Doubtful Sound

Der Fjordland National Park ist in den 80er Jahren zum Weltnaturerbe erklärt worden, dem können wir nach unserem heutigen Ausflug zum und im Doubtful Sound voller Überzeugung zustimmen. Dieser Tag war ein besonderes Erlebnis. Wir waren im Herzen des Parks, in einem wilden und unberührten Stück Natur, sieht man vom Eingriff im Zuge des Baus eines Wasserkraftwerks ab.

Wir hatten, um etwas vom Tag zu haben, eine Tour mit Start um 08:00 Uhr in Manapouri gebucht. Es sah gar nicht gut aus, als wir um diese Zeit zum Himmel blickten. Alles war wolkenverhangen, die Berge am Lake Manapouri waren nur zum geringsten Teil erkennbar. Unsere Tour bestand aus drei Etappen, die sich aus der geografischen Lage des Doubtful Sounds ergeben. Zwischen dem Lake Manapouri, an dem wir Halt gemacht haben und dem Pazifik, in den der Doubtful Sound mündet, liegt eine Bergkette, die überwunden werden muß. Dadurch kommen wir nicht nur in den Genuß einer dreistündigen Rundfahrt durch den Doubtful Sound und seine Seitenarme, sondern queren auch den Lake Manapouri und werden über einen Pass, den fast 700 Meter hohen Wilmot Pass chauffiert. Diese Passstraße verdankt die Welt einem früher sehr umstrittenen Kraftwerkprojekt, dem Manapouri Kraftwerk am Westarm des Sees.

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Dieser Ausflug ist keine Massenveranstaltung, wie die Schiffsfahrten auf dem Milford Sound, obgleich mit uns fast 40 weitere Gäste auf die Reise gingen. Der Lake Manapouri ist, wie wir bei unserer Vortageswandeung sehen konnten, ein sehenswertes Stück Landschaft, die sich zumindest auf der ersten Überfahrt zum Teil vor uns verbarg. Wir waren skeptisch, ob die tiefhängenden Wolken im Verlaufe des Tages verschwinden würden und uns einen ungestörten Blick auf See, Fjord, Meer und Berge ermöglicht. Schiffskapitän und Reisebegleiter verbreiteten in dieser Hinsicht Optimismus, die Wolken würden sich verziehen. Wir hofften, sie würden Recht behalten. Von den zahlreichen Inseln im Lake Manapouri konnten wir fast nur die Umrisse erkennen, waren das wirklich Inseln oder Teil der Landmasse?

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Wenn die Fachleute Recht behalten, können wir das auf dem Rückweg überprüfen; die Hinfahrt verbrachten wir deshalb im wesentlichen unter Deck, es war ja nichts Relevantes zu sehen. Nach einer guten Stunde Seereise waren wir an der Anlegestelle West Arm, zugleich Standort des Kraftwerkes, angelangt.Über diese Anlegestelle erfolgt auch die Versorgung der Kraftwerkstation. Bestandteil des Ausflugs ist eine Besichtigung des unterirdischen Wasserkraftwerkes. Diese hat sich wirklich gelohnt.

In den Jahres des Wachstumsoptimismus, den spätfünfziger und 60er Jahren griff man eine bereits in den 20er Jahren erkannte Möglichkeit der Energieerzeugung am Lake Manapouri auf, um den Energiehunger der geplanten Aluminiumschmelze bei Bluff befriedigen zu können. Das Seeniveau beträgt rund 180 Meter, so daß die Basis für ein Wasserkraftwerk besteht, wenn die auf die Turbinen gelenkten Wassermassen auf Meeresniveau abgeleitet werden können. Was in den 20er Jahren technisch nicht machbar war, forderte in den 60er Jahren die Ingenieure heraus, die das Denkbare möglich machten. Wie auch heutzutage glaubte ebenfalls damals die Politik, sich bei ihren Entscheidungen über die Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung hinwegsetzen zu können, die Betroffenen wurden nicht gefragt. Sicherlich hätte man dem Bau eines Wasserkraftwerkes hier im Naturschutzgebiet zugestimmt, aber dem Ansinnen, hierzu das Seeniveau um 30 Meter anzuheben, konnte man nicht zustimmen. Diese Erhöhung des Niveaus sollte dazu dienen, den Ertrag aus dem Wasserkraftwerk deutlich zu steigern. Es entwickelte sich so etwas wie die erste Bürgerbewegung in Neuseeland, eine in den 60er Jahren in Gang gesetzte Petition gegen dieses Vorhaben haben 17% aller wahlberechtigten Neuseeländer unterzeichnet, der Beginn von mehr Umweltbewußtsein und einer Umweltbewegung hier im Land. Die damalige Regierung verlor die Wahl, die folgende sozialdemokratische Regierung band die Umweltaktivisten ein, stoppte die Pläne für eine Niveauanhebung des Sees, schuf unter Mitwirkung von Experten ein Regiment, wie die Wasserentnahme zum Betrieb des Kraftwerks mit Umwelt- und ökologischen Gesichtspunkten vereinbart werden kann. Die Niveauerhöhung hätte zahlreihe Inseln geflutet, das fragile Ökosystem der Seeregion empfindlich gestört. Das nunmehr gültige Regiment sieht ein Pegeln des Wasserstandes um ca. 2 Meter um das Normalniveau vor, eine Schwankung, die auch ohne Eingriffe in der Vergangenheit auf Grundlage natürlicher Einflüsse festgestellt werden konnte. Das Kraftwerk wurde gebaut und nach Baubeginn in 1963 dann 1971 in Betrieb genommen mit einer Nennleistung von 800MW. Damit das erforderliche schwere Gerät an Ort und Stelle gebracht werden konnte, mußte vom Doubtful Sound die, angabegemäß, je Streckenmeter teuerste Straße Neuseelands durch die Berge zum West Arm gebaut werden. Tief wurde gebohrt und gegraben, der Granit verhinderte schnelle Arbeitsfortschritte. Etwa 120 Meter unter dem Seeniveau liegen die großen Turbinenhallen, in denen aktuell nach einer Nachrüstung um 125MW sieben Turbinen vom Wasser angetrieben werden. Das auf die Turbinen gelenkte Wasser wird über jetzt zwei mehr als 10 Kilometer lange Tunnel in den Doubtful Sound gelenkt. Wie es heißt, werden 50 Prozent der erzeugten Energie vom Aluminiumwerk absorbiert, der Rest geht in das normale Stromnetz. Sollte der Energiefresser bei Bluff abgeschaltet werden reicht die erzeugte Energie, um die gesamte Südinsel mit dem notwendigen Strom zu versorgen. Die Tatsache, daß das Wasserkraftwerk, nachdem ein privater Investor damals ausgestiegen war, vom Staat finanziert und gebaut wurde hat eine Berücksichtigung des Bürgerwillens unter Umständen erleichtert.

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Nach so viel Technik und Ingenieurkunst freut man sich auf die Natur und die Fahrt zum Fjord. Es geht 22 Kilometer durch einen imposanten Regenwald, der zwar in der Nähe der Straßenschneise sich erst noch erneuern muß, aber in Sichtweite den alten ursprünglichen Zustand behalten hat. Es ist nicht der tropische Regenwald, sondern nur ein Regenwald, aber nicht minder interessant. Bei 5 bis 8 Meter Regen je Quadratmeter wird der Boden gut mit Wasser getränkt, erhalten die Seen einen permanenten Wasserzufluß. Hier im Fjordland besteht ein sogenannter gemäßigter Regenwald, der ebenso dicht wie ein Dschungel sich entwickelt, von einer riesigen Anzahl von Farnen, Baumfarnen, Moosen, Orchideen, von denen wir natürlich bei der Fahrt keine entdecken konnten, anderen Aufsitzerpflanzen und Lianen aber vor allem durch verschiedenste Buchenarten, die insbesondere hier heimisch sind, und Rimubäumen gebildet wird. Bis hoch in die Baumkronen ziehen sich oft die Moose, wachsen hierauf andere Aufsitzerpflanzen. Erstaunlich auch, wie es den Pflanzen und insbesondere den Bäumen gelingt, an steilsten Berghängen und kleinen Bergvorsprüngen Fuß zu fassen, die notwendigen Nährstoffe zu erhalten und zu wachsen. Bis hinunter ans Wasser ziehen sich hier im Park wie auch am Doubtful Sound die Wälder.

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Dann haben wir die Passhöhe überschritten und blicken auf – einen von einer Wolkendecke überzogenen Fjord; die Enttäuschung war nicht gering, auch wenn erkennbar an einer Ecke die Sonne begann, sich vorzuarbeiten. Aber es ging auf 10:30 Uhr zu, ob sich das noch grundlegend ändert? Wir konnten uns zwar irgendwie vorstellen, wie der Fjord verläuft, aber sehen wollten wir ihn schon gerne!

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Das Schiff wurde bestiegen, wir legten ab und die Wettersituation besserte sich minütlich. Bald hatten wir klare Sicht, strahlenden Sonnenschein und kalten Wind. An uns vorbei zogen die Bergflanken, die steilen Abbrüche, der Regenwald. Man konnte sich, zumindest anfangs, nicht genug satt sehen an diesem Spektakel. Wir waren wie gefangen von dem Naturschauspiel, genossen die vielen Ausblicke. Mal sprangen im Hintergrund liegende Bergspitzen ins Auge, mal Stellen, an denen Steinlawinen abgegangen sind, dann war es wieder die schrundige Uferregion. Immer wieder Neues gab es wahrzunehmen. Kleine Inseln liegen im Doubtful Sound, die umfahren wurden; mit mancher ist eine aus der Entdeckungszeit oder der Zeit der Robbenfänger, die sich hier als erste vorübergehend niedergelassen hatten, stammende Geschichte verbunden. Eine soll wiedergegeben werden, die von der Namensgebung des Fjordes. Auf seiner Weltumrundung kam Cook auch bis vor die Fjordeinmündung, traute sich jedoch nicht, in den Fjord hineinzusegeln, denn permanenter auflandiger Wind herrschte vor. Da er zweifelte, jemals wieder aus dem Fjord segelnd herauszukommen, er hatte Zweifel am Erfolg, “doubt”, wurde der Fjord Doubtful Sound getauft. Ob die Anekdote stimmt? Glaubhaft ist sie zumindest. Der Fjord, der von unserer Ablegestelle, Deep Cove, bis zur Einmündung in die offene See, der Tasman Sea, sich 40 Kilometer erstreckt, ist dreimal so lang wie der Milford Sound und besitzt, auch wegen seiner teilweise viele Kilometer langen drei Seitenarme über eine um das 10fache größere Wasseroberfläche, ist also gewaltig, und zugleich der zweitgrößte Fjord im Nationalpark.

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In einer regenreichen Region trifft man normalerweise ständig auf Wasserfälle; dies gilt auch und insbesondere für das Fjordland. Das setzt aber Regen voraus. Zu unserem Glück, sonst wären wir womöglich im Regen über den Fjord gefahren, was bei statistisch 200 Regentagen im Jahr durchaus der Fall hätte sein können, ist es trocken geblieben und war seit über einer Woche trocken. Zu unserem Pech, denn damit fehlte den meisten sonst sehr aktiven Wasserfällen der nötige Zulauf und die Wasserfälle waren kleine Rinnsale.

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Warm ist das Wasser nicht, im Durchschnitt soll die Wassertemperatur um die 11 Grad betragen. Gut natürlich für viele Tierarten. Im Fjord leben u.a. Fellrobben, auch Delphine haben sich hier heimisch gemacht. Ebenfalls kann man Pinguine beobachten. Alle Tierarten kamen uns unter die Augen aber nicht immer vor die Linse.

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Ab und an durchfahren auch Kreuzfahrtschiffe einen Teil des Fjords, indem sie von See kommend das direkt an der Tasman Sea liegende Secretary Island umrunden. Es gab viel zu sehen, viel zu fotografieren, die Auswahl war schwer.

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Auch die Rückfahrt über den Lake Manapouri fand bei besten Wetterbedingungen und 25 Knoten statt. Die dichte Wolkendecke hatte sich weitgehend wenn auch nicht vollständig verzogen. Endlich konnten die Inseln auch als solche identifiziert werden, sahen wir die umliegenden Berggipfel und konnten kurz vor Einfahrt in den Hafen Katrins Badestelle (“sooo ei schöns Seele, allerliebscht”), die sie bald nach unserer Rückkehr zum Campingplatz noch vor dem Abendessen für ein Bad im sehr kalten See aufsuchte, vom Wasser aus begutachten.

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Ein wunderschöner Tag liegt hinter uns, ein erlebnisreicher zudem.

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