Unsere nächste Fahretappe soll uns von Pucon über die argentinische Grenze nach San Carlos de Bariloche bringen. Da es auf dem Weg auch viel zu sehen gibt, sind wir entspannt gefahren und haben einen Übernachtungsstop in Junín de los Andes eingelegt.
Verlässt man Pucon fallen einem die an der Straße stehenden Häuser wohl stärker auf als in der Stadt. Augenscheinlich müssen einige Auswanderer aus dem Schwarzwald hier ansässig geworden sein, nicht wegen der auch hier erhältlichen Kirschtorte oder den sonstigen “Kuchen”, sondern weil öfter Häuser auffielen, deren Außenwände und das Dach mit Holzschindeln gedeckt sind. In Pucon selber haben wir ein größeres Hotelgebäude in dieser Außenhaut bemerkt, entlang der Strecke zum Paso de Tromen (1.207m) trafen wir derartige Häuser mehrfach an, die Krönung war jedoch ein kleines Kirchlein am Straßenrand in eben dieser Erscheinung.
Und nicht nur Schwarzwälder schienen hier eine neue Heimat gefunden zu haben, es gibt Hinweise auf bayrischen Ursprung und ein Mitbewohner unserer Hosteria in Pucon, ein Schweizer, meinte, nachdem er über Wochen von Peru, Bolivien und zuletzt die ebenso eintönige Atacama Chiles gereist ist, hier in Pucon und Umgebung fühle er sich so richtig wieder an die Heimat erinnert, es sei wie zu Hause – Wälder, Seen, Schnee und die Berge, wobei wir hinzufügen, statt schroffer Felsen wie bei den Eidgenossen dominieren hier die Vulkane. Auch wir hatten oft Assoziationen an das heimatliche Umfeld, sind also eher vom Grün als dem eintönigen Braun-Beige geprägt.
Auf dem Weg zum Paß begleitete uns lange Zeit der Vulkan Villarrica, heute ohne Wolkenkranz, und der die Region hier prägende Wald; nach wie vor heben sich immer wieder Araucarie durch ihre majestätische Größe heraus. Schnell erreichten wir den Pass, zuletzt bergan über eine Schotterstrecke. Die Grenzprozeduren, inzwischen haben wir fast Routine, brachten wir relativ schnell hinter uns. Der “Kultur”-/Komfortunterschied zwischen der chilenischen und der argentinischen Station war deutlich geringer als beim Paso de Pino Hachado.
Schon bei der Annäherung an den Pass tauchte immer wieder zu unserer Rechten, also südlich der Fahrtstrecke der Vulkan Lanin, der “Grenzvulkan”, auf; er begleitete uns nicht nur heute den ganzen Tag, da immer wieder sichtbar, sondern auch den folgenden Tag zu großen Teilen.
