Drei Versuche nach Chile zu reisen –oder : traue keiner offiziellen Auskunft!

Nun hatten wir am Vorabend den Abreiseentschluß gefasst und uns gedanklich bereits mit dem neuen Startort in Chile für die weitere Reise angefreundet. Da die Strecke nur gut 350 Kilometer lang war, ließen wir uns am Morgen mit der Abreise auch Zeit, kauften Proviant ein und fuhren gemächlich die Ruta National 40 in Richtung Süden. Den Streckenkilometerangaben handelt es sich wohl um die längste Argentinien durchmessende Straße, denn bis zum Endpunkt im tiefen Süden waren es noch fast 3.000 Kilometer.  Erstaunlich, daß eine derart bedeutungsvolle Straße, je weiter man gen Süden kommt (und je dünner die Bevölkerungsdichte ist), der Anteil nicht asphaltierter Strecken spürbar ansteigt. Knapp 20 Kilometer hinter Malargüe ging das Geschüttel dann wieder los und sollte nahezu den ganzen Tag anhalten.

Wiederholt aufgefallen waren am Straßenrand aufgestellte Nationalitätsschilder, auf denen entweder die Umrisse der Malvinas/Falklandinseln abgebildet waren oder aber in deutlicher Schrift auf die Zugehörigkeit der Malvinas zu Argentinien hingewiesen wurde. Wir können die rechtliche Situation, wer wann diese Eilande im Pazifik wem “abgenommen” hat, nicht beurteilen, erinnern uns jedoch an der Falklandkrieg um diese im Grunde nutzlose Eilande, bei dem auf beiden Seiten sinnlos Menschen sterben mussten; die einen, weil ein großmannssüchtiger Staatschef von inneren Problemen ablenken und den Krieg anzetteln musste, zum anderen eine ehemalige Großmacht seine Ansprüche meinte mit Waffengewalt verteildigen zu müssen. Warum die Frage nicht vor einem internationalen Gremium ohne Einsatz kriegerischer Mittel zur abschließenden Verhandlung gebracht wurde, wenn es denn etwas zu richten gegeben hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Unzweifelhaft scheint für die Argentinier jedoch der Falklandkrieg mit einer nationalen Schmach einherzugehen; man sollte tunlichst vermeiden, mit Argentiniern dieses Thema zu politisieren, wenn man sich keinen Ärger einhandeln will. Es hat den Anschein, als solle mit den an den Straßen präsenten “Parolen” dem Volk eingeimpft werden, wer die wirklichen Ansprüche an diesen paar Felsen im Meer hat.

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In Bardas Blancas, dem Ort an der RN40-Sur wurde kräftig gebuddelt; der Ort gibt nichts her, gebaut wird jedoch, als ob hier in Kürze der Verkehr einer Großstadt zu bewältigen ist, unter 4 Spuren geht wohl nichts. Hier mussten wir in Richtung Westen abbiegen und nun in unendlichen Kurven dem Flußlauf des Rio Grande folgen, mal in unmittelbarer Nähe zum Flußlauf, mal über eine Bergkuppe uns quälen, später ging es einem Zufluß des Rio Grande entlang aufwärts.Endlich einmal ein Flußbett, in dem Wasser in sichtbarer Menge floß, stark braun gefärbt. Bei Sonnenschein und jedem gewonnenen Kilometer stieg die Stimmung, denn auf der anderen Andenseite würde es wieder grün sein, d.h. Abschied von den hier dominierenden Brauntönen, in die sich in Wassernähe manchmal zartes und dunkleres Grün von Sträuchern und Grasbüscheln mischte. Gegen 13:00 Uhr erreichten wir den letzten Ort vor der Paßhöhe, Las Loicas, eine kleine Ansammlung von Hütten.

