Wenn wir heute am 20.11. Bariloche verlassen, kehren wir einer Gegend und Landschaft den Rücken, die zu bereisen, zu erwandern, anzusehen und anzufassen uns unheimlich viel Freude gemacht hat. Wir hätten noch mehr als nur einige Tage hier in argentinischen Seengebiet zubringen und verbringen können, allein der Abflugtermin im Januar und die vielen noch vor uns liegenden ebenso spannenden Reisestationen legen nahe, Abschied zu nehmen. Es war sehr schön hier und, wie Katrin sagte, allerliebst und wunderschön. Vor allem Katrin wird sich, das zeichnet sich schon jetzt ab, immer wieder an diese Zeit, in der fast nur die Sonne schien, es relativ warm war, Wind in Maßen – meistens – blies, zurückerinnern, denn bereits jetzt weist sie auf die von ihr so erwarteten völlig anderen Witterungsbedingungen im eigentlichen Patagonien hin, zu dem wir uns jetzt, wenn auch in kleinen Schritten aufmachen, den El Bolsón ist unser nächstes und zugleich relativ nahes Ziel.
Gemächlich ließen wir den Vormittag angehen und verabschiedeten uns von unserem kanadischen Herbergsvater erst nach 10:00 Uhr. El Bolsón liegt nur gute 120 Kilometer die RN 40 nach Süden gefahren, also nur eine geringe Annäherung an die Carretera Austral. El Bolsón, die Stadt, die sich als erste zur atomwaffenfreien Zone erklärt hat, bietet dem Trecker eine Vielzahl von Wandermöglichkeiten; darüber hinaus sollen hier die Bedingungen für Rafting außerordentlich gut sein, Grund genug, hier einen Zwischenstop einzulegen.
Und wieder wurde unsere Liste der besuchten Seen länger. Zuerst passierten wir, diesmal auf der Ostseite den Lago Gutiérrez, dann erreichten wir den Lago Mascardi. Geplant war, an ihm entlang durch den Nationalpark zum Örtchen Pampa Linda, gut 50 Kilometer see- und flußaufwärts,zu fahren, um von dort aus in gut 2 Stunden zu einer Schutzhütte am Vulkan Tronador zu wandern. Am Parkeingang angekommen wurde uns mitgeteilt, daß eine Zufahrt zum Tronador bis 14:00 Uhr möglich sei, von 16-18:00 Uhr wäre eine Rückfahrt möglich, da die gesamte Strecke immer nur im Einbahnverkehr zu befahren sei. Wir begannen den notwendigen Zeitaufwand zu kalkulieren und mussten feststellen, für die Wanderung bleibt keine Zeit, denn inzwischen war es nach 12:00 Uhr und die reine Fahrtzeit bis zum Ort Pampa Linda muß mit mindestens 1 Stunde je Strecke kalkuliert werden.. Im Dunkeln in El Bolsón auf Quartiersuche zu gehen wollten wir vermeiden. Zudem schien es eine Alternative zu geben, die Fahrt zum Lago Steffen.
Dieser liegt etwas mehr als 20 Kilometer weiter in Richtung El Bolson; das Hinweisschild war zwar kaum zu erkennen, aber durch die auf der Karte angegebenen Streckenkilometer der RN 40 konnten wir uns auf eine abzweigende Schotterpiste einstellen und sie rechtzeitig sichten. Allein die Anfahrt auf den Lago Steffen war ein Genuß, denn wir fuhren von der Höhe in ein Tal hinein und hatten dabei nicht nur einen Panoramablick auf den Lago Steffen, sondern zugleich auch auf den dahinter liegenden Lago Martin. Inzwischen war es 12:55 Uhr, der Parkeingang noch einige Kilometer entfernt und ab 13:00 Uhr wird die Straße – siehe oben – für den hineinfahrenden Verkehr gesperrt. Also im Grunde zu spät angekommen; Schlußfolgerung : den Streß, jetzt auf der Schotterpiste die letzten Kilometer hinzurasen tun wir uns nicht an – Abbruch des Versuchs.
Gemütlich ging es die letzten Kilometer in Richtung El Bolson. Plötzlich nahmen wir querab links einen großen Wasserfall wahr, ober am Bergkamm begann er und stürzte dann in Kaskaden nach unten, nicht immer sichtbar, da der Hand auch noch bewaldet war. Anhalten und abbiegen war eins, wir standen am der “cascade de virgen”, Näher heranzukommen war nicht einfach; der normale Zugang war gesperrt, wir versuchten es über den auf der anderen Bachseite liegenden “kirchlichen” Bereich, der durch einen Kreuzweg bergauf ebenso gekennzeichnet war wie durch eine kleine Kapelle am Ende des Weges. Der war dann auch zu Ende, denn ein Zaun versperrte das weitere Vorankommen, aber nicht uns. Solch kleine Hindernisse lassen sich doch überwinden und wenige Minuten später standen wir dann vor dem letzten Teilstück dieses mehrstufigen Wasserfalls.
Bei soviel Wasser glaubte Katrin einen Autowaschtag einlegen zu müssen und begann eine leere Wasserflasche mit Bachwasser zu füllen, um den seit fast zwei Monaten auf dem Lack lagernden Staub abwaschen zu können. Da hilft man doch, auch wenn das Ergebnis insgesamt noch verbesserungswürdig ist. Wir hoffen, daß der nun fast im Neuglanz dastehende Pickup keinen auf dumme Gedanken bringt.
El Bolsón ist, zumindest in der Zwischensaison, wie sie derzeit besteht, ein Eldorado für den Quartiersuchenden, denn er kann wählen. Und unsere Wahl fiel diesmal auf eine sehr große Cabana in Innenstadtnähe. Wobei Innenstadt bei einem 20.000 Einwohner großen Ort, der sehr flächenintensiv sich ausdehnt, zu viel Ehre ist, zumindest konzentrieren sich hier die kaum besuchten Lokale.
Unsere Herberge, Hostal und Cabanas, ist gut besucht; damit bestehen auch gute Voraussetzungen, an den Erfahrungen der anderen Gäste partizipieren zu können. Erstes Ergebnis, unsere Idee, einen Ausritt zu unternehmen – Raftingtouren finden mangels ausreichender Nachfrage nicht statt, wir zwei sind kein Anlaß, ein Boot zu Wasser zu lassen – nimmt am Abend konkrete Gestalt an, denn ein Gast, Rick aus den USA, will sich und sein Gepäck zu Pferd zum Ausgangspunkt einer 5-tägigen Rundwanderung bringen lassen und freut sich über Mitreitende. Wir nehmen die Chance wahr und werden somit Morgen zwischen 6 und 8 Stunden uns per Pferd gemächlich bergauf und bergab tragen lassen. Als wir uns hierzu entschlossen wussten wir noch nicht, wie lange diese Zeit auf dem Rücken eines Pferdes im Gelände sein kann!
Fast pünktlich kamen wir am Morgen (8:45 Uhr) am Bauernhof an, von wo aus auch Reittouren durchgeführt werden. Vier gesattelte Pferde warteten bereits auf uns. Als jedoch Javier, Chef und unserer Begleiter, Ricks Rucksack in seinen starken Armen wog, war er nicht mehr damit einverstanden, mit vier Pferden auf die Tour zu gehen. Wir mussten im Nachhinein zugeben, Recht hat der Mann, denn Rick glaubte mit gut 30kg über die Berge laufen zu müssen und hatte im Rucksack zwar alles Notwendige, aber vieles im Überfluß, so daß wir ihn später überzeugen konnten/mussten, das eine oder andere wieder mit uns auf die Rückreise zum Hostal zu geben. Also musste ein fünftes Pferd her und für den Transport gesattelt werden.
Um 9:30 ging es dann los, toller Sonnenschein begleitete uns. Die Pferde gingen die ganze Zeit eigentlich gemächlich, aber stetig, hatten jedoch die Eigenart, wann immer der Abstand zum Vordermann zu groß geworden war, in Trab oder, sehr selten, in Galopp zu verfallen. Man kann sich vorstellen, was das für den Reitneuling, wie Katrin und ich es sind, denn die wenige Male, an denen wir als Kinder auf einem Pony oder Pferd ein paar Runden gedreht haben, können hier nicht wirklich als Erfahrung zählen, bedeutete. Konnten wir bei normalen Gang unseres Pferdes uns noch dem Rhythmus anpassen, wurden wir bei jedem Tempowechsel hilflos hin und her geworfen; Versuche, sich über die Steigbügel aufzurichten waren erfolglos, nicht nur, weil wir es nie schafften, diese unter unseren Körperschwerpunkt zu bekommen, sondern weil im Verlaufe der vielen Stunden dann auch langsam die Kraft fehlte. Manchmal hatten wir das Gefühl, die einflußlose Last auf dem Pferderücken zu sein. Dennoch, der Weg hinauf zum “Refugio Hielo Azul” weitgehend durch einen alten Wald, immer wieder im Geröll von Bachläufen dem Ziel entgegen, oft mit tollen Ausblicken in das Tal und die umliegende Bergwelt, war traumhaft. Dieser Ausritt entsprach, zumindest bis zur Halbzeit, ganz unseren Vorstellungen. Nur manchmal, wenn der Weg allzu steil und das Geröll, über das die Pferde sich ihren Weg suchen mussten, zu unwegsam erschien, taten uns unsere Tragetiere leid und es gab Situationen bei Katrin und mir, in denen wir bereit gewesen wären vom Pferd zu steigen, um ihm den Weg zu erleichtern.
Das eine oder andere Hindernis musste dabei auch überwunden werden; zum einen lagen in dem geschützten Wald immer wieder Bäume quer über unserem Pfad, die es entweder zu übersteigen oder zu umgehen galt – manchmal sprang unser Tragtier dann zu unserer Überraschung hinüber und löste bei dem Reiter nicht unbedingt Freude, sondern eher Verzweiflung aus, denn hiermit hat man nicht gerechnet und infolgedessen auch gut damit zu tun, oben zu bleiben, die Steigbügel nicht zu verlieren und dem Pferd den Zügel freizugeben; zum anderen mussten wir mehrere Bäche queren, die angesichts des Tauwetters eine gute Menge Wasser mit sich führten. Javier war dann immer wieder gefordert, nach einem passenden Übergang zu suchen. Ohne wesentliche Schäden, das einzige waren nasse Schuhe durch die Bachquerungen, kamen wir dann am Refugio an.
Anfangs schien es, als ob sie noch nicht geöffnet wäre, denn keine Menschenseele wurde gesichtet. Doch dann tauchte der Verantwortliche für diese Hütte des Club Andino de El Bolsón auf, er hatte auf einer Bank für uns nicht sichtbar ein Nickerchen gemacht. Auch hier gibt es Bürokratie, denn alle mussten sich anmelden und in das Hüttenbuch eintragen, auch wenn Javier, Katrin und ich uns auf den Rückweg machen würden. Das Refugio war wirklich “nur” ein Refugio und wenig vergleichbar mit den aufgepeppten Hütten in unseren Alpen, alles viel einfacher und rudimentärer; der Zweck, ein Refugium zu sein, wird jedoch erfüllt. Dies war dann Ricks erstes Quartier; von hier aus will er dann in den kommenden fünf oder sechs Tagen das Massiv des Dedo Gordo umwandern. Erster Rückschlag bei seinen Plänen – der direkte Aufstieg zu einem Bergsattel, um von dort aus auf kürzestem Weg zu nächsten Hütte/Refugio zu gelangen, war wegen der hohen Schneelage unmöglich. Insofern ganz gut, wenn wir ihn überzeugen konnten, sich von einigen überflüssigen Rucksackinhalten zu trennen.
Das Refugio, aus einfachen Holzbauten bestehend, mit abseits liegendem Bano, liegt mitten im Wald unmittelbar an einem kleinen Bach, dem Arroyo del Teno, der manchmal, wie die diversen über das Gelände laufenden Bachbette zeigen, immer wieder sein Bachbett wechselt, am Ende eines Talkessels. Von hier aus geht es nur noch nach oben, teilweise in den Fels, teilweise über Geröll und im Augenblick durch tiefen Schnee. Kein Wunder, wenn das Refugio erst ab 1.11. wieder geöffnet ist, denn wer sollte sich früher hierhin auf den Weg machen? Für den Chef vor Ort dann auch eine Abwechslung, wenn sich bereits jetzt, wir schreiben den 21.11., mal einer hierhin in die Einsamkeit verirrt.
Für den Hinweg hatten wir genau wie geplant 4 Stunden benötigt; in dieser Zeit wurde den Pferden nach langen und steilen beschwerlichen Anstiegen dreimal eine kurze Pause von vielleicht jeweils 3 Minuten gegönnt. Wir verspürten zwar nach diesen 4 Stunden eine gewisse Anspannung unserer Oberschenkel- und Wadenmuskulatur, benötigten nach dem Absteigen auch einige Meter, um wieder normal zu gehen, aber uns ging es gut. Den Rückweg meistern wir ebenso leicht, glaubten wir, aber es kam anders.
Nach einer Pause von fast 2 Stunden hieß es wieder auf die Pferde und Rick seinem Schicksal überlassen, Rick, stellte sich als durchunddurch netter Kerl heraus, auch wenn er für den US-Staat als Justitiar im Auswärtigen Dienst, z.Zt. in Brasilia, arbeitet. Auch wenn keine Wegmarkierungen erkennbar waren, kein Pfad sichtbar, Javier führte uns zielstrebig vom etwa 1.400m hoch gelegenen Refugio auf das Niveau des Rio Azul (etwa 300m üNN), den wir zum Abschluß queren mussten, um dann wieder steil das Ufer hinauf zu reiten bis zum etwa 1,5 Kilometer entfernten Hof. Was beim Aufstieg eine Mühsal für die Pferde war, die steilen Geröllstrecken, war es auch auf dem Rückweg – mit einem Unterschied : wir litten jetzt wohl mehr als die Pferde, denn dieses Geschaukel verlangte von uns fast ständigen Beinschluß, die Muskeln begannen so richtig zu brennen. Als wir nach dreieinhalb Stunden wieder auf Javiers Hof ankamen mussten Katrin und ich konstatieren, der Reitausflug war (zwar) schön, aber mindestens 2 Stunden zu lang. Obgleich wir nicht das Gefühl hatten, so richtig etwas geleistet zu haben, wir waren völlig kaputt, erschöpft, sei es wegen der Anspannung, sei es weil doch der eine oder andere Muskel dauerhaft gearbeitet hat. Also ein schöner Ausflug, den Katrin sich sehr gewünscht hatte, der aber in dieser Intensität keine Wiederholung, Stand heute (!) erfahren dürfte.
Auf unserem Plan für El Bolsón stand noch eine längere Wanderung auf den Cerro Piltriquitron, die wir vorerst zurückgestellt hatten. Da unser Hostal für die folgende Nacht ausgebucht war, mussten wir uns um ein Ersatzquartier für die morgige Nacht kümmern. Also hieß es auf dem Rückweg vom Reiten, es war inzwischen deutlich nach 19:30 Uhr, ein Folgequartier zu finden. Alle uns bekannten im engeren Stadtbereich befindlichen Hostals fuhren wir ab, ohne Erfolg. Als letzte Möglichkeit auf unserer Liste war das Hostal Refugio Patagonico, etwas außerhalb gelegen. Ärgerlich, daß dieses Hostal noch im Bau war, insofern hätten wir uns diese Fahrt sparen können, noch ärgerlicher, daß ich bei Zurücksetzen vor dem Hostal mit einem Rad in einem Graben landete und der Wagen auf der Hinterachse schräg aufsetzte. Der Schrecken war uns und insbesondere mir als verantwortlichem Fahrer in die Glieder gefahren; wie herauskommen, aus eigener Kraft unmöglich, also Hilfe holen, am besten zum Herausziehen. Katrin hielt einen vorbeifahrenden Pickup an, der leider nicht helfen konnte, dann sprach sie den Chef des benachbarten Campingplatzes an. Als er so richtig verstanden hatte, was unser Problem war, holte er noch drei Kollegen und die waren dann die Lösung und die Rettung. Der Wagen wurde hinten angehoben, das freischwebende linke Hinterrad nach und nach mit Holz unterfüttert bis man glaubte, die restlichen Zentimeter zieht der Wagen sich von selber aus dem Graben. Zu unserer Freude gelang das auch. Der Dank gilt den netten Kerlen von nebenan.
Am 22.11. stand dann zuerst noch einmal der Versuch ein neues Nachtquartier zu finden auf der Tagesordnung. Da wir direkt neben unserem Hostal ein weiteres gesichtet hatten wurde nachgefragt und ein neues Quartier war gefunden. So konnten wir dann den Tag so gestalten wie geplant. Etwa 13 Kilometer außerhalb von El Bolsón liegt auf dem Weg zu unserem “Berg”, dem Cerro Piltriquitron, der “Bosque Tallado”, ein auf etwa 1400m Höhe im Wald gelegenes “Museum”, in dem von verschiedenen südamerikanischen Holzschnitzern, in manchen Fällen wohl genauer Kettensägekünstlern, aus alten Holz, teilweise aus noch stehenden abgestorbenen Bäumen wunderschöne und oft sehr eindrucksvolle Skulpturen geschaffen wurden. Die fast 50 Kunstwerke, im Wald oder in einer Lichtung stehend, somit oft toll in die Umgebung eingepasst, waren es wirklich wert, hier vorbei zu schauen. Zur Freude wohl des “Wächters”, denn allzu viele Besucher verirren sich nicht hierher, dafür liegt dieses offene Museum zu abseits. Nicht nur eine Anfahrt von rund 13 Kilometern ist zu bewältigen, sondern vom Parkplatz aus sind es noch gut 200 Höhenmeter, die über einen steilen teilweise unwegsamen Weg zu überwinden sind.
