Chuquicamata

Wenn es in die Atacama geht kann man an der Welt größten Tagebaukupfermine Chuquicamata nicht vorbeifahren, ohne einen Blick in diese riesige Grube geworfen zu haben. Ausgangspunkt ist der Bergbaustadt Calama, in der der Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Grube ein Büro hat und die Gäste nach Anmeldung einmal täglich für etwa zwei Stunden über das Grubengelände fährt. So trafen wir, etwas hektisch zwar, da wir ohne genauen Stadtplan in der Hand, das Büro in einem Stadtrandviertel suchten noch rechtzeitig kurz vor 11:00 Uhr ein, um dann eine weitere halbe Stunde mit den weiteren Besuchern auf die Abfahrt des Besichtigungsbusses zu warten.

Bodenschätze insbesondere Kupfer sind der Exportschlager Chiles und sind für den Staatshaushalt von eminenter Bedeutung. Auch nach dem Sturz der Unidad-Popular-Regierung unter Salvador Allende durch die Pinochet-Putschisten wurde die bereits unter dem Christdemokraten Eduardo Frei als Präsident eingeleitete Verstaatlichung, zuerst durch Erwerb von 51% Anteile an der Anaconda Copper Mining Corporation, später durch die Verstaatlichung des Restes unter Allende, nicht rückgängig gemacht. Vielleicht weil man fürchtete, die katastrophalen Arbeitszustände und miesesten Löhne zu Zeiten der Anacondaherrschaft würden dann umgehend wieder hergestellt, vielleicht aber auch, weil insbesondere die Arbeiterschaft im Norden Chiles zu Allendes Befürwortern zählten. So ist der Staat auch heute noch uneingeschränkter Eigentümer dieser Mine, deren Arbeiter zu den bestbezahlten im Land zählen.

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Die eigentliche Grube soll heute in einer Abbautiefe von 1000m angekommen sein; seine Außenmaße liegen bei gut 3 x 5 km. Mit riesigen Radladern wird Abraum wie auch kupferhaltiges Gestein auf den serpentinenartigen “Straßen” entlang der Grubenwände vom Grubenboden hinauf auf Niveau Null gefahren. In einer 8-Stundenschicht sind angabegemäß 7 (!) Fahrten möglich. Uns genannte Zahlen in diesem Zusammenhang : der Radlader kostet rund 5 Mio Euro, ein Reifen, Lebensdauer etwa 7 Monate, wird mit 40.000 Euro veranschlagt; die Maschinen stammen aus Deutschland (Liebherr) oder Japan und werden in Teilen angeliefert, um hier zusammengebaut zu werden. Nutzlast je Typ zwischen 50 und 70 Tonnen bzw. gut 80 Tonnen je Fuhre. Die langsam auch an uns vorbeischleichenden Maschinen waren nicht haushoch, sondern mehrfamilienhaushoch; der Fahrer in seiner kleinen Kabine war kaum zu erkennen. Wie Ameisen schraubten sich die Radlader hintereinander den steilen Weg hinauf, genau abgepasste Abstände sicherten, daß die bergabfahrenden Radlader passieren konnten. Es schien wie auf ein geheimes Zeichen hin alles nach einem exakten Takt abzulaufen. Auch die riesigen den Abraum aufladenden Bagger schafften ohne Pause. Ab und an konnte man in einem kleinen Areal etwas “Dampf” aufsteigen sehen, dann ist hier wieder gesprengt worden, um für Nachschub zu sorgen. Gut 100 dieser Radlader sind im Einsatz und müssen alle 4-5 Jahre komplett ausgetauscht werden.

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In der Grube mit allen dazu gehörigen Betriebsteilen sind gut 15.000 Menschen beschäftigt; die wenigsten sieht man an den in der Grube arbeiten Maschinen, auch wenn hier sieben Tage die Woche rund um die Uhr gearbeitet wird. Uns nicht zugänglich gemacht, früher war das, wie uns eine Reisebekanntschaft erzählte, anders, wurden die Bereiche, in denen das erzhaltige Gestein gebrochen, einem chemischen Prozess zur Herauslösung der kupferhaltigen Materie unterworfen wird – es wird m.E. Schwefelsäure und Arsen eingesetzt, nicht ohne große Gefahr für die Umwelt (!) -, die “Suppe” wird dann auf über 1000 Grad erhitzt, die Kupfermasse gereinigt und anschließend verhüttet. Im übrigen ist festzuhalten, daß als quasi “Abfallprodukte” auch Metalle extrahiert werden, die auf dem Weltmarkt sehr gefragt sind. Der Prozeß zur Kupferherstellung ist enorm energieaufwendig; die notwendige Energie wird über ein 200 Kilometer entferntes Kohlekraftwerk bereit gestellt. Angeblich soll der gesamte chemische Prozeß, bei dem ebenfalls Unmengen von Wasser benötigt werden, für die Umwelt unschädlich sein. Das verbrauchte Wasser wird erst nach umfassender entsprechenden Reinigung erneut dem Produktionsprozeß zur Verfügung gestellt. Und täglich fahren lange Güterzüge mit den Kupferbarren beladen vom Werksgelände gen West nach Antofagasta.

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Schon aus sehr großer Entfernung nimmt man die über dem Gelände liegende Dunst- und Staubglocke wahr, gesund kann das doch nicht sein; die Grube dürfte der größte Umweltverschmutzer der Region, ja des Landes sein. Ein Ende der Ausbeutung und damit der fortlaufenden Umweltverschmutzung ist nicht in Sicht. Inzwischen wird dieser Teil des chilenischen Bodens seit über 100 Jahren ausgebeutet; eine normale Grube hat eine Lebens-/Ausbeutungsdauer von 30-40 Jahren. Der Betreuer unserer Rundfahrt teilte stolz mit, daß für mindestens mehrere Jahrzehnte – von bis zu 100 Jahren sprach er -noch abbaufähiges erzhaltiges Material vorhanden sei. Und man hat noch weiter vorgesorgt für die Zukunft, denn in näherer Nachbarschaft, auch vor den Toren Calamas wurden zwei weitere Gruben im Tagebau erschlossen; weitere Beschäftigung für zehntausende Arbeiter aber auch weitere Belastung der im Umfeld lebenden Menschen durch die Luftverschmutzung.

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Während die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter vor Ort für E. Frei und später S. Allende wesentlicher Antrieb war, durch eine Verstaatlichung eine Veränderung dieser Verhältnisse herbeizuführen hat es noch weitere fast 5 Jahrzehnte gedauert, bis die direkt an das Werk angegliederte Arbeiterwohnsiedlung endgültig geschlossen wurde. Wir legten während unserer Rundfahrt zuerst einen Halt in dieser inzwischen zur Geisterstadt gewordenen Gemeinde auf dem Werksgelände ein. Eine komplette Stadt war hier zu besichtigen mit Kino, Schulen, Kasino, mehreren Kirchen, Sporthalle und –plätze etc.

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Die Arbeiter wohnten hier mit ihren Familien und wurden wohl auch hier begraben. Der Bereich war Werksgelände und entsprechend eingezäunt, Zutritt auch früher nur mit Berechtigung. Eigentümer der Häuser und Wohnungen war der Mineneigentümer, der, soweit erinnerlich, den Wohnraum kostenlos zur Verfügung stellte, damit aber auch eine enorme Bindung der Arbeiter und ihrer Familien an das Unternehmen erreichte. Nicht zu vergessen, daß durch die menschenunwürdig niedrigen Löhne das Unternehmen sich die Miete auf anderem Wege holte. Der letzte Bewohner war erst 2005 ausgezogen, seitdem ist die Stadt unbewohnt, aber permanent bewacht. Als Begründung für die Verlagerung zurück in die Stadt Calama werden, wie wir es verstanden haben, die hohen Unterhaltskosten für die Objekte genannt; die neuen Quartiere stehen nicht mehr kostenlos zur Verfügung. Der Hinweis, ob nicht auch die besonders hohe Belastung durch die Luftverschmutzung direkt an der Grube wesentlich für die Entscheidung der Aufgabe dieser Stadt war, wird vom Führer geflissentlich überhört. Inwieweit die Bewohner dieser Werksstadt erhöhte typische Krankheitswerte aufwiesen ist nicht bekannt, sollte jedoch nicht ausgeschlossen werden. In dem gut 20 Kilometer entfernten Calama dürfte der ausgestoßene Minendreck deutlich verdünnt ankommen. Gespenstisch das Bild dieser ehemaligen Stadt, in der noch am zentralen Platz in den Bäumen die Weihnachtsbeleuchtung hängt.

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Insgesamt war der Blick in die Grube beeindruckend, ebenso beeindruckend ja fast schon beängstigend war jedoch festzustellen, welche Auswirkungen der hier praktizierte Produktionsprozeß auf die Umwelt heute und morgen hat, die jedoch offenbar nicht offiziell zur Kenntnis genommen werden wollen. Eine Besserung z.B. in der enormen Staubentwicklung durch die Grube soll in den kommenden 10 Jahren erreicht werden, wenn nach und nach der Tagebau in der Chuquicamata zu Gunsten eines Untertageabbaus eingestellt wird. Der Betrieb der beiden neu erschlossenen Tagebaugruben wird dabei wohl außer Acht gelassen!

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