streuselkuchen von bescheidener Qualität, zwar Bohnenkaffe, aber in der Stärke den chilenischen Verhältnissen angepasst –, hat sich die Skisaison wegen stark reduzierter Schneemengen in den vergangenen 10 Jahren merklich um einen guten Monat verkürzt. Nach ihrer von uns natürlich unwidersprochenen gebliebenen Auffassung Ausdruck des Klimawandels. Kurze Wintersaison und eine ebenso kurze Sommersaison – das Leben der vom Tourismus Abhängigen dürfte nicht leicht sein.