Die Nacht war lang, da wir wegen der Dunkelheit und um die Batterie zu schonen, früh in den Schlafsäcken lagen, kalt, wir rückten mit den Schlafsäcken zusammen, aber nicht so richtig entspannend. Die zur Camperausstattung gehörenden Schlafsäcke sind für derartig niedrige Temperaturen nicht geeignet. Lange Zeit horchten wir, was da draußen auf der Straße und unserem Parkplatz so passiert – nur wenige Fahrzeuge fuhren nach Einbruch der Dunkelheit noch und “unser” Parkplatz fand weitere Gäste –, uns war auch etwas mulmig so auf freier Wildbahn zu campen. Auch die Kälte, am Morgen bei der NP-Verwaltung sahen wir, daß es nachts bis auf 5 Grad herunter gegangen war, verhinderte ein Einschlafen. Irgendwie fielen wir dann doch in den Schlaf, um gegen 6:00 Uhr durch das Brummen eines vorbeifahrenden Lasters geweckt zu werden. Die übliche morgendliche Prozedur fiel den Umständen entsprechend sehr kurz aus, das morgendliche Frühstück ebenso. Nachdem wir den Camper aufgeklart hatten, waren wir vor 8:00 Uhr auf dem Weg zum Parkeingang, wo sich auch eine Cafeteria befindet. Hier gab es den lang ersehnten Frühstückskaffee und wir konnten das verschobene Frühstück nachholen. Schon auf der Fahrt konnten wir in der Ferne die scharfen Konturen des Parknamensgebers, dem Craddle Mountain, erkennen.
Anschließend fuhren wir die letzten Kilometer zum Parkplatz am Dove Lake, an dem zahlreiche Wanderwege beginnen. Während es frühmorgens noch trocken war, die Wolken zwar tiefhingen, aber es im Norden einen Hauch von sich auflockernden Wolken gab, was uns hoffen ließ, begann es bereits auf der Fahrt zum Nationalparkeingang leicht zu nieseln um während unserer Wanderung dann so richtig in Landregen überzugehen. Damit war die Entscheidung, welche der zahlreichen Strecken wir laufen, schnell gefällt. In gut zwei Stunden war der See zu umrunden, alle weiteren Rundwege benötigten längere Laufzeiten und führten darüber hinaus in die Höhe. Bei den tiefliegenden Wolken keine gute Idee, denn Weitsicht war nicht zu erwarten. So machten wir uns auf den Weg, das erste Mal seit sehr langer Zeit kamen die Regenjacken so richtig zum Einsatz.
Die Wanderung um den Dove Lake zählt hier auf der Insel zu den schönsten Kurzwanderungen; der Parkplatz ist daher auch auf einen größeren Ansturm als es ihn heute gab, ausgelegt. Wohl auch deshalb, um nahezu jedem, der einigermaßen geradeaus gehen kann die Chance zu bieten, den See zu umrunden, ist der Weg zu einem großen Teil badeschlappentauglich, d.h. man hat den Boden begradigt, Holzwege gebaut, Stufen gesetzt, praktisch alles aus dem Weg geräumt, was eine Stolperfalle sein könnte.
Der Dove Lake wird nicht nur vom Craddle Mountain Massiv umrahmt, sondern auf der Ost- wie der Westseite ragen ebenfalls Felshänge steil empor; der westlich oberhalb des Dove Lake liegende Vulkansee läßt auf Grund seiner Namensgebung darauf schließen, daß u.U. die umliegenden Felsen ehemalige Kraterwände waren. Relativ lockere Bewaldung durchliefen wir auf der Ostseite des Sees, die teilweise den Charakter eines Regenwaldes hatte; dichtes Unterholz, schöner Moosbewuchs auf abgestorbenen wie auch noch lebenden Bäumen, meistens Eukalyptusbäume. Ein großer Felsen direkt am Wasser dient als kleiner erhöhter Aussichtspunkt, ansonsten ist der Weg ziemlich unspektakulär, was wohl im wesentlichen an den Witterungsverhältnissen lag. Besondere Stimmung beim durchlaufen dieses Waldes kam nicht auf, es gab auch keine eindrucksvollen Aussichten auf und Ansichten von dem Craddle Mountain, der leider meistens ohne besondere Konturen eher grau in grau auf uns herabsah, manchmal, wenn auch nicht immer, teilweise von Wolken eingehüllt war. Dennoch, seine zackige Silhouette war bemerkenswert und eindrucksvoll, so noch nirgendwo gesehen. Und Aufnahmen bei diesen unangenehmen Verhältnissen zu machen, hat weder Spaß gemacht, noch sind diese vorzeigbar, sondern stellen lediglich “Dokumente” dar, Anregungen, seine Phantasie treiben zu lassen.
Der Wald auf der westlichen Seeseite erschien uns teilweise deutlich älter zu sein, standen immer wieder hochaufragende wahrscheinlich Pinienstämme zwischen den zahlreichen Eukalyptusbäumen und uns unbekannten Laubbäumen. Ein uns bereits am Vortag aufgefallener Strauch hat für uns nun auch einen Namen, der Blue Mountain Berry, obgleich wir von wenigen Ausnahmen abgesehen nur Sträucher mit roten Früchten gesehen haben, die Namensgebung jedoch auf die weiblichen Sträucher abzielt.
Das Seewasser war klar und sehr kalt, offensichtlich so kalt, daß es die üblichen Enten hier gar nicht gab. Ein großer Teil des den See umgebenden Flachlandes erschien uns wie ein Moor, zumindest die Pflanzen erinnerten uns daran. Zahlreiche kleinere Tümpel tragen weiterhin dazu bei, diesen Eindruck zu erzeugen. Das gesamte Gebiet wie wohl auch Tasmanien hat vor Millionen von Jahren unter einem Eispanzer gelegen; dies soll die entscheidende Ursache dafür sein, weshalb es hier auf den Hochebenen extrem viele kleine Seen gibt, so auch den benachbarten Lake Lilla, der jedoch eine normale Wasserfarbe aufweist.
Nach knapp zwei Stunden waren wir am Ausgangspunkt unserer kurzen Wanderung zurück, sind gegangen, haben geschaut, aber nicht gerade viel gesehen. An einem sonnigen oder wenigstens trockenen und nicht wolkenverhangenen Tag wird dieser Rundweg sicherlich in Erinnerung bleiben, ob bei uns von diesem Vormittag etwas haften bleibt ist eher fraglich.
Der Craddle Mountain NP reicht weit bis in den Süden; ein Wanderweg quer durch dieses Gebiet vom Dove Lake zum Lake St. Clair im Süden erstreckt sich über 80 Kilometer. In der Hoffnung/Erwartung, dort auf besseres Wetter zu treffen aber auch, weil der Weg nach Hobart zwangsweise um den NP im Süden geht, war der Lake St. Clair unser Ziel für den Abend. Aus der Erfahrung des Vortages gelernt, auf Tasmanien ist ein Reservieren von Stellplätzen erforderlich, haben wir am Lake St. Clair vorgebucht.
Während der Fahrt dorthin durch den Nationalpark begleitete uns ständiger Regenfall, mal heftig, dann reduziert aber nie aufhörend. Anfangs überquerten wir eine Hochebene, Grasland begleitete uns, in der Ferne dann die bewaldeten Berge. Das Grün des Waldes war eintönig, eine langweilige Fahrt mussten wir überstehen.
Zum Glück gibt der Reiseführer ab und an einen Hinweis, den wir beachten, heute war es u.a. das alte Minenstädtchen Zeehan. Im Westen Tasmaniens war man Anfang 1900 auf Gold und andere Metalle gestoßen, die teilweise sogar bis heute ausgebeutet werden. Zeehan war damals ein prosperierendes Minenstädtchen, das sogar heute noch ein Theater von kurz vor 1900 besitzt. Dieses war damals größer ausgefallen als z.B. entsprechende Gebäude z.B. in Hobart. Man wollte die Minenarbeiter bei Laune halten. Auch andere Objekte sind bemerkenswert und aus Ziegel gebaut wie z.B. das ehemalige Polizeigebäude, die Stadtverwaltung oder die Schule der Mineure. Für den Bau der katholischen Kirche wurde demgegenüber nur Holz verwendet.
Der Westen der Insel hat zumindest vorübergehend vom Abbau verschiedener Erze profitiert. Zeehan war eine der durch die Minentätigkeit geförderte und geprägte Stadt; das etwa 40 Kilometer weiter südlich liegende Queenstown lebt noch heute davon. So sieht dann auch die Umgebung aus. Während wir im Umfeld von Zeehan immer noch durch ausgedehnte Wälder fuhren, ist meilenweit rund um Queenstown jeder Baum gefällt und jede Bergkuppe glatt wie ein Kinderpopo, der ehemalige Regenwald verschwunden. Karstlandschaft weit und breit und wenig erkennbare Bemühungen, dieses Gebiet aufzuforsten. Die Erosion macht sich überall bemerkbar. Heute wird hier Kupfer in großem Stil abgebaut, obgleich der Ursprung der Minentätigkeit auf der Entdeckung von Goldvorkommen durch drei junge Burschen Ende des 19. Jhd. zurückgeht. Wie so oft gehen die Entdecker leer aus, so auch hier; die drei Ursprungsbesitzer der Schürfrechte verkauften an drei Investoren, die sehr bald feststellten, daß die Goldvorkommen überschaubar waren, das hier aber auch gefundene Kupfer die wahre Goldmine sei. Während die Urväter der Entwicklung von Queenstown verarmt starben, brach über den Investoren der Reichtum aus. Die Stadt mit ihren heute knapp 3.400 Einwohnern ist nach wie vor durch die Mine und deren Umweltbelastung “geprägt” und abhängig, auch wenn es Anzeichen gibt, im Umfeld der Stadt, so noch nicht zerstört, den Tourismus zu fördern. In der Stadt selber findet man minentypische Einrichtungen, ein entsprechendes Museum, Theater etc., aber auch eine stattliche Anzahl von Häusern in der Hauptstraße, die auf früheren Wohlstand schließen lässt.
Da man vom Berg kommend nach Queenstown hinein und über den Berg auch wieder hinausfährt, hat man lange Zeit das traurige Landschaftsbild mit abgetragenen kahlen Hängen, tiefen Einschnitten in die Berglandschaft, Abraumhalden vor Augen. Während wir weiter fahren können, dürfen die Bewohner mit diesem Bild täglich leben.
Unweit der Stadt wird wohl mit Stolz der Autofahrer aufgefordert, sich auf der Spitze des Gormanston Hill den Iron Blow anzusehen. Von einer über den Rand des großen Ausbeutungskraters hinausragenden Plattform kann man tief in das gerissene, gegrabene, gesprengte Loch der Ursprungskupfermine sehen, das sich nach und nach mit Wasser füllt. Eine gigantische Wunde im Berg liegt da vor einem. An dieser Stelle wird seit einigen Jahrzehnten nicht mehr gefördert, es lohnte sich nicht mehr, aber unweit der Stadt wird fleißig weiter der Berg beim Abbau des kupferhaltigen Gesteins abgetragen.
Ein großer Teil von Tasmanien ist inzwischen durch die Einrichtung von Nationalparks geschützt. Der Franklin-Gordon Wild Rivers Nationalpark gehört dazu; wenige Straßen durchkreuzen ihn, er ist ein interessantes Wanderziel. Derzeit sind einige der Trecks gesperrt, den Grund konnten wir auf unserer Fahrt durch den Park in Richtung Derwent Bridge sehen. Bereits vor Erreichen der Parkgrenze stachen links und rechts der Straße kilometerlang nur noch schwarze Spargel in den Himmel; ein sehr flächenraubendes Feuer muß sich hier ausgetobt haben. Natürlich hört es nicht an der Parkgrenze auf zu flämmen; auch hier selbst aus großer Entfernung sichtbar immer wieder Brandschäden im alten Waldbestand. Auf Grund der tieffliegenden Wolken konnte man auch den Eindruck gewinnen, es würde immer noch brennen, wir würden den Brandrauch sehen.
Just in time aber in strömendem Regen trafen wir endlich kurz vor 18:00 Uhr auf unserem Campingplatz am Lake St. Clair ein. Wir hatten den letzten Platz durch die Reservierung ergattert. Hier wurde besonders deutlich, welch großer Qualitätsunterschied zwischen den Plätzen in Neuseeland und den in Australien besteht. Die Campingküche besteht ausschließlich aus einem Abwaschbecken und zwei gasbetriebenen BBQ-Platten, beides in einem kleinen Holzhäuschen untergebracht, das zwar Fensteröffnungen besitzt, aber keine Fenster. Hier saßen dann einige der in Zelten übernachtenden Camper in dicken Pullovern und Mütze auf dem Kopf und kochten auf ihren kartuschenbetriebenen Kochern ihr Essen. Für uns hieß das, erstmals den Gasherd des Campers in Betrieb zu nehmen. Das ist uns gelungen, ohne den Wagen anzuzünden oder in die Luft zu sprengen. Der starke Dauerregen und ein einheimischer Wein trugen dazu bei, bald die Schlafsäcke auszurollen in der Hoffnung, die Nacht wird nicht so kalt wie die vorige. Was die Planung für den kommenden Tag anging – wir machten keine Pläne sondern hofften auf ein Einsehen des Wettergottes. Im Regen durch den Park zu stapfen war und ist nicht unser Ziel. Warten wir es ab.