Es war zwar später geworden als ursprünglich geplant, aber auch an diesem verkürzten Nachmittag sollte es doch möglich sein, die etwa 200 Kilometer gen Norden zum Freycinet National Park zu fahren. Wir hatten gelesen, hier würden sich die schönsten Buchten von Tasmanien befinden. Darüber hinaus trägt die Titelseite unseres Reiseführers ein Bild, das in diesem NP aufgenommen worden sein soll; dies galt es zu überprüfen, denn die bunten Steine waren extrem reizvoll.
Ein gutes Drittel der Strecke war uns von der Herfahrt bereits bekannt, dennoch, die verbrannten Böden in den Wäldern fielen uns wieder sehr nachdrücklich auf. Jetzt erkannten wir auch viel besser als auf der Hinfahrt, daß bei Dunalley ein künstlicher Kanal die Forestier Peninsula vom Festland trennte. Nach Sorell ging es dann weitgehend auf der A3 – nicht nach Hannover, sondern in Richtung Bicheno – mehr oder weniger an der Ostküste entlang nach Norden. Soweit möglich wurde Landwirtschaft betrieben, was angesichts der erkennbaren Trockenheit nicht einfach zu sein scheint. Manchmal gab es Hinweise auf einzelne Weingüter; größere Weinanbauflächen haben wir jedoch wieder einmal nicht vom Auto aus gesichtet. Die Küstenlandschaft ist sehr abwechslungsreich, ziemlich felsige Abschnitte die zu einer kurvenreichen und auf und ab gehenden Strecke führen werden immer wieder gefolgt von weit ausladenden Buchten und sichtbar schönen Sandstränden. Die durchfahrenen Ortschaften wirken nahezu verschlafen, trotz der Strände scheint der Ferientourismus nicht sehr stark entwickelt zu sein. Kurz vor Swansea hatten wir von einem Aussichtspunkt den ersten intensiveren Sichtkontakt zu unserem heutigen Fahrtziel, der Freycinet Peninsula.
Bald hinter Swansea führt zwar eine Straße in Richtung Peninsula um die Nordseite der Great Oyster Bay herum, ist aber nach 20 Kilometern eine Sackgasse am Point Bagot, nur schwimmfähige Fahrzeuge kommen hier weiter. Zum Glück war die Straßenkarte so genau, daß wir diesen Fallstrick erkennen konnten und die A3 gute 30 Kilometer weiter nordwärts fuhren, bevor wir an der einzigen Zufahrt auf die Peninsula ankamen. Kaum befinden wir uns auf dieser Straße, werden wir auf die besonderen Schutz der Tiere hingewiesen; durch Schilder wird auch ausdrücklich aufgefordert, mit Einsetzen der Dunkelheit das Tempo auf 60kmh zu reduzieren.
War schon auf der A3 kaum Verkehr, begegnete uns auf unserer Fahrt hinein auf die Halbinsel kaum noch ein Fahrzeug; dennoch lagen immer wieder tote Kängurus am Straßenrand. Bevor wir in Coles Bay einen Campingplatz ansteuern, den einzigen hier weit und breit, wenn man nicht auf einem der zahlreichen naturnahen Plätze die Nacht verbringen will, haben wir ein wichtiges Ziel, die Bucht mit den bunten Steinen. Sie heißt Friendly Beaches und war nicht zu verfehlen, denn am Straßenrand tauchte rechtzeitig ein kleines Hinweisschild auf. Die Seitenstraße hin zu dieser Beach war zu unserem Camper gar nicht freundlich, denn die naturnahe Piste wies Schlaglöcher groß wie Krater auf, die umfahren werden wollten. Nur langsam tasteten wir uns vorwärts und die knapp 12 Kilometer kamen uns unendlich vor, ja noch länger, denn die letzten Kilometer waren extrem nervend. Wie wir dann an der Bucht angekommen feststellen konnten, hatten einige wenige Camper es trotz der Straßenverhältnisse bis hierher ohne Havarie geschafft und planten, über Nacht am Strand zu bleiben. Die Parkverwaltung hat für die bis hierher vordringenden Naturfreunde gesorgt und ein WC-Häuschen errichtet, das ist es dann auch mit dem Komfort vor Ort. Wir haben hier nur vorübergehend Halt gemacht und begannen, den wunderschön großen und leeren Sandstrand zu erlaufen. Einige schmale Pfade führten durch die Dünen hin zum Strand, in den aber immer wieder Felszungen hineinragen. Schon aus größerer Entfernung waren beachtliche Felsbrocken mit einer orangen Färbung erkennbar, das Ziel unseres Abstechers, es gibt sie wirklich diese Granitsteine, sie sind kein ausschließliches Produkt einer geschickten Bildbearbeitung. Obgleich, so wie abgebildet erschienen uns die Farben heute auch bei schönem nachmittäglichen Licht nicht. Sei es drum, diese Felsen entfalteten auch auf uns eine besondere Wirkung.
Wo die auf dem Foto abgebildeten auch teilweise bläulich scheinenden Steine sich befinden, haben wir nicht herausgefunden, jedoch unser erstes Känguru zu Gesicht bekommen, wenn auch kaum erkennbar durch die Linse.
Wozu dieser Küstenabschnitt bei den Friendly Beaches besonders geeignet sind, sahen wir auf der Rückfahrt. Die sich ganz schön auftürmenden Wellen nutzten einige wenige Surfer, die wohl den größten Teil der vor Ort Campierenden stellen dürften.
Nach weiteren 30 Kilometern erreichten wir in Coles Bay den Campingplatz Lluka Holiday Centre, eine Riesenanlage, die zu einem großen Teil durch Dauercamper belegt, nicht sehr ansprechend gestaltet, eng gestellt und im Dunkeln so gut wie nicht beleuchtet ist. Hier in Australien ist das Angebot für den Campingplatznutzer erkennbar schlechter als in Neuseeland vorgefunden. Waren wir es bislang gewohnt, daß in den Campingplatzküchen auch normal auf Herdplatten gekocht werden kann, stehen hier in Australien meistens nur Grillplatten für die Freunde des BBQ unter einem Dach, der Rest soll sehen wie er klar kommt. Insbesondere die Zelter sind dann auf ihre kleinen Gaskocher angewiesen, ein mühsames Geschäft. Auf diesem Platz gibt es am entgegengesetzten Ende zu unserem Stellplatz eine überdachte und weitgehend offene Küche, in der sogar zwei (!) gasbetriebene Herdplatten existieren. Das hieß sich beim Kochen anstellen und Kleingeld bereit halten, denn hier wurde erneut kassiert. Mit der Stellplatzgebühr hatten wir also noch nicht den möglichen Gasverbrauch durch das Kochen bezahlt, dies ging extra und alle 15 Minuten waren 2 Dollar fällig! Eine neue Erfahrung, ärgerlich, aber für uns im Grunde kein Problem, haben wir doch eine Miniküche mit zwei Kochgelegenheiten an Bord. So ein Warten auf die eigene Kochmöglichkeit hat auch sein Gutes, man kommt mit den anderen Campern in der Küche ins Gespräch und erhält ebenso gute Hinweise für künftige Ziele wie auch wir unseren Erfahrungsschatz mit anderen teilen.
Der Besuch der von einem Outdoor-Fachmagazin aus den USA als einer der 10 besten Strände der Welt bezeichneten Wineglass Bay stand auf dem Vormittagsprogramm des 19.3.. Den Blick auf wie auch das Bad in der Bucht selber muß man sich erwandern; dies führt dazu, daß sich zwar zahlreiche Menschen hierhin auf den Weg machen, aber Massen sind es nicht, insbesondere die großen Gruppen von Bustouristen haben im allgemeinen nicht die Zeit für eine insgesamt dreistündige Wanderung. Wenige Kilometer hinter Coles Bay endet die Straße in den Freycinet NP; wer hier etwas sehen will, muß wandern, und zwar eine ganze Weile stetig bergauf. Bis zu einem Aussichtspunkt auf die Wineglass Bay hat man gute 600 Stufen zu bewältigen – nicht der ganze Weg besteht aus Stufen – und ist bis zu einer dreiviertel Stunde hierfür unterwegs. Es ist ein eher lichter Wald durch den wir gehen; große Geröllbrocken liegen am Wegesrand, der felsige Untergrund ist vielfach deutlich zu sehen und nicht durch das Unterholz verdeckt, eine urwüchsige Landschaft. Die Anstrengung lohnt sich, denn unter dem Betrachter schwingt sich die Bucht weit ausladend sichelförmig entlang des Waldsaumes, vor dem ein breiter Sandstrand sich befindet, alles eingerahmt von einer beachtlichen Bergkette.
Für den einen oder anderen, der es bis zu diesem Aussichtspunkt geschafft hat, ist der traumhafte Blick Belohnung genug für den Anstieg und die Anreise, wir wollen aber mehr, d.h. zumindest einen Zeh in das sicherlich ziemlich kalte Wasser der Bucht stecken. Trotz der Gewißheit, die hinabgewanderten Meter müssen später in umgekehrter Richtung bewältigt werden, machen wir uns auf den Weg. Von jungen Hüpfern werden wir irgendwann überholt und hören dabei, wie man vollmundig verkündet, trotz nicht mitgenommener Badebekleidung im Meer baden zu wollen. Wissen die nicht, wie kalt das Wasser ist, diese Aufschneider? Nach nicht ganz einer weiteren dreiviertel Stunde stehen wir am Strand, von den etwas schneller Gewanderten sehen wir keinen im Wasser, alle vier sitzen auf einem Stein und warten wohl auf wärmeres Wasser. Auch Katrin kann sich nicht überwinden, es ist wirklich mehr als kalt. Dennoch, diese Bucht gehört zweifellos zu den schöneren, die wir bislang gesehen haben, sehr lang gestreckt, breiter feinkörniger Sandstrand, Natur ringsherum und je weiter man sich von dem Endpunkt des Wanderweges entfernt, um so einsamer wird es um einen. Massen sind wie gesagt nicht hier unten, aber 10-15 Personen können wir schon im weiten sich über mehrere Kilometer erstreckenden Rund erkennen. Wir genießen für lange Zeit die Sonne, die Ruhe um uns herum, das leichte Meeresrauschen.
Wie beim Herumkraxeln auf den strandnahen Felsen festgestellt, auch hier gibt es die gestern gesuchten bunten Granitfelsen – das hätten wir also einfacher haben können, jedoch ohne die Suche nach der Grundlage des Reiseführerfotos auch nicht einen schönen und einsamen Naturstrand gesehen.
Das war aber nicht der letzte näher betrachtete Strand auf der Freycinet Peninsula. Nur von der Straße aus sahen wir auf unserer Rückfahrt in Richtung Coles Bay die schlecht erreichbare Honeymoon Bay,
während wir die am Ort liegende Oyster Bay direkt an mehreren Stellen ansteuerten. Je mehr dieser wunderschönen aber nahezu unbenutzten Sandstrände wir sahen, desto schwerer wurde es, den oder die Favoriten zu nennen. Auch die Oyster Bay hat ihre Vorzüge, ihr wesentlicher Nachteil : der diese Bucht teilweise umschließende Ort Coles Bay. Wir ziehen die kaum besiedelten eher unberührten Buchten vor.
Angesichts der wenigen für eine Rundreise durch Tasmanien zur Verfügung stehenden Tage mussten wir den Plan, die Ostküste ganz hinauf zu fahren und dabei durch altes Goldgräberland zu kommen, aufgeben und steuerten direkt Launceston im Norden von Tasmanien an. Wir verzichteten dabei auf eine Anzahl hervorragender aber selten genutzter Strände und das Durchfahren zahlreicher verschlafener Küstenorte, z.B. die an der Bay of Fire gelegenen, oder auf wiederholte Begegnungen mit Schottlandbezügen hierher Ausgewanderter, wurden aber entschädigt durch den Besuch einer sehr reizvollen Stadt voller historischer Bauten abseits der Straße gelegen, Evandale, etwa 20 Kilometer südlich von Launceston und mit etwas mehr als 1000 Einwohnern äußerst überschaubar. Durchläuft man die zentralen Straßen dieses Ortes fühlt man sich immer wieder um wenigstens ein Jahrhundert zurück versetzt, denn zahlreiche Häuser und die beiden sich gegenüber liegenden Kirchen, die eine anglikanisch, die andere katholisch, stammen aus dem 19. Jhd.. Wie so oft konnten nicht alle aus der Gründerzeit des Ortes stammenden Objekte in einem guten Zustand erhalten werden, viele sind jedoch vorzeigbar und es macht Freude, sie anzusehen und an ihnen vorbei zu schlendern. Bei vielen der großen und kleinen Häuser weisen kleine Tafeln auf seine Geschichte und die Besitzer bzw. ihre Nutzung hin. Einige wie z.B. ein Hotel oder die Post haben auch heute noch die gleiche Funktion. Wegen der Ballung und Konzentration derartiger Objekte wurde der gesamten Innenstadt des Ortes der Denkmalstatus zuerkannt.
Aber Leben war in diesem Örtchen nicht zu verspüren. Scheinbar orientieren sich die Bewohner stark nach Launceston, für hiesige Verhältnisse nur um die Ecke. Auch Launceston weist einige historische Gebäude auf, ist eine Stadtgründung aus der Anfangssiedlungszeit, in der in heutiger Zeit deutlich mehr Leben pulsiert als in dem Puppenstübchen Evandale, was bei einer Bevölkerung von fast 100.000 Menschen und somit als zweitgrößter Stadt Tasmaniens verständlich ist. Die Straßen waren, insbesondere in der Fußgängerzone, von Menschenlassen bevölkert, die vorgefundenen imposanten und sehr repräsentativen Bauten in der Stadt haben den Abstecher gelohnt. Zwar ist das, was noch erhalten ist, weiträumig über die Innenstadt, die ansonsten nicht sehr attraktiv wirkte, verstreut, aber bei der Fahrerei tat uns beiden ein etwas längerer Spaziergang ganz gut. Was wir sahen war ein Potpourri diverser Baustile aus der ersten Hälfte des 19. Jhd..
Gegen 18:00 Uhr machten wir uns dann auf den Weg zu unserem Campingplatz in Hadspen, 20 Kilometer westlich von Launceston. Wir kamen gerade noch rechtzeitig vor Büroschließung an und ergatterten den letzten (!) verfügbaren Stellplatz mit Stromanschluß. Diesem Tatbestand maßen wir keine besondere Bedeutung bei, war der Platz doch in hohem Maße von Dauercampern belegt und reisen wir nicht in einer Hauptferien- und Reisezeit. Wir sollten eines besseren belehrt werden.