Während auf chilenischer Seite der NP Villarrica dem Schutz der Vegetation dieser Region dient, schließt sich auf argentinischer Seite der NP Lanin an, dem im direkten Anschluß die NPs Nahuel Huapi und Los Arrayanes folgen, so daß beiderseits der Andengipfel über eine Strecke von vielen hundert Kilometern eine Schutzzone besteht. Auf argentinischer Seite angekommen hatten wir zwei Optionen, einerseits nach Süden an die Flanke des Lanin zu wandern, was aber nicht in 2-3 Stunden zu bewältigen gewesen wäre, oder anderseits uns dem grenznahen Lago Tromen zuzuwenden. Aus zeitökonomischen Gründen fiel die Wahl auf den See, aber nicht nur, denn Katrin wollte hier, wie auch auf dem gesamten Reiseabschnitt die Wasserqualität und die Bademöglichkeit testen. Man kann sich dem See zu Fuß nähern, dauert nicht ganz eine Stunde, oder, wie es die offenbar bequemen Argentinier bevorzugen, per Fahrzeug. Letzteres hat den Vorteil, die ganzen Grillutensilien sowie Tisch und Stühle nicht den ganzen Weg mitschleppen zu müssen. Argentinier sind wohl Weltmeister im Grillen, denn so viele Grillstellen wie hier haben wir bislang noch nie gesehen. Und so wird dann mit Blick auf den See im Windschatten des geparkten Wagens das Feuer entfacht oder ein Grill in Betrieb genommen. Da stört es auch nicht, wenn im Nationalpark offenes Feuer verboten ist! So zogen dann Fleischdüfte auch in meine Nase – Katrin hatte schnell reißaus in Richtung Seeufer genommen und testete. Über hochgekrempelte Beine kam sie nicht hinaus – es fehlte nicht nur der Bikini, sondern auch der Mut, in diesem schneeschmelzkalten Wasser zu schwimmen. Gut so, denn bei den geprüften Temperaturen war ein Kälteschock nicht auszuschließen. Halten wir fest, a) der Lago Tromen war der erste Andensee auf diesem Reiseabschnitt, dem noch zahlreiche folgen werden; b) er liegt wunderschön eingebettet in der Bergwelt, ist teilweise von hohen Fels-/Bergwänden umgeben, ein traumhafter Anblick.
Während der Lago Tromen im wesentlichen noch von Wald umgeben ist, begleitete uns dann den Nachmittag über das sattsam bekannte Bild einer Buschsteppe, sattes Grün ade! Statt Bäume nun Pferde und Kühe, auch eine Art der Flächennutzung. Dem ersten See in Grenznähe wollten wir den Besuch des als märchenhaft gelegenen Lago Huechulafquen folgen lassen, zwar nicht direkt am Weg gelegen, aber was unternimmt man nicht alles, um die Badefreude von Katrin zu unterstützen. Da kann doch ein Umweg von 50 Kilometern nicht ins Gewicht fallen. Die auf den See gesungenen Lobeshymnen können bestätigt werden, sein erster wie auch die weiteren Eindrücke waren imposant. Gegen 16:00 Uhr trafen wir am Parkeingang ein, denn der See liegt – natürlich – im NP Lanin. Unser Ziel war, die dem See folgende Piste ca. 30 Kilometer bis zum “Hafen” Puerto Canoa zu fahren, eine Wanderung war, auch auf Grund des nahenden Abends nicht geplant. Katrin holte im Parkbüro ausführliche Informationen zu den Aktivitätsmöglichkeiten ein und kam dann mit zwei Eintrittskarten über jeweils 6.500 Arg. Pesos, das sind fast 20 Euro, zurück. Für die Fahrt zu dem kleinen Hafen auf einer öffentlichen Straße eine derartige Maut bezahlen – hier wohl üblich, in unseren Augen aber unverschämt und unverhältnismäßig, da das Ticket nur heute galt. Wo jetzt das Ticket mit Goldstaub bezahlt war galt es auch, sich den Park in Ruhe anzusehen, und so fuhren wir auch erst gegen 18:30 wieder durch die Parkpforte hinaus. In der Zwischenzeit konnten wir schöne Baumalleen durchfahren, durchquerten große alte Baumbestände, kamen an unzähligen privaten Campingplätzen der hier lebenden Mapuche vorbei, bestaunten immer wieder, wie es den Argentiniern gelingt, auf dem kleinsten Uferstück eine Grillparty zu feiern, standen an der Südflanke des Lanin ebenso wie an der Mole des Hafens, die einzig dazu diente, auf ein kleines Motorboot, Ablegezeit 15:00 Uhr – Rückkehr 16:50 Uhr, für eine Seerundfahrt steigen zu können, und wohnten Katrins Testreihe, 2. Badeversuch in mehr als drei Etappen bei. Katrin nahm das Risiko des Kältetodes in Kauf und versuchte mehrfach auf dem unangenehmen Kies ins Wasser zu gehen, kam dabei bis fast in die Schwimmlage bis sie einen Angler bemerkte, der sie wohl auch, um dann schnellstens Richtung Ufer zu stolpern, schließlich war der Bereich nicht als Nacktbadestrand ausgewiesen.
Um 19:15 Uhr kamen wir dann in Junín des los Andes an, gemäß Eigenwerbung die Stadt der Fliegenfischer und Hochburg für alles, was mit Angeln zu tun hat. Selbst die Straßenschilder dienen dazu, diesen Anspruch deutlich zu machen. Zumindest der abends von Katrin verspeiste Fisch, hoffentlich eine aus hiesigen Gewässern stammende Forelle, war von einer Qualität, die den Anspruch bestätigte.
Am Sonntag den 17.11. stand eine Fahrt an, die uns zu unzähligen Seen führte; die in den Reiseführern beschriebene große Rundfahrt mit 7 angesteuerten Gewässern stellten wir mit unserer innovativen Route, von A (Junín de los Andes) nach B (Bariloche) führende Strecke, weit in den Schatten. Um das Ergebnis und die Eindrücke des Tages vorwegzunehmen – ein See war schöner als der andere – oder waren alle nicht gleich beeindruckend? Wir hatten das Glück bei tollem Sonnenschein einen der u.E. schönsten Teile Argentiniens, seine Seeplatte, zu durchfahren und kamen aus der Begeisterung über das Gesehene nicht mehr heraus. Immer wieder mußte Katrin konstatieren, daß der heimatliche Königsee durch nahezu alle hier gesehenen Seen in den Schatten gestellt wird, traumhaftes Wasser, mal azurblau, mal grün, mal vor Sonne glitzernd,, mal im Schatten der hohen Bäume liegend, mal eng, mal weit, mal mit vernünftigem Wellengang, mal ganz glatt daliegend, mal mit Sandstrand, mal ohne oder nur über einen Kiesstrand zu betreten, mal von hohen Felswänden eingerahmt, mal waren es nur bewaldete Kuppen – und (fast) immer waren wir allein an unserem Aussichtspunkt auf die Pracht. Manche Zufahrt zu einem See war wohl zu eng, daß zu viele Grillfreunde sich die Mühe gemacht haben, auch hier ein schönes Picknickplätzchen zu ergattern; insbesondere in der Zeit bis gut 12:00 Uhr reisten wir ungestört von See zu See, danach wurde der Verkehr etwas dichter, aber immer noch mehr als erträglich. Einzig an wenigen Seen ballte sich das Aufkommen der Picknicker, hier traf man sich in größerer Zahl zum gemeinsamen Grillen.
Über das mangelnde Verständnis für Verbote, in den NPs offene Feuer anzuzünden, kann man sich nur wundern. Verbotsschilder stehen häufig in der Nähe möglicher und bevorzugter Grillplätze – allein sie entfalten keine Wirkung. Offensichtlich reicht des den argentinischen Grillfreunden auch nicht wenn sie in verschiedenen Gebieten ihrer wunderschönen Nationalparks feststellen, daß der alte Baumbestand einem Flächenbrand zum Opfer gefallen ist. Vom Tal bis hoch hinauf an den reinen Fels hat das Feuer alles vernichtet, nur spärlich wächst kleines Buschwerk nach. So am heutigen Tag nicht nur in unmittelbarer Nähe zum Rangerstützpunkt direkt am Paso de Tromen gesehen, wo der Wald mehrere Kilometer die Straße entlang hinauf in Richtung Vulcan Lanin nur noch aus Baumgerippen besteht; selbst die alten Araucarien waren nicht widerstandsfähig genug, dem Feuer standzuhalten. Sondern auch auf der Anfahrt zum Lago Lolog, bei der rechts und links unserer Piste alles was höher als zwei Meter war verbrannt war. Irgendwann wird dann kein Wald mehr in seiner ursprünglichen Form sichtbar sein, stellt sich die Frage, unter welchem Dach die Grillfreunde dann ihr Feuer entzünden.
Über jeden der Seen zu berichten, ist unmöglich, waren es doch ganz schön viele. In der Reihenfolge des Besuches waren wir am Lago Lolog, Lago Lacar (2 mal! – näheres später), Lago Meliquina, Lago Hermoso, Lago Faulkner, Lago Villarino, Lago Traful, Lago Correntoso, Lago Espejo, und als krönender Abschluß ging es dann gute 35 Kilometer am Lago Nahuelhuapi dem Tagesziel San Carlos de Bariloche entlang. Aber das Fazit ist eindeutig – es waren wunderschöne Eindrücke, immer wieder neu, immer wieder inspirierend, also einer der Tage, die für eine so lange Reise von Bedeutung sind. Und jeder See wurde getestet, Katrin in ihrer typischen Hockposition direkt am Uferrand, eine Hand im Wasser, um die Temperatur zu erfühlen. Nicht immer fiel das Urteil badetauglich, aber oft genug, um selber einen Versuch zu wagen. Nicht nur sichtlich erfrischt, sondern auch voller Freude am Erlebten kam Katrin dann zurück zum Auto.
Der zweite Abstecher zum Lago Lacar führte uns durch die Mapuche Gemeinde Curruhuinca an den Ort Quila Quina. Schöner fast leerer Strand obgleich es eine Bootsverbindung von der Seebrücke nach San Martin los Andes gibt. Die Zahl der sonntäglichen Gäste verlief sich auf dem großzügigen Strandgelände oder verschwand in den schön im Wald gelegenen Ferienhäusern. Wie so oft, gab es keinen direkten Weg, sondern es ging, wie immer über diverse Hügelkuppen und durch Täler um an das Ende des 12 Kilometer langen Sackweges zu gelangen zum Schluß steil bergab, für manchen der uns bei der Rückfahrt entgegenkommenden Mountainbiker eine Herausforderung am Lenker – steil, holprig, voller Schlaglöcher und steinig. Und wie immer an diesen Seen, ein wunderschöner alter Wald, in dem nur vereinzelt Flächen gerodet waren. Zu den Stille am Ufer passte dann auch die vielminütige Beobachtung einer 12-köpfigen Entenfamilie, wie sie aus dem Wasser an Land wanderte um dort in aller Ruhe im Gras nach Futter zu suchen. Eine schöne Pause für uns um die Mittagszeit.
Den ganzen Tag über blies ein ganz schöner Wind; dies störte uns nicht besonders, bewegten wir uns im wesentlichen an Seen, die tief in die Landschaft eingebettet und oft von einem schützenden Wald umgeben waren. Dies änderte sich, als wir am Lago Nahuelhuapi entlangfahrend immer wieder, um die Aussicht in Ruhe zu genießen, anhielten. Auf dem Wasser war ein schöner Wellengang zu bemerken, die Wellenkämme häufig gischtig, also eine gute Windstärke vier. Hier hätte segeln so richtig Spaß gemacht! Aber niemand war auf dem Wasser zu sehen – für hiesige Verhältnisse zu stark? Wohl nicht, denn auf einem anderen See hatten wir einen Surfer, natürlich im Neoprenanzug gesichtet, aber für den normalen Segler wohl noch zu früh im Jahr? Ich erinnere mich an Zeiten in Potsdam, zu der bereits im April angesegelt wurde.
Mehr wurden wir nach Bariloche hineingeblasen als das wir hineinfuhren; da das Touristenbüro sonntags bereits um 17:00 Uhr geschlossen hat, wir kamen erst gegen 18:00 Uhr an, machten wir uns an Hand der Hinweise im Lonely Planet auf die Quartiersuche und fanden schnell unser Nachtlagen für die kommenden drei Nächte in der Hosteria Portofino, zentral gelegen, komfortabel und zudem noch zu einem vernünftigen Preis.