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Dann nahmen wir ein Schild wahr, das auf die Grenzkontrolle auf Argentinischer Seite hinwies. Verständlich, wenn an dieser Stelle die Straße durch ein Tor versperrt ist, glaubten wir anfangs. Doch dann verstanden wir die Welt nicht mehr. Der freundliche Grenzbeamte vermittelte uns, der Pass nach Chile sei gesperrt, unpassierbar, da auf chilenischer (!) Seite noch 2 Meter Schnee auf der Straße liegen würde. Wir konnten es nicht fassen – dieser Pass auf 2.583m ist wegen Schnee unpassierbar, die bislang kennengelernten Pässe bei Mendoza (3.832m) oder der Paso De Jama (4.425m) auf dem Weg nach Salta waren passierbar und wir erinnern uns nicht, in der Nähe der Pässe Schneemassen gesichtet zu haben. Und hier wegen Schnee unpassierbar? Warum ist der Hinweis in Bardas Blancas auf den Grenzübergang nach Chile nicht sichtbar gestrichen – die 200und Kilometer bis Talca signalisieren doch, hier geht es lang! Der Grenzer war nicht zu erweichen, dies hieß nun, die ganze Strecke bis Bardas Blancas zurück! Welcher Pass denn in der “Nachbarschaft” geöffnet sei – eine Sofortauskunft war dem Beamten nicht möglich, er ging aber in sein Büro, offensichtlich, um sich kundig zu machen. Als Ergebnis seiner Recherche und Nachfragen nannte er uns dann den weiter südlich liegenden Paso de Pichachen (2.062m) und zeigte diese Möglichkeit auf unsere Bitte hin uns auch auf unserer Straßenkarte. In unmittelbarer Nähe liegt dieser Pass zwar nicht, für uns hatte das eine weitere Fahrstrecke von gut und gerne 350 Kilometern zur Folge, an diesem Tag eh nicht mehr zu schaffen. Also neu orientiert, Uhrenvergleich und mit der gebotenen Geschwindigkeit auf Schotter- oder Dreckpiste dem neuen Übergang entgegen. Wir hofften bis zum Abend den Ort Chos Malal erreichen zu können, wollten so nah wie möglich an den neuen Übergang herankommen. Wir fuhren schon einen heißen Reifen, auch, um die am Vormitttag vertrödelte Zeit zumindest zum Teil wieder aufzuholen. Zum Glück hatten wir am Vorabend darauf verzichtet, in Talca uns ein Quartier zu buchen, der Schaden war groß, er hätte größer sein können.

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Wenn die Straßenkarte auch bei schlechteren Straßenverhältnissen eine Abkürzung zuließ, wurde diese auch gefahren. Mir war in Erinnerung geblieben, daß in der Nähe der Ortschaft Barrancas eine 80 Kilometer lange Schotterpiste in die Nähe von Chos Malal führen sollte, die RN40-Sur kam auf gut 115 Kilometer bei nicht unbedingt deutlich besserem Straßenbelag. Den Ort Barrancas passiert hielten wir die Augen offen und nahmen, fast aus den Augenwinkeln, die Abzweigung einer Schotterpiste wahr, also abbiegen, aber anfangs kein Hinweisschild. Nach einigen hundert Metern dann der erste Hinweis : bis zum Regionalpark Tramen knapp 50 Kilometer. Von diesem Park hatten wir noch nie etwas gelesen, schien eine Sackgasse zu sein, also zurück auf die RN40-Sur.  Katrin studierte, wenn der Straßenbelag es zuließ, immer wieder die in unserer Straßenkarte enthaltenen Zusatzinformationen, aktuell die zu unserem nächsten Übernachtungsort. Dann laut werdend – zu dem Park Tramen kann man auch von Chos Malal fahren! Das war die Lösung, denn wenn man von Barrancas zu dem Park genau so fahren kann wie von Chos Malal dann war dies die gesuchte Abkürzungsstrecke!

Und wieder einmal eine Kehrwende, diesmal eine, die sich wirklich lohnte. Kilometer um Kilometer ging es wieder einmal auf- und abwärts, vorbei an manchmal großen Haziendas mit teilweise sehr großen Pferdebeständen. Im Verlaufe der Fahrt verschlechterte sich der Fahrbahnzustand immer mehr, zügiges Fahren war eher selten, wir schaukelten uns meist im 2. Gang über die Steine und durch die Schlaglöcher. Wasserläufe wurden durchfahren, Zweifel kamen auf, ob dies doch der richtige Weg sei und nicht im Nirgendwo enden würde. Die Landschaft war beeindruckend, dafür hatten wir trotz aller Unsicherheit immer wieder ein Auge, vor uns ein großer Vulkankegel, der die Landschaft förmlich beherrschte und natürlich fotografiert wurde.

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Und dann, als wir kaum noch damit rechneten tauchte vor uns ein Schild auf, das auf den Beginn des Naturparks Tramen hinwies, wir waren am Ziel. Die skeptische Katrin wies jedoch immer wieder darauf hin erst dann von der Richtigkeit der Route überzeugt zu sein, wenn wir auch wirklich auf diesem Weg Chos Malal erreicht haben und nicht die ganze Strecke zurück fahren müssten. Was dann folgte, wog den Frust über den geschlossenen Pass auf. Wir sahen einen großen See vor uns, auf dem einzelne Punkte, bei genauem Hinsehen sogar rötlich schimmernde Punkte auszumachen waren. Vögel, Flamingos. Je näher wir dem See kamen um so deutlicher wurde, hier handelt es sich nicht um einzelne Exemplare, sondern um Hundertschaften von Flamingos. Den Wagen stehen gelassen näherten wir uns behutsam dem Seeufer und hatten wiederum Glück, denn die anfangs durch uns aus der Uferzone verscheuchten Vögel gesellten sich zu einer etwas entfernteren Gruppe. Dieser kamen wir nachher noch so nah, daß einige Fotos der Kolonie gelangen. Und nicht nur Flamingos waren sichtbar, sondern auch zahllose Schwäne, vereinzelt auch Schwarzhalsschwäne. Der Tag war durch diese Bilder so richtig rund und zum Glückstag geworden, denn ohne den gesperrten Pass, den zufällig gefundenen Ausflugshinweis im Straßenatlas wären wir niemals auf den Park Tramen gestoßen. Vermutlich gehört dieser Park auch nicht zu den Orten, die häufig Besuch von Touristen erhalten.

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Leider waren wir trotz allem in Eile, denn wir hatten sowohl das Ziel noch nicht erreicht und darüber hinaus auch noch keinen trockenen Platz zum Schlafen gefunden. Die Freude wurde bald stark eingebremst, denn durch die Piste hatte sich ein Bach “gefressen” – unpassierbar für uns, denn der Schotter rund um das neue Bachbett war sehr aufgeweicht und schien uns keine gute Grundlage für den einen zwingend erfolgreichen Querungsversuch zu sein. Hier oben, wo keine Menschenseele weit und breit ist, in einem Bachbett stecken zu bleiben – keine schöne Vorstellung. So machten wir uns auf die Suche nach einer Art Furt, die ein gutes Stück unterhalb der alten Wegstrecke im nicht ganz so steilen Wiesengelände dann gefunden wurde. Mit gewissem Herzklopfen fuhr ich dann den Wegen durch das Gelände, er quälte sich so richtig ein altes Bachbett hoch, erreichte dann aber die eigentliche Schotterpiste. Nun konnte nur noch ein zugesperrtes Parktor auf der nach Chos Malal führenden Seite uns hindern, diesen “Umweg” erfolgreich abzuschließen. Dieses gab es nicht, und so fuhren wir mit Höchsttempo, manchmal leicht schlingernd wegen des Belags gen Chos Malal.

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Ein Quartier wurde dann ebenso noch gefunden wie ein kleines Restaurant, denn unsere Mägen wurden seit dem Frühstück nur noch mit Kekse versorgt.

In unserem Quartier erkundigten wir uns dann, ob Informationen zu dem von uns zur Fahrt nach Chile vorgesehenen Paso de Pichachen vorliegen. Da diese bei den angesprochenen Personen widersprüchlich waren beschlossen wir, uns am nächsten Morgen vor Aufbruch bei der Polizei zu erkundigen, wie es um die Passierbarkeit dieses Passes bestellt sei. Da glaubten wir noch an die Kompetenz von Staatsdienern.

Am Morgen kam dann Katrin von einem Besuch bei der örtlichen Polizei mit der erfreulichen Nachricht zurück, der angestrebte Pass sei offen, dies sei ihr sowohl auf Spanisch als auch, um die Aussage zu unterstreichen, auf Englisch mitgeteilt und der Pass dann auch noch auf der Karte gezeigt worden. Da spielte es keine Rolle mehr, daß ich bei der abendlichen Recherche auf die Internetseite der Grenzbehörde gestoßen bin, in der auf eine Passöffnung ab dem 1.12.2013 hingewiesen wird – offensichtlich pflegte die Behörde ihren Internetauftritt nicht so richtig (!?) Der Aussage der Polizei vor Ort war besonderes Vertrauen zu schenken, also ging es direkt los in Richtung  Paso de Pichachen.

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Wenige Kilometer hinter Chos Malal bogen wir erneut in Richtung Westen in ein schönes Flußtal ab, vor uns ein bekanntes Bild, interessante Bergformationen, stark fließender Fluß, eine Schüttelstrecke wie aus dem Bilderbuch. Und wie am Vortag die Erfahrung, daß uns kein Auto entgegenkam. Das hatte nichts zu bedeuten, im Gegensatz zu gestern, denn der Pass war ja offen! Und wie zur Bestätigung kam uns dann auch ein Reisebus entgegen – vermutlich ein Langstreckenbus aus Chile, so unsere Vermutung, denn nennenswerte Ortschaften entlang der Strecke zum Pass waren auf der Straßenkarte nicht verzeichnet. Es ging rauf und runter, zu Beginn bei Sonnenschein, später verfinsterte sich der Himmel, auch im sprichwörtlichen Sinn. Während der  Optimist, Thomas, felsenfest davon überzeugt war, am Nachmittag durch den Nationalpark Laguna del Laja zu fahren, wiederholte der Pessimist auf der Beifahrerseite, Katrin, wie ein Mantra, erst wenn die Grenze passiert sei sei sie vom positiven Ausgang des Tages überzeugt. Gut 95 Kilometer waren wir inzwischen westwärts gefahren, der Himmel verdunkelte sich zusehends, es begann zu regnen, anfangs leicht, dann zunehmend stärker, immer böiger Wind kam auf, die wahrzunehmenden Temperaturen sanken zunehmend, nicht nur wegen des Höhengewinns. Die “Straßen”verhältnisse verschlechterten sich immer weiter, inzwischen mussten wir auch kleine Bachläufe durchfahren. Dann nach fast 110 Kilometern der Hinweis auf den Grenzposten in Moncol, 20 Kilometer vor dem Pass. Es war grün um uns herum, kleine Seen lagen links und rechts der sich ständig windenden Straße, trotz des Regens, der zunehmend wie Schnee aussah, kam zumindest bei einem Vorfreude auf, bald auf der anderen grüneren Andenseite zu sein. Wir näherten uns der Grenzstation und stellten fest, daß die Straße nicht (!) durch den üblichen Schlagbaum gesperrt war, vielmehr war das Tor offen! Während ich die Papiere aus dem Rucksack klaubte, kam bereits ein dick eingepackter Grenzer auf uns zu. Zuerst verstanden wir ihn nicht, dann schälte sich aus dem Verstandenen heraus, daß auch dieser Pass geschlossen sei. Nicht nur Unverständnis, sondern auch Ärger stieg auf, nicht so ganz ruhig sondern eher sehr verärgert gab es Nachfragen von unserer Seite. Ein weiterer Uniformierter kam aus der Unterkunft/Grenzstation und machte uns ebenfalls deutlich, hier sei kein Durchkommen, auf chilenischer Seite seien 3 Meter Schnee nicht geräumt (!?). Sie wiesen auf ihren vor der Station stehenden Unimog hin, mit dem es auch nicht möglich sei, auf die andere Grenzseite zu kommen – zu Fuß bzw. auf Skiern ja, aber sonst…Die Passhöhe beträgt 2.062m, 500m niedriger als der gestrige wegen Schnee auf chilenischer Seite nicht passierbare Pass – passieren hier klimatische Wunder oder werden wir so richtig auf den Arm genommen? Nachvollziehbar ist die Begründung nicht, zumal uns gleichzeitig mitgeteilt wurde, der wieder weiter südlich liegende Pass De Pino Hachado (1.884m) sei garantiert geöffnet (was sich mit unseren Internetinformationen tatsächlich deckte!), dort gäbe es keine Schneeprobleme. Wir kamen uns vor wie im falschen Film gelandet, wieder einmal kein Hinweis bei der Zufahrt zur Grenzstraße vor nunmehr 110 Kilometern, die es zurückfahren hieß. Von offizieller Seite wurde uns zweimal die Passierbarkeit dieses Passes bestätigt, diese Aussagen waren, wie sich jetzt herausstellt, nichts wert gewesen!Auf offizielle Aussagen in Zukunft verlassen – wir nicht mehr!

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Mit heftiger Wut im Bauch studierten wir im Auto die Straßenkarte und fanden eine Möglichkeit, über sehr gering klassifizierte Wege uns die Hälte des Rückweges nach Chos Malal zu sparen und auf den grenznahen Ort Las Lajas zuzusteuern, eine Abkürzung, die nicht im argentinischen Straßenatlas sondern in unserem chilenischen Kartenkonvolut dargestellt wurde. Dennoch, bis zur Grenze am Pass de Pina Hachado waren es mindestens 160-180 neue Schüttelkilometer auf dürftiger Piste. Es war gegen Mittag und wir hatten eine Chance, bis zum Abend endlich Chile zu erreichen. Also den Wagen gestartet und in dem leichten Schneefall wieder nach Osten zurück. Für die Landschaft hatten wir natürlich keinen Blick, galt es doch den Frust zu verarbeiten. Der Regen-Schneefall ließ nach, hörte schließlich ganz auf und wir kamen ganz flott voran.

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Plötzlich, wir trauten unseren Augen nicht, weit vor uns ein Radfahrer. Bei dem geringen Verkehr war es selbstverständlich anzuhalten und sich auszutauschen. Neben unserem Auto hielt ein Argentinier mit seinem packeselhaft beladenen Mountainbike, warm eingepackt und nicht aus dem Atem, an. Wie sich herausstellte, war er in Buenos Aires aufgebrochen und über Paraguay, Brasilien jetzt an den Anden angekommen, die er entlangfahren wollte um sie irgendwann, wohl wenn seine drei Monate Reisezeit vorbei sind, Richtung Chile zu überqueren. Die Strecke, das uns bekannte Straßenprofil mit langen Steigungen auf Schotterpiste, ständigem oft sehr hartnäckigem Wind, niedrigen Temperaturen, Regen, Schnee – und das alles alleine, wir zogen vor dem “Radfahrer” im Geiste vor Hochachtung die Mütze, diese Leistung kann man nicht genug würdigen. Dagegen ist das bißchen körperlicher Anstrengung, der wir uns unterwerfen, der Ärger mit der Quartiersuche, den geschlossenen Pässen im Grunde nicht der Erwähnung wert. Hätte der argentinische Sportsfreund wie wir vor der geschlossenen Grenze gestanden, ihn hätte die neue Situation deutlich härter getroffen. So zollten wir ihm unseren Respekt und verabschiedeten uns mit dem Wunsch, er möge gesund bleiben und durchhalten.

Wir fraßen Kilometer um Kilometer, hatten ab und zu auch einen Blick für die sich ändernde Landschaft, zählten im Geiste aber ebenso die Kilometer, die noch vor uns liegen, und schätzten die Ankunftszeit an der Grenze. Bei problemfreier Fahrt könnten wir um 17:00 Uhr dort sein. Endlich dann der Hinweis auf Las Lajas, wo wir noch einmal tanken wollten, wer weiß, wo auf chilenischer Seite die nächste Tankstelle liegt. Es lagen immer noch 60 Kilometer bis zur Grenze vor uns, die wir mit höchstmöglichem Tempo auf jetzt sogar asphaltierter Straße zurücklegten. Die Grenzformalitäten auf argentinischer Seite waren relativ schnell, wenn auch sehr bürokratisch gehandhabt, erledigt, die Grenzer trotz traurigem, weil ziemlich heruntergekommenem Arbeitsumfeld sehr hilfsbereit und freundlich. Eine kurze Wegstrecke später dann die chilenische Grenzstation, moderner Bau, bestens ausgestattet – hier stehen wohl arm und reich einander gegenüber. Die Abfertigung verlief zügig, für mich Gelegenheit am im Warteraum installierten Fernseher, der wohl insbesondere zur Ablenkung der Grenzer gedacht war, das Championleaguespiel Barcelona gegen Milan für einige Minuten zu verfolgen.

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Und dann waren wir wieder in Chile. In die einsetzende Dunkelheit bei regnerischem Wetter ging es immer weiter talabwärts. Die Stimmung stieg, nahmen wir um uns herum doch Wiesen und später auch Wälder wahr, hier war es wirklich grün! Das Leiden am tristen Bild, das große Teile des durchfahrenen Argentiniens für uns abgegeben haben, war zu Ende.

Ziel war Curacautín, eine Gemeinde mit rund 15.000 Einwohnern, wo es auch Unterkunftsmöglichkeiten geben soll, gut 140 Kilometer hinter der Grenze. Wir kamen im Dunkeln und bei Starkregen an, beste (!?) Bedingungen, um im Vorbeifahren Hinweise auf ein Hostel oder Hotel erkennen zu können. Vom zentralen Platz ausgehend fuhren wir die Straßen systematisch ab, sahen außer dem überteuerten Hotel am Platz eine Hospedaje und blieben dort, ohne andere Alternativen gesucht zu haben. Für die eine Nacht durchaus akzeptabel.

Von Mendoza über San Rafael nach Malargüe

Nach vier Tagen in Mendoza war es an der Zeit, die Rucksäcke wieder zu packen; bestärkt in unserer Entscheidung wurden wir dann durch den massenhaften “Einfall” chilenischer Kurzurlauber, wodurch nicht nur unser Hotel ausgebucht war, sondern der auch nächtliche Geräuschpegel dauerhaft hörbar unangenehm anstieg. Mit der nächtlichen beschaulichen Ruhe war es vorbei, also weiter ziehen.

San Rafael, etwa 240 Kilometer weiter südlich gelegen, war unser Ziel, schließlich stand noch die Verkostung der regionalen Weine aus. Direkt fahren war zu einfach, so machten wir einen Schlenker nach Tupungato, eigener Werbung zur Folge die “Hauptstadt der Hochlandweine”, gelegen in einer Region intensiver Landwirtschaft, wozu neben Wein und Oliven auch bodenständige Landwirtschaft gehört. Den Umweg fuhren wir jedoch nicht nur wegen der zugegeben deutlich grünen Landschaft, sondern auch wegen der immer wieder möglichen Blicke auf die Anden, die hier um Tupungato mit dem gleichnamigen Vulkan (6.811m) den m.W. zweithöchsten Berg Argentiniens besitzt. Am Vorabend aus dem Gebiet des Aconcagua zurückkehrend kamen wir in den kurzen Genuß einiger Regentropfen; am Morgen sahen wir dann die Bescherung – in den höheren Andenregionen hatte es so richtig geschneit, was wir wegen der hohen Wolkendecke wunderschön während unser Fahrt in den Süden aus den Augenwinkeln aufnehmen konnten.

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Eigentlich eine geruhsame Fahrt, mit Augenpflege verbunden, denn während des größten Teils unserer Wegstrecke dominierte nicht mehr die allzu bekannte Buschwüste, sondern das Grün von Bäumen, Sträuchern, Wiesen und Feldern.Eindrucksvoll die letzten 8-10 Kilometer auf San Rafael zu, denn die Bäume am Straßenrand verdichteten sich derart, daß die letzten Kilometer in einer Allee unter einem Blätterdach gefahren werden konnten auf einer Straße, die oft über lange Strecken schnurgerade verlief. Einzig hinderlich und ärgerlich zugleich die völlig unzureichende Beschilderung; immer wieder wurden fast detektivische Fähigkeiten abgefordert um die richtige oder annähernd richtige Fahrtrichtung einzuschlagen. Mit geringen Umwegen erreichten wir dann unser Quartier in San Rafael; hier wartete auf uns ein im Vergleich zu Mendoza fürstlich großer Schlafsaal mit voll funktionierendem Bad und allen Annehmlichkeiten, die man sich wünschen kann und das alles zu einem Preis, der genau in unser Budget passte. Die Entscheidung, einen Tag länger zu bleiben, war schnell gefasst, auch gut begründet mit dem von uns anzuschauenden Umland der Stadt.

Ohne weitere Zeit zu verlieren, machten wir uns sofort auf den Weg zur ältesten ansässigen Bodega/Winzer,”La Abeja”, um neben einer Betriebs-/Kellereibesichtigung von den vorhandenen Rebsäften zu kosten. Nach 40 minütigem schnellen Spaziergang erreichten wir kurz vor 16:00 Uhr rechtzeitig das Ziel, mussten jedoch erfahren, heute sei keine englischsprachige Führung mehr möglich. Freundlicherweise wurden wir in die gerade zu Ende gehende spanische Führung zur abschließenden Verkostung eingeschleust. Die Weine waren ok, auch für unseren Geschmack trocken, aber einzigartig waren sie nicht, was wir auch nicht erwartet hatten. So werden wir, wie anschließend abgesprochen, Samstagfrüh eine englischsprachige Führung durch die Kellerei besuchen.

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Auf unserem schnellen Gang durch die Stadt zu Bodega begegneten wir nur sehr vereinzelt Bürgern; die Geschäfte hatten weitestgehend ab 14 bis gegen 16/17 Uhr geschlossen. Ganz anders die Situation am Abend, als wir uns auf die langwierige Suche nach einem Restaurant machten, das nicht nur Pasta, Pizza oder Fastfood anbietet. Jetzt waren die Straßen, es ist Freitagabend, proppevoll, die innerstädtischen Lokale waren sehr gut besucht, die Läden hätten jedoch gut und gerne mehr Kundschaft verkraften können, man wollte wohl im wesentlichen flanieren und gesehen werden.

Nahezu pünktlich, wir hatten uns in San Rafael verfahren, trafen wir am Samstag wohl als erste Besucher um 9:30 Uhr in der Bodega ein und unsere Führerin nahm uns umgehend mit auf den Rundgang. Die Bodega “La Abeja” ist die älteste im Ort, Dutzende sind ihr im Verlauf von über 100 Jahren erfolgt. Wie anders als durch einen emigrierten Franzosen konnte hier der Weinanbau begründet werden; gleichzeitig begründete Herr Iselin auch eine Französische Kolonie, die Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung der Stadt San Rafael war. 1883 wurden die ersten Weinstöcke gesetzt, m.E. sechs Jahre später konnte der erste Wein geerntet werden. Die Bodega blieb, wie uns erzählt wurde, nicht sehr lange im Besitz der Gründerfamilie; inzwischen bewirtschaftet der dritte Eigentümer seit der Gründung die anfangs 700ha Anbaufläche. Was uns sehr erstaunte war die Information, erst seit 10 Jahren den gekelterten Wein selber auf Flaschen zu ziehen, zumindest einen guten Teil der Ernte, der Rest wird, wie früher die gesamte Ausbeute, an größere Winzer weiter verkauft. Erstaunlich, denn der älteste Weinbauer zählt quasi zu den jüngsten Weinproduzenten unter eigenem Namen. Weiterhin erstaunte uns die Aussage, bei den meisten auf Flaschen gezogenen Weinen Vorjahresweine mit bis zu 50% des aktuellen Weins zu “vermischen” – Jahrgangsweine und eindeutige Lagen scheint es hier nicht bzw. nicht bei diesem Weingut zu geben. Insofern nicht sehr erstaunlich, wenn die uns zur Verkostung angebotenen Weine uns auch nur durchschnittlich schmeckten.

Anschließend machten wir uns auf den Weg, das Umland von San Rafael kennen zu lernen. Empfohlen wurde uns durch die Vorgärten der Stadt in den Ort “25 de Mayo” zu fahren, da dort noch Überreste aus der Kolonialzeit und ein alter Ortskern zu finden sei. Das mit dem Ortskern entpuppte sich beim Durchfahren als üblicher Marketinggag, denn hier war nichts untypisches gegenüber den bislang durchfahrenen Ortschaften zu erkennen. Die Überreste aus den Anfängen der Kolonisation fanden wir dann auch – Rest aus einer offensichtlichen Wehrstellung der Spanier, wie immer, ohne nähere Hinweise, so daß jeder sich seine eigenen Gedanken zu den paar Haufen Steinen und Restmauerwerken aus Adobe machen kann. Da dieses Altertümchen nur durch einen schönen Wald zu erreichen war, stimmte uns die Umgebung mit dem Vorgefundenen gnädig – wir hatten schon dürftiges erlebt.

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Und dann begann unsere Rundfahrt, die uns durch den Provinzpark von San Raphael bis an die Staumauer bei Nihuil, einem kleinen verschlafenen Dorf führte, vor dem sich ein großer See – wir wir später bemerkten, einer von vieren – aufstaute. Auf den nächsten gut 50 Kilometern wurde der Rio Atuél noch drei weitere Male aufgestaut. Wesentlicher Zweck ist der Betrieb von Wasserkraftwerken, die sich jeweils am nachfolgenden Staudamm befanden und die ihre Wasserzufuhr über kilometerlange Wasserrohre erhielten. Von Nihuil ging es dann eine Weile steil bergab auf den Talboden des Flusses, der hier nur als kleines Rinnsal zu bemerken war. Vor dem Eingriff von Menschenhand muß dies erheblich anders gewesen sein, denn der Canyon von Atuél schneidet sich teilweise bis zu 500m tief in die Erde ein, bildet zum Teil ein sehr enges Tal, manchmal weitete es sich auch auf, was unheimlich interessante Bergwände zur Folge hat, die auf Grund sehr unterschiedlicher Gesteinsarten und somit Gestaltungsmöglichkeiten durch den Millionenjahre dauernden Erosionsprozess oft bizarre Formen und sehr unterschiedliche Farben aufwiesen.

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Wir sind zwar nicht mit vor Stauen offenem Mund die gut 50 Kilometer durch den Canyon gefahren, haben jedoch immer wieder anhalten müssen, um die Umgebung genauer zu mustern und legten, natürlich, an jedem Stausee einen Sonderstop ein. Das klare aber sehr kalte Wasser schimmerte oft bläulich und bildete somit einen sehr angenehmen Farbklecks in der ansonsten eher durch gedeckte Farben geprägte Landschaft. Die Fahrt und der Canyon waren wirklich sehr eindrucksvoll, auch wenn der Grand Canyon größer als dieser Canyon ist, sehr viel anders als das hier vorgefundene stellen wir uns das Amerikanische Vergleichsobjekt nicht vor, was quasi einem Verzicht auf seinen Besuch darstellt. Diese Tagesreise, gemütlich vollzogen, kann nur empfohlen werden, insofern verwundert, wie wenig Menschen wir auf der Canyonfahrt als Reisende zu Gesicht bekamen. Ob es an der leicht anspruchsvollen Strecke – schmale Piste mit ungesicherten Banketten, vielen engen Kurven und teilweise ganz schön steilen Abhängen – lag?

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Der Canyon Atuél wird auch angepriesen als das Mekka der Wildwasserfahrer und soll für Rafting sehr geeignet sein, natürlich erst ab der letzten Staustufe am Stausee Valle Grande. Wir hatten uns für eine Raftingtour vorbereitet, d.h. die ggf. notwendige zusätzliche Wäsche eingepackt. An den Ablegestellen angekommen bemerkten wir jedoch einen derart zahmen Fluß, der nach Katrins Auffassung noch nicht einmal mit der Enz schritthalten kann, von wildem Wasser keine Spur. Hier floß ein ruhiges Flüßchen gen San Rafael, bei dem lediglich durch den sehr niedrigen Wasserstand ab und an kleine Strudel um aufstehende Steine festzustellen waren. Uns schien dies keinen besonderen Spaß zu machen, also Verzicht, den wir dann bei der anschließenden Autofahrt entlang des Flüßchens auch sehr bestätigt fanden. So wurde es nichts mit der – kalten – Wasserdusche im Fluß.

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Sonntag dann wieder Reisetag, aber von sehr begrenzter Dauer, denn als nächste Station war der Ort Malargüe, etwa 220 Kilometer südwestlich gelegen, auserwählt, dies vor allem, weil er ein guter Ausgangspunkt für den Besuch zweier Nationalparks, einer großen vogelreichen Lagune und eines Vulkans zu sein schien. Von dieser Fahrt im wesentlichen haften geblieben ist die Wahrnehmung, wie die Buschwüste zunehmend wohl wegen der besseren klimatischen Verhältnisse in eine Steppe überging, der Boden ganz mit lockerem niedrigem Buschwerk, sehr selten mit Bäumen und sonst mit niedrigem Gras bedeckt war. Hin und wieder wohl ausreichend, um auf den riesigen eingezäunten Flächen Kühe und Pferde weiden zu lassen. Ab und an waren auch großzügig Wälder angelegt worden, weniger als Windbrecher sondern vielmehr als Nutzholzanlagen. Und in der Nähe von San Raphael dominierte der Obst-, Oliven- und Weinanbau. Bislang unbekannt war die Mitgliedschaft Argentiniens in der OPEC, die jedoch auch hier entlang der Strecke – und früher sogar in einem Nationalparkt vorgefundenen –   in Massen gesichteten Ölförderpumpen lassen vermuten, ähnlich wie im Emsland in Deutschland, daß auch hier ein sicherlich überschaubarer eigener Beitrag zur Erdölversorgung geleistet wird.

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Aus der Heimat eher unbekannt – Windhosen, hier sind wir bei unseren Fahrten durch die wüstenähnlichen Landschaften immer wieder auf dieses Phänomen gestoßen; leider waren sie entweder zu weit entfernt oder zu kurzatmig, um dokumentiert zu werden

Hatten wir bislang mehrfach Gelegenheit, uns einen Salzsee aus der Nähe anzusehen, einen wesentlichen Makel besaßen alle : die Salzkruste war immer im wesentlichen von einer Staub- bzw. Sandschicht dick bedeckt, so war uns heute das Glück hold, denn in der Nähe von El Sosneado tauchte auf einmal sehr überraschend eine weiß glitzernde Fläche linker Hand von uns auf, die sich beim Heranfahren als ein Salzsee entpuppte. Hier wurde sogar Salz abgebaut, wie sowohl eine Zufahrt zum See als auch die Baulichkeiten signalisierten. Sonntags wird wohl keiner vor Ort sein, also Blinker gesetzt und links abgebogen. Was wir sahen, war eine sehr in die Jahre gekommene Produktions- bzw. Abbaustätte des Seesalzes. Die sichtbaren Maschinen hatten schon Patina angesetzt, waren aber offensichtlich noch im Einsatz. Die Lagerhalle enthielt nach Einsichtnahme nur eine Abfüllanlage für das gewonnene Salz in Säcke; im Außenbereich fanden wir Gerätschaften um das Salz zu mahlen sowie, natürlich, einen riesigen Berg gereinigten Salzes. Bei einem kleinen Gang auf den Salzsee hinaus hätten wir, mit geschlossenen Augen, das Gefühl entwickeln können, doch noch in Uyuni auf dem Salzsee zu stehen, die Sonne brannte jedoch zu intensiv, um die kontemplative Ruhe entstehen zu lassen für diese Selbstsuggestion.

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Heute hatten wir endlich einmal sehr viel Zeit, um in Ruhe unser Quartier zu suchen. Da noch keine Hauptreisezeit in Argentinien ist, haben offensichtlich zahlreiche Betriebe ihre Türen fest verschlossen oder zogen es vor, in der Zeit zwischen 14 und 16 Uhr keinem Interessenten zu öffnen. So reduzierte sich die Zahl der Kandidaten sehr schnell. Immer wieder erstaunlich bei der Suche festzustellen, welchen Standard mancher in Malargüe glaubt, gegen Geld noch anbieten zu können – kaum vorstellbar, daß in dem einen oder anderen Hostel bei dem vorgefundenen Dreck und Unordnung überhaupt jemand absteigt.

Die Zeit am Nachmittag nutzten wir auch, um unsere nächsten zwei Tage mit den Parkbesichtigungen zu planen. Wesentliche Feststellung : als Tourismusland steht Argentinien noch am Anfang – nicht primär wegen des immer wieder feststellbaren Verständigungsproblems, wer kein Spanisch spricht/versteht, ist auf verlorenem Posten, sondern weil dem Individualreisenden enorm viele Hürden aufgebaut werden, um die Besonderheiten des Landes, seine Schönheiten kennenzulernen. Der Nationalpark Payuni, vielleicht  nicht jedem bekannt, kann nur in Begleitung eines Führers besucht werden. Um diesen müssen wir uns hier in Malargüe kümmern, der Park liegt aber vier Autostunden entfernt! Was also macht der Reisende, der direkt zum Parkeingang fährt? Nichts bzw. er ärgert sich erheblich, denn wie gesagt, ohne mitgebrachten Führer kein Zugang. Die Verpflichtung, einen Führer zu engagieren, erschließt sich einem auch nicht schnell, denn die Hinweise in den Reiseführern sind nicht nur unklar sondern in dieser Hinsicht auch irreführend. Da heute die entsprechenden Agenturen geschlossen haben heißt es Morgenfrüh die Agenturen abklappern, um einen englischsprachigen Guide aufzutreiben – was bringt uns ein Guide, wenn wir ihn nicht verstehen? Hoffen wir, erfolgreich zu sein.

Das Folgende gehört nicht nur in diese Reisephase, sondern stellt ein immerwährend wiederkehrendes Problem dar : die Suche nach einem geeigneten Restaurant. Natürlich kann man auch auf der Suche nach dem passenden Lokal eine Stadt kennen lernen, aber wer macht das gerne mit knurrendem Magen? Zunehmend nervt es, immer wieder nur die Abfolge Pizza, Pasta, Fastfood in jeder Form oder Fleisch in allen Variationen vorzufinden, als wenn in Argentinien nicht die Zutaten für ein abwechslungsreiches Speiseangebot existieren würden. Gemüse, Kartoffeln, nicht als Frítten, sondern als Salzkartoffel, wir suchten dