Wir hatten uns ja entschieden, von Rapa Nui nicht nach Santiago zurückzufliegen, sondern in Richtung Neuseeland in Französisch Polynesien, genauer auf Tahiti, einen Zwischenstop einzulegen. Als wir uns dann näher mit dem Land beschäftigten wurde mehr und mehr deutlich, wie vielfältig es einerseits und welch große Ausdehnung es andererseits besitzt. Im Bordheft von Air Tahiti haben wir das Flugnetz dieser die Inseln anfliegenden nationalen Airline gefunden, woraus vor dem Hintergrund der Europakarte plastisch erkennbar wird, wie weit sich dieses Inselland ausdehnt.
Für uns bedeutet das, sich auf das machbare und gewollte beschränken. Acht volle Tage standen uns zur Verfügung, die aufgeteilt werden wollen. Gleichzeitig hatten wir aber auch den Wunsch, nicht jeden zweiten oder dritten Tag wieder zum Flieger eilen zu müssen, um eine weitere Insel anzufliegen. Schnell haben wir uns auf eine der Gesellschaftsinseln, Huahine, verständigt, die wir besuchen wollten. Mo’orea stand auch auf unserem Wunschzettel, aber alle Versuche eine Kombination von Flügen mit den Eckpunkten Huahine, Mo’orea und Tahiti zu Stande zu bringen, bei der wir dann am 22.1. frühmorgens zum Abflug nach Neuseeland wieder auf Tahiti sind, waren erfolglos. So konnten wir nicht das günstige Angebot von Air Tahiti für einen überschaubaren Preis drei Gesellschaftsinseln anzufliegen nutzen, sondern investierten nahezu den gleichen Betrag in ein Ticket von Tahiti nach Huahine und zurück, suchten uns ein wassernahes Quartier im Hauptdorf auf dieser Insel und waren gespannt, wie diese Entscheidung sich auswirken würde.
Gegen Mitternacht hob unser Flieger von Rapa Nui ab, knapp eine Stunde später landeten wir mehr als 4.000 Kilometer weiter östlich auf dem Flughafen Faa’a in Tahiti. Die Reiserichtung raubte uns quasi den Schlaf, den wir bei dem 5 1/2 stündigen Flug leider nicht hatten. So kletterten wir ziemlich müde aus dem in dieser Nacht fast als letztes gelandeten Flugzeug, nahmen unsere Rucksäcke entgegen und gingen zur Passkontrolle. Hier unsere erste Überraschung – es gab eine besondere Abfertigung für EU-Bürger. Einige Augenblicke später dämmerte es, wir waren ja in Europa gelandet, zumindest hoheitsrechtlich, denn Französisch Polynesien gehört zu Frankreich, ist m.W. eine Art Departement mit besonderen Rechten. Uns konnte es nur recht sein,, da die Abfertigung zügig verlief, leider ohne den üblichen Passstempel. Dann hatten wir endlich Tahiti betreten und durften bis zum Morgen warten. Warten, weil unser Flug auf die Insel Huahine erst um 07:00 Uhr startete. Die Abflug- und Ankunftshalle wurde hinter uns verriegelt, zum Glück standen im Freien einige Stahlstühle, die unser Nachtlager waren. Es war trocken und die Schwüle nicht so stark wie tagsüber, es kühlte sogar leicht ab. Die Zeit verging ziemlich langsam, denn einschlafen wollten wir auch nicht, sondern unser Gepäck im Auge behalten. Es wurde ziemlich ruhig um uns herum; nicht mehr als eine Handvoll Reisender teilte unser Schicksal. Ziemlich ruhig mit Blick auf den Publikumsverkehr, an deren Stelle traten aber die Putzgeschwader mit ihren Maschinen, so daß immer etwas zu sehen und zu hören war, eine Hilfe gegen das Einschlafen. Gegen 05:30 Uhr bewegten wir uns in Richtung Cafeteria, um mit echtem Kaffee unsere Lebensgeister zu wecken, bald darauf öffnete auch der Schalter von Air Tahiti und wir wurden unser Gepäck los, nicht ohne vorher durch Umladen in das Handgepäck das Gewicht unter die Maximalgrenze von 20 kg zu bringen. Bücher, Technik, sonstige für den Notfall mitgenommenen Dinge wie Schlösser, abschließbares Kabel, Sicherung für den PC etc. bringen insgesamt ein nicht zu vernachlässigendes Zusatzgewicht auf die Waage.
Dann saßen wir endlich in der ich glaube 74 Passagiere fassenden zweimotorigen Propellermaschine, die uns etwa 40 Minuten später und nicht ganz 200 Kilometer Luftlinie weiter nordwestlich sicher absetzte. Beim Abflug konnten wir einen kurzen Blick auf Mo’orea wie auch Tahiti werfen, beim Landeanflug überquerten wir kurz Huahine. Als die Kabinentür geöffnet wurde, schlug uns eine enorme Hitze entgegen, und das vor acht Uhr morgens! Wir standen sofort wieder im Wasser. Teuru, Bruder unseres Gastwirts, holte uns, eine duftende Blumenkette jedem von uns umhängend, ab. Die kurze Fahrt zu unserem Quartier, Pension Meherio, wurde um eine ausführliche (!) aber nicht länger als weitere drei Minuten dauernde Dorfrundfahrt ergänzt, damit wir uns orientieren können.
Unsere Unterkunft für die kommenden 4 Tage befindet sich nur 100 Meter vom besten Sandstrand der Insel und 5-8 Gehminuten am Strand entlang vom Dorfzentrum entfernt, liegt in einem großen Gartengelände voller bunter Büsche, machte einen sehr gepflegten Eindruck und wird von sehr netten Menschen, im Augenblick von Teuru und seiner Frau Tamatea sowie Mr. Nice, betreut. Der eigentliche Besitzer, Teurus Bruder, ist ein leidenschaftlicher Surfer; leider hat er sich vor kurzem bei einem Crash auf einen Felsen schwer verletzt und liegt im Krankenhaus. Nach Teurus Aussage wird er wieder vollständig genesen und dann, natürlich, auch wieder surfen.
Obgleich seit mehr als dreißig Stunden auf den Beinen, nach dem Begrüßungsdrink, natürlich Kokosmilch aus eigenen Nüssen, nahmen wir unser Zimmer – mit einer kleinen Terrasse vor dem Eingang – in Beschlag, räumten das Notwendigste aus unseren Rucksäcken, suchten unsere Badesachen und waren schnell auf dem Weg zum Strand. Es war ein Strand wie er im Bilderbuch zu finden ist, wir waren im Paradies angekommen! Der weiße Sandstrand war zwar nicht enorm breit, aber lang, ohne störendes Geröll, von Bäumen und Palmen eingerahmt und das beste : wir waren allein. Das blieb zwar nicht jeden Tag so, aber auf einem Kilometer Sandstrand bis zum Dorf tummelten sich jeden Tag nicht mehr als 10-15 Personen, nie gleichzeitig, sondern über den ganzen (!) Tag verteilt. Ein ganzer Strand und die Lagune davor nur für uns!!! Traumhaft. Und, die Insel war grün; hinter dem nicht allzu breiten Küstenstreifen stiegen die Berge an, alle bis oben hin begrünt und voller Bäume!
Die Müdigkeit war wie weggeblasen, so schnell waren wir im Wasser, das wirklich azurblau ist, angenehm warm, keine Wellen aufwies. Sengender Sonnenschein, die wenigen immer wieder vorbeiziehenden Wolken brachten keine wirkliche Kühlung, nur vorübergehenden Schatten, es war angenehmer, sich im Wasser als an Land aufzuhalten. So hielten wir es auch, bis die Haut krumpelte nach gut 3 Stunden Badevergnügen von kurzen Landgängen unterbrochen. Die Insel Huahine ist von einem Korallenriff umgeben, das mal weiter mal näher dem Land ist, so daß hinter diesem Riff eine wunderschöne Lagune besteht. Je nachdem, ob es auflaufendes oder ablaufendes Wasser sprich Ebbe oder Flut gibt, ist das Getöse am Korallenriff mehr oder weniger laut, spritzt die Gischt dort hoch oder höher auf. Eine Musik, die durch seine Permanenz und Gleichförmigkeit fast schon einschläfernd wirkt, aber das Traumbild eines Traumstrandes nur weiter malen hilft und es verstärkt. So saßen wir dann immer wieder und blickten über das Wasser zum Riff, lauschten den Geräuschen und träumten. Hier kann man so total entspannen und seine Gedanken fliegen lassen.
Am frühen Nachmittag begannen wir, unsere nähere Umgebung den Strand entlang zu erkunden. Zunächst ging es in Richtung dorfabgewandte Seite. Einige kleinere Hotelbetriebe und Cabanavermieter fanden wir auf unserem Weg, bei allen waren keine bis sehr wenige Gäste wahrzunehmen – die Saison steht wohl noch bevor. Hin und wieder hatten auch Eigenheimer ein Schokoladengrundstück bebaut, oft dann aber fein säuberlich vom Strand und dem kleinen Strandpfad abgetrennt. Nach etwa einem Kilometer versperrten dann große Steinbrocken unseren Weg.
Fare, das Hauptdorf der Insel, auf der etwa 5.000 Menschen leben, können wir in weniger als 10 langsamen Gehminuten erreichen, gut, wenn es um die Beschaffung von Getränken geht, denn unser Wasserverbrauch ist enorm. Der örtliche Supermarkt, einen anderen ähnlicher Größenordnung haben wir auf unserer Inselrundfahrt nicht entdeckt, kann es problemlos in Größe und Angebot mit großen deutschen Supermärkten aufnehmen. In einem ist der Laden Spitzenreiter – bei seinen Preisen. Daß selbst auf der Insel erzeugtes Gemüse und Obst deutlich mehr kostet als z.B. auf Rapa Nui, war schon bemerkenswert. Wir mussten feststellen – es wird hier wirklich sehr teuer. Daß unser Quartier einen stolzen Tagespreis aufgerufen hat, können wir verstehen, andere Herbergen lagen noch nennenswert über dem Tagessatz der Pension Meherio. Aber das die Lebensmittel, die auch die einheimische Bevölkerung einkaufen muß, derart teuer sind, lässt Fragen entstehen. Ist denn die Entlohnung der Bevölkerung so gut, daß diese Preise von allen bezahlt werden können? Wir erfuhren : eher nicht. Natürlich sind die Transportkosten zu berücksichtigen, jedoch wird die Ware per Schiff angeliefert, so die H-Milch aus Belgien, viele Erzeugnisse haben das Herkunftsland Frankreich. Die Südsee hat also ihren Preis, wir erhalten dafür ein Südseefeeling, das uns schweben lässt.
Fare ist mit der Welt verbunden, auch auf dem Seeweg. Fast täglich, meistens am späten Nachmittag, tauchte am Horizont ein immer größer werdender Fleck auf, der sich dann als Frachter entpuppte, in das Fahrwasser der Lagune einfuhr, geleitet von Seezeichen und einem kleinen Leuchtfeuer oberhalb vom Dorf, und am Hafenkai anlegte. Nach einer guten Stunde war die Ladung gelöscht, die Container abgesetzt und das Schiff verließ unsere Lagune. Am Freitag tauchten dann zwei Schiffe auf, das spätere erreichte den “Hafen” bei einbrechender Dunkelheit, es war ein Fracht- und Fährschiff, das aus Pape’ete hierher – und dann weiter – fährt. Während sonst nach Einbruch der Dunkelheit auf den Straßen nichts mehr passiert, der Ort praktisch tot ist, an diesem Abend lebte Fare, da war das halbe Dorf unterwegs, viele, um einen der Reisenden, meistens Angehörige, abzuholen, um anschließend wieder Ruhe einkehren zu lassen.
Uns war klar, Restaurantbesuche dürften hier eine Ausnahme sein. Einerseits war die Auswahl nicht sehr groß, andererseits die uns bekannten Preise unserem Budget nicht angemessen. Gelesen hatten wir von der Existenz sogenannter mobiler Essstände, den roullottes, an denen eine überschaubare Zahl von Gerichten zubereitet und für einen vertretbaren Preis verkauft werden. Wie uns Teuru bestätigte, diese roulottes existieren auch im Dorf, sie befinden sich in “Hafen”- und somit Zentrumsnähe. Die späten Essenszeiten aus Südamerika noch im Blut, machten wir uns deutlich nach 20:00 Uhr auf den Weg, trafen auf einige geschlossene Wagen und fanden zu unserem Glück ganz am Ende der Straße eine Garküche, die auch für Katrin genießbare Speisen anbot. Daraus gelernt, hier geht man wohl mit Einbruch der Dunkelheit ins Bett, waren wir an den folgenden Tagen früher unterwegs. An jedem Tag gastierten wir auf einer anderen Bühne, mussten dabei aber feststellen, daß auf jeder Bühne die gleichen Stücke gespielt wurden. Ausnahme war der Pizzawagen, der für seine eher durchschnittliche Produktion einer vegetarischen Pizza den insbesondere für Freiluftgaststätten gewöhnungsbedürftigen Preis von 15 Euro verlangte.
Die Menschen leben hier äußerst entschleunigt. Hektik war nie zu sehen. Das Klischee eines Lebens in der Südsee fanden wir hier bestätigt. Man saß auf den Bänken im Dorfzentrum, am Kai und plauschte miteinander, und das über Stunden, wie wir bei einem späteren Dorfbesuch erlebten. Da muß es viel zu berichten geben. Südsee und Blume im Haar ist ein weiteres Bild das wir in diesem Zusammenhang vor Augen haben – und auch dieses bestätigt sich, wenn auch nicht flächendeckend. Wir haben immer wieder Frauen gesehen, die eine Blüte im Haar trugen, sei es auf dem Weg zur Arbeit, wie Teurus Frau, Tamatea, sei es auf dem Weg zum Supermarkt. Das sah fröhlich, bunt und relaxed aus. Was man aus anderen Städten kennt, Jugendliche mit ihren Mopeds dröhnen mit Höchstgeschwindigkeit durch die Straßen – hier Fehlanzeige, nicht, weil die jungen Menschen keinen fahrbaren Untersatz haben, hier oft eine Vespa, sondern weil offensichtlich nicht das Bedürfnis besteht, sich in dieser Form zu präsentieren, man fuhr seine Vespa, Moped eben relaxed – ein total entschleunigtes Leben bot sich dar.
Südsee und viele bunte Fische, die um einen herumschwimmen – kein Werbegag, sondern die Wirklichkeit. Wir mussten nur wenige Meter in unsere Hauslagune hineinschwimmen, so sahen wir diese bunten Fische, zwar nicht in dichten Schwärmen, aber sie durchschwammen unsere Lagune mal zahlreich, mal weniger zahlreich, abhängig von den Gezeiten. Wenn wir in der Nähe eines Korallenblocks schnorchelten, schon hatten wir dieses Traumbild. Azurblau und klar war das Wasser, so daß ohne Probleme eine Sichttiefe von 4-5 Metern gegeben war. Ob die Sicht in noch größeren Tiefen gleichfalls so hervorragend ist, können nur die Taucher beantworten. Eigene Bilder von dem Fischreichtum konnten wir nicht aufnehmen, vielleicht findet sich etwas im Netz.
Die Inselbewohner haben ein sehr entspanntes Verhältnis zu der von Haien ausgehenden Gefahr. Nicht geleugnet wird ihre Existenz in den Inselgewässern, jedoch sollen sie sich – meistens – vor dem Riff aufhalten und im übrigen gehören Menschen nicht in sein Beuteschema. Schon beruhigend oder? Wir ließen uns nicht davon abhalten in der Lagune zu schwimmen und zu schnorcheln, auch wenn wir inzwischen erfahren hatten, daß ein Lagunenfahrten anbietendes Unternehmen an einer Stelle, an der das Riff durchbrochen ist, eine Fahrrinne besteht, die hier heimische Haiart “angefüttert” hat, um Besuchern den besonderen Nervenkitzel eines Schwimmens mit Haien zu ermöglichen. Äußerst kurzsichtig, denn damit gewöhnt das Tier sich an die Fütterung mit der Gefahr aggressiven Verhaltens gegenüber den Menschen, wenn das gewohnte Futter ausbleibt. Wie wir erfuhren, wurde das Unternehmen von vielen Seiten auf die Risiken auch für den Inseltourismus im Falle von Haiangriffen hingewiesen, ohne daß dies etwas bewirkt hat. Manche der großen in der Lagune verstreut liegenden Korallenblöcke sind so groß und hoch, daß man auf der abgestorbenen Masse stehen kann, um die sich um den Felsen tummelnden Fische in Ruhe durch die Schnorchelbrille zu beobachten. Das praktizierte ich so lange, bis Katrin aus dem Wasser kam und mir künftig auf diese leichte Art “Fische zu gucken” verbot. Der Grund : beim schnorcheln um einen dieser besagten großen Korallenblöcke schaute sie auf einmal aus einem Spalt eine mittelgroße Moräne an; ihrer Beschreibung entsprechend müßte der Kopfdurchmessen zwischen 10-15 Zentimeter betragen haben. Ein solcher Anblick verschafft Respekt, ist aber auch ein ganz besonderes Erlebnis – Auge in Auge mit einer Moräne.