Milford Sound – nur zweiter Sieger

Nachdem wir uns am 9.2. zum Milford Sound aufgemacht haben, ist es uns möglich, ein für uns endgültiges Urteil im Vergleich beider Reiseziele zu fällen. Um Längen liegt in unserer Wertung der Doubtful Sound vorne. Das Hafenterminal in Milford Sound umfasst nicht weniger als 10 (!) Anlegestellen für Ausflugsboote, die allesamt sehr große und damit größere Ausmaße haben als unser Bötchen für den Doubtful Sound.  Während wir uns im Passagierterminal, modern mit fünf Schaltern für die verschiedenen Veranstalter, umsahen, lagen noch drei Boote abfahrtbereit im Hafen, drei weitere waren erkennbar auf der Rückfahrt. Vom Terminal wegfahrend bemerkten wir zwei weitere zurückehrende Boote. Auf den riesigen Parkplätzen standen 14 große Reisebusse sowie mehr als 10 Kleinbusse und warteten auf ihre zurückkehrenden Fahrgäste für den Abtransport. Die vier sehr großen Parkplätze für die PKWs und Camper waren fast bis auf den letzten Platz gefüllt, d.h. hier standen mehrere hundert Fahrzeuge. Ein Ausflug auf dem Milford Sound, Dauer etwa 1 1/2 Stunden, ist ein extremes Massengeschäft; auf dem Fjord begegnet man immer wieder den anderen Booten, ungestört ist man nicht. Und oben drüber fliegt dann noch eine Propellermaschine mit seinen Gästen oder man wird von einem Hubschrauber umkreist. Ruhe im Fjord – das gibt es nur in der Werbebroschüre und im Traum. Alle, die sich hierhin auf den Weg machen, verleben sicherlich eine schöne Zeit auf dem Boot, aber mit unseren Eindrücken ist das nicht vergleichbar. Hier werden pausenlos tausende von Gästen herangekarrt, jedes Schiff dreht bis zu 6 Mal täglich seine Fjordrunde. Das wäre nichts für uns gewesen. Das kleine Boot mit überschaubarer Gästezahl, die entstandene Stimmung, an das kommen die Massenveranstaltungen auf dem Milford Sound nicht heran. Der Fjord selber kann sich, so unser Eindruck aus dem Blickwinkel von an Land stehenden Beobachtern, durchaus sehen lassen. Die Berge, vermutlich sogar etwas höher als im Doubtful Sound, steigen oft sehr steil aus dem Wasser auf, weisen soweit erkennbar jedoch weniger Bewuchs im Vergleich auf, was ggf. auch an der Steilheit und den fehlenden Wurzelmöglichkeiten liegen mag. Er ist eng, weist jedoch nach unserer Kenntnis bis auf die Einmündung in die Tasman Sea keine Inseln auf. Bei schönem Wetter so wie heute sicherlich auch ein besonderes Erlebnis.

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Eine Ungenauigkeit müssen wir korrigieren. Auch wir haben die in den Karten und Reiseführern seit Menschengedenken gebräuchlichen Namensbezeichnungen z.B. des Milford Sound übernommen, sprechen aber immer von Fjord, und das ist gut und richtig so. Den früheren Namensgebern, oft aus dem englischsprachigen Raum war der Unterschied zwischen Sund und Fjord nicht so geläufig, deshalb wurde alles gleich benannt, gleich ob es sich um einen Sund oder einen Fjord handelt. Nun ist ein Sund ein Flußtal, das auf Grund des Absinkens des Landes geflutet wurde, während der Fjord glazialen Ursprungs ist und durch die Masse und die Reibung des Eispanzers über zehntausende von Jahren geformt wurde. Sie weisen deshalb auch ein u-förmiges Aussehen mit steilen Bergflanken auf. Nun werden wir uns nicht anmaßen, die eingeführten Namen zu korrigieren, werden jedoch dort, wo es u.E. um einen Fjord handelt, diesen auch so benennen.

Unser heutiger Landausflug zum 140 Kilometer von Manapouri entfernten Milford Sound führte uns an eindrucksvollen Landschaften vorbei. Kurz vor Te Anau trafen wir auf den große Ausmaße besitzenden Lake Te Anau, den größten See auf der Südinsel, dem wir gut 30 Kilometer folgten. Nicht immer hatten wir Seeblick, da die Straße immer wieder vom Ufer wegführte, bemerkten jedoch ein wunderschönes Panorama und ab und an einen sehr kiesigen Strandabschnitt. Ein Blick auf die Karte zeigt auch, die Berggipfel hier im südlicheren Teil des Nationalparks liegen im allgemeinen unter den Gipfeln, die den Milford Sound umgeben.

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Bei Te Anau Downs, der Fähranlegestelle für diejenigen, die an den Anfang des Milford Trails wollen, entfernt die Straße sich zunehmend vom See, es wird kurvenreicher und hügeliger. Dann überquert man die Nationalparkgrenze und fährt von da an über viele Kilometer unter einem dichten Blätterdach, durch einen naturbelassenen alten Wald. Ab und an erkennen wir auch Methusalems, große Stammumfänge sind wahrnehmbar. Hin und wieder gibt es an der Straße Hinweise zu möglichen langen oder kurzen Wanderungen, sonstige Sehenswürdigkeiten. Der Eglinton River hat im Verlaufe seiner Existenz wiederholt sein Flußbett verändert, Totarme sind entstanden, um die sich herum oft ein schöner Wald gebildet hat. Die Mirror Lakes gehören dazu, spiegelt sich der Wald in besonderem Maße auf der Wasseroberfläche. Etwas später öffnet sich das Eglinton Tal sehr weit, teilt sich in einen östlich und westlich verlaufenden Arm. Bis zu dieser Stelle sind offensichtlich Siedler vorgedrungen, die weiten Wiesen und Weiden eigneten sich gut für die Viehzucht. Jedoch die Tiere zum Markt zu treiben, war eine sehr aufwendige 9-tägige Anstrengung, um über die Berge nach Queenstown zu gelangen. Wie es heißt, zog man sich bald aus dieser sehr abgelegenen Region zurück. Was bleibt ist ein Blick hinauf ins Tal; was wir vor Ort gefunden haben ist eine Luftaufnahme von diesem Ort bis hinüber zum Milford Sound.

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Malerisch gelegene Seen kann man auf der Strecke hinüber zum Milford Sound besuchen. Lake Fergus und Lake Gunn, die auf nicht ganz 500 Meter Höhe liegen, gehören dazu, wie immer und natürlich in den Wald eingebettet, natürlich gibt es einen grobkiesigen “Strand” und natürlich wird die Temperatur von Katrin getestet. Ihr Urteil, kälter als der Lake Manapouri, also wird es nichts mit einem Sprung ins sehr kalte Wasser.

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Dann geht es stetig das Tal des Hollyford River bergauf. Die Berge rücken enger an die Straße heran, mit dem Anstieg nimmt die Dichte der Bewaldung ab, immer wieder kann man sehen, wo große Bergabbrüche starke Steinlawinen erzeugt haben, die ab und an auch die Straße, eigentlich die Passstraße, überrollten. Die Berge wachsen höher als zuvor neben uns auf, blanker Fels dominiert. Immer wieder sieht man auch ewiges Eis auf den höheren Bergkämmen und –spitzen. Die gegebenen Haltemöglichkeiten nutzen wir , um uns diese imposante Bergwelt, die oft über 2.000 Meter hinausreicht, anzusehen.

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Dann sind wir am Homer Tunnel, etwa 1.300 Meter lang, der Scheitelpunkt der Strecke bei 945 Metern. Durch eine einspurige im Wechsel zu befahrende heutigen Sicherheitsanforderungen bei weitem nicht mehr genügende Röhre geht es mehr oder weniger steil abwärts. Eine Fluchtröhre erkennen wir nicht, ob es eine Videoüberwachung des Tunnels gibt, wissen wir nicht, ein Hinweis darauf war nicht erkennbar. Unwohl haben wir uns nicht gefühlt, obgleich der Tunnel praktisch unbeleuchtet ist, was wohl auf sein Baujahr, 1953, zurück zu führen ist.

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Ziemlich steil abwärts verläuft die Straße dann gute 20 Kilometer bis nach Milford Sound, die Berglandschaft um uns herum bleibt spektakulär. Insbesondere bei unserer Talfahrt kann die Form des Tales, u-förmig, gut erkannt werden; auch hier waren die Eispanzer am Werk.

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Bevor wir jedoch wieder auf NN 0 angekommen sind, erweckt ein Hinweis auf “The Chasm” unsere Aufmerksamkeit, wir halten an. Die kleinen Wasserfälle bei “The Chasm” inmitten eines kleinen Regenwaldes sprudeln wegen der ausgebliebenen Regenfälle zwar nur spärlich, ein Blick in die kleine Schlucht zeigt aber, wie Wasser beharrlich fließend dem Stein schöne Formen abgerungen hat.

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Die letzten Kilometer vor unserem Ziel geht es wieder durch dichten Wald, eigentlich nichts ungewöhnliches. Bemerkenswert jedoch der Lärm der uns umgibt. Trotz Fahrgeräuschen und fast geschlossenen Fenstern dringt das oft sehr laute Zikadengeräusch an und in unsere Ohren. Ohrenbetäubend, wenn man dem ungeschützt lange Zeit ausgesetzt ist. Wollen die Zikaden uns vor dem Kommenden warnen?

Milford Sound, im Grunde nur einige wenige Häuser, Ferienwohnungen, eine riesige Hafenanlage für die Fjordboote und natürlich eine Start- und Landebahn für kleine Flugzeuge. Alles ist auf die Vermarktung des Fjordes ausgerichtet. Schön ist etwas anderes, aber der Blick auf den Fjord drängt das Ortsbild sehr stark in den Hintergrund. Wie so oft, wird man entlang einer zwangsläufig zu gehenden Strecke wie der vom Parkplatz zum Hafengebäude informiert. Eine Information fiel uns dabei besonders auf, die über die “sandfly”. Was so harmlos klingt ist die Qual für Generationen. Auch die hier gesiedelten Vorfahren kämpften ihren aussichtlosen Kampf gegen diese Plage, denn es handelt sich nicht um eine sanfte Fliege, sondern um ein extrem aggressives Geschöpf, einen Vampir, der als weibliches Wesen nur auf unser Blut aus ist. Extrem klein, nicht zu hören, bei der Landung nicht zu spüren, oft  merkt man den kleinen Stich auch nicht, aber nach kurzer Zeit stellt sich ein Juckreiz ein, der alle bisherigen Erfahrungen mit Mückenstichen weit in den Schatten stellt. Es tröstet nicht zu erfahren, auch vor 150 Jahren wurde dieser weitgehend erfolglose Kampf gefochten, Katrin und ich leiden heute unter den Attacken und setzen uns  nun mit Chemie zur Wehr!

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Gegen 10:00 Uhr gestartet und damit gut hinter dem starken Ansturm der Touristenbusse fahrend hatten wir unsere Ruhe während der gemütlichen Fahrt, sowohl hin als auch zurück. Mehr als 8 Stunden waren wir unterwegs, es waren lohnende und interessante Stunden, auch wenn der Ausflug etwas zu lang geraten war.

… was ich noch zu sagen hätte ….

dauert aber länger als eine Zigarette, denn unter der gedanklichen Rubrik “Verschiedenes, was sonst noch so aufgefallen ist” ist das eine oder andere festzuhalten.

Oft haben wir uns gewundert, wie viele Menschen ihre Wasserflaschen auf dem Autodach sowohl in Chile als auch Argentinien einfach stehen lassen. Sind die alle gedankenverloren? Nein, sind sie nicht, denn es handelt sich um eine in diesen Ländern sehr bekannte Chiffre “verkaufe mein Auto”. Irgendwo an dem Wagen befindet sich dann auch ein Hinweis mit Telefonnummer, aber die Aufmerksamkeit wird durch die Wasserflasche, manchmal ist es auch ein Hütchen der Verkehrssicherung, erzeugt. Spart die Anzeige und wird überall gesehen.

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Kirchen finden sich in jedem Land, sie sehen sehr unterschiedlich aus und werden mehr oder weniger von den Gläubigen aufgesucht. Vielleicht haben wir in Deutschland die Augen nicht so weit wie hier in Südamerika geöffnet um zu bemerken, wie zahlreich die Kirchengebäude in den Städten und Gemeinden vertreten sind. Hier sind sie uns aufgefallen. Ganz besonders deutlich in Chaitén, der Stadt, deren Bewohner auf Grund eines Vulkanausbruchs zum größten Teil weggezogen sind, noch nicht einmal die Hälfte der ehemaligen 4.000 Bewohner lebt wieder in der alten Stadt. Hier fanden wir insgesamt  intakte Gebäude von fünf unterschiedlichen Kirchen/christlichen Gemeinden, eine weitere Glaubensgemeinschaft hat den Bau einer Kirche angekündigt. Ketzer würden unter Hinweis auf den Vulkanausbruch und seine Folgen für den Ort nur sagen – geholfen hat es aber nicht! Offensichtlich sind neben den beiden großen christlichen Glaubensgemeinschaften zahlreiche “Ableger” mit Erfolg auf Seelenfang gegangen, sind halt Fischer. Zugutehalten muß man allen Gemeinden – ihre Kirchenbauten sind keine Monsterbauwerke für tausende, sondern ihre Bauwerke sind eher bescheiden, ausgenommen die von den Zeugen Jehovas errichteten Bauwerke, oft auf großem bis riesiger Grundstücksfläche und von beachtlichem Bauvolumen.

Während unserer Fahrt sahen wir immer wieder am Straßenrand oder in der Nähe der Straße, mal in schöner Lage z.B. unter einem Baum, mal auf einem besonders hergerichteten Platz, oft aber nur schlicht und einfach gehaltene Grabstellen. Nicht nur ein schlichtes Kreuz stand da, sondern es sah nach einer richtigen Grabstätte aus, wie sie auch auf den hiesigen Friedhöfen zu finden sind. Wurden hier am Wegesrand Menschen bestattet? Ist das erlaubt? Manchmal sahen wir auch, wie Menschen an diesen Grabstellen innehielten, hier verweilten, fast wie bei uns auf den Friedhöfen, nur hier in großer Öffentlichkeit und nicht in aller Stille. Da wir diese Grabstellen sowohl in Argentinien als auch in Chile sahen, muß es sich um ein Südamerikanisches Phänomen handeln, dessen Lösung wir in keinem Reiseführer fanden. Erst Oliver, unser Gastgeben in Valparaiso, hatte einen Erklärungsansatz parat. Manchmal handelt es sich um Menschen, die im Straßenverkehr umgekommen sind und denen man an der Unfallstelle gedenkt. Viel häufiger sind jedoch Grabstellen, die keinen Bezug zum Ort besitzen, sie wurden einfach an einem passenden Plätzchen errichtet. Man erhofft sich, wenn auf der Straße vorbeifahrend, die Unterstützung und Hilfe des Vergangenen, dem nach seinem Tod quasi übernatürliche Kräfte zugesprochen werden. In Argentinien kommt noch ein besonderer Gauchokult hinzu,, erkennbar an den an der Grabstätte errichteten roten Fahnen. Ursprünglich glaubte ich, hier würde besonderen Arbeiterführern der Umgebung gedacht werden, lag aber falsch. Der Gaucho ist der typische “Ur”einwohner des Landes, auf dem Lande und in der Viehwirtschaft tätig, ein harter Hund, wettergegerbt und Marlboro rauchend. Manche dieser Cowboys in unserem Sinne sind herausragende Persönlichkeiten gewesen, denen durch eine entsprechende Kultstätte eine besondere Ehre erwiesen wird., Hier treffen sich dann auch die Nachfahren, Freunde und Bewunderer des verstorbenen Gauchos.

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Zwei Sichten des gleichen Sachverhalts.

Chile und Argentinien sind Nachbarn; sie waren nicht immer friedlich miteinander, aber seit vielen Jahrzehnten ist es ruhig – nur an der Oberfläche?

Wie das bei Grundstücksnachbarn vorkommt, daß man sich über die Gestaltung des Zauns oder den korrekten Standort streitet und nicht nur ärgert, ist bekannt. Aber unter zivilisierten Nationen im 20. Jhd. noch über Grenzfragen sich in die Haare zu bekommen, befremdet. Von uns in Europa wohl nicht bemerkt, aber Anfang der 90er Jahre war es kurz davor, zwischen beiden Ländern zu knallen; Argentinien ließ die Muskeln spielen und nur auf Vermittlung des damaligen Papstes kam es 1998 zu einer von beiden Seiten auch schriftlich fixierten Übereinkunft. Wie man zu dieser steht, zeigen die offiziellen oder halboffiziellen Veröffentlichungen auf beiden Seiten. Es scheint, als ob Argentinien sich mit Tatsachen nicht abfinden kann oder will, es an der Souveranität fehlt, Fakten zu akzeptieren. Ähnlich wie in der Falklandfrage/den Malvinas glaubt man, die Fakten durch Wiederholung sehr einseitiger Behauptungen aus der Welt, zumindest aus den Köpfen der eigenen Bevölkerung zu schaffen und diese u.U. für neue Abenteuer begeistern zu können.

Worum geht es? Die im folgenden wiedergegebenen Kartenausschnitte, links aus Chile, rechts aus Argentinien, unterscheiden sich nur durch eine kleine Linie bzw. die im Kartenmaterial enthaltenen Informationen/Hinweise . Betroffen ist das Gebiet zwischen dem Cerro Fitz Roy und dem Cerro Murallón/Daudet, also eine kalte, eisige, von wenigen Menschen bewohnte Gegend in einem der schönsten Gebiete Patagoniens :

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Hier stritt man sich jahrelang, ob der Grenzverlauf über den Gipfel z.B. des Cerro Fitz Roy verläuft oder, wie die Argentinier es gerne hätten, weiter westlich. Als wenn die Entwicklung des Landes oder sein Schicksal von dieser Frage abhängen würde. In den argentinischen Publikationen und Karten werden Fakten geschaffen, d.h. eine Grenze festgelegt, obgleich man in der Übereinkunft von 1998 gemeinsam festgelegt hat, daß über die tatsächliche Grenzziehung zu einem späteren Zeitpunkt eine einvernehmliche Lösung gefunden werden soll. Demgegenüber wird in Chile und den dort vertriebenen Karten zwischen den besagten Eckpunkten keine Grenzlinie gezogen, sondern deutlich gemacht, daß hier ein Dissens zwischen beiden Ländern besteht, der später geklärt werden soll. Die einen wollen Fakten schaffen, als ob  dies in der Zukunft ihnen eine bessere Ausgangsposition bieten würde, die anderen gehen souverän mit der Frage um.

Auf der gleichen Ebene liegt die Darstellung Argentiniens hinsichtlich der territorialen Ansprüche an der Antarktis. Die hier vorliegenden Motive liegen auf der Hand, die dort vermuteten Bodenschätze. Zum Glück gibt es eine, zeitlich befristete, Übereinkunft aller Anrainerstaaten und weiterer Nationen, auf eine Ausbeutung der Bodenschätze in dieser ökologisch höchst empfindlichen Region zu verzichten. Zu hoffen bleibt, daß man es endlich vermag, dieser Übereinkunft eine generelle und unbegrenzte Gültigkeit für alle Nationen zu verschaffen. Argentinien hofft natürlich, ein Stück von dem Bodenschatzkuchen abbekommen zu können und weitet seine Gebietsansprüche beträchtlich aus, zumindest in den Darstellungen argentinischer Karten. Im Vergleich dazu die Darstellung aus Chile (links) :

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Ohne überhaupt beurteilen zu können, welche Ansprüche welche Berechtigung haben ist für mich allein entscheidend, wie stellt man die eigenen Ansprüche im  Kontext von Drittansprüchen dar. Aus der chilenischen Darstellung ist ersichtlich, daß bei einem Teil des “Kuchenstückes” Argentinien Ansprüche angemeldet hat, es also nicht abschließend geklärt zu sein scheint. Im übrigen sind es ja nur Ansprüche und kein Besitz! Ganz anders die argentinische Darstellung. Danach handelt es sich bei dem “Kuchenstück” bereits um einen Teil der Feuerlandprovinz. Selbst für Laien erstaunlich festzustellen, daß Argentinien es vermag, nicht von dem im äußersten Westen gelegenen Landfetzen zum Südpol eine seinen Anspruch im Westen abgrenzende Linie zu ziehen, sondern auch diese weiter in den Westen verlagert. Hier ist Konfliktstoff gegeben.

Satiriker würden auf den Taschentuchtest verweisen, um eine Aussage über den Zustand Argentiniens im Vergleich zu Chile zu treffen. Während bei Verwendung eines normalen Papiertaschentuches argentinischer Herstellung man sich direkt in die Hand schneuzen kann, denn das Ergebnis ist auch unter Verwendung des Taschentuchs nicht besser, bleibt bei einem chilenischen Papiertaschentuch die Hand trocken, die Qualität des Taschentuchs überzeugt.

Auf dem Rückweg Richtung Santiago –ein Besuch im südlichen Teil des chilenischen Seengebietes

Der Kilometerstand heute beim Tanken in Ushuaia war 58.710; von heute an, den 19.12., ist die grobe Fahrtrichtung wieder Nord. Wir haben noch fast 20 Tage bis zu unserem Weiterflug auf die Osterinsel von Santiago aus und es gibt noch einige interessante Regionen insbesondere auf chilenischer Seite, die wir auf unserer sich langsam vollziehenden Rückreise besuchen wollen. Doch davor steht erst einmal Kilometerschruppen, denn bis Bariloche, wohin wir zügig fahren wollen, sind es gute 2.200 Kilometer. Diesmal wollen wir uns nicht auf unser Glück bei der Quartiersuche verlassen und haben  im Vorfeld uns um die Übernachtungen in Rio Gallegos, Perito Moreno und Bariloche gekümmert.  Nur von Perito Moreno kam keine brauchbare Bestätigung, so daß die Route leicht umgeplant werden musste. Nun wird es nicht ein elend langes Stück über die berüchtigte RN40 mit in die hunderte Kilometer gehenden Schotterstreckenabschnitten gehen, sondern über die RN 3 nach Comodore Rivadavia am Atlantik, also küsteaufwärts, um von dort Richtung Bariloche das Land zu queren. Wenn die Straßenkarte die tatsächlichen Straßenverhältnisse richtig wiedergibt, reisen wir auf einem Asphaltband, was bequemer ist und uns auch schneller voran bringt.

In Ushuaia sind wir bei Nieselregen und sehr bedecktem Himmel angekommen, ein Wetter, das leider auch in den beiden Folgetagen dominiert hat. Welch ein Unterschied heute – strahlender Sonnenschein, alle Berge  frei sichtbar, auch die in der Ferne auszumachende Darwin-Kordillere mit ihrer Schneeauflage glänzte im Sonnenlicht. Eigentlich kein Tag zur Abreise, sondern um vor Ort etwas zu unternehmen. Ushuaia hatten wir jedoch nicht als die Stadt kennen gelernt, in der es sich lange zu bleiben lohnt. Dann doch lieber die Zeit in einer uns mehr zusagenden Region wir z.B. dem chilenischen Seengebiet verbringen.

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Das außergewöhnlich gute Vormittagswetter gab uns auf der Rückfahrt die Gelegenheit, immer wieder einen Blick auf die eigentlich sehr niedrigen Küstenberge zu werfen, die, meistens schroff  und zackig, immer wieder auch in Teilen schneebedeckt, uns eine ganze Strecke lang begleiteten. Trotz der geringen Höhe  von rund 1.500m scheinen im Winter hier die Schneeverhältnisse so gut zu sein, daß nicht nur am Rande von Ushuaia eine  Liftanlage besteht, sondern an diversen Orten im Tal  des Rio Lasifasnei ebenfalls “Aufstiegshilfen” entstanden und kleinere Wintersportörtchen im Aufbau begriffen sind. Und alle Berghänge waren mit der hier dominierenden Südbuche bewaldet; erst ab etwa 600m war dann der nackte Fels zu sehen. Oft ein Bild, das uns auch an das eine oder andere Alpental erinnerte.

In einem Reiseführer war ein Abstecher zur Estancia Haberton, am Beagle-Kanal gelegen, als lohnenswert  beschrieben worden, insbesondere die Fahrt durch den dichten Lengawald im Tal wurde dabei hervorgehoben. Wir glaubten, gut in der Zeit zu sein, denn heute standen nur etwas mehr als 600 Kilometer und eine Fährfahrt auf dem Programm und bogen auf die Straße “J” ab. Anfangs war dieser Abstecher eine Enttäuschung, da nur spärlicher Wald, dafür um so mehr gerodeten Land zu sehen war. Nach wenigen Kilometern jedoch fuhren wir durch den als ursprünglich beschriebenen Wald. Da unsere Fahrt wegbedingt sehr gemächlich erfolgen mußte, konnten wir in aller Ruhe aufnehmen, was so rechts und links des Weges sich im Wald verbarg – zahlreiche kleine Gehöfte versteckten sich hier, oft befanden sich die kleinen Holzhäuser in einem bemitleidenswürdigen Zustand. Dennoch, hier lebten Menschen und halten wohl ihre Schafe auf den im Umland geschaffenen Weideflächen. Dann erreichten wir die Laguna Victorio, ein kleiner See, der friedlich vor uns lag, mit sehr klarem aber eiskaltem Wasser. Idyllisch und ruhig war es hier, ein guter Platz, wenn man ungestört und in Frieden sein Zelt aufschlagen möchte. Da bedeutsame neue Eindrücke von einer weiteren Fahrt in Richtung Beagle-Kanal nicht zu erwarten waren, kehrten wir auf die Hauptstraße zurück.

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Hier war dann auch richtiger Verkehr. Zahlreiche Reisebusse karren ihre Passagiere, die erkennbar  mit einem Schiff am Morgen angelandet waren, zu einem der auch vor uns liegenden Höhepunkte, nach dem Passieren des kleinen Lago Escondido den Lago Fagnano und dem von einem Aussichtspunkt in der Ferne noch auszumachenden Lago Yehuin. Dieser Lago Fagnano, tief unter uns so ruhig daliegend, von Bergen und Wald umgeben, war ein imposantes Bild, zumal dieser See sich dem Betrachter nur mit einem Teil seiner insgesamt gut 60 Kilometer messenden Länge darbot. Während die auf Landgang befindlichen Schiffstouristen anschließend wieder in Richtung Ushuaia zurück fahren mussten, durften wir einen guten Teil entlang des Sees weiter fahren, denn die Straße verlief dauerhaft an seinem Ufer entlang und gab uns unterschiedliche Blicke auf den, so weit erkennbar, von keinem Schiff befahrenen See frei.

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Auch jetzt noch, gut 120 Kilometer hinter Ushuaia  dichter Wald, soweit wir blicken konnten. Bei genauerer Betrachtung fiel jedoch auf, daß hin und wieder einige deutlich größere aber abgestorbene Baumstämme aus der grünen Masse hervorragten. Wir zogen daraus die Schlußfolgerung, der ursprüngliche Wald war bereits – zumindest – einmal einem Einschlag zum Opfer gefallen, was wir sahen, war die neue Baumgeneration. Wie zum Beweis, daß in dieser Region Feuerlands die Holzwirtschaft eine besondere Rolle spielt, sahen wir dann in Tolhuin, am Ende des Lago Fagnano gelegen, eine Großsägerei, in der die Baumstämme verwertet wurden; auch zwei Holzkohlenmeiler gehörten zu dieser Anlage.

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Keine Antwort konnten wir auf die Frage finden, weshalb auch in höheren  Regionen auf großen Flächen ein Waldsterben erfolgte; bei den abgestorbenen Bäumen in Bachnähe  hingegen könnte die Vermutung, sie hätten zu lange im Wasser gestanden, da durch den Bau von Dämmen durch die hier ausgesetzten und sich in Massen vermehrten Biber die aufgestauten Bäche und Flüsse Riesenflächen unter Wasser gesetzt haben, mit den entsprechenden Auswirkungen für den Bewuchs, in die richtige Richtung deuten. Entsprechende Hinweise auf die Biberplage und die diversen Versuche, dieses Problem zu lösen, wurde in den Reiseführern verschiedentlich berichtet. An anderer Stelle war erkennbar, daß in manchen Talniederungen auch  Moorland war.

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Nach etwa 200 Kilometern war es dann mit dem grünen Vorhang rechts und links endgültig vorbei, nachdem bereits so nach und nach immer größere Flächen zur Schaffung von Weideland, ohne das wir eine nennenswerte Beweidung feststellen konnten, gerodet worden war.

Dann erreichten wir auch wieder den Atlantik, an dem entlang  wir nun bis hinauf nach San Sebastian/Argentinien in geringem oder größeren Abstand in Richtung Norden fuhren. Eine relativ zügige Abfertigung an beiden Grenzen und wir waren wieder auf Schotterpiste in Chile unterwegs. Unser nächstes Zwischenziel ist die Fähre in Bahia Azul, um auf das Festland überzusetzen. War doch das Fahren entlang von Wäldern und Seen eine Erholung, die Strecke bis zum Hafen bot hingegen kaum eine Abwechslung, einzig die ab und an am Rande sichtbaren Guanakos, manchmal zahlreicher vertreten als das eigentliche Nutztier der Region, das Schaf, sorgte für Abwechslung für Auge und Gehirn. Dann sichteten wir noch in der Nähe unseres Hafens eine kleine Gruppe Lamas, ungeschoren, sowie später die bereits des Winterkleides beraubten Artgenossen. Die Tiere ließen sich durch unsere Annäherung kaum aus der Ruhe bringen, waren sie doch den Menschen gewohnt. Auch das Bild des Cowboys hat sich wohl gewandelt, denn wir sahen zwei Männer auf Quads fahrend eine Schafherde zusammentreiben, natürlich mit Unterstützung der Hütehunde!

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Die Fährfahrt verlief ruhig und planmäßig, wenn davon abgesehen wird, das vor den PKWs eine Fähre die sich aufgestauten LKWs nach Puerto Delgado beförderte. Auf den nach dem Verlassen des Schiffes anstehenden etwas über 100 Kilometern bis zur argentinischen  Grenze wurden die Wagen gefordert was das Zeuge hielt, zumindest von den Argentiniern. Die wußten wohl, was uns dort erwartete – lange Warteschlangen, die sich immer dann spürbar verlängerten, wenn die mit einer Fähre Übergesetzten ankamen. Auf der Fähre weit vorne sahen wir uns an der Grenze weit hinten und durften gut 1 1/4  Stunden warten, bis wir alle 4 Stationen der Grenzprozedur durchlaufen hatten. An diesem Ort arbeiten chilenische und argentinische Grenzer, für uns das erste Mal, zusammen; von einem Hand in Hand Arbeiten, auch organisatorisch ersichtlich, bemerkten wir wenig, nur unnötige Bürokratie und Mehrfacharbeiten. Worin der Sinn dieser getrennt-gemeinsamen Abfertigung bestehen soll, konnten wir nicht so richtig erschließen. Und direkt hinter der Grenze das wohl obligate Schild auf dem aller Welt mitgeteilt wird, die Malvinas (vulgo Falklandinseln) sind Bestandteil des argentinischen Hoheitsgebietes. Hierzu und weiteren Merkwürdigkeiten wird später einmal gesondert berichtet.

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Eine gute Stunde später fuhren wir dann gut nach 21:00 Uhr in Rio Gallegos ein und waren froh, eine bestätigte Unterkunft ansteuern zu können. Uns war zwar bekannt, daß diese Herberge nicht überragend bewertet worden ist, aber das es mit der Sauberkeit und dem Zimmerzustand so schlecht steht, hatten wir nicht erwartet. Für eine Nacht “freundeten” wir uns mehr oder weniger mit dem Vorgefundenen an. Dauerhaft werden wir jedoch nicht in derartigen Quartieren unterkommen (wollen). Und wie immer gestaltete sich das Essenfassen am späten Abend schwerer als gedacht – zum Glück fanden wir dann doch noch eine Gelegenheit, unser Riesenhunger zu stillen.

Am 20.12. stand  der 800 Kilometerritt nach Comodore Rivadavia an. Die Straßen zogen sich, wenn nur irgendmöglich, fast schnurgerade durch das Land. Die Landschaftkontur – sie wechselt zwischen potteben, fast eben, etwas hügelig, also weiter und weitester Blick in die Ferne/Zukunft. Vegetation bietet auch keine oder  nur geringe Abwechslung, Grasbüschel in dichter Form eher braun oder beige, vertrocknet, Büschel in lockerer Anordnung und hin und wieder auch kleinste Sträucher. Wenn man sich bückt und ganz knapp über die Vegetation hinwegblickt könnte man meinen, in der heimischen Lüneburger Heide zu sein. Doch bald wird klar, die Heide hat man nach 100 Kilometern bereits hinter sich gelassen, hier geht es, zumindest heute, sieben Mal weiter und : die Heidefläche wird durch kleine Wälder, Büsche und Haine unterbrochen, ist abwechslungsreich, hier sorgen allenfalls die immer wieder entlang der Straße sichtbaren Guanakos, als Einzel-, Gruppentier oder in einer kleinen Herde sowie ab und an Nandus für etwas eine echte Abwechslung. Es zieht sich endlos,Ortschaften weitgehend Fehlanzeige, Flüsse selten überquert, Tankstellen im 300 Kilometerabstand, Möglichkeiten, einen Imbiß zu bekommen ebenfalls in dieser Häufigkeit. Mit knurrendem Magen nähern wir uns unserem Tagesziel.

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Dann, etwa 80 Kilometer vor Comodore Rivadavia, rechter Hand am Horizont das blaue Meer, der Atlantik läßt grüßen, endlich etwas Abwechslung auf der Fahrt. Anfangs begleitet es uns in respektvollem Abstand oder besser, die Straße hält diesen ein, verständlich, wenn man sieht, welche Landabbrüche durch den Ozean verursacht worden sind. Dann plötzlich gab es eine Möglichkeit, Richtung Ufer abzubiegen und wir standen fast am Strand. Keine Menschenseele war hier zu sehen; Katrins Wassertest fiel positiv aus, Badetemperatur soeben erreicht, aber eine Probe in echt wollte sie dann doch nicht unternehmen, denn das Salz auf der Haut wäre vor Ort nicht abzuspülen gewesen. Dennoch, ein schöner Blick und ein akzeptabler Strand aus kleinem Kies. Von jetzt ab lagen immer wieder Strandabschnitte neben unserer Strecke, die von einigen nicht nur zum Sonnenbaden, sondern auch zum Schwimmen genutzt wurden.

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Wir hätten es wissen können, wenn wir die passierten oder uns passierenden Pickups richtig wahrgenommen hätten – sehr viele von ihnen trugen auf dem Heck und auf der Motorhaube große Buchstaben und Ziffern. Uns waren derartige Fahrzeuge aus dem Minenland im Norden Chiles bekannt, Explorateure, Ingenieure, Servicefahrzeuge etc. unterwegs, dort ausschließlich in roter Wagenfarbe, hier sahen wir weiße Pickups. Darüber hinaus sichteten wir immer wieder Ölförderpumpen und Tankanlagen. Wie zur Bestätigung dann im nächsten Ort, eigentlich der erste Ort seit gut zweihundert Kilometern, Caleta Olivia, begrüßte uns auf einem zentralen Platz eine Skulptur eines Ölarbeiters. Wir waren nicht im Minen-, sondern im Ölland angekommen.

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Unseren ersten Versuch, ein Nachtquartier zu finden, starteten wir in einem kleinen Küstenort, Rada Tilly, gut 15 Kilometer vor Comodora Rivadavia. Das Touristenbüro gab zwar bereitwillig Auskunft, die benannten Quartiere waren jedoch nicht nur kaum zu finden, sondern, was entscheidend war, öffneten nicht. Schade, denn der Ort liegt direkt am Meer. Das hieß weiterfahren in das Herz der Ölindustrie im Süden Argentiniens. Inzwischen war es 18:00 Uhr – wir kamen direkt in den Feierabendverkehr. Als Ortsunkundiger in dieser Situation auf gut Glück ein Quartier in dieser Großstadt (über 160.000 EW) zu suchen war die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Zum Glück hatten wir uns aus dem Netz eine Quartieradresse etwas nördlich vom Zentrum aufgeschrieben, die wir, nachdem wir in einer guten 3/4 Stunde endlich den innerstädtischen Bereich verlassen hatten, auch nach einigen Umwegen endlich gegen 21:00 Uhr gefunden hatten. Wie sich herausstellte, war die Hospedaje im Netz viel zu  positiv dargestellt worden, wir mussten jedoch den Spatz in der Hand mangels Alternative nehmen.

Am Samstag, den 21.12., führt uns eine sehr lange Reiseetappe von gut 850 Kilometern in Richtung Nordwesten nach Bariloche, quer durch das Land, d.h. auch von Ost nach West. Was wir am Vortag in der Annäherung auf den letzten 70-80 Kilometern schon bemerkt hatten, war jetzt noch stärker sichtbar : Ölförderanlagen, Ölförderpumpen, Tanks, Lager, Bohrtürme, kilometerlange Pipelines, Verarbeitungsanlagen, Gelände der Serviceunternehmen etc. Immer wieder waren an den Berghängen große Terrassen angelegt worden, auf denen dann nach Niederbringen der Bohrung die Förderpumpen aufgebaut werden konnten. Über alle Berghänge zogen sich nicht nur schnurgerade auf ein Ziel, die Pumpe,  verlaufende Stromleitungen mit ihren Masten, sondern Fahrspuren waren kreuz und quer aber ebenso zielgerichtet angelegt. Wir waren auf den ersten 150 west-nordwestlichen Kilometern im Ölland unterwegs. An die Stelle der nur einen kargen Ertrag abwerfenden Schafszucht war die renditestarke Ölindustrie getreten. Nur sehr selten konnten wir aufgelassene Gehöfte oder Estancias ausmachen.

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War dieser Teil der Fahrtstrecke noch interessant, weil wir immer wieder neue Förderanlagen entdecken konnten, war nach etwa 150 Kilometern wieder Langeweile angesagt. Bemerkenswert vielleicht das Passieren des sehr großen Lago Musters bei Sarmiento, dem in diesem großen Talkessel offensichtlich eine etwas intensivere Nutztierhaltung zu verdanken ist, denn sonst war Steppenland und fast schon Wüste unser Begleiter. Wir fuhren immer wieder durch große Ebenen, die in der Ferne von niedrigen Hügeln begrenzt wurden. Es war nicht nur staubtrocken, wie unsere Staubfahne auf den ungeteerten Streckenabschnitten über Kilometer sichtbar zeigte, es war ein durch und durch verdorrtes Land, obgleich die vermutlich – nur – 30 Grad in der Sonne nicht so entscheidend sind wie der mangelnde Regen. Für uns insofern noch auszuhalten, als ständig ein ganz schön kräftiger Wind, in der Regel immer aus Westen, für Abkühlung sorgte. Einen weiteren Lichtblick gab es gut 50 Kilometer weiter, als wir am südwestlichen Horizont Teile der Andenkette erkannten und auch schnee- oder gletscherbedeckte Bergteile ausmachen konnten. Dieses Glück war uns über die restliche Fahrtstrecke immer wieder zuteil.

Für einen, der in dieser Hitze hier durch die Wüste/Pampa/Steppe fährt, völlig aus der Zeit gefallen erscheinen Hinweisschilder, daß bei Schneefall Kettenpflicht besteht. Also Affenhitze im Sommer und arschkalt mit Schnee im Winter.

Am Nachmitttag gelangten wir in die Nähe der Vorkordillere und sofort änderte sich das Gesicht der Vegetation. Mühten sich hundert Kilometer weiter südöstlich die Schafe darum, überhaupt Fressbares zu finden, standen jetzt ganze Schafherden auf den Weiden, auch Rindviecher wurden gesichtet. Die aus der Vorkordillere gespeisten kleineren Flüsse brachten das notwendige Wasser in die Ebene, nicht nur an ihren Bach- und Flußläufen entlang entwickelte sich eine üppige Grünzone, in der zunehmend auch richtige Bäume auftauchten. Dann ging es bald nach Gobernador Costa erst in weiterem, dann in näherem Abstand parallel zur Andenkette nordwärts Richtung Bariloche. Die Berge waren nicht mehr nur als Silhouette, sondern deutlich konturiert zu sehen. Endlich wieder flächen- und bergflankendeckender Wald, bald dann auch im Tal nördlich von Esquel sattes Weideland. So langsam kam uns die Landschaft bekannt vor, denn vor gut 6 Wochen kamen wir aus dem Norden um bei Esquel nach Westen und somit nach Futelafú zu reisen. Während damals der Frühling fast noch im Tiefschlaf war, wir mussten warme Sachen tragen und manche liefen in El Bolsón mit Mützen durch die Straßen, begrüßten uns heute bei der Ortsdurchfahrt von El Bolsón nur Träger von Sommerkleidung, d.h. kurze Hose und T-shirt waren in Mode. Was 6 Wochen bewegen können! So viel Grün und so zahlreiche Blumen hatten wir nicht in Erinnerung und das damals nicht mit Wasser gefüllte Freibad mitten in der Stadt war jetzt Anziehungspunkt der nach Abkühlung suchenden Bevölkerung.

Auch in Bariloche war der Sommer richtig ausgebrochen und Katrins Wunsch, endlich kurze Hose tragen zu können, konnte erfüllt werden.

Nach einer so langen Fahrt, am Ende hatten wir seit dem Start in Ushuaia 2280 Kilometer zurück gelegt, haben wir uns verdient, richtig gut essen zu gehen. Sehr zufrieden waren wir damals mit unserem Besuch im El Vegetariano, wohin wir auch diesmal, nach unserem Einchecken im Portofino gingen. Manche zieht es immer wieder zum gleichen Tatort, nicht nur wir waren zurück, sondern ebenfalls eine junge Frau, die vor gut 6 Wochen in unserer Nähe saß. Katrin erkannte sie und so gab es ein freudiges Hallo. Wie sich herausstellte, war der Gast eine Freelance-Journalistin aus Brasilien, die Argentinien bereiste und nunmehr seit mehr als 6 Wochen in Bariloche weilt, weil der Ort ihr so gut gefällt. Gastwirte haben oft ein erstaunliches Gedächtnis, wie wir auch heute wieder feststellen konnten. Unser Wirt erkannte uns, obgleich nur einmal in seinem Lokal gewesen, sofort wieder, aus Deutschland seid ihr doch! Wir haben wohl nicht den schlechtesten Eindruck hinterlassen.

Unsere vergleichsweise kurze Weiterreise in den südlichen Teil des chilenischen Seengebiet um den Lago Llanquihue kann unter der Überschrift “Fahrt in die Weihnachtsferien” laufen, denn wir hatten uns für 5 Tage in einem Hostal in Puerto Klocker, der Posada del Colono, eingemietet, wie sich bei Ankunft herausstellte, eine gute Wahl. Das alte Bauernhaus steht unweit des Sees, es gibt einen Seezugang, wir  haben Blick auf den See und nicht nur auf den Vulkan Osorno, der quasi direkt hinter unserem Gasthaus steht, sondern in Sichtweite stehen zwei weitere Vulkane. Ländlich ruhig, landschaftlich Spitze und das alles bei herrlichem Sonnenschein.

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Nur seltsam, wenn wir in der Badehose am schwarzen Sandstrand herumlaufen und zu Hause zieht man die Mütze auf und Handschuhe an, um die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Weihnachtsstimmung – Fehlanzeige. Wir sind es eben gewohnt, daß es um die Weihnachtszeit kalt und grau ist, dieses Sommerwetter passt so gar nicht in unserer eingeübtes Bild. Wir werden mal sehen, wie dann der 24./25.12. vergeht.

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, eine Strecke doppelt zu fahren, unsere Fahrt entlang des Lago Nahuel Huapi von Bariloche Richtung chilenischer Grenze gehört dazu, auch wenn die Richtung für uns neu war. Auch diesmal wieder ein Riesenbild, das der See abgab, diesmal lag er jedoch ganz ruhig unter uns, vor 6 Wochen wogten hier die Wellen und blies ein kräftiger Wind, von dem heute so gut wie nichts zu spüren war.

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Die Grenzabfertigungen zogen sich diesmal hin, nicht zuletzt, weil bei uns das gesamte Gepäck aus dem Wagen heraus musste und einer ziemlich genauen Kontrolle unterzogen wurde. Dabei wurde ein Vergehen festgestellt. Es ist verboten, Frischprodukte wie Obst etc. einzuführen. Wir hatten vergessen, vor fast 6 Wochen in El Bolsón frischen Ingwer eingekauft zu haben, dessen Rest in unserem Küchensack auf den Verzehr wartete. Das Produkt hatte inzwischen mindestens viermal die Grenze passiert, immer wurde von uns seine Existenz vergessen. Hier nun wurde die Knolle dann entdeckt und musste entsorgt werden! Den Verlust verschmerzen wir gerne, liegen jetzt doch die beiden letzten Grenzprozeduren mit dem Wagen hinter uns.

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Entspannend war dann die Weiterfahrt, ging es anfangs doch wieder durch einen dichten Wald, in dem auch eine große Anzahl von Alercen erkennbar war. Plötzlich standen dann um uns herum nur noch abgestorbene Bäume, und zwar auf großer Fläche. Bei einem Halt, um an einen vom Straßenrand sichtbaren kleinen See heranzufahren, wurde der Grund für dieses Baumsterben deutlich, denn der Boden auch im See war mit einer dicken Schicht relativ weißen und relativ feinen Staubs bedeckt. Auswurf eines Vulkans bei einem Ausbruch. Wir hatten von derartigen Folgen eines Vulkanausbruchs in anderen Regionen gelesen und standen hier vor einem prägnanten Beispiel. Wenige Kilometer weiter war dann wieder ein intakter Wald zu bestaunen. Später erfuhren wir, daß Mitte 2011 der u.a. der Vulkan Puyehue ausgebrochen ist und für die Verwüstung verantwortlich ist.

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Schon von Weitem begrüßte uns der erste unserer drei Seen auf der Fahrt zum Weihnachtsquartier, der Lago Puyehue, auf den wir aus den Bergen kommend zufuhren. Die dann wahrzunehmende Landschaft glich irgendwie dem Allgäu, leichte Hügel, grüne Wiesen, Tiere auf den Wiesen, Heu gemacht, Bauernhäuser, alles friedlich und ruhig. Klingt nach Stereotype, trifft aber auf das Gesehene zu. Das i-Tüpfelchen gab dann der See.

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Bei Entre Lagos war dann die Fahrtrichtung wieder Süd, es ging am Lago Rupanco vorbei, Landschaft wie vorher beschrieben, bis wir an unseren “Haussee”, den Lago Llanquihue ankamen, ein Mordsdrum, bei dem das andere Ufer nur geahnt aber nicht gesehen werden kann. Ziemlich entspannt kamen wir dann bei unserer Herberge an, exakte 2.541 Kilometer Fahrtstrecke ab Ushuaia liegen hinter uns, packten kurz aus, um unseren ersten, aber gewiß nicht letzten Gang an den See zu machen, den Katrin natürlich sogleich auch praktisch testete. Warm war das Wasser nicht, aber das Schwimmen war angenehm, sogar schöne Wellen gab es, so daß Katrin meinte, fast wie am Meer, nur ohne Haifische!

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Unser “Weihnachtsferienquartier” liegt idyllisch in der Nähe zum See, um uns herum Natur pur, Vieh grast, Ibisse schreien, Hunde bellen (ab und zu), kaum ein Auto passiert die 200 Meter entfernt liegende Straße, der Wind spielt mit den Bäumen, hier kann man sich erholen. Wie immer hat eine solche Idylle, manche würden auch von Abgeschiedenheit sprechen, nicht nur Vor- sondern auch Nachteile. Den wesentlichen bekamen wir am Abend zu spüren. Uns war ja bewußt, das an diesem östlichen Seeabschnitt nur sehr spärlich Ortschaften existieren, das es jedoch so wenige waren, hatten wir unterschätzt. Für das Abendessen wurden wir auf ein 500 Meter entfernt liegendes Restaurant verwiesen, das sich leider als geschlossen präsentierte. In den 5 Kilometer entfernten Ort Las Cascadas gingen wir dann nicht, sondern benutzten – zum Glück – den Wagen. Die beiden Restaurants vor Ort : geschlossen! Der nächste Ort, Ensenada, lag dann 20 Kilometer weiter entfernt. Auf kurvenreicher dem See folgender Straße, eigentlich eine sehr schöne Strecke, aber nicht bei einbrechender Dunkelheit und mit erheblich knurrendem Magen, gelangten wir endlich an diese fast letzte Möglichkeit, etwas zu essen zu bekommen. Auch hier war fast alles dunkel, die zahlreichen Beherbergungsbetriebe und Cabanavermieter hatten gegen 22:00 Uhr schon die Nachtbeleuchtung eingeschaltet und wir begannen uns auf eine Nacht mit knurrendem Magen einzustellen. Ein letzter Versuch, wir fuhren weiter bis ans Ende des im Dunkel liegenden Ortes und, welch eine Überraschung, stießen dabei sogar auf zwei (!) Restaurants, die ein “tenedor libre” anboten. Uns war anfangs nicht bewußt, was das bedeutet, bis wir, nach der Speisekarte fragend, auf das aufgebaute Buffet hingewiesen wurden. Dies hatte auch einen stolzen Preis und veranlasste uns, eher eine Gabel zu viel als zu wenig zu essen – man weiß ja nie, wie die Zukunft aussieht.  Das aufgebaute Buffet war sehr umfangreich wenn auch schon deutlich geplündert, die Gästezahl, uns eingerechnet, betrug um diese späte Abendstunde zwei. An den abgeräumten Tischen konnten wir jedoch ablesen, daß vor uns bereits einige hungrige Mägen besänftigt worden waren und zwar zu einer Zeit, die für das Abendessen in Chile, hier isst man sehr spät zu Abend und wir lagen genau in dieser Zeit, eher untypisch ist. Mehr als gesättigt waren wir dann das einzige Fahrzeug auf der Straße. Mit seiner Hilfe fanden wir den Rückweg zu später Stunde zu unserer Posada.

Nach El Calafate, den Perito Moreno bestaunen

So wie wir vor fünf Tagen nach El Chaltén hineingeblasen wurden, half der Rückenwind uns heute, die Weiterreise nach El Calafate schnell zu bewältigen. Wie in den letzten beiden Tagen so auch heute wieder tiefhängende Wolken, jedoch eine offene Wolkendecke, so daß die Sonne immer wieder durchbrach. Wie der ständige Blick in den Rückspiegel jedoch zeigte, die beiden die Region dominierenden Cerro Torre – völlig hinter den Wolken versteckt – und der Cerro Fitz Roy – um oberen Drittel wolkenumsäumt – waren wieder einmal mehr zu ahnen als zu sehen, das Panorama, dass dem auf El Chaltén aus der Ebene Zufahrenden von weitem geboten wird, war sehr unvollständig.

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Auch die in den Viedma See ragende Gletscherzunge des Viedma blieb in unserer Wahrnehmung blass – ohne strahlendes Sonnenlicht wirkt aus der Ferne selbst ein so großer Gletscher wie der Viedmagletscher nur eingeschränkt, es fehlt der strahlende Glanz des Eises. Stattdessen bemerkt man vorwiegend das auf dem Gletscher liegende Geröll. Der stramme Wind dürfte im übrigen auch heute den an einer Bootsfahrt zum Gletscher Interessierten einen Strich durch die Rechnung machen, denn die Fahrten finden nicht bei etwas höherem Seegang statt.

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Schon früher habe ich darauf hingewiesen, wie die die Straßen begleitenden Drahtzäune, um die riesigen Estancias abzugrenzen und ggf. die Schafe auf dem Weideland zu halten, insbesondere den Guanacos immer wieder zum Verhängnis werden. Sie bleiben ab und an mit ihren Hinterläufen in den Drähten hängen und verenden dann elendig am Zaun. Kein schönes Bild, weder für den mit offenen Sinnen Vorbeifahrenden noch für den Bildbetrachter.

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Die Größe des Viedma-Sees wird erst bewußt, wenn man wie wir, die gut 80 Kilometer hin zu seinem östlichen Ende fährt und dabei immer wieder einen Blick auf See und die immer weiter zurück bleibende Bergkette um El Chaltén wirft. So nach und nach verschwinden dann die Bergkonturen; nicht erst nach 100 Kilometern, wie manche begeisterte Reisende beschreiben, sondern deutlich früher. Dennoch, es ist ein sehr beeindruckendes Bild zu sehen, wie das Massiv bei der Anfahrt so langsam aus der Ebene emporwächst und einen über viele 10 Kilometer begleitet.

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Dann war dass Ende des Viedma-Sees erreicht und wir fuhren über leichte Hügel, immer wieder von nicht ganz so starken Böen angeschoben, zur Seite gedrückt oder gebremst. Auf diese Gefahr wird hier durch ein besonderes Schild aufmerksam gemacht.

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Erstaunlich die Fantasie des Gestalters, denn Bäume sahen wir so gut wie keine, stattdessen Pampa, Steppe und ab und zu auch mal eine kleine Estancia in der Ferne. Dies ist nicht unbedingt ein Gebiet, in dem eine intensive Landwirtschaft möglich ist. Bald hatten wir die Landzunge durchquert und befanden uns an dem nächsten, noch größeren See, dem Lago Argentino, an dessen westlichem Ende sich das Eisfeld befindet, zu dem auch der Gletscher Perito Moreno gehört und gut 80 Kilometer davor unser heutiges Tagesziel El Calafate.

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Unser üblicher Weg zur Touristeninformation war heute nicht möglich, die Stadt feierte Stadtjubiläum und die wichtigste Zufahrtsstrasse in die Innenstadt war gesperrt. Unser Versuch einer Umfahrung führte zufälligerweise auch zu einem der denkbaren Quartiere, bei dem wir dann auch nicht nur der Einfachheit halber für mindestens zwei Nächste eincheckten.

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El Calafate ist kein Ort, in dem man länger als nötig bleiben sollte. Der innerstädtische Bereich ist völlig auf den Tourismus zugeschnitten, etwas, das man als eigenständiges Gesicht der Stadt bezeichnen könnte, fehlt. Manchmal orientieren sich die Fassaden an alpenländischer Skiortarchitektur, manchmal sind sie einfach, schlicht und einfaltslos. Vor einigen Jahren muß die Stadtoberen wohl der Größenwahn erfasst haben, als ein Uferboulevard gebaut wurde, weit ab vom Wasser; jeweils zweispurig und mit modernen Lampen bestückt. Bei unserem Spaziergang auf dieser “Flanierstrecke” blieben wir fast völlig allein, selten nutzte ein Fahrzeug die Straße, Fußgänger waren überhaupt nicht zu sichten. Der Zustand des Boulevards jämmerlich; nicht nur das wuchernde Unkraut störte, sondern die erheblichen Baumängel oder inzwischen entstandenen Schäden. Nicht eine einzige der sicherlich nicht im Baumarkt erstandenen Lampen war funktionsfähig. Die Krönung sahen wir dann auf dem Rückweg zur eigentlichen Hauptstraße des Ortes. Über eine große Freitreppe, ebenfalls von den genannten funktionsuntüchtigen Lampen gesäumt, gelangte man auf einen riesigen Platz und von dort auf die Hauptstraße. Dieser gesamte Bereich befindet sich in einem erbärmlichen Unterhaltungszustand, keine Visitenkarte für die Stadt. Im übrigen hat die Stadt, welche hat es nicht, zwei Gesichter : die Touristenfassade in der Hauptstraße und den angrenzenden Nebensträßchen – die Fassade der Wohnumgebung der hier arbeitenden Menschen, sie kündet eher von einer Armut und teilweisen Verwahrlosung. Zusammengefasst, wir haben in dem Ort nichts gefunden, was uns wirklich interessiert hat und zum längeren Bleiben anregt.

El Calafate ist das Tor zum Perito Moreno. Bei einem derartigem Slogan unterstellt man, durchschreitet man das Tor ist man am Ziel – hier weit gefehlt. Hamburg warb damit, das Tor zur Welt zu sein, auch ein anspruchsvoller Slogan; verläßt man Hamburg auf dem Seeweg, geht es in die Welt hinaus, insofern kann man diesem Werbespruch seine Berechtigung nicht absprechen. Aber El Calafate – hier erreicht man den Gletscher Perito Moreno nach einer gut 1-stündigen Autofahrt, er liegt fast 80 Kilometer westlich von der Stadt.

Heute am Sonntag, der 9.12., wollten wir endlich einen der Höhepunkte einer Patagonienreise besuchen, den Gletscher Perito Moreno. Während wir am Vortag bei nahezu strahlendem Sonnenschein hierhin gekommen waren, zeigte sich uns heute ein sehr bedeckter Himmel. Es hätte ja auch schlimmer kommen können, trösteten wir uns, indem es heftig regnet. Bislang hatten wir mehrfach die Erfahrung einer Wetterbesserung zur Mittagszeit hin gemacht; vielleicht trifft dies auch heute zu. Also machten wir uns sehr früh auf den Weg, denn wir wollten dem befürchteten Ansturm der Massen ausweichen. Auch rückblickend – Massen besuchten heute den Gletscher nicht, die Saison steht noch am Anfang. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir, nachdem schon gute 30 Kilometer vor dem eigentlichen “Ereignis” die Eintrittsgebührt – 130 CLP pro Nase – erhoben wurde, das erste Bild eines Gletscherteils sahen. Auch aus großer Entfernung sehr beeindruckend. Und die ersten kleinen Eisschollen trieben im See.

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Diese Wahrnehmung verstärkte sich, nachdem wir dann den riesigen Gletscher in seiner ganzen sichtbaren Ausdehnung, Tiefe und Breite, vor uns hatten und seine Mächtigkeit bestaunen konnten. Sind schon die Dimensionen dieses Gletschers umwerfend und führen zum Staunen, wunderten wir uns ebenso sehr über die sichtbaren Gletscherstrukturen, seine Gletscherspalten, die tiefen Risse, die sich über fast das gesamte sichtbare Gletscherfeld zogen, die kleinen Türme, die – noch – nicht abgestürzt waren, die Gletscherteile, die noch der Schwerkraft trotzten und “oben” bleiben, die unterschiedliche Farbe in einzelnen Gletscherteilen, teilweise strahlendes, wenn auch z.B. durch Gerölleinschlüsse manchmal verunreinigtes Weiß, manchmal eher ein Grau und dann zur Krönung unterschiedliche Blautöne, von hellblau bis ins dunkelblau gehend. Einfach umwerfend dieser Anblick. Man weiß nicht, was imponierender ist, die Mächtigkeit, die Eisdicke, die schiere Größe, das Farbenspiel, die durch die Spalten signalisierte Gefahr eines Gletscherspaziergangs.

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Die Parkverwaltung hat für die Besucher umfangreiche und lange Besichtigungsstege gebaut, Tribünen errichtet und es ermöglicht, sicherlich mehr als 2 Kilometer auf den Stegen an unterschiedlichen Stellen sich dem Gletscher zu nähern. Hierzu gehören auch mindestens drei große Plattformen. Eine davon in der Nähe des Zugangs zu diesem Wegesystem, zur zweiten muß man zahlreiche Stufen hinunter – und später auch wieder hinauf – laufen und die weiteren erfordern dann erheblich mehr Gehaufwand. Festzustellen war, daß 100% der Besucher es bis zur Plattform 1 schaffte, weniger als die Hälfte wurde auf Plattform 2 gesehen, obgleich diese deutlich näher am Gletscher liegt; die Aussichtspunkte im Norden und weiter hinaus erreichten nur eine handverlesene Anzahl. Für uns war das positiv, denn das ermöglichte ein ungestörtes Betrachten des Naturwunders.

Der Gletscher Perito Morena hat die Eigenschaft, mehr Eis zu bilden als abschmelzt, d.h. er dehnt sich aus. Gegenüber der Gletscherzunge befindet sich die Halbinsel Magellanes, auf der auch die Besichtigungsplattformen sich befinden. Alle par Jahre ist der Gletscher so stark angewachsen, daß er an die Halbinsel stößt und damit den Lago Argentino am Canal de los Témpanos durchtrennt. Der Zustand hielt bislang immer so lange an, wie der Gletscher dem Wasserdruck und dem steigenden Wasserpegel im südlicheren Teil des Lago Arentino standhielt. In naher Zukunft steht ein derartiges Schauspiel wieder bevor, denn aktuell ist ein Teil des Gletschers bis an die Halbinsel herangewachsen; die unteren Besucherwege waren deshalb auch gesperrt. Wir Besucher konnten deshalb den Gletscher aus sehr geringer Entfernung betrachten, auch ein Privileg. Die von uns beabsichtigte Bootsfahrt entlang der Gletscherkante konnte deshalb nicht stattfinden, stellte aber keinen großen Verlust für uns dar.

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Jeder Besucher hofft natürlich darauf, daß während seiner Anwesenheit ein großes Gletscherstück abbricht und mit Getöse sich ins saukalte Wasser stürzt. Übrigens : die Strahlungskälte des Gletschers war durchaus wahrnehmbar, es war spürbar kälter in der Nähe des Eisblocks als z.B. oben auf dem Parkplatz. Während unserer mehr als 2 1/2 Stunden vor Ort hatten wir Glück. Mehrfach hörten wir, wie an nicht einsehbaren Stellen Abbrüche erfolgten, mehrfach waren wir aber auch Zeuge eines solchen Gletscherabbruchs vor unseren Augen. Diese Gletscherabbrüche kündigen sich leider nicht an, so daß Reaktionsgeschwindigkeit gefordert ist, wenn man ein solches Ereignis dokumentieren möchte. Nicht immer war ich dabei spürbar zu spät. Ein tolles Bild, wenn durch den Bruch eine Eiswolke aufsteigt, das Eisblock sich mit Getöse, oft auch auf andere Gletscherteile aufschlagend gen Wasser bewegt, dort niederschlägt, eine riesen Fontäne entsteht, einen Seegang im Umfeld erzeugt, der manches Boot heftig erschüttert hätte, mehrfach auf und ab steigt, manchmal sich sofort in kleinere Teile zerlegt, bevor sich das Wasser beruhigt. Ein tolles Schauspiel.

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Irgendwann gibt es nichts Neues mehr zu sehen, auch für uns nicht, so daß wir am frühen Nachmittag uns wieder auf den Weg nach El Calafate machten. Wir hatten leider nicht das Glück, den Gletscher bei Sonnenlicht bestaunen zu dürfen. Dann sollen die Farben noch stärker leben, der strahlende Eindruck des Gletschers noch imposanter sein. Aber wir waren vor Ort, und das was wir sahen, war es wert, hierher zu reisen, hat uns immens beeindruckt.

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In unserem Hostel war uns ein Prospekt über eine archäologische Stätte zwischen El Cafayate und El Chaltén aufgefallen, in der u.a. versteinerte Baumstämme in Größenordnung zu sehen sind. Wir waren auf der Fahrt hin nach El Calafate daran vorbeigefahren, erinnerten uns jedoch nicht, ein Hinweisschild gesehen zu haben. Dem Internet zur Folge geht in der Nähe eines Hotels La Leona eine Geröllpiste ab, der Zugang zu der Fundstelle. Natürlich lässt sich der Besuch auch mit einer Agentur durchführen, aber kurzfristig lässt sich so etwas nicht darstellen. Das hieß dann ein gutes Stück Weges zurück fahren, was uns völlig neue Eindrücke verschaffte.

Waren wir etwas enttäuscht, sowohl bei der Hinfahrt auf El Chaltén als auch bei der Wegfahrt nur Teile der Bergmassive des Cerro Torre und des Fitz Roy sehen zu können, wurden wir heute voll entschädigt. Zwar war der Himmel wieder bedeckt, nur selten kam anfangs die Sonne wirklich durch, aber die Wolkendecke “flog” hoch. Wahnsinnige Ausblicke auf die Bergwelt im Norden. Korrigieren muß ich mich : man kann von Süden kommend die Bergmassive wirklich aus einer Entfernung von gut 200 Kilometern in voller Pracht, wenn auch nicht in riesiger Dimension ganz klar erkennen und identifizieren. Ein Geschenk des Tages, das wir durch mehrfaches Anhalten ausgiebig in Anspruch nahmen.

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Bei dem Versuch, den versteinerten Wald zu finden, waren wir leider nicht erfolgreich. Hinweisschilder gab es nicht, der Beschreibung folgend fanden wir keinen Zugangsweg zur der archäologischen Stätte und fuhren genervt wieder zur Bundesstrasse zurück. Im Hotel La Leona erfuhren wir dann, ein Zugang sei nur mit Führer und folglich über eine Agentur möglich. Ärgerlich, denn einen entsprechenden Hinweis fanden wir nirgends, auch die Bemerkung des Ansprechpartners im Hostel, der Eintritt betrage 50 CLP ließ erwarten, dort normalen Zugang zu erhalten. Rückblickend haben wir jedoch Verständnis, denn die Anlage dürfte mehr oder weniger ungeschützt sein und ein Hinweis könnte “anregen” sich das eine oder andere Souvenir einzustecken.

Dann ging es endgültig in Richtung Puerto Natales, dem NP Torres del Paine entgegen. Lange Zeit begleitete uns das altbekannte Bild einer kargen Steppe; die Landschaft ermöglichte zunehmend einen Blick in die Unendlichkeit, Erhebungen, Hügel- oder Bergzüge traten immer weiter zurück. Ab und an dann eine kleine Abwechslung durch “Skulpturen” am Rande.

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(die drei Brüder)

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Als unsere Strecke sich so langsam nach Südwesten richtete, änderte sich das Landschaftsbild allmählich.  Die karge Vegetation nahm in kleinen Schritten zu, die riesigen Weideflächen wurden zunehmend  insbesondere von Schafen und nah an der Grenze zu Chile auch hin und wieder durch Rindvieh genutzt. Und zur Abwechslung gab es zwischendurch auch kleine Wasserflächen und eine andere Vegetation.

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Bei Cerro Castillo überquerten wir die Grenze nach Chile; dieser Nebenübergang wird wenig frequentiert, so daß wir auch nach kurzer Prozedur wieder in Chile waren. Die Holperstrasse wurde durch eine neue Asphaltstrasse abgelöst. Eigentlich hätte wir bereits hier Richtung Torres de Paine abbiegen können, aber wo übernachten? Also Fahrt nach Puerto Natales, vorbei an einer zunehmend üppigeren Vegetation, einer interessanteren Landschaft, in der die Ebene von Hügeln und Bergen abgelöst wurde, in kleinen Teichen auch Flamingos nach Nahrung suchten und das alles auf der Straße an das Ende der Welt (Ruta del Fin del Mundo).

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Und dann waren wir nach weiteren 65 Kilometern auch schon in Puerto Natales, ein kleiner Hafenort, der sich am Fjord entlangstreckt. Ein Hostal hatten wir vorreserviert, in Zentrumsnähe. Die Welt ist ein Dorf, wie wir wiederholt feststellen mussten. Hier in unserem Hostel Niko’s II Adventure trafen wir, jetzt zum dritten Mal, auf Phil und seine Frau, die eine halbe Stunde vor uns per Bus aus El Calafate eingetroffen waren.

El Chaltén – Cerro Fitz Roy im Blick

El Chaltén existiert eigentlich erst seit 1985, als die argentinische Regierung beschloß, hier eine Stadt aus dem Boden zu stampfen, um seine Besitzansprüche um den Cerro Fitz Roy gegenüber dem Nachbarn Chile besser geltend machen zu können. Wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, wurde in 1995 ein internationales Übereinkommen zwischen beiden Ländern über den “endgültigen” Grenzverlauf in dieser Region getroffen. Ob die Entscheidung der Ortsgründung dabei geholfen hat, ist mir nicht bekannt. Zur Steigerung der Bekanntheit und zum Aufschwung als Touristenort wesentlich beigetragen haben dürften aber die diversen Besteigungen des Cerro Torre und des Fitz Roy mit ihren extrem steilen und hohen Wänden. Der Ort selber wirkt wie alle Städte Argentiniens – sehr stark in seiner Struktur geplant durch seine rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßen, also schachbrettartig angelegt. Der ursprüngliche Charakter eines kleinen Bergortes, wie er auch durch eine ganze Anzahl insbesondere früher Bauten zum Ausdruck gebracht wird, wird zunehmend verändert. Hotelkomplexe und mehr als eine Handvoll nicht in die Landschaft eingepasster Bauten zerstören das ursprüngliche Bild. Positiv anzumerken ist das Bemühen, die Bauten auf relativ großen Grundstücken zuzulassen, wodurch eine Auflockerung erreicht wird. Offensichtlich ist in diesem Ort so etwas wie Goldgräberstimmung ausgebrochen, denn auf extrem vielen Grundstücken wurde gebaut, standen Rohbauten und warteten, manche schon länger, auf ihre Fertigstellung, wurde an bestehende Bauten angebaut, manchmal auch nur angeflickt; das Bauhandwerk schien zu boomen, mancher dürfte sich aber auch mit dem Bau übernommen haben, denn sonst stünde nicht auf einer nennenswerten Anzahl Baustellen die Arbeit still.

Erkennbar ist auch, der Ort lebt vom und für den Tourismus. Hier arbeiten wohl alle Menschen direkt oder indirekt für die anreisenden Gäste. Die Bekanntheit von El Chaltén hat auch seinen Preis – für die Gäste, denn das Preisniveau ist hier enorm hoch. Katrin hat fast 8 Euro auf den Ladentische gelegt und ist dann mit etwa 200gr. mittelmäßigem Gouda, 4 Birnen, 1 kl. Flasche Wasser und 6 kleinen Semmeln nach Hause gegangen.

Von Fitz Roy und Cerro Torre ging auch auf mich eine besondere Magie aus. Schon vor Jahren hatte ich den Wunsch, einmal vor diesen Bergen zu stehen. Anlaß für diese Begeisterung waren einige Berichte über verschiedene Besteigungen der Berge, über unterschiedliche Routen, insbesondere von Freeclimbern, über das Leiden und die Warterei auf den einen oder zwei gute Tage für eine erfolgreiche Besteigung, das Leben unter der Zeltplane bei draußen tagelang tobenden Stürmen. Hier wurden besondere alpine Eigenschaften der Kletterer gefordert, dies faszinierte mich.

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Nun sind wir hier und wollen das Terrain erkunden. D.h. zuerst Informationen über die möglichen Touren einholen; besonderes Interesse haben wir an einer Gletscherwanderung, vorzugsweise einer, bei der man nicht per Boot bis an den Gletscher (Viedma) gefahren wird, sondern sich an ihn langsam und vielleicht auch mit Schweiß verbunden annähert. Wir fanden eine Agentur, die ein Trecking zu und auf dem Gletscher des Cerro Torre anbietet. Die Durchführung hängt jedoch von der Genehmigung durch die Parkverwaltung ab, wir befinden uns hier im NP Los Glaciares. Die bisherigen Eisverhältnisse haben heute und Morgen eine Genehmigung verhindert; wir stehen auf der Warteliste und hoffen auf ein o.k. in den nächsten drei Tagen. Wir haben zwar Literatur zu den in Patagonien möglichen Treckingrouten mitgebracht, bei der NP-Verwaltung aktuelle Informationen einzuholen, empfiehlt sich dennoch. Wesentlich Neues erfuhren wir zwar nicht, nutzten jedoch die Gelegenheit, den hinter der Verwaltung liegenden Mirador hochzueilen, um auf unser Dorf von oben schauen zu können. Der weitere Weg in Richtung Lago Viedma war nicht sehr ergiebig, die Sicht auf den riesigen See fanden wir bei der Anfahrt auf El Chaltén deutlich eindrucksvoller.

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Da für heute noch wechselhaftes Wetter angesagt war, hingegen am morgigen Mittwoch strahlender Sonnenschein versprochen war, soll eine größere Tageswanderung dann Morgen stattfinden. Am heutigen Nachmittag fuhren wir zum knapp 40 Kilometer entfernten Lago Desierto, einem quasi Grenzsee, denn unweit seines westlichen Endes liegt Chile. Für ortskundige Wanderer eine Möglichkeit, in einer 2-Tages-Tour das Land zu wechseln, Voraussetzung, sich bei der am östliche  Seeende befindlichen Grenzstation Argentiniens abzumelden. Gerade von Chile nach Argentinien gewechselt stand uns nicht der Sinn nach erneuten Grenzformalitäten, aber nach einer kleinen Wanderung am See entlang. Leider entschieden wir uns für einen Pfad, der an der Südseite des Lago Desierto entlang lief und irgendwann im Nirgendwo endete; viel weiter wäre es auch nicht gegangen, denn auf dieser Seeseite fällt der Berg teilweise steil in den See. Für Katrin ergab sich natürlich wieder eine Gelegenheit, die Seequalität zu testen. Dennoch, die Wanderung durch den Altbestand patagonischen Waldes, der seiner selbst überlassen wird. durch die Ruhe des Waldes mit Blick auf einen immer wieder von starken Böen aufgewirbelten See hat unserer Stimmung nur gut getan und Lust auf weitere Wanderungen in dieser besonderen Landschaft geweckt. Morgen werden wir uns von dieser Lust Richtung Berg und Basislager leiten lassen..

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Waren wir heute allein unterwegs, die am Ostende des Sees liegenden Boote, die gerade gewartet wurden, locken in der Hochsaison wohl eine deutlich größere Anzahl Besucher hierhin, dann jedoch auch zum Wandern als zu einer Bootstour auf dem Lago Desierto.

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Sowohl in der Parkverwaltung wurden wir auf den besonderen Schutz der “Huemuls” hingewiesen, eine Art patagonisches Rehwild, als auch durch mehrere Schilder entlang unserer Fahrtstrecke zum Lago Desierto hieran erinnert. Die Tiere sind sehr scheu und äußerst selten zu Gesicht zu bekommen. Scheue Tieren geraten wenn entdeckt schnell in Panik. Wir haben dies bei den ebenfalls sehr scheuen Guanakos erlebt. Offensichtlich in Panik geraten, wurden die der Straßen in der Pampa entlang gezogenen Drahtzäune manchem der Tiere zum Verhängnis, denn hin und wieder entdeckten wir bei der Vorbeifahrt in den Zäunen hängende Guanakokadaver. Kein schöner Anblick. Und was mussten wir in diesem Schutzgebiet für die Huemuls feststellen : fast über die gesamten 40 Kilometer waren die Flächen rechts und links der Straße von Drahtzäunen eingefasst. Wie soll hier eine geschützte Tierart ohne Risiko das Revier wechseln können?  Wie viele Tierkadaver haben schon in den Zäunen gehangen? Irgendwie völlig pervers diese unvollkommene und unverständliche Art Tierschutz zu betreiben, die durch derartige Einzäunungen ad absurdum geführt wird. In Teilen Patagoniens sind die Aktivitäten von Menschen wie Tompkins, der u.a. den Park Tumalin geschaffen und über eine Stiftung der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat, oder die Umweltstiftung Conservación Patagónica, die im Valle Chacabuco in der Nähe von Cochrane ebenfalls dabei ist, einen großen Park zu schaffen, nicht von allen Bewohnern der Region begrüßt worden. Doch eines mussten die Kritiker neidlos anerkennen. Nachdem im Valle Chacabuco zig tausende Kilometer Weidezäune abgebaut worden waren nahm die Population der Guanakos und der Huemuls sehr schnell zu! Vielleicht erinnert man sich hier irgendwann einmal an dieses Beispiel und folgt ihm. In Ermangelung eines echten Huemuls steht hier sein Warnschild :

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In Chalten sein heißt wandern. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, einen oder zwei Blicke auf den Cerro Torre und/oder den Cerro Fitz Roy zu werfen. Und das praktische ist, zwischen beiden Routen gibt es einen Verbindungsweg, also die Chance, an einem Tag beide dominante Berge zu besuchen. So auch meine/unsere erste Überlegung, denn für den heutigen Mittwoch war strahlender Sonnenschein vorhergesagt, beste Bedingungen sollte man meinen. Wer weiß, wie die kommenden Tage ausfallen. Mental hatten wir uns schon auf eine lange Wanderung eingestellt; eine Überprüfung der Richtzeiten für die einzelnen Wegabschnitte zeigt dann, wie lang der Tag bei diesem Wahnsinnsplan werden würde. Unter 10 Stunden bei Wandern im Eiltempo war nichts zu machen, wenn wir die beiden vorgeschobensten Aussichtspunkte auch erreichen wollten, eher war mit 12 Stunden zu rechnen, da Mensch ja auch Zeit zum Schauen haben möchte. Gewiß, wir waren überzeugt, die Strecke absolvieren zu können, die letzten Streckenabschnitte aber wohl mit hängender Zunge, starrem Blick, angestrengtem Gesichtsausdruck und der ständigen Frage, wie lange noch. Es gab keinen Grund, uns dieses Programm aufzubürden, wir haben ja Zeit. Wie richtig die Entscheidung war wussten wir nach unserem heutigen Treck, der 7 1/4 Stunden mit 30 minütiger Mittagspause dauerte; dies war zwar schneller als die Richtzeit, aber bei der großen Runde wären wir nach dieser Zeit noch im Anstieg zum Aussichtspunkt Maestri gewesen. Und wir merkten beide was es heißt, diese Zeit fast am Stück und im allgemeinen nicht zu langsam zu wandern und fühlten uns bei Rückkehr zum Nachtlager ganz schön platt.

Für heute entschieden wir uns, dem Cerro Fitz Roy nahe zu kommen, eine Tour mit einem sehr steilen letzten Anstieg und einer Richtzeit für den Anstieg von 4 1/2 Stunden. Endlich konnten die schweren Bergstiefel aus dem Auto geholt werden, die wir gerade für solche Wanderungen um den halben Globus mitgeschleppt haben, bei mir waren dann 2,7kg an den Füßen, bei Katrin wurden dann zusätzliche 1,5kg mitgeschleppt. Um 09:45 Uhr machten wir uns leicht verproviantiert auf den Weg, der uns anfangs durch einen schönen kaum windzerzausten da in einer Mulde liegenden Wald führte. Sobald wir seinen Schutz aber nach einer guten halben Stunde verlassen hatten, griff der Wind ganz schön zu und wir waren immer wieder froh, wenn wir wieder in einer windgeschützten Lage weiter wandern konnten. Zunehmend dem starken Wind ausgesetzte Waldpartien zeigten uns auch, welche Wirkung der Starkwind hat, denn Bruchholz lag überall herum. Weiter aufwärts steigend nahm die Wuchshöhe der u.E. hier vorhandenen Buchenart immer weiter ab, bis die Bäume keine Bäume, sondern eine Art großer Bonsai waren, maximal 2 Meter hoch gewachsen. Eine echte Ausbildung der Kronen war wahrscheinlich wegen des Windes auch kaum möglich. Hier konnte man also richtig zerzauste Baumexemplare bewundern.

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Ab und an war es möglich, einen Teil unseres Zielberges in der Ferne zwischen den Bäumen zu sichten, auch Ausblicke ins Tal und zu anderen gletschertragenden Bergmassiven unterbrachen unseren Vorwärtsdrang. Nach einer guten Stunde hatten wir dann unser erstes Aha-Erlebnis, der erste Aussichtspunkt, noch ziemlich weit vom Berg entfernt, aber immerhin, war erreicht. Da war es also, das Ziel unserer Anstrengungen. Ganz schön hoch, steil, imponierend, dominierend.

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Der weitere Weg führte uns dann nahezu auf dem hier erreichten Höhenniveau in Richtung Basislager Poincenot, wo der Erstbesteiger des Fitz Roy sein Lager aufgeschlagen hatte. Zwischendurch passierten wir eine Art Hochmoor, kleine Seen, durchquerten und passierten niedriges Gebüsch, mussten immer wieder über einfache Holzbretter kleine Bäche überqueren, bevor wir in den letzten Schutzwald vor dem Berg, der auch dem Basislager damals Schutz bot, eintauchten.  Auch heute wird dieses Lager als Zeltplatz von Wanderern und Bergsteigern genutzt. Wir waren gut im Zeitplan.

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Schon von weitem konnten wir die danach folgende Passage erkennen – es ging steil bergauf, oft über Schotter, Steine, Steinstufen, durch Bachläufe, wir kamen nicht nur kräftig ins Schwitzen, sondern die Pumpe musste auch Dauerleistung erbringen. Gute 400 Höhenmeter waren zu überwinden; uns hat das mehr als eine Stunde gekostet aber der dann mögliche Blick war ein schöner Lohn für die Anstrengungen. Da stand er nun vor uns, der Fitz Roy; wir waren nur durch eine Gletscherlagune, der Laguna los Tres, mit milchiggrünem Wasser vom Berg getrennt. Korrekt gesagt, Luftlinie muß es mehr als ein Kilometer sein, der Lagunedurchmesser dürfte dabei maximal 500 Meter betragen. Was man auf den famosen Fotos dieses Berges immer nicht sieht, vor dem Berg ist erst einmal nicht nur ein Gletscher, sondern ein kleiner vorgeschobener Felsen zu bezwingen, der eigentliche  Berg also doch nicht zum Greifen nah. Sei es drum, nicht andächtig doch beeindruckt von diesem großen zackigen steil in den Himmel ragenden Felsen mit seinen diversen Nebengipfeln, seiner steilen Wand, an dem sich kaum Schnee ablagern kann, saßen wir windgeschützt hinter einem Felsen und starrten hinüber. Es waren schöne Minuten auf dem Aussichtspunkt. Natürlich ist unser Tagesziel auch Ziel vieler anderer im Ort abgestiegener Wanderer. Während jedoch während des Hinanwanderns man immer wieder Plaudertaschen hörte, die in unseren Augen die schöne Ruhe beim Wandern störten, oben auf dem Aussichtspunkt war es sehr still; auch die übrigen Wanderer waren wohl durch den tollen Anblick stumm geworden.

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Man sollte nicht nur die Augen auf den Cerro Fitz Roy richten, sondern das gesamte Bergpanorama im Blick haben, die verschiedenen herabgleitenden Gletscher rechts und links, die anderen Berggipfel des Massivs, die in unserem Rücken liegenden Lagunen, die Laguna Madre und die Laguna Hija, nicht zu vergessen die weiter im Norden vergletscherte Bergkette. Es gab viel zu staunen.

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Nach unserem Vesper trieb der Wind uns wieder auf den Rückweg; wir hatten gut geschwitzt und es war unangenehm, so dem Wind ausgesetzt zu sein. Leider, aber es war vernünftig, ging es den gleichen Weg zurück. Wir sind ja keine Gems und können den steinigen Steilweg des Schlußanstiegs hinunterhüpfen – zumindest die Vernunft sagte uns, hier eher mit Bedacht zu gehen. Und so kamen wir dann auch ohne Blessuren wieder an unserem Startort in El Chaltén an, spürten einige unserer Muskeln und waren froh, den Schweiß bei einer warmen Dusche vom Körper spülen zu können.

Und Morgen geht es dann in Richtung Cerro Torre.

Wenn man so wandert und nicht alleine auf der Strecke ist, gibt es viele Begegnungen und Beobachtungen, wer so alles und wie sich dem Ziel nähert. Da trifft man zu einen auf die jungen Gipfelstürmer, die mit schwerem Rucksack bepackt, Zelt obenauf, Liegematte an der Seite festgezurrt, manchmal den Schlafsack unten am Rucksack befestigt, mit schnellem Schritt und nach vorne gerichtetem Blick dem Ziel entgegen, in der Regel zu zweit. Die beiden Campgrounds vor beiden Bergmassiven sind eine gute und preiswerte Alternative zu den teuren Unterkünften im Dorf; zudem hat man die Gelegenheit, fast als erster morgens einen Blick auf das Massiv zu werfen. Seltener begegnet man einer größeren geführten Gruppe, die in gemächlichem Tempo, eingebremst von dem voran gehenden Führer, dem Ziel entgegen steuert, immer wieder von Pausen unterbrochen, um die notwendige Luft für den letzten steilen Anstieg zur Lagune de los Tres zu schöpfen. In dieser Gruppe befindet sich in der Regel das Mittelalter. Seltener begegnet man der älteren Generation, aber wenn, dann sind diese 60-jährigen richtig fit und sind es gewohnt, sich im Berg zu bewegen. Beeindruckend ihnen zuzusehen, wie schnell sie den Berg hinunter eilen konnten. Das Gros der Wanderer stellen die junge und die jüngere Generation. Diese treten meistens in Paaren auf, wobei Unterschiede festzustellen sind.  Da ist zum einen der vorauseilende bestimmende Mann, dem die Frau so gut es geht folgt. Manchmal ist dann das Tempo so angepasst, daß die Nachfolgende nicht in die Schnappatmung verfällt und sogar noch Luft hat, dem Mann etwas mitzuteilen. Das kann manchmal ganz schön nervig sein, wie wir auf unserem Rückweg erfahren mußten. Über lange Zeit lief hinter uns ein französisch sprechendes Paar, wobei der Sprechpart zu 99% von der Frau übernommen wurde. In einem Affentempo strömten die Wörter aus ihr heraus, Pausen gab es keine, der Sprachfluß wurde sehr selten durch eine ein-Wort-Bemerkung des Mannes unterbrochen. Ich hatte den Eindruck hinter mir würde versucht werden, auf dem Rückweg Faust I und Faust II vorzutragen, eine Plage auch für uns als Vorangehende. Dann gibt es die Paare, bei denen die Frau vorangeht; begegnet man dieser Gruppe, wird man meistens freundlich und fröhlich vom weiblichen Part gegrüßt, während der Mann stumm, manchmal mürrisch, uns keines Blickes würdigend, hinterherstapfte. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Dann sind da noch die Gruppen zweier Männer oder Frauen zu erwähnen. Erstere eilen in der Regel zügig voran, wir hörten selten Gespräche, man verstand sich auch ohne verbale Kommunikation. Begegneten wir zwei oder manchmal auch mehr Frauen, war deren Herannahen schon von weitem zu hören; da wurde permanent gesprochen, gelacht, gejuchzt; viel Augenmerk auf die Umgebung wurde nicht gelegt. Also, man trifft hier so unterschiedliche Charaktere an, daß die Basis für eine soziologische Untersuchung besteht, fragt sich nur, wer sich dieser Aufgabe unterzieht, mich haben nur die unterschiedlichen Typen fasziniert, wobei mir die weitgehend stumm dahin wandernden Zeitgenossen, die auch immer wieder einen Blick in die Umgebung werfen, am nahesten sind.

Auf unseren vergangenen Reisen hat Katrin immer wieder ein ganz bestimmtes Buch eingepackt in der Absicht, wenn es die Zeit erlaubt, es zu Ende zu lesen. Zurückgekehrt lag das Lesezeichen vielleicht 10 Seiten weiter als zuvor. Das Buch und Katrins Leseeifer ist fast ein running gag. Um so erstaunter war ich festzustellen, wie Katrin den nur für den Fall des Falles, sollte ich (!) als Leseratte Langeweile verspüren, mit einigen Büchern bestückten E-bookreader an sich nahm und, nachdem passende Krimilektüre gefunden war, sich abends mit dem elektronischen Buch zurückzog. inzwischen wurden nicht nur 10 Seiten, sondern ganze Bücher gelesen.

Das Motto des heutigen 5.12. könnte lauten : der Weg ist das Ziel.

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Unser Ziel war die Laguna Torre zu Füßen des Cerro Torre, ebenfalls ein markanter Felsen in der Landschaft, der die Extremkletterer immer wieder herausfordert. Der Berg ist ein störrischer Felsen, nicht nur für de Bergsteiger, sondern auch für denjenigen, der nur einen Blick auf ihn werfen will. Nun wehen hier ja stramme Winde, Wolken ziehen mal hoch mal niedrig durch das Land, verfangen sich auch in den Bergmassiven, so daß es eine Glücksfrage ist, den gesamten Berg in seiner vollen Größe zu sehen. Heute Morgen war der Himmel bedeckt, Sonne wurde dahinter vermutet, aber nicht gesichtet, die Chance, den Torre zu sehen als gering eingeschätzt. Dann eben nur den halben Felsen sehen und los ging es. Die von uns dabei durchquerte Landschaft ähnelte der auf dem Weg zum Fitz Roy gesichteten, knorrige aber oft sehr gelichtete Buchenwälder, viel Bruchholz, Wege durch Bachbetten, Hochmoorflächen mit abgestorbenen Bäumen, Wege durch niedriges Buschwerk – sie ähnelte, aber war nicht gleich, zu sehen gab es am Wegesrand genug. So zum Beispiel das “Mahnmal” für unachtsames Verhalten im Nationalpark, wo Feuer aus bekannten Gründen verboten ist und man auch mit der Zigarettenglut noch Unheil anrichten kann. Nach etwa einer Stunde Wandern erreichten wir einen Aussichtspunkt auf das Torremassiv. Und wie erwartet, der  Cerro Torre hatte einen Wolkenschleier. Wir warteten eine ganze Weile, denn die Wolkendecke war nicht dicht und so hofften wir auf ein Wolkenloch, durch das dann der ganze Torre zu sehen sei. Die Natur machte uns den Gefallen nicht, dennoch, der Bergteil, der sichtbar war machte deutlich, welche Herausforderung dieser spitz nach oben ragende Felsen für manchen Bergsteiger ist.

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Nach mehr als einer weiteren Stunde standen wir dann am Fuße einer riesigen Endmoräne die uns zeigte, bis wohin einmal der Gletscher des Torremassivs gereicht hat. Das muß aber einige tausend Jahre her sein. Hier endete dann der im Grunde bequeme Anmarsch, der zwar gute 10 Kilometer lang war, aber nur 200 Höhenmeter aufwies. Jetzt ging es den Geröllweg hinauf, eine endliche Plackerei, denn nach knapp 10 Minuten standen wir auf der Kuppe der Moräne und blickten auf die Laguna Torre und den dahinter liegenden Felsen. Vor kurzem soll die Laguna noch eisbedeckt gewesen sein, hiervon war nichts mehr zu sehen. In ihr schwamm ein kleiner Eisbrocken, der von einer an den See heranreichenden Gletscherzunge des Glacier Túnel abgebrochen sein muß. Die vor uns liegende große Gletscherfläche wirkte nicht überall bläulich, was sicher auch daran lag, daß ein guter lagunenaher Teil unter Geröll und Erde lag. Auf jeden Fall war die schiere Größe des Gletschers beeindruckend, auch wie hoch er in das Massiv hinauf reichte, über einzelnen Bergschultern lag. So schön der Gletscher in seinem Blau auch anzuschauen war, unser Hauptaugenmerk galt ja dem Cerro Torre. Wir hatten schon an einigen Stellen unseres Hinweges immer wieder Gelegenheit einen Blick hinüber zu unserem Wanderziel zu werfen und mussten dabei feststellen, die Sichtbedingungen wurden nicht besser, sondern schlechter. So war nun ein noch größerer Teil der Nadelspitze dauerhaft von Wolken umhüllt, wesentliche Änderungen waren nicht in Sicht. Dennoch, hier dem Fels in seiner Schroffheit, fast Unbezwingbarkeit, seiner Schönheit, seinem Farbbild gegenüber zu sitzen, war es wert, den Weg gegangen zu sein. Wir haben nicht alles zu Gesicht bekommen, konnten aber einen Eindruck von der Schönheit und Mächtigkeit, der Faszination dieses Felsens gewinnen.

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Der Rückweg gestaltete sich nahezu ereignislos. Da das Wasser hier oben trinkbar sein soll, trat unsere Wasserexpertin zu Testzwecken an und wurde von der gefundenen Qualität überzeugt, frisch, klar und genießbar, ohne jegliche Zusatzstoffe!

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Natürlich blickte ich mich immer wieder um, konnte dabei aber keine wesentliche Änderung der Sichtverhältnisse feststellen. Dann verschwand das Massiv aus unserem Blickfeld, da wir den Ausläufer eines Hügels umwandern mußten. Bei Annäherung auf unseren ersten Aussichtspunkt zeigte ein Blick zurück, daß die Wolkendecke auf einmal deutlich höher lag – also doch eine Chance, den Cerro Torre in seiner ganzen Pracht und Größe zu sehen? Zehn Minuten später waren wir am Aussichtspunkt angelangt und blickten nach Westen, zum Torremassiv. Ja, da stand er, ohne Wolkenkranz, diese steile spitz zulaufende Wand, auf der sich, so sagt man, kein Schnee halten soll (was nicht stimmt, denn auch obere Teile sind vergletschert). Der Weg war das Ziel, aber zum Schluß haben wir sogar das Ziel noch gesehen, wenn auch aus größerer Entfernung als erhofft. Ein gutes Ende unseres gut 6-stündigen Wandertages. Was will man mehr? (z.B. den Torre und den Fitz Roy in schönem Sonnenlicht, morgens oder abends z sehen, dann dürfte der Granit der Felsen noch besser zur Geltung kommen als jetzt.)

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Heute am 6.12. wollten wir es etwas langsamer angehen lassen. es war einiges zu regeln, die Wäsche zur Reinigung zu bringen, Recherchen wegen der Unterkünfte in El Cafayate und Puerto Natales durchzuführen, die eingegangen Mails zu checken und zu beantworten. Die Zeit verging dabei schneller als geplant, was auch an der extrem schlechten Internetverbindung hier im Ort liegt. Manchmal hat man das Gefühl, hier wird noch mit Rauchzeichen die Botschaft zum nächsten Berg übermittelt, von wo es dann ebenso weiter geht. Manche Mails waren überhaupt nicht zu versenden, es war manchmal zum Verzweifeln.

Nicht nur zur Entspannung, sondern um am Abend noch einmal bei anderen Lichtverhältnissen einen letzten Blick, quasi zum Abschied, auf den Cerro Torre zu werfen, eilten wir spät zum ersten Aussichtspunkt. Und wie zur Bestätigung aller Befürchtungen, auch diesmal kein vollständiges Bild, die Wolken hingen fast im Felsen fest. Dennoch, es war zum Abschied eine schöne abendliche Stimmung wie zur Bestätigung, wie wohl wir uns hier in diesen vier Tagen gefühlt haben. El Chaltén, seine Berge, Gletscher und seine Wandermöglichkeiten gehören zweifelsfrei zu den bisherigen Höhepunkten. es hätten auch mehr Tage an diesem Ort sein können!

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Chile Chico nach El Chaltén

Wir waren so frühzeitig in Chile Chico angekommen, daß eine Weiterfahrt sich richtig lohnte, denn der Weg nach El Chaltén ist lang. Gegen 15:00 Uhr hatten wir die beiden Grenzkontrollen hinter uns gelassen und strebten gen Perito Moreno. Die Pampa hatte uns wieder, welch ein Kontrast zu den vorherigen Tagen mit üppigem Grün, Bäumen, Bergen, Schnee, Eis, großen und kleinen Flüssen und Bächen, stark fließend oder dahinplätschernd. Hier : nichts von alledem, stattdessen Staub, vereinzelte Grasbüschel, riesige Weite, sanfte Hügel, aufgerissene Erde und Weitsicht. An die Stelle von stark kurvenreicher Schotterpiste trat nun die sich sanft um die Hügel windende Asphaltstrasse. Und wieder einmal begegneten wir einer Mine, deren riesige Abbaufläche weiträumig eingezäunt und abgesichert war.

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Perito Moreno liegt an stark befahrenen Busstrecken, ein Quartier sollte hier zu finden sein. Wir klapperten jeden Hinweis ab, Ergebnis : entweder geschlossen oder voll belegt. Als auch unsere letzte Hoffnung, ein Hostal, das erst um 17:00 Uhr öffnete, zerstob, hieß es weiterfahren. Geplant war, von Perito Moreno aus auf dem Weg nach El Chaltén einen Abstecher ab Bajo Caracoles zu der “Cueva de las Manos”,wo sich einzigartige Felsmalereien befinden, die vor einigen Jahren auch zum Weltkulturerbe erklärt worden waren, zu machen. Wir könnten also bis Bajo Caracoles fahren und damit näher an unser “Kulturziel” für den kommenden Tag gelangen. Die Straßenkarte wies auch auf den kommenden 120 Kilometern einige “Ort”schaften auf, wir hatten auch Hinweise im Reiseführer auf Übernachtungsmöglichkeiten gefunden. Allein, es gestaltete sich sehr schwierig, ein Dach über dem Kopf zu erhalten. Bajo Carracoles, ein Ort, über den bereits Chatwin wenig nettes geschrieben hatte, eine Sechshüttensiedlung mit ins Nirgendwo gehenden Wegen, mit der einzigen Tankstelle auf den nächsten 400 Kilometern. Hier existiert ein Krämerladen mit angeschlossenem “Hotel”. Hotel ist zu viel Ehre für das, was hier geboten wird, die Preise sind jedoch hotellike.  Da auf den nächsten 250 Kilometern angabegemäß kaum eine Übernachtungsmöglichkeit besteht, mußten wir in den sauren Apfel beißen und viel Geld für wenig Komfort hinlegen. Zumindest die Duschen waren warm, der ständige Wind pfiff durch die Fensterritzen und trieb uns früh ins Bett. Hier war dann auch am eigenen Leib zu erfahren was es heißt, wenn Verbraucher oder auch die Gesellschaft einem Monopolisten gegenüber steht. Die diktierten nicht vertretbaren aber durchsetzbaren Preise müssen mangels Alternativen akzeptiert werden. In diesem “Hotel” mußten wir dann auch zu Abend essen – es wurde eines der teuersten Essen dieser Art für uns. Speisekarte gab es nicht, gegessen werden musste praktisch das, was der Koch zubereiten wollte. Also gab  es zuerst eine Gemüsesuppe, die auch nach Nachfrage voll vegetarisch war, weshalb auch Katrin diese bestellte. Die zahlreichen Fettaugen auf der Suppe ließen vermuten, die Angabe vegetarisch ist falsch. Und als dann Katrin auch noch Fleischfasern in ihrer Suppe fand, war das Maß bereits halb voll. Als “Hauptgang” gab es dann Nudeln mit etwas vegetarischer Soße und geriebenem Käse – eine Delikatesse (!?). Wir waren sehr hungrig, also aßen wir und tranken dazu unser Bier. Das Maß war dann voll, als wir die Rechnung sahen – für dieses opulente Abendmahl mit ausgewähltem Getränk durften wir gut 36 Euro auf den Tisch legen. Da wurde eine Monopolrente eingestrichen!

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Die Nacht über nahm der schon am Abend aufgefrischte Wind weiter zu.  Am Morgen wurden wir bei herrlichem Sonnenschein von einem typischen patagonischen Dauerwind in starken Böen begrüßt.

Als ich begann, unser Gepäck in den Wagen zu räumen, wurde ich von einem vor der Tür wartenden Reisenden angesprochen, ob wir zu der “Cueva de las Manos” fahren würden und ihn dann vielleicht mitnehmen könnten. Also hieß es, die Rückbank frei zu räumen und einiges auf die völlig verstaubte Ladefläche umzuladen. Da es im Reiseführer zum Thema Öffnungszeiten der “Cueva” hieß, vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, machten wir uns dann auch bald auf den Weg und kamen gegen 10:00 nach langer Schotterpistenfahrt an. Leider war die Welterbestätte ohne Führer nicht zu besichtigen; die nächste Führung war für 11:00 Uhr angesetzt. Also hieß es warten. Nach und nach trafen weitere Reisende ein, so daß dann die Führerin mit etwa 16 Personen im Schlepptau durch den stark böigen Wind zu den Felsmalereien ging. Wir hatten ja bereits in der Nähe von Cerro Castillo die “Manos de Cerro Castillo” besucht und waren dort enttäuscht über das Vorgefundene. Hier kamen wir aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Vor fast 9.400 Jahren haben die Ureinwohner Patagoniens, Jäger, Höhlenbewohner, nicht sesshaft, hier mit einfacher Technik mitgeteilt, ich war hier, indem sie ihre Hände in Negativtechnik abbildeten, Szenen aus dem Jagdleben darstellten, Tiere wie den Puma gezeichnet haben, auf ihr Leben hinwiesen. Insgesamt sollen etwa 800 Abbildungen existieren, von denen wir sicherlich die allermeisten zu Gesicht bekamen. Sie befanden sich durch einen riesigen Felsvorsprung geschützt auf den zurückliegenden Wänden in Nachbarschaft zu einer großen Höhle. Und das nicht nur in einer, sondern in unterschiedlichen Farben (rot, ocker, gelb, weiß, schwarz, violett). Wir waren mehr als beeindruckt, zu welcher Leistung die damals hier Lebenden in der Lage waren, bedeutete dies auch gelernt zu haben, wie Farben hergestellt werden können, was als Bindemittel verwendet werden kann und wie die Farbe in Negativtechnik aufgebracht werden kann. Uns wurde erklärt, um ein Negativbild der Hand mit z.B. rotem Umriss zu erzielen, wurde die Hand auf den Fels gepresst und die Farbe aus dem Mund auf die Hand und die diese umgebende Wand geblasen. Erstaunlich für uns, daß die damals verwendeten Farben auch heute noch, wenn auch oft blass, gut sichtbar sind! Die Warterei wie auch die Fahrt hatten sich wieder einmal sehr gelohnt.

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Wir hatten unserem rumänischem Mitfahrer angeboten, ihn wieder mit zurück zur Tankstelle zu nehmen; er hatte die Hoffnung, von dort wie geplant weiter in Richtung Chile Chico/Perito Moreno zu kommen. Angesichts der Fahrzeugdichte, wir zählten später auf fast 600 Kilometern weniger als 10 entgegenkommende Fahrzeuge, waren seine Chancen weiter zu kommen, gering. Am Ende der Führung kamen wir kurz mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch, aus Spanien wie sich herausstellte. Wie üblich – woher, wohin. Als sie dann äußerten in Richtung Chile zu fahren habe ich spontan gefragt, ob sie nicht unseren jungen Freund, studierter Biologe mit einigen Jahren Studium in Deutschland (Münster), nicht nach Perito Moreno mitnehmen könnten. Für die beiden älteren Herrschaften war es keine Frage, natürlich ja, und so war dieser Tag auch für ihn ein Glückstag.

Gegen 12:30 Uhr waren wir wieder im Auto und hatten bis El Chaltén gute 600 Kilometer vor uns. Wir wußten, die Zeit war knapp, denn mehr als durchschnittlich 70-80 Kilometer die Stunde sind kaum zu schaffen bei diesen Straßenverhältnissen und es drohte eine Ankunft im Dunkeln. Zu unserem Glück hatte der argentinische Staat einen Teil der RN 40, der wir immer weiter nach Süden folgten, geteert, gute 200 Kilometer waren jedoch heftig geschottert und teilweise hinsichtlich des Straßenunterbaus im Bauzustand. Wir scheuchten unsere rote Gefahr ganz schön, Fotostops gab es selten. Weniger wegen der Zeitknappheit, sondern vor allem – es gab schier nichts zu fotografieren, fast nichts. Wir fühlten uns in die ersten 2 Wochen unserer Fahrt in den Norden Chiles zurückgeworfen, als auch eine immer gleiche Landschaft, mehr Wüste als Steppe, an uns vorbei rauschte.  Einen Unterschied gab es : in Chile waren Berge zu sehen, hier Weite, nichts als endlose Weite, zum Glück nicht platteben, sondern mit der einen oder anderen Geländewelle versehen. Es war langweilig für die Augen, erleichterte die Konzentration auf das Fahren. Einzig während der ersten 1 1/2 Stunden Fahrt begleiteten uns im Westen sichtbare weiß bedeckte Andengipfel, eine kleine Abwechslung in dem ewig braunen, beigen Einerlei um uns herum.

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Die Überschrift für den heutigen Tag könnte auch lauten : Fahrt durch einen Tierpark. Uns war bekannt, daß in der Steppe/Pampa, durch die wir heute fahren, auch Guanakos beheimatet sind. Gemeinhin sind dies sehr scheue Tiere und machen sich davon, sobald sie nur den Anschein einer Gefahr wittern. Wir hatten in den zurückliegenden Wochen öfter das Glück, aus weiter Ferne kleine Gruppen dieser Tiere zu sehen, auch zu fotografieren. Am heutigen Tag trafen wir nicht einzelne oder kleinste Gruppen Guanakos, nein ganze Herden kreuzten teilweise unseren Weg oder waren nah an unserer Piste und ruhten, grasten. Geschätzte 30 und mehr Tiere umfasste jede der zahlreichen Tiergruppen des Tages. Ihr Verhalten war immer gleich. Wurden wir wahrgenommen, sahen die Tiere das Auto, brach eine Art Panik aus. Befanden sich die Tiere in der Nähe der Straße, häufig sogar zwischen dem die Straße links und rechts “begleitenden” Drahtzaun, wurde es für die Guanakos sehr problematisch; einige rasten vor uns her oder auf der Straße uns entgegen, statt, wie einige Artgenossen, sich mit einem Sprung über den Zaun in Sicherheit zu bringen, andere sprangen auf die Straße, um auf die andere Seite zu gelangen, ein anderer Teil stob rechts und links in die Steppe. Als Herdentier versuchen die Versprengten natürlich, der Herde zu folgen, kehren also zurück und kommen wieder auf der Straße in Schwierigkeiten. Wie verhält man sich als Autofahrer, anhalten und abwarten, langsam an den verängstigten Tieren vorbeifahren; aber was macht man, wenn auf einmal ein Guanako beim besten Willen nicht über den Zaun springen will und beginnt, neben uns herzulaufen, bei Tempo 50-60? Und dann wird plötzlich kurz vor der Kühlerhaube ein rasanter Bogen gelaufen und über den gegenüber liegenden Zaun gesprungen. Dies vor Augen ist verständlich, wenn darauf hingewiesen wird, nicht in der Dunkelheit zu fahren; diese Tiere sind nicht einzuschätzen.

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Also haben wir heute die Zahl der gesehenen Guanakos in freier Wildbahn mehr als verdreifacht. Auch die Ausbeute an gesehenen Nandus war groß, insbesondere der Nandumütter mit ihrem bis zu 8 Jungtieren umfassenden Nachwuchs. Hier hatte das Muttertier alle Flügel voll zu tun, als sie uns gehört/gesehen hatte, ihre Nachkommen anzutreiben und das Weite zu suchen.

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Während wir auf die Straße kreuzende Hasen kaum mehr achten, bemerkten wir plötzlich weit vor uns ein Tier, das in überschaubarem Tempo aber zielstrebig die Erdpiste überquerte. Langsam näherkommend die Erkenntnis – ein Gürteltier, bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Endgültig stehen bleiben, die Kamera greifen und die Tür öffnen war fast eins, den Blick immer auf die Stelle gerichtet, an der das Tier zuletzt gesichtet wurde. Langsam dieser Stelle nähernd bestätigte sich die Vermutung, ein Gürteltier. Aber bevor ich die Kamera in Position gebracht hatte, begann das Tier davon zu laufen. Mit seinen kleinen Füßen und den ständigen Haken, die es schlug, war es wohl für Katrin eine Freude, mich hinter dem Objekt meiner Fotobegierde hinterher laufen zu sehen, die Kamera immer im Anschlag. Ich drückte, wenn ich glaubte, das Tier könnte sich im Aufnahmebereich befinden, auf den Auslöser. In der Hoffnung, irgend eines der Fotos könnte das Tier erfasst haben, ließ ich den kleinen Kerl dann in Ruhe.

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Heute herrschten auch am Abend keine idealen Wetterbedingungen, insbesondere nicht für diejenigen wie wir, die hofften, bei der Anfahrt auf El Chaltén schon von weitem die majestätisch aus der Ebene herausragenden Bergmassive in voller Pracht bestaunen zu können. Wieder einmal machten tiefhängende Wolken uns einen Strich durch die Rechnung; wir sahen zwar etwas Berg, aber nur den eigentlich nicht ganz so imposanten Fuß der Bergketten. Man kann erahnen, was sich hinter den Wolken verbirgt, wir bekommen Lust, mehr von dem zu sehen – deshalb sind wir ja nach El Chaltén gekommen.

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Auch wenn die Fernsicht eingeschränkt war; am Lago Viedma vorbeifahrend war schon sehr deutlich die in den See gleitende Gletscherzunge des Glacier Viedma, Teil des südlichen Gletscherfeldes, zu sehen und davor schien ein abgebrochenes großes Gletscherteil zu schwimmen.

El Chaltén war um 19:15 Uhr erreicht, früher als ursprünglich erwartet; wir wurden auf Grund des immer stärker werdenden böenartigen Windes förmlich in den Ort hineingeblasen. Mit einem von der Touristeninformation abgegriffenen Ortsplan bewaffnet fuhren wir einige Hostals ab. Erste Feststellung : es gibt eine große Auswahl an Unterkunftsmöglichkeiten; zweite Feststellung/Erfahrung : obgleich noch keine Hochsaison, die preiswerteren Unterkünfte sind ausgebucht bzw. nicht im gesamten von uns gewünschten Zeitraum frei; dritte Erfahrung : hier wird es richtig teuer, ein Dach über dem Kopf zu haben. Mit dem Hinweis Barzahlung war kein Rabatt zu erzielen. Das Quartier, in dem wir dann uns für 5 Nächste einquartierten, war/ist jedoch sein Geld wert; riesiges Zimmer, Fußbodenheizung, tolles Bad, ein den Gästen zur Verfügung stehender Wohnraum, wie man sie in den Berghütten vorfindet mit einem riesigen Kamin, das alles auf einem extrem großen Grundstück – einfach toll, diese Posada Altas Cumbres. Und als i-Tüpfelchen trafen wir hier dann auf unsere Reisebekanntschaft aus London, Phil und seine Frau, die länger in Puerto Rio Tranquilo geblieben waren und über drei Busfahrten, die letzte von Chile Chico nach El Chaltén dauerte 10 Stunden, am Vorabend angereist waren.

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Was windchill bedeuten kann, erfuhren wir dann auf dem Weg zu einem Restaurant. Es gab zwar Plustemperaturen im niedrigen einstelligen Bereich, der fortwährende schneidende Wind ging jedoch durch unseren dünnen Fleece und die Hosen – saukalt, unangenehm, Wasser auf Katrins Mühle, hier sei es nur noch kalt und unangenehm. Zum Glück hatte unser Wirt gut geheizt, was die Stimmung zur Nacht wieder angehoben hat.

Südwärts in Richtung Carretera Austral

Wenn wir heute am 20.11. Bariloche verlassen, kehren wir einer Gegend und Landschaft den Rücken, die zu bereisen, zu erwandern, anzusehen und anzufassen uns unheimlich viel Freude gemacht hat. Wir hätten noch mehr als nur einige Tage hier in argentinischen Seengebiet zubringen und verbringen können, allein der Abflugtermin im Januar und die vielen noch vor uns liegenden ebenso spannenden Reisestationen legen nahe, Abschied zu nehmen. Es war sehr schön hier und, wie Katrin sagte, allerliebst und wunderschön. Vor allem Katrin wird sich, das zeichnet sich schon jetzt ab, immer wieder an diese Zeit, in der fast nur die Sonne schien, es relativ warm war, Wind in Maßen – meistens – blies, zurückerinnern, denn bereits jetzt weist sie auf die von ihr so erwarteten völlig anderen Witterungsbedingungen im eigentlichen Patagonien hin, zu dem wir uns jetzt, wenn auch in kleinen Schritten aufmachen, den El Bolsón ist unser nächstes und zugleich relativ nahes Ziel.

Gemächlich ließen wir den Vormittag angehen und verabschiedeten uns von unserem kanadischen Herbergsvater erst nach 10:00 Uhr. El Bolsón liegt nur gute 120 Kilometer die RN 40 nach Süden gefahren, also nur eine geringe Annäherung an die Carretera Austral. El Bolsón, die Stadt, die sich als erste zur atomwaffenfreien Zone erklärt hat, bietet dem Trecker eine Vielzahl von Wandermöglichkeiten; darüber hinaus sollen hier die Bedingungen für Rafting außerordentlich gut sein, Grund genug, hier einen Zwischenstop einzulegen.

Und wieder wurde unsere Liste der besuchten Seen länger. Zuerst passierten wir, diesmal auf der Ostseite den Lago Gutiérrez, dann erreichten wir den Lago Mascardi. Geplant war, an ihm entlang durch den Nationalpark zum Örtchen Pampa Linda, gut 50 Kilometer see- und flußaufwärts,zu fahren, um von dort aus in gut 2 Stunden zu einer Schutzhütte am Vulkan Tronador zu wandern. Am Parkeingang angekommen wurde uns mitgeteilt, daß eine Zufahrt zum Tronador bis 14:00 Uhr möglich sei, von 16-18:00 Uhr wäre eine Rückfahrt möglich, da die gesamte Strecke immer nur im Einbahnverkehr zu befahren sei. Wir begannen den notwendigen Zeitaufwand zu kalkulieren und mussten feststellen, für die Wanderung bleibt keine Zeit, denn inzwischen war es nach 12:00 Uhr und die reine Fahrtzeit bis zum Ort Pampa Linda muß mit mindestens 1 Stunde je Strecke kalkuliert werden.. Im Dunkeln in El Bolsón auf Quartiersuche zu gehen wollten wir vermeiden. Zudem schien es eine Alternative zu geben, die Fahrt zum Lago Steffen.

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Dieser liegt etwas mehr als 20 Kilometer weiter in Richtung El Bolson; das Hinweisschild war zwar kaum zu erkennen, aber durch die auf der Karte angegebenen Streckenkilometer der RN 40 konnten wir uns auf eine abzweigende Schotterpiste einstellen und sie rechtzeitig sichten. Allein die Anfahrt auf den Lago Steffen war ein Genuß, denn wir fuhren von der Höhe in ein Tal hinein und hatten dabei nicht nur einen Panoramablick auf den Lago Steffen, sondern zugleich auch auf den dahinter liegenden Lago Martin. Inzwischen war es 12:55 Uhr, der Parkeingang noch einige Kilometer entfernt und ab 13:00 Uhr wird die Straße – siehe oben – für den hineinfahrenden Verkehr gesperrt. Also im Grunde zu spät angekommen; Schlußfolgerung : den Streß, jetzt auf der Schotterpiste die letzten Kilometer hinzurasen tun wir uns nicht an – Abbruch des Versuchs.

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Gemütlich ging es die letzten Kilometer in Richtung El Bolson. Plötzlich nahmen wir querab links einen großen Wasserfall wahr, ober am Bergkamm begann er und stürzte dann in Kaskaden nach unten, nicht immer sichtbar, da der Hand auch noch bewaldet war. Anhalten und abbiegen war eins, wir standen am der “cascade de virgen”, Näher heranzukommen war nicht einfach; der normale Zugang war gesperrt, wir versuchten es über den auf der anderen Bachseite liegenden “kirchlichen” Bereich, der durch einen Kreuzweg bergauf ebenso gekennzeichnet war wie durch eine kleine Kapelle am Ende des Weges. Der war dann auch zu Ende, denn ein Zaun versperrte das weitere Vorankommen, aber nicht uns. Solch kleine Hindernisse lassen sich doch überwinden und wenige Minuten später standen wir dann vor dem letzten Teilstück dieses mehrstufigen Wasserfalls.

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Bei soviel Wasser glaubte Katrin einen Autowaschtag einlegen zu müssen und begann eine leere Wasserflasche mit Bachwasser zu füllen, um den seit fast zwei Monaten auf dem Lack lagernden Staub abwaschen zu können. Da hilft man doch, auch wenn das Ergebnis insgesamt noch verbesserungswürdig ist. Wir hoffen, daß der nun fast im Neuglanz dastehende Pickup keinen auf dumme Gedanken bringt.

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El Bolsón ist, zumindest in der Zwischensaison, wie sie derzeit besteht, ein Eldorado für den Quartiersuchenden, denn er kann wählen. Und unsere Wahl fiel diesmal auf eine sehr große Cabana in Innenstadtnähe. Wobei Innenstadt bei einem 20.000 Einwohner großen Ort, der sehr flächenintensiv sich ausdehnt, zu viel Ehre ist, zumindest konzentrieren sich hier die kaum besuchten Lokale.

Unsere Herberge, Hostal und Cabanas, ist gut besucht; damit bestehen auch gute Voraussetzungen, an den Erfahrungen der anderen Gäste partizipieren zu können. Erstes Ergebnis, unsere Idee, einen Ausritt zu unternehmen – Raftingtouren finden mangels ausreichender Nachfrage nicht statt, wir zwei sind kein Anlaß, ein Boot zu Wasser zu lassen – nimmt am Abend konkrete Gestalt an, denn ein Gast, Rick aus den USA, will sich und sein Gepäck zu Pferd zum Ausgangspunkt einer 5-tägigen Rundwanderung bringen lassen und freut sich über Mitreitende. Wir nehmen die Chance wahr und werden somit Morgen zwischen 6 und 8 Stunden uns per Pferd gemächlich bergauf und bergab tragen lassen. Als wir uns hierzu entschlossen wussten wir noch nicht, wie lange diese Zeit auf dem Rücken eines Pferdes im Gelände sein kann!

Fast pünktlich kamen wir am Morgen (8:45 Uhr) am Bauernhof an, von wo aus auch Reittouren durchgeführt werden. Vier gesattelte Pferde warteten bereits auf uns. Als jedoch Javier, Chef und unserer Begleiter, Ricks Rucksack in seinen starken Armen wog, war er nicht mehr damit einverstanden, mit vier Pferden auf die Tour zu gehen. Wir mussten im Nachhinein zugeben, Recht hat der Mann, denn Rick glaubte mit gut 30kg über die Berge laufen zu müssen und hatte im Rucksack zwar alles Notwendige, aber vieles im Überfluß, so daß wir ihn später überzeugen konnten/mussten, das eine oder andere wieder mit uns auf die Rückreise zum Hostal zu geben. Also musste ein fünftes Pferd her und für den Transport gesattelt werden.

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Um 9:30 ging es dann los, toller Sonnenschein begleitete uns. Die Pferde gingen die ganze Zeit eigentlich gemächlich, aber stetig, hatten jedoch die Eigenart, wann immer der Abstand zum Vordermann zu groß geworden war, in Trab oder, sehr selten, in Galopp zu verfallen. Man kann sich vorstellen, was das für den Reitneuling, wie Katrin und ich es sind, denn die wenige Male, an denen wir als Kinder auf einem Pony oder Pferd ein paar Runden gedreht haben, können hier nicht wirklich als Erfahrung zählen, bedeutete. Konnten wir bei normalen Gang unseres Pferdes uns noch dem Rhythmus anpassen, wurden wir bei jedem Tempowechsel hilflos hin und her geworfen; Versuche, sich über die Steigbügel aufzurichten waren erfolglos, nicht nur, weil wir es nie schafften, diese unter unseren Körperschwerpunkt zu bekommen, sondern weil im Verlaufe der vielen Stunden dann auch langsam die Kraft fehlte. Manchmal hatten wir das Gefühl, die einflußlose Last auf dem Pferderücken zu sein. Dennoch, der Weg hinauf zum “Refugio Hielo Azul” weitgehend durch einen alten Wald, immer wieder im Geröll von Bachläufen dem Ziel entgegen, oft mit tollen Ausblicken in das Tal und die umliegende Bergwelt, war traumhaft. Dieser Ausritt entsprach, zumindest bis zur Halbzeit, ganz unseren Vorstellungen. Nur manchmal, wenn der Weg allzu steil und das Geröll, über das die Pferde sich ihren Weg suchen mussten, zu unwegsam erschien, taten uns unsere Tragetiere leid und es gab Situationen bei Katrin und mir, in denen wir bereit gewesen wären vom Pferd zu steigen, um ihm den Weg zu erleichtern.

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Das eine oder andere Hindernis musste dabei auch überwunden werden; zum einen lagen in dem geschützten Wald immer wieder Bäume quer über unserem Pfad, die es entweder zu übersteigen oder zu umgehen galt – manchmal sprang unser Tragtier dann zu unserer Überraschung hinüber und löste bei dem Reiter nicht unbedingt Freude, sondern eher Verzweiflung aus, denn hiermit hat man nicht gerechnet und infolgedessen auch gut damit zu tun, oben zu bleiben, die Steigbügel nicht zu verlieren und dem Pferd den Zügel freizugeben; zum anderen mussten wir mehrere Bäche queren, die angesichts des Tauwetters eine gute Menge Wasser mit sich führten. Javier war dann immer wieder gefordert, nach einem passenden Übergang zu suchen. Ohne wesentliche Schäden, das einzige waren nasse Schuhe durch die Bachquerungen, kamen wir dann am Refugio an.

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Anfangs schien es, als ob sie noch nicht geöffnet wäre, denn keine Menschenseele wurde gesichtet. Doch dann tauchte der Verantwortliche für diese Hütte des Club Andino de El Bolsón auf, er hatte auf einer Bank für uns nicht sichtbar ein Nickerchen gemacht. Auch hier gibt es Bürokratie, denn  alle mussten sich anmelden und in das Hüttenbuch eintragen, auch wenn Javier, Katrin und ich uns auf den Rückweg machen würden. Das Refugio war wirklich “nur” ein Refugio und wenig vergleichbar mit den aufgepeppten Hütten in unseren Alpen, alles viel einfacher und rudimentärer; der Zweck, ein Refugium zu sein, wird jedoch erfüllt. Dies war dann Ricks erstes Quartier; von hier aus will er dann in den kommenden fünf oder sechs Tagen das Massiv des Dedo Gordo umwandern. Erster Rückschlag bei seinen Plänen – der direkte Aufstieg zu einem Bergsattel, um von dort aus auf kürzestem Weg zu nächsten Hütte/Refugio zu gelangen, war wegen der hohen Schneelage unmöglich. Insofern ganz gut, wenn wir ihn überzeugen konnten, sich von einigen überflüssigen Rucksackinhalten zu trennen.

Das Refugio, aus einfachen Holzbauten bestehend, mit abseits liegendem Bano, liegt mitten im Wald unmittelbar an einem kleinen Bach, dem Arroyo del Teno, der manchmal, wie die diversen über das Gelände laufenden Bachbette zeigen, immer wieder sein Bachbett wechselt, am Ende eines Talkessels. Von hier aus geht es nur noch nach oben, teilweise in den Fels, teilweise über Geröll und im Augenblick durch tiefen Schnee. Kein Wunder, wenn das Refugio erst ab 1.11. wieder geöffnet ist, denn wer sollte sich früher hierhin auf den Weg machen? Für den Chef vor Ort dann auch eine Abwechslung, wenn sich bereits jetzt, wir schreiben den 21.11., mal einer hierhin in die Einsamkeit verirrt.

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Für den Hinweg hatten wir genau wie geplant 4 Stunden benötigt; in dieser Zeit wurde den Pferden nach langen und steilen beschwerlichen Anstiegen dreimal eine kurze Pause von vielleicht jeweils 3 Minuten gegönnt. Wir verspürten zwar nach diesen 4 Stunden eine gewisse Anspannung unserer Oberschenkel- und  Wadenmuskulatur, benötigten nach dem Absteigen auch einige Meter, um wieder normal zu gehen, aber uns ging es gut. Den Rückweg meistern wir ebenso leicht, glaubten wir, aber es kam anders.

Nach einer Pause von fast 2 Stunden hieß es wieder auf die Pferde und Rick seinem Schicksal überlassen, Rick, stellte sich als durchunddurch netter Kerl heraus, auch wenn er für den US-Staat als Justitiar im Auswärtigen Dienst, z.Zt. in Brasilia, arbeitet. Auch wenn keine Wegmarkierungen erkennbar waren, kein Pfad sichtbar, Javier führte uns zielstrebig vom etwa 1.400m hoch gelegenen Refugio auf das Niveau des Rio Azul (etwa 300m üNN), den wir zum Abschluß queren mussten, um dann wieder steil das Ufer hinauf zu reiten bis zum etwa 1,5 Kilometer entfernten Hof. Was beim Aufstieg eine Mühsal für die Pferde war, die steilen Geröllstrecken, war es auch auf dem Rückweg – mit einem Unterschied : wir litten jetzt wohl mehr als die Pferde, denn dieses Geschaukel verlangte von uns fast ständigen Beinschluß, die Muskeln begannen so richtig zu brennen. Als wir nach dreieinhalb Stunden wieder auf Javiers Hof ankamen mussten Katrin und ich konstatieren, der Reitausflug war (zwar) schön, aber mindestens 2 Stunden zu lang. Obgleich wir nicht das Gefühl hatten, so richtig etwas geleistet zu haben, wir waren völlig kaputt, erschöpft, sei es wegen der Anspannung, sei es weil doch der eine oder andere Muskel dauerhaft gearbeitet hat. Also ein schöner Ausflug, den Katrin sich sehr gewünscht hatte, der aber in dieser Intensität keine Wiederholung, Stand heute (!) erfahren dürfte.

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Auf unserem Plan für El Bolsón stand noch eine längere Wanderung auf den Cerro Piltriquitron, die wir vorerst zurückgestellt hatten. Da unser Hostal für die folgende Nacht ausgebucht war, mussten wir uns um ein Ersatzquartier für die morgige Nacht kümmern. Also hieß es auf dem Rückweg vom Reiten, es war inzwischen deutlich nach 19:30 Uhr, ein Folgequartier zu finden. Alle uns bekannten im engeren Stadtbereich befindlichen Hostals fuhren wir ab, ohne Erfolg. Als letzte Möglichkeit auf unserer Liste war das Hostal Refugio Patagonico, etwas außerhalb gelegen. Ärgerlich, daß dieses Hostal noch im Bau war, insofern hätten wir uns diese Fahrt sparen können, noch ärgerlicher, daß ich bei Zurücksetzen vor dem Hostal mit einem Rad in einem Graben landete und der Wagen auf der Hinterachse schräg aufsetzte. Der Schrecken war uns und insbesondere mir als verantwortlichem Fahrer in die Glieder gefahren; wie herauskommen, aus eigener Kraft unmöglich, also Hilfe holen, am besten zum Herausziehen. Katrin hielt einen vorbeifahrenden Pickup an, der leider nicht helfen konnte, dann sprach sie den Chef des benachbarten Campingplatzes an. Als er so richtig verstanden hatte, was unser Problem war, holte er noch drei Kollegen und die waren dann die Lösung und die Rettung. Der Wagen wurde hinten angehoben, das freischwebende linke Hinterrad nach und nach mit Holz unterfüttert bis man glaubte, die restlichen Zentimeter zieht der Wagen sich von selber aus dem Graben. Zu unserer Freude gelang das auch. Der Dank gilt den netten Kerlen von nebenan.

Am 22.11. stand dann zuerst noch einmal der Versuch ein neues Nachtquartier zu finden auf der Tagesordnung. Da wir direkt neben unserem Hostal ein weiteres gesichtet hatten wurde nachgefragt und ein neues Quartier war gefunden. So konnten wir dann den Tag so gestalten wie geplant. Etwa 13 Kilometer außerhalb von El Bolsón liegt auf dem Weg zu unserem “Berg”, dem Cerro Piltriquitron, der “Bosque Tallado”, ein auf etwa 1400m Höhe im Wald gelegenes “Museum”, in dem von verschiedenen südamerikanischen Holzschnitzern, in manchen Fällen wohl genauer Kettensägekünstlern, aus alten Holz, teilweise aus noch stehenden abgestorbenen Bäumen wunderschöne und oft sehr eindrucksvolle Skulpturen geschaffen wurden. Die fast 50 Kunstwerke, im Wald oder in einer Lichtung stehend, somit oft toll in die Umgebung eingepasst, waren es wirklich wert, hier vorbei zu schauen. Zur Freude wohl des “Wächters”, denn allzu viele Besucher verirren sich nicht hierher, dafür liegt dieses offene Museum zu abseits. Nicht nur eine Anfahrt von rund 13 Kilometern  ist zu bewältigen, sondern vom Parkplatz aus sind es noch gut 200 Höhenmeter, die über einen steilen teilweise unwegsamen Weg zu überwinden sind.

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Weitere gut 100m höher liegt dann das Refugio Piltriquitron, der Ausgangspunkt für den dann noch steileren Anstieg/Aufstieg zum gleichnamigen Berg. Dieser liegt so hoch, daß über die auf der gegenüberliegenden Talseite liegenden Berge spielend hinausgeblickt werden kann und bei gutem Wetter nicht nur die Andengipfel, sondern auch der weiter in Chile liegende Vulkan Osorno zu identifizieren sind. Wir quälten uns die Geröllwege hinauf, manchmal an die Echternacher Springprozession erinnert oder nach dem Motto zwei vor, einer zurück. Als wir nach 1 3/4 Stunden dann etwa 100m unterhalb des Gipfels (2.225m) angekommen waren und vor uns dann ein großes Schneefeld ausmachten, das entweder durchstiegen werden musste oder durch Felskletterei umgangen werden konnte, wozu wir uns aber nicht in der Lage sahen, war es aus mit dem Gipfelsieg und der Weitsicht. Auf letztere konnten wir auch leichten Herzens verzichten, denn der Himmel hatte sich zunehmend bezogen, den ersteren hätten wir schon gerne verbucht; heute galt halt, der Weg ist das Ziel. Und so mühsam der Aufstieg in dem feinen Gestein war, so mühsam gestaltete sich auch der Abstieg. Er dauerte zwar weniger als die Hälfte der Aufstiegszeit, aber das ständige Abrutschen verlangte schon besondere Aufmerksamkeit. Zudem mussten wir feststellen, die am Vortag besonders beanspruchten Muskelpartien haben auch heute ganz schön mitarbeiten müssen; insofern waren wir am Auto angekommen ganz schön ausgepowert, dennoch sehr zufrieden mit dem Tag.

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Morgen geht es dann endgültig “zurück” nach Chile, zuerst nach Futaleufu/Chile und von dort aus auf die berühmte Carretera Austral. Die zwei Tage in El Bolsón waren zwar anstrengend, gleichzeitig haben wir eine Region kennengelernt, die wir als sehr schön und erholsam empfunden haben; es hätten hier durchaus ein paar Tage mehr sein können.

Der 23.11. war im Grunde nur ein Transfertag hinüber nach Chile, nach Futaleufu. Dieser Ort soll auch ein Mekka der Raftingfreunde sein, vielleicht haben wir hier mehr Glück als in El Bolsón. Katrin konnte ihrer Seeliste weitere Namen hinzufügen, einer wieder einmal schöner gelegen als der andere und oft kaum andere Besucher als wir. Häufig weit unter unserer Piste lag der Lago Rivadavia, schmal dahingestreckt, von bis ans Ufer ragendem Wald umgeben; nicht immer hatten wir einen guten Blick auf Wasser und Berge, denn oft stand ein dichter Wald im Weg. Dieser See gehört zum Teil zum Parque Argentino Los Alerces, in dem insbesondere die verbliebenen Bestände der Alercen geschützt werden. Es handelt sich um eine Zypressenart, die nicht nur unheimlich alt werden kann (einige Exemplare wurden auf über 4000 Jahre geschätzt), sondern sehr hoch wächst und bis zu 70m hoch werden kann bei einem Stammdurchmesser von bis zu 4m, sondern als immergrüne Pflanze und geschichtlich sehr alter Baum gilt. Wir durchquerten auf unserer gut 60 Kilometer langen Seenfahrt immer wieder größere Bestände der Alercen, die jedoch nicht immer stramm nach oben gewachsen waren, sondern oft auch stark mißgebildet wirkten. Leider waren die Bäume von keinem Standpunkt aus so vor die Linse zu bekommen, daß man ihre wahre Größe wahrnehmen kann. Es bleibt der Eindruck der schieren Größe und eine beeindruckende Rindenform, die an längliche Schindeln erinnert.

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Der nächste See, der Lago Amutui Quimai, mit dem ersten durch einen aquamarin wirkenden Fluß verbunden, wirkte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern vor allem auch durch die umfassenden Straßenbauarbeiten. Während Teile der wichtigen Nord- und Südargentinien verbindenden RN40 immer noch über eine Schotterpiste zu befahren sind, bemüht man sich hier im dünn besiedelten Patagonien, die bisherige Schotterstraße am See entlang zu einer anscheinend dreispurigen Asphaltrennbahn auszubauen mit allen Schikanen. Ob bei dem dann möglichen Fahrtempo die geschützte Landschaft weiter geschützt bleibt und der Reisende diesen Park auch genießt, muß bezweifelt werden.

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Wie so oft, erleichterten uns die fehlenden Straßenhinweise nicht unbedingt die Orientierung, aber letztendlich sind wir an unser Ziel gekommen, ohne nennenswerte Umwege in Kauf nehmen zu müssen. Kaum aus den NP herausgefahren, ändert sich die Landschaft. Die großen schroffen Berge treten zurück, das Tal weitet sich zur Ebene, auf großen Flächen ist intensivere Viehhaltung zu erkennen, die Berge werden kleiner und nach und nach zu Hügeln, die Vegetation wirkt nicht mehr so intensiv wie an den Vortagen im Seengebiet. Doch schon bald ab dem Dorf Los Cypreses ging es wieder in die Berge, um über einen niedrigen Pass, dem Paso Futaleufu nach Chile zu kommen. Kurz vor Erreichen der argentinischen Grenzstation bemerkten wir einen der Straße folgenden Fluß, der erstaunlicherweise in unsere Fahrtrichtung, d.h. Richtung Chile floß. Während wir bislang gewohnt waren, daß der Grenzverlauf entlang der Wasserscheide verläuft, ist man wohl hier davon abgewichen. Grenzformalitäten wurden relativ zügig abgewickelt, auf beiden Seiten, wobei auf der chilenischen Seite das erste Mal auf unserer Reise unser Gepäck, wenn auch sehr oberflächlich, kontrolliert wurde. Gebeten, unser Gepäck aus dem Wagen zu nehmen, waren wir erst mehr als erstaunt, gleichzeitig aber wiederum froh, als nach kurzem Check unserer Rucksäcke wir wieder aufgefordert wurden, das Gepäck einzuräumen.

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Kaum die Grenzstation verlassen, begrüßte uns der chilenische Regen, der zunahm und auch am Abend noch nicht nachgelassen hatte. Positiv, wir konnten vor der Bergwelt einen schönen Regenbogen genießen.

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Futaleufu ist ein kleines Nest, hat aber eine Touristeninformation. Da ich vor dieser entgegen der Fahrtrichtung parkte und wohl, beim Umsetzen des Wagens auch noch von der örtlichen Polizei beobachtet wurde, suchte man das “Gespräch” mit mir. Ich konnte nicht nachvollziehen, was die Streifenwagenbesatzung von mir wollte. Nachdem auch Katrin hinzugekommen war schien es so zu sein, ich wäre falsch abgebogen, ich durfte nicht linksabbiegen, obgleich kein entsprechender Hinweis zu sehen war. Offensichtlich dörfliches Recht? Zum Glück beließen die Beamten es bei einem Hinweis. Auch nach Internetrecherche können wir nicht nachvollziehen, wogegen ich hier verstoßen haben soll.

Kleines Dorf, überschaubare Übernachtungsmöglichkeiten und die wenigen im allgemeinen auch überteuert. Wir sind untergekommen und sofort zu einer Adventureagentur wegen unseres Raftingwunsches gefahren. Ja Rafting wird hier durchgeführt, aber erst ab 4 Personen – wir sind zwei, der Rest fehlt noch! Vielleicht finden sich bis Morgenfrüh um 10:00 Uhr noch zwei Mitstreiter bei der Agentur ein, dann kommen wir endlich in den Genuß einer Raftingfahrt, wenn nicht, müssen wir es anderswo erneut versuchen. Hier wirkt sich die noch nicht angelaufene Saison für uns negativ aus. Morgen beginnt dann entweder unsere Fahrt auf der Carretera Austral oder es wird geraftet.

San Carlos de Bariloche

Am Montag stand nach dem regulären Informationsbesuch bei der Touristeninformation ein kleiner Stadtbummel an, von dem kaum etwas zu berichten ist. Bariloche ist keine Schönheit, sondern eine in einem wunderschönen Umfeld gelegene Ferienstadt mit rund 100.000 Einwohnern. Manches Gebäude versucht durch seine Architektur auf seine Wintersportaffinität hinzuweisen, andere imitieren einen landhausgeprägten Stil nach und wiederum andere sind scheinbar modern-funktional und in unseren Augen häßlich.  Wir ankern auch nicht wegen der Stadt hier am See, sondern wegen der Landschaft, von der Großes berichtet wird. Von Bariloche aus sind schöne Eintages- aber auch zahlreiche Mehrtageswanderungen im allgemeinen mit durchschnittlichem Anforderungsprofil möglich; hinzu kommt der See mit seinen zahlreichen Inseln, vielen Buchten und dem imponierenden Blick auf die ihn umgebende Bergwelt.

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Ab Mittag saßen wir dann im Wagen und machten uns auf den circuito chico, den kurzen Rundweg entlang an Ufern, Buchten, Stränden, durch Wälder, die umliegenden Berge bis hinauf zur Talstation des Cerro Catedral. Es muß darauf hingewiesen werden, daß hier auch Wintersport betrieben wird; infolgedessen hat sich auch an der Talstation der Seilbahn als Zubringer für eine nennenswerte Anzahl Sessellifte ein sehenswerter Wintersportort entwickelt, der jetzt natürlich entvölkert  und häßlich obendrein ist. Natürlich hatten wir immer wieder Blick auf den See, konnten anhalten und staunen, aber der allergrößte Uferteil, gleich ob in Stadtnähe oder 20 Kilometer entfernt, ist in Privathand, bebaut, eingezäunt, mit einem Schutzwall aus Bäumen umgeben. Nur hin und wieder hat das gemeine Volk, wie auch in Bariloche-Pucon festgestellt, eine Gelegenheit seine Füße in den See zu stecken. Kein Wunder, wenn auf Grund dieser Verhinderungspolitik der gemeine Bürger seine Grillutensilien einpackt und in die Nationalparks zum wilden Grillen fährt. Die Parzellen sind, soweit erkennbar, nicht gerade klein geraten, auf denen dann imposante, repräsentative und manchmal auch schön anzusehende Wohn- oder eher Residenzdomizile stehen, mit einem uneingeschränkten unvergleichlichen Blick auf die Tiefe des Sees und seine Umgebung. Da könnte man neidisch werden, denn die Aussichten waren oft wirklich traumhaft schön.

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Nach rund 25 Kilometer Fahrt stadtauswärts standen wir auf einmal auf einer Landenge – auf der einen Seite dominierte das riesige Hotel Llao-Llao mit seinem Golfplatz den Blick, auf der anderen Seite fiel ein Fähranlegen ins Blickfeld. Wir waren am Puerto Panuelo angekommen, von wo aus täglich, Fährpreis 320 Arg. Pesos, das sind fast 50 Euro, nach  Bosque de Arrayanes, einer Halbinsel im nördlichen Seeteil nahe Villa de Angostura gefahren wird. Die Anzahl der parkenden Fahrzeuge ließ auf eine gute Nachfrage nach diesem Trip schließen..

Nahbei der kommunale Park Llao-Llao, in dem es große Bestände der Arrayabäume zu sehen gibt. Für uns Gelegenheit, uns auf eine kleine Wanderung durch diesen Wald zu begeben, ungestört und mit einem schönen “mirador” als Ziel. Von einer kleinen Bergkuppe konnten wir dann weit in die Ferne schauen, sahen, bei besten Fernsichtbedingungen auch die schneebedeckten Andengipfel im Westen.

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Vorbei an noch verlassenen kleinen Badebuchten, oft an einem Hotel gelegen, ging es wieder nach Osten Richtung Bariloche zurück. Der Hinweis auf der Karte “Colonia Suiza” veranlasste uns zu einem Umweg. Gemeinhin verbindet man mit der Schweiz mehr oder weniger geordnete Verhältnisse und gute Straßen. Hier schien es, als wollte die hiesige Kolonie dieses Bild Lügen strafen, denn wesentliche Teile der Wegstrecke hin und über den Ort hinaus rangieren auf unserer Skala der schlechtesten Straßenverhältnisse in Südamerika weit weit unten. Unser Auto hat es geschafft, die Hindernisse auf den Wegen zu umfahren, zu überfahren, wir sind wieder in unserer Bleibe angekommen. Gesehen von diesem Dorf haben wir wenig, ausgenommen einige sehr dürftige Hütten, hin und wieder einen Hinweis auf Restauration, Häuser, die wohl den schweizer Vorbildern an Alpenhäusern nachempfunden waren. Den Umweh hätten wir uns sparen können es sei denn, wir beziehen die von einer Anhöhe aus gesichteten Großanwesen und ihre Häuser mit ein. Dann ist hier wirklich die kleine Schweiz, zumindest was die Vermögen angeht!

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Der Abend brachte uns dann noch zwei weitere schöne Überraschungen. Auf dem Weg zur Unterkunft fiel Katrin das Schild einer Panaderia/Bäckerei auf, in dem auch “Brezel” angepriesen wurden. Nachdem wir seit Wochen immer wieder die süßen Hörnchen zum Frühstück bekommen hatten war es eine wirkliche Abwechslung, endlich einmal etwas salziges zwischen den Zähnen zu spüren und zubeißen zu können. Der Höhepunkt war dann das Abendessen. Auf unserer üblichen Suche nach einem Restaurant hatten wir am Sonntag ein vegetarisches Restaurant weniger als 10 Gehminuten vom Hostal entfernt gefunden, am Sonntag leider geschlossen, dafür aber am Montag wieder offen. Also Montag ist Test- und wie sich herausstellte Festtag. Zur üblich späten Abendessenzeit nach 20:00 Uhr fanden wir uns mit sehr knurrendem Magen im “El Vegetariano” ein, sahen ein bis auf einen Gast leeres Lokal, jedoch eine Gaststube mit angenehmen Erscheinungsbild, es sah wirklich schön aus hier in diesem kleinen Restaurant. Wie uns dann auf unsere Bitte nach einer Speisekarte erklärt wurde, gibt es eine solche nicht, stattdessen kann man unter den drei Gängen eines Menues wählen. Der Wirt war überzeugend, das dann verspeiste auch. Es zeigte sich, auch vegetarisch kann sehr vielfältig gekocht werden, wir haben die beiden ersten Gänge sehr genossen. Und zu unserer Freude füllte sich die Gaststube bis gegen 21:00 Uhr nahezu bis auf den letzten Platz, alle Tische waren besetzt und der Wirt kam kaum nach, jedem neuen Gast seine “innovative” Speisekarte zu erklären. Kein Gast ging, alle ließen sich wohl, so sie keine Dauergäste waren, auf das Experiment mit den Menuegängen ein. Es hat sich wirklich gelohnt, dieses Experiment.

Heute am Mittwoch können wir zwei weitere Seen unserer Liste hinzufügen, den Lago Gutiérrez und die auf gut 1.700m Höhe liegende Lagune Tonchek, weil heute Wandertag war. Um Bariloche herum gibt es zahlreiche Möglichkeiten einen oder auch am Stück mehrere Tage zu wandern/trecken, denn der Club Andino de Bariloche hat eine ganze Reihe von Hütten und Refugien in der umliegenden Bergwelt errichtet und unterhält diese auch. Wir entschieden uns für eine Strecke, die vom Wintersportzentrum oberhalb von Bariloche, der Villa Catedral, hinauf zum Refugio Frey auf 1.700m Höhe geht; für die gut 8,5 Kilometer lange Strecke sollte man einfach bis zu vier Stunden veranschlagen. Am späteren Vormittag parkten wir dann unseren Pickup auf dem leeren Parkplatz vor dem Skizentrum und machten uns auf den Weg bei strahlendem Sonnenschein, wieder einmal! Die Strecke verläuft für gut zwei Wanderstunden entlang des Lago Gutiérrez nahezu immer auf der gleichen Höhenlinie, um dann, nachdem man in ein Seitental abbiegen konnte, stetig bergan zu steigen, um auf den restlichen gut 3,5 Kilometern dann fast 600 Höhenmeter zu überwinden. Unser anfangs zügiger Schritt wurde auf diesen letzten Kilometern schleppender, nicht nur wegen der Steilheit, sondern auch auf Grund der Wegbeschaffenheit. Immer wieder waren Bachbett und Weg eines; zum Glück waren die meisten Bachbette nicht oder nur kaum wasserführend. Eigentlich sollte uns der Weg bis kurz vor das Refugio durch einen schönen Wald führen – eigentlich, denn auch hier muß vor einigen Jahren ein Großfeuer den Waldbestand an der Ostflanke des Lago Gutiérrez völlig vernichtet haben. So hatten wir am Vormittag keinen Schatten, denn die  nachwachsenden Gehölze und der sich ausbreitende Bambus waren als Schattenspender einfach zu klein.

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Das änderte sich mit Beginn des Aufstiegs im Seitental, jetzt wanderten wir unter dem Blätterdach hoher alter Bäume und wurden dabei lange Zeit von dem Rauschen eines Wildbaches begleitet. Nachdem wir dann kurz vor der Hütte über Steine balancierend den Wildbach überquert und wenige Meter durch Schnee gestapft waren, standen wir vor der kleinen Hütte. Hier hatten sich bereits eine ganze Anzahl von Kletterern und Wanderern eingefunden; einige richteten sich häuslich für einen längeren Aufenthalt ein, bauten z.B. ihr Zelt auf, andere bereiteten sich auf den Rückweg vor und wiederum einige nahmen in Begleitung eines Führers eine weitere Etappe des hier möglichen Rundweges zu Refugio Jacob in Angriff, mit Seil auf der Schulter und einer Vielzahl von Haken am Gurt. Direkt hinter der auf einer leichten Anhöhe stehenden Hütte lag dann See Nummer zwei des heutigen Tages, die Lagune Tonchek. Alles wurde überragt von einer Mehrzahl sehr schroffer Berggipfel, die in einem Halbbogen um die Hütte herum standen. Ein schönes Panorama.

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Bergab ging es dann etwas leichter, auch wenn wegen der schlechten Wegverhältnisse sehr konzentriertes Gehen verlangt war. Im Grunde verlief der Rückweg ohne besondere Ereignisse – im Grunde. Noch im alten Waldbestand wandernd hörten wir plötzlich einen lauten Knall, es hörte sich fast wie ein Schuß an, aber hier im Nationalpark? Dann etwa 30 Sekunden später ein zweiter Knall und dann direkt folgend ein berstendes Geräusch, Blätterrauschen, Astbrechen und ein dumpfer Aufprall. Da in diesem Wald keine Bäume gefällt werden dürfen, wurden wir Ohren- und teilweise Augenzeuge, wie ein alter Baumriese zu Boden ging.

Als wir dann wieder am Wagen ankamen, waren wir fast sieben Stunden unterwegs gewesen, fast 3 1/2 Stunden bergan und 2 1/2 Stunden bergab. Das Wandern auch manche Muskelpartien beansprucht, merkten wir dann auch und waren froh, in unserem Quartier die Beine – endlich – einmal hochlegen zu können. Auch wenn hier um Bariloche noch zahlreiche andere Wandermöglichkeiten bestehen haben wir beschlossen, Morgen etwas weiter in den Süden zu fahren, nach El Bolson oder vielleicht direkt nach Esquel, denn an beiden Orten soll es interessante überschaubare Wandermöglichkeiten in einer schönen Landschaft geben.

Die Seen sind nicht mehr zu zählen!

Unsere nächste Fahretappe soll uns von Pucon über die argentinische Grenze nach San Carlos de Bariloche bringen. Da es auf dem Weg auch viel zu sehen gibt, sind wir entspannt gefahren und haben einen Übernachtungsstop in Junín de los Andes eingelegt.

Verlässt man Pucon fallen einem die an der Straße stehenden Häuser wohl stärker auf als in der Stadt. Augenscheinlich müssen einige Auswanderer aus dem Schwarzwald hier ansässig geworden sein, nicht wegen der auch hier erhältlichen Kirschtorte oder den sonstigen “Kuchen”, sondern weil öfter Häuser auffielen, deren Außenwände und das Dach mit Holzschindeln gedeckt sind. In Pucon selber haben wir ein größeres Hotelgebäude in dieser Außenhaut bemerkt, entlang der Strecke zum Paso de Tromen (1.207m) trafen wir derartige Häuser mehrfach an, die Krönung war jedoch ein kleines Kirchlein am Straßenrand in eben dieser Erscheinung.

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Und nicht nur Schwarzwälder schienen hier eine neue Heimat gefunden zu haben, es gibt Hinweise auf bayrischen Ursprung und ein Mitbewohner unserer Hosteria in Pucon, ein Schweizer, meinte, nachdem er über Wochen von Peru, Bolivien und zuletzt die ebenso eintönige Atacama Chiles gereist ist, hier in Pucon und Umgebung fühle er sich so richtig wieder an die Heimat erinnert, es sei wie zu Hause – Wälder, Seen, Schnee und die Berge, wobei wir hinzufügen, statt schroffer Felsen wie bei den Eidgenossen dominieren hier die Vulkane. Auch wir hatten oft Assoziationen an das heimatliche Umfeld, sind also eher vom Grün als dem eintönigen Braun-Beige geprägt.

Auf dem Weg zum Paß begleitete uns lange Zeit der Vulkan Villarrica, heute ohne Wolkenkranz, und der die Region hier prägende Wald; nach wie vor heben sich immer wieder Araucarie durch ihre majestätische Größe heraus. Schnell erreichten wir den Pass, zuletzt bergan über eine Schotterstrecke. Die Grenzprozeduren, inzwischen haben wir fast Routine, brachten wir relativ schnell hinter uns. Der “Kultur”-/Komfortunterschied zwischen der chilenischen und der argentinischen Station war deutlich geringer als beim Paso de Pino Hachado.

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Schon bei der Annäherung an den Pass tauchte immer wieder zu unserer Rechten, also südlich der Fahrtstrecke der Vulkan Lanin, der “Grenzvulkan”, auf; er begleitete uns nicht nur heute den ganzen Tag, da immer wieder sichtbar, sondern auch den folgenden Tag zu großen Teilen.

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Während auf chilenischer Seite der NP Villarrica dem Schutz der Vegetation dieser Region dient, schließt sich auf argentinischer Seite der NP Lanin an, dem im direkten Anschluß die NPs Nahuel Huapi und Los Arrayanes folgen, so daß beiderseits der Andengipfel über eine Strecke von vielen hundert Kilometern eine Schutzzone besteht. Auf argentinischer Seite angekommen hatten wir zwei Optionen, einerseits nach Süden an die Flanke des Lanin zu wandern, was aber nicht in 2-3 Stunden zu bewältigen gewesen wäre, oder anderseits uns dem grenznahen Lago Tromen zuzuwenden. Aus zeitökonomischen Gründen fiel die Wahl auf den See, aber nicht nur, denn Katrin wollte hier, wie auch auf dem gesamten Reiseabschnitt die Wasserqualität und die Bademöglichkeit testen. Man kann sich dem See zu Fuß nähern, dauert nicht ganz eine Stunde, oder, wie es die offenbar bequemen Argentinier bevorzugen, per Fahrzeug. Letzteres hat den Vorteil, die ganzen Grillutensilien sowie Tisch und Stühle nicht den ganzen Weg mitschleppen zu müssen. Argentinier sind wohl Weltmeister im Grillen, denn so viele Grillstellen wie hier haben wir bislang noch nie gesehen. Und so wird dann mit Blick auf den See im Windschatten des geparkten Wagens das Feuer entfacht oder ein Grill in Betrieb genommen. Da stört es auch nicht, wenn im Nationalpark offenes Feuer verboten ist! So zogen dann Fleischdüfte auch in meine Nase – Katrin hatte schnell reißaus in Richtung Seeufer genommen und testete. Über hochgekrempelte Beine kam sie nicht hinaus – es fehlte nicht nur der Bikini, sondern auch der Mut, in diesem schneeschmelzkalten Wasser zu schwimmen. Gut so, denn bei den geprüften Temperaturen war ein Kälteschock nicht auszuschließen. Halten wir fest, a) der Lago Tromen war der erste Andensee auf diesem Reiseabschnitt, dem noch zahlreiche folgen werden; b) er liegt wunderschön eingebettet in der Bergwelt, ist teilweise von hohen Fels-/Bergwänden umgeben, ein traumhafter Anblick.

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Während der Lago Tromen im wesentlichen noch von Wald umgeben ist, begleitete uns dann den Nachmittag über das sattsam bekannte Bild einer Buschsteppe, sattes Grün ade! Statt Bäume nun Pferde und Kühe, auch eine Art der Flächennutzung. Dem ersten See in Grenznähe wollten wir den Besuch des als märchenhaft gelegenen Lago Huechulafquen folgen lassen, zwar nicht direkt am Weg gelegen, aber was unternimmt man nicht alles, um die Badefreude von Katrin zu unterstützen. Da kann doch ein Umweg von 50 Kilometern nicht ins Gewicht fallen. Die auf den See gesungenen Lobeshymnen können bestätigt werden, sein erster wie auch die weiteren Eindrücke waren imposant. Gegen 16:00 Uhr trafen wir am Parkeingang ein, denn der See liegt – natürlich – im NP Lanin. Unser Ziel war, die dem See folgende Piste ca. 30 Kilometer bis zum “Hafen” Puerto Canoa zu fahren, eine Wanderung war, auch auf Grund des nahenden Abends nicht geplant.  Katrin holte im Parkbüro ausführliche Informationen zu den Aktivitätsmöglichkeiten ein und kam dann mit zwei Eintrittskarten über jeweils 6.500 Arg. Pesos, das sind fast 20 Euro, zurück. Für die Fahrt zu dem kleinen Hafen auf einer öffentlichen Straße eine derartige Maut bezahlen – hier wohl üblich, in unseren Augen aber unverschämt und unverhältnismäßig, da das Ticket nur heute galt. Wo jetzt das Ticket mit Goldstaub bezahlt war galt es auch, sich den Park in Ruhe anzusehen, und so fuhren wir auch erst gegen 18:30 wieder durch die Parkpforte hinaus. In der Zwischenzeit konnten wir schöne Baumalleen durchfahren, durchquerten große alte Baumbestände, kamen an unzähligen privaten Campingplätzen der hier lebenden Mapuche vorbei, bestaunten immer wieder, wie es den Argentiniern gelingt, auf dem kleinsten Uferstück eine Grillparty zu feiern, standen an der Südflanke des Lanin ebenso wie an der Mole des Hafens, die einzig dazu diente, auf ein kleines Motorboot, Ablegezeit 15:00 Uhr – Rückkehr 16:50 Uhr, für eine Seerundfahrt steigen zu können, und wohnten Katrins Testreihe, 2. Badeversuch in mehr als drei Etappen bei. Katrin nahm das Risiko des Kältetodes in Kauf und versuchte mehrfach auf dem unangenehmen Kies ins Wasser zu gehen, kam dabei bis fast in die Schwimmlage bis sie einen Angler bemerkte, der sie wohl auch, um dann schnellstens Richtung Ufer zu stolpern, schließlich war der Bereich nicht als Nacktbadestrand ausgewiesen.

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Um 19:15 Uhr kamen wir dann in Junín des los Andes an, gemäß Eigenwerbung die Stadt der Fliegenfischer und Hochburg für alles, was mit Angeln zu tun hat. Selbst die Straßenschilder dienen dazu, diesen Anspruch deutlich zu machen. Zumindest der abends von Katrin verspeiste Fisch, hoffentlich eine aus hiesigen Gewässern stammende Forelle, war von einer Qualität, die den Anspruch bestätigte.

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Am Sonntag den 17.11. stand eine Fahrt an, die uns zu unzähligen Seen führte; die in den Reiseführern beschriebene große Rundfahrt mit 7 angesteuerten Gewässern stellten wir mit unserer innovativen Route, von A (Junín de los Andes) nach B (Bariloche) führende Strecke, weit in den Schatten. Um das Ergebnis und die Eindrücke des Tages vorwegzunehmen – ein See war schöner als der andere – oder waren alle nicht gleich beeindruckend? Wir hatten das Glück bei tollem Sonnenschein einen der u.E. schönsten Teile Argentiniens, seine Seeplatte, zu durchfahren und kamen aus der Begeisterung über das Gesehene nicht mehr heraus. Immer wieder mußte Katrin konstatieren, daß der heimatliche Königsee durch nahezu alle hier gesehenen Seen in den Schatten gestellt wird, traumhaftes Wasser, mal azurblau, mal grün, mal vor Sonne glitzernd,, mal im Schatten der hohen Bäume liegend, mal eng, mal weit, mal mit vernünftigem Wellengang, mal ganz glatt daliegend, mal mit Sandstrand, mal ohne oder nur über einen Kiesstrand zu betreten, mal von hohen Felswänden eingerahmt, mal waren es nur bewaldete Kuppen – und (fast) immer waren wir allein an unserem Aussichtspunkt auf die Pracht. Manche Zufahrt zu einem See war wohl zu eng, daß zu viele Grillfreunde sich die Mühe gemacht haben, auch hier ein schönes Picknickplätzchen zu ergattern; insbesondere in der Zeit bis gut 12:00 Uhr reisten wir ungestört von See zu See, danach wurde der Verkehr etwas dichter, aber immer noch mehr als erträglich. Einzig an wenigen Seen ballte sich das Aufkommen der Picknicker, hier traf man sich in größerer Zahl zum gemeinsamen Grillen.

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Über das mangelnde Verständnis für Verbote, in den NPs offene Feuer anzuzünden, kann man sich nur wundern. Verbotsschilder stehen häufig in der Nähe möglicher und bevorzugter Grillplätze – allein sie entfalten keine Wirkung. Offensichtlich reicht des den argentinischen Grillfreunden auch nicht wenn sie in verschiedenen Gebieten ihrer wunderschönen Nationalparks feststellen, daß der alte Baumbestand einem Flächenbrand zum Opfer gefallen ist. Vom Tal bis hoch hinauf an den reinen Fels hat das Feuer alles vernichtet, nur spärlich wächst kleines Buschwerk nach. So am heutigen Tag nicht nur in unmittelbarer Nähe zum Rangerstützpunkt direkt am Paso de Tromen gesehen, wo der Wald mehrere Kilometer die Straße entlang hinauf in Richtung Vulcan Lanin nur noch aus Baumgerippen besteht; selbst die alten Araucarien waren nicht widerstandsfähig genug, dem Feuer standzuhalten. Sondern auch auf der Anfahrt zum Lago Lolog, bei der rechts und links unserer Piste alles was höher als zwei Meter war verbrannt war. Irgendwann wird dann kein Wald mehr in seiner ursprünglichen Form sichtbar sein, stellt sich die Frage, unter welchem Dach die Grillfreunde dann ihr Feuer entzünden.

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Über jeden der Seen zu berichten, ist unmöglich, waren es doch ganz schön viele. In der Reihenfolge des Besuches waren wir am Lago Lolog, Lago Lacar (2 mal! – näheres später), Lago Meliquina, Lago Hermoso, Lago Faulkner, Lago Villarino, Lago Traful, Lago Correntoso, Lago Espejo, und als krönender Abschluß ging es dann gute 35 Kilometer am Lago Nahuelhuapi dem Tagesziel San Carlos de Bariloche entlang. Aber das Fazit ist eindeutig – es waren wunderschöne Eindrücke, immer wieder neu, immer wieder inspirierend, also einer der Tage, die für eine so lange Reise von Bedeutung sind. Und jeder See wurde getestet, Katrin in ihrer typischen Hockposition direkt am Uferrand, eine Hand im Wasser, um die Temperatur zu erfühlen. Nicht immer fiel das Urteil badetauglich, aber oft genug, um selber einen Versuch zu wagen. Nicht nur sichtlich erfrischt, sondern auch voller Freude am Erlebten kam Katrin dann zurück zum Auto.

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Der zweite Abstecher zum Lago Lacar führte uns durch die Mapuche Gemeinde Curruhuinca an den Ort Quila Quina. Schöner fast leerer Strand obgleich es eine Bootsverbindung von der Seebrücke nach San Martin los Andes gibt. Die Zahl der sonntäglichen Gäste verlief sich auf dem großzügigen Strandgelände oder verschwand in den schön im Wald gelegenen Ferienhäusern. Wie so oft, gab es keinen direkten Weg, sondern es ging, wie immer über diverse Hügelkuppen und durch Täler um an das Ende des 12 Kilometer langen Sackweges zu gelangen zum Schluß steil bergab, für manchen der uns bei der Rückfahrt entgegenkommenden Mountainbiker eine Herausforderung am Lenker – steil, holprig, voller Schlaglöcher und steinig. Und wie immer an diesen Seen, ein wunderschöner alter Wald, in dem nur vereinzelt Flächen gerodet waren. Zu den Stille am Ufer passte dann auch die vielminütige Beobachtung einer 12-köpfigen Entenfamilie, wie sie aus dem Wasser an Land wanderte um dort in aller Ruhe im Gras nach Futter zu suchen. Eine schöne Pause für uns um die Mittagszeit.

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Den ganzen Tag über blies ein ganz schöner Wind; dies störte uns nicht besonders, bewegten wir uns im wesentlichen an Seen, die tief in die Landschaft eingebettet und oft von einem schützenden Wald umgeben waren. Dies änderte sich, als wir am Lago Nahuelhuapi entlangfahrend immer wieder, um die Aussicht in Ruhe zu genießen, anhielten. Auf dem Wasser war ein schöner Wellengang zu bemerken, die Wellenkämme häufig gischtig, also eine gute Windstärke vier. Hier hätte segeln so richtig Spaß gemacht! Aber niemand war auf dem Wasser zu sehen – für hiesige Verhältnisse zu stark? Wohl nicht, denn auf einem anderen See hatten wir einen Surfer, natürlich im Neoprenanzug gesichtet, aber für den normalen Segler wohl noch zu früh im Jahr? Ich erinnere mich an Zeiten in Potsdam, zu der bereits im April angesegelt wurde.

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Mehr wurden wir nach Bariloche hineingeblasen als das wir hineinfuhren; da das Touristenbüro sonntags bereits um 17:00 Uhr geschlossen hat, wir kamen erst gegen 18:00 Uhr an, machten wir uns an Hand der Hinweise im Lonely Planet auf die Quartiersuche und fanden schnell unser Nachtlagen für die kommenden drei Nächte in der Hosteria Portofino, zentral gelegen, komfortabel und zudem noch zu einem vernünftigen Preis.