Weitere gut 100m höher liegt dann das Refugio Piltriquitron, der Ausgangspunkt für den dann noch steileren Anstieg/Aufstieg zum gleichnamigen Berg. Dieser liegt so hoch, daß über die auf der gegenüberliegenden Talseite liegenden Berge spielend hinausgeblickt werden kann und bei gutem Wetter nicht nur die Andengipfel, sondern auch der weiter in Chile liegende Vulkan Osorno zu identifizieren sind. Wir quälten uns die Geröllwege hinauf, manchmal an die Echternacher Springprozession erinnert oder nach dem Motto zwei vor, einer zurück. Als wir nach 1 3/4 Stunden dann etwa 100m unterhalb des Gipfels (2.225m) angekommen waren und vor uns dann ein großes Schneefeld ausmachten, das entweder durchstiegen werden musste oder durch Felskletterei umgangen werden konnte, wozu wir uns aber nicht in der Lage sahen, war es aus mit dem Gipfelsieg und der Weitsicht. Auf letztere konnten wir auch leichten Herzens verzichten, denn der Himmel hatte sich zunehmend bezogen, den ersteren hätten wir schon gerne verbucht; heute galt halt, der Weg ist das Ziel. Und so mühsam der Aufstieg in dem feinen Gestein war, so mühsam gestaltete sich auch der Abstieg. Er dauerte zwar weniger als die Hälfte der Aufstiegszeit, aber das ständige Abrutschen verlangte schon besondere Aufmerksamkeit. Zudem mussten wir feststellen, die am Vortag besonders beanspruchten Muskelpartien haben auch heute ganz schön mitarbeiten müssen; insofern waren wir am Auto angekommen ganz schön ausgepowert, dennoch sehr zufrieden mit dem Tag.
Morgen geht es dann endgültig “zurück” nach Chile, zuerst nach Futaleufu/Chile und von dort aus auf die berühmte Carretera Austral. Die zwei Tage in El Bolsón waren zwar anstrengend, gleichzeitig haben wir eine Region kennengelernt, die wir als sehr schön und erholsam empfunden haben; es hätten hier durchaus ein paar Tage mehr sein können.
Der 23.11. war im Grunde nur ein Transfertag hinüber nach Chile, nach Futaleufu. Dieser Ort soll auch ein Mekka der Raftingfreunde sein, vielleicht haben wir hier mehr Glück als in El Bolsón. Katrin konnte ihrer Seeliste weitere Namen hinzufügen, einer wieder einmal schöner gelegen als der andere und oft kaum andere Besucher als wir. Häufig weit unter unserer Piste lag der Lago Rivadavia, schmal dahingestreckt, von bis ans Ufer ragendem Wald umgeben; nicht immer hatten wir einen guten Blick auf Wasser und Berge, denn oft stand ein dichter Wald im Weg. Dieser See gehört zum Teil zum Parque Argentino Los Alerces, in dem insbesondere die verbliebenen Bestände der Alercen geschützt werden. Es handelt sich um eine Zypressenart, die nicht nur unheimlich alt werden kann (einige Exemplare wurden auf über 4000 Jahre geschätzt), sondern sehr hoch wächst und bis zu 70m hoch werden kann bei einem Stammdurchmesser von bis zu 4m, sondern als immergrüne Pflanze und geschichtlich sehr alter Baum gilt. Wir durchquerten auf unserer gut 60 Kilometer langen Seenfahrt immer wieder größere Bestände der Alercen, die jedoch nicht immer stramm nach oben gewachsen waren, sondern oft auch stark mißgebildet wirkten. Leider waren die Bäume von keinem Standpunkt aus so vor die Linse zu bekommen, daß man ihre wahre Größe wahrnehmen kann. Es bleibt der Eindruck der schieren Größe und eine beeindruckende Rindenform, die an längliche Schindeln erinnert.
Der nächste See, der Lago Amutui Quimai, mit dem ersten durch einen aquamarin wirkenden Fluß verbunden, wirkte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern vor allem auch durch die umfassenden Straßenbauarbeiten. Während Teile der wichtigen Nord- und Südargentinien verbindenden RN40 immer noch über eine Schotterpiste zu befahren sind, bemüht man sich hier im dünn besiedelten Patagonien, die bisherige Schotterstraße am See entlang zu einer anscheinend dreispurigen Asphaltrennbahn auszubauen mit allen Schikanen. Ob bei dem dann möglichen Fahrtempo die geschützte Landschaft weiter geschützt bleibt und der Reisende diesen Park auch genießt, muß bezweifelt werden.
Wie so oft, erleichterten uns die fehlenden Straßenhinweise nicht unbedingt die Orientierung, aber letztendlich sind wir an unser Ziel gekommen, ohne nennenswerte Umwege in Kauf nehmen zu müssen. Kaum aus den NP herausgefahren, ändert sich die Landschaft. Die großen schroffen Berge treten zurück, das Tal weitet sich zur Ebene, auf großen Flächen ist intensivere Viehhaltung zu erkennen, die Berge werden kleiner und nach und nach zu Hügeln, die Vegetation wirkt nicht mehr so intensiv wie an den Vortagen im Seengebiet. Doch schon bald ab dem Dorf Los Cypreses ging es wieder in die Berge, um über einen niedrigen Pass, dem Paso Futaleufu nach Chile zu kommen. Kurz vor Erreichen der argentinischen Grenzstation bemerkten wir einen der Straße folgenden Fluß, der erstaunlicherweise in unsere Fahrtrichtung, d.h. Richtung Chile floß. Während wir bislang gewohnt waren, daß der Grenzverlauf entlang der Wasserscheide verläuft, ist man wohl hier davon abgewichen. Grenzformalitäten wurden relativ zügig abgewickelt, auf beiden Seiten, wobei auf der chilenischen Seite das erste Mal auf unserer Reise unser Gepäck, wenn auch sehr oberflächlich, kontrolliert wurde. Gebeten, unser Gepäck aus dem Wagen zu nehmen, waren wir erst mehr als erstaunt, gleichzeitig aber wiederum froh, als nach kurzem Check unserer Rucksäcke wir wieder aufgefordert wurden, das Gepäck einzuräumen.
Kaum die Grenzstation verlassen, begrüßte uns der chilenische Regen, der zunahm und auch am Abend noch nicht nachgelassen hatte. Positiv, wir konnten vor der Bergwelt einen schönen Regenbogen genießen.
Futaleufu ist ein kleines Nest, hat aber eine Touristeninformation. Da ich vor dieser entgegen der Fahrtrichtung parkte und wohl, beim Umsetzen des Wagens auch noch von der örtlichen Polizei beobachtet wurde, suchte man das “Gespräch” mit mir. Ich konnte nicht nachvollziehen, was die Streifenwagenbesatzung von mir wollte. Nachdem auch Katrin hinzugekommen war schien es so zu sein, ich wäre falsch abgebogen, ich durfte nicht linksabbiegen, obgleich kein entsprechender Hinweis zu sehen war. Offensichtlich dörfliches Recht? Zum Glück beließen die Beamten es bei einem Hinweis. Auch nach Internetrecherche können wir nicht nachvollziehen, wogegen ich hier verstoßen haben soll.
Kleines Dorf, überschaubare Übernachtungsmöglichkeiten und die wenigen im allgemeinen auch überteuert. Wir sind untergekommen und sofort zu einer Adventureagentur wegen unseres Raftingwunsches gefahren. Ja Rafting wird hier durchgeführt, aber erst ab 4 Personen – wir sind zwei, der Rest fehlt noch! Vielleicht finden sich bis Morgenfrüh um 10:00 Uhr noch zwei Mitstreiter bei der Agentur ein, dann kommen wir endlich in den Genuß einer Raftingfahrt, wenn nicht, müssen wir es anderswo erneut versuchen. Hier wirkt sich die noch nicht angelaufene Saison für uns negativ aus. Morgen beginnt dann entweder unsere Fahrt auf der Carretera Austral oder es wird geraftet.