Hinterm Horizont geht’s weiter…

Am 14.12. verlassen wir Puerto Natales; ein Blick ins Rund zeigt uns, gutes Wetter herrscht auch heute nicht. Tiefliegende Wolken, auch in Richtung Torres del Paine. Irgendwie beruhigend für uns, denn wir hätten uns sonst wo hin gebissen, wenn heute optimale Bedingungen geherrscht und wir nicht vor Ort ausgehalten hätten.Es nieselt nur leicht, Wind geht auch, aber nicht mehr so extrem. Am Vorabend habe ich eine Karte des Torres del Paine Gebietes studiert und bin auf ein Piktogramm gestoßen, das auf besonders starken Wind aufmerksam macht. Unser Zeltplatzgebiet sowie die Strecke von dort zum Refugio Grey erhält dabei besonders viele Sterne! Ist zwar kein Trost, denn den Wind hätten wir ja noch hingenommen, aber ohne Aussicht auf Sicht stundenlang zu wandern?

Punta Arenas liegt nur gute 3 Autostunden von Puerto Natales entfernt – wenn die Landschaft wenig Abwechslung bietet, ist jede Strecke nicht leicht zu fahren, schläfert ein. Waren zu Anfang nah bei Puerto Natales noch größere Waldflächen an den Hängen und auf den Hügeln auszumachen, nahm mit zunehmender Entfernung der Waldanteil spürbar ab und der der Weidefläche unheimlich zu. Dann hält man natürlich auch Ausschau nach den riesigen Schafherden, die diese Riesenflächen abweiden sollen. Selten konnten wir eine entsprechende Tierhaltung ausmachen. Auch wenn es heißt, ein Schaf benötige als Nahrungsgrundlage etwa 3/4 Hektar Weidefläche, hier liegt erhebliches Weideland brach. Dies passt zu der schlechten Wirtschaftssituation in der sich die Schafszüchter in Chile, aber nicht nur hier, wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Wolle derzeit befinden. Wahrscheinlich haben einige der Estancias ihre Herden drastisch verkleinert. Sahen wir nur sehr selten Tierherden von der Wegstrecke aus, kamen wir noch viel seltener an den großen Gehöften der Schafszüchter, den Estancias, vorbei. Wenn, lagen sie meistens weit außer Sichtweite tief in ihrem Land, das in zehntausenden, wenn nicht hunderttausenden Hektar gemessen wird. Ein großes Tor, oft ein Schild – auch deutschklingende Namen für die Estancia konnten gelesen werden –, und ein schnurgerader Fahrweg führt zu dem Gehöft. Selten lag in Straßennähe eine Estancia, und wenn, dann war seine Dimension anscheinend überschaubar.

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Die Auswirkungen extensiver Weidelandbeschaffung sind auch heute wieder ständig zu beobachten. Neben Landstrichen oder Estanciaweiden, die “beräumt” wurden, findet sich in großer Zahl Weideland, auf dem das vor Jahrzehnten gefällte Holz zusammengeschoben wurde und auf den Verfall, die Zersetzung wartet. Manchmal hat man auch Glück und sieht das Entstehen neuer Bäume neben dem am Boden liegenden Totholz.

Über sanfte Hügelchen rollen wir, haben oft einen sehr weiten Blick und nehmen kaum Interessantes wahr. Deutlich wird, so geht es immer weiter, und weiter, und weiter, eine unendlich weite fast trostlos zu bezeichnende Landschaft durchfahren wir.

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Wären da nicht durch den Dauerwind, denn der herrschte auf der gesamten Strecke, eine Vielzahl von Baumskulpturen entstanden. So machten wir uns für einige Zeit den Spaß die Landschaft auf besonders skurrile und die Situation deutlich beschreibende Exemplare abzusuchen.

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Nachdem uns diverse Lagunen entlang der Strecke, aber auch Feuchtwiesen, daran erinnert haben, daß wir uns auf nahezu Meeresniveau befinden, erreichen wir nach gut 250 Kilometern – endlich – wieder das Meer. Zügig nähern wir uns unserem neuen Ziel, der Hafenstadt Punta Arenas, die schon von Weitem zeigt, daß sie Hafenstadt ist. Wie immer ein das Zentrum dominierender Platz, die Plaza Munoz Gamero, um die herum, natürlich, die Kathedrale, aber auch einige aus dem 19. Jahrhundert stammende gewichtige Gebäude stehen.

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Der Ort verdankte im Grunde seine Entwicklung den goldenen Jahren der Schafszucht. Alle wichtigen prunkvollen Gebäude wurden damals von den reichen Schafszüchtern aus dem Umland gebaut. Ein sehr repräsentatives wird heute als Nobelhotel genutzt, ein anderes beherbergt heute ein Regionalmuseum, in dem der Prunk der damals herrschenden Oberschicht nachvollzogen werden kann. Natürlich kann an diesem Ort kein Denkmal für Magellan fehlen, natürlich steht es an zentralem Ort, der Plaza. Es entspricht wohl dem Zeitgeist zur Zeit der Entstehung des Monumentaldenkmals, wenn dem Magellan zu Füßen zwei Indianer sitzen. Sie sollen, so heißt es, die später ausgerotteten Indianerstämme der Ona und der Aonikenk repräsentieren.

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Die Stadt selber ist betriebsam, wie immer strukturiert, weist nur eine überschaubare Anzahl von Protzbauten auf, soweit wir dies ersehen konnten. Selbst im näheren innerstädtischen Einzugsgebiet dominieren die einfachen Holzbauten, meist zweigeschossig. Fährt man die Uferstraße entlang, begegnen einem zuerst sehr einfache niedrig hingeduckte Häuschen, mit Holz beplankt, oft aber auch mit Blechplatten zumindest an der Seeseite gegen das Wetter geschützt. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, um so häufiger sind die in der Regel neueren Holzhäuser, die im Stil den Altbauten nahekommen, vertreten.

Man sagt, Punta Arenas besäße den schönsten Friedhof Südamerikas, was eine Überprüfung verlangte. Wir hatten ja bereits in Buenos Aires einen bemerkenswerten innerstädtischen Friedhof mit zahlreichen Mausoleen, Grabhäusern und besonders gestalteten meist kitschigen Gräbern durchlaufen und waren begeistert. Kann der hiesige dem Vergleich standhalten oder, wie behauptet wird, übertreffen? Am Sonntagnachmittag statteten wir den Gräbern einen Besuch ab. Ergebnis : uns hat der in BA deutlich besser gefallen, auch weil dort das Vergängliche an den ungepflegten Grabbauten, Mausoleen so schön sichtbar wurde; zudem waren dort deutlich mehr Hochbauten, kleine Kapellen, Mausoleen zu sehen, als es hier in Punta Arenas zu bestaunen gab. Andererseits, hier ist die gesamte Anlage sehr gepflegt und, jahreszeitlich bedingt, sind wegen der Weihnachtszeit eine größere Anzahl von Gräbern ganz besonders mit (Kunst)Blumen geschmückt. Es war ein interessanter Besuch, aber überschwängliche Lobeshymnen hat der Stadtfriedhof in Punta Arenas nicht unbedingt verdient.

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Weshalb legt man in Punta Arenas einen Zwischenstop ein? Zum einen als Ausgangspunkt zu Walbeobachtungsfahrten, dann wiederum kann man zu einer Insel fahren, der Insel Magdalena, auf der Magellan-Pinguine in unendlicher Zahl sich während der Brut- und Aufzuchtzeit aufhalten, schließlich gibt es südlich von Punta Arenas so etwas wie historische Orte, den Hungerhafen und die Festung Bulmes. Beide eigentlich nicht von so großer Bedeutung, denn vom Hungerhafen aus dem Jahre 1583, Gründung einer Kolonie durch die Spanier, ist praktisch nichts mehr übrig, seine damaligen Bewohner verhungerten in dieser trostlosen Gegend. Die Festung Bulmes war einst eine aus strategischen Gründen an der Meerenge der Magellanstrasse erbaute chilenische Festung, um den Seeweg zu kontrollieren. Wegen Nachschub- und Wasserproblemen wurde die Festung, 1843 erbaut, bereits 5 Jahre später aufgegeben. An seine Stelle trat dann Punta Arenas.

Wegen der beiden ersten möglichen “Programmpunkte” machten wir uns auf den Weg, Informationen einzuholen. Einfach war es, die Passage zu der Isla Magdalena zu buchen; ohne ausreichende Information blieben wir über die Möglichkeit, per Boot in das Naturschutzgebiet Parque Marino Francisco Coloane zur Walbeobachtung zu gelangen, so daß Stand 15.12. die Walfahrt nicht unternommen wird. Dafür haben wir heute aber über 120.000 Magellan-Pinguine auf ihrer Insel beobachten können – zwar konnten wir, verständlicherweise zum Schutz der Tiere -, nur eine Stunde an Land und auf abgesperrtem 850 Meter Weg an den Brutstätten, den Höhlen, den spielenden, sich umwerbenden, streitenden, stolz daherschreitenden, zur See und somit zur Futterbeschaffung watschelnden, einfach so dastehenden, daliegenden Pinguinen langsam vorbeilaufen. Die Tiere hatten keine Scheu vor uns Besuchern; die auf ihren Eiern in Wegesnähe brütenden Vögel ließen sich nicht beirren, die der See zustrebenden Vögel suchten eine größere Lücke zwischen den “Inselgästen” und watschelten dann über den Weg. Es war ein Wahnsinnsbild, über die Insel verstreut so viele dieser Vögel geschäftig zu sehen. Es war ein Kommen und Gehen. Nicht nur Pinguine, sondernd auch zahlreiche Möwen brüten hier; die ebenfalls hier heimischen Kormorane haben wir nicht entdeckt. Es war schwierig auszumachen, ob in einer der Höhlen sich bereits Jungtiere befinden oder die Eier noch ausgebrütet werden. Wir konnten keines der Jungtiere herumlaufend beobachten, jedoch in Mutternähe in der geschützten Höhle sahen wir einige. Die einen noch mit dem ersten hellgrauen Flaum, andere trugen schon die typische Farbe der Magellan-Pinguine. Es war nur eine Stunde Landgang, aber Erlebnis für einen vollen Tag. Wir waren froh, diesen Ausflug unternommen zu haben, auch wenn wir in aller Frühe aus den Federn mussten.

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Den Abend ließen wir dann bei einem gemeinsamen Essen mit Phil und seiner Frau, die seit drei Tagen in der Stadt sind und mit denen wir uns per Mail verabredeten, und vielen interessanten Gesprächen ausklingen. Solche netten Menschen wie die beiden während der Reise kennen gelernt zu haben, ist eine echte Bereicherung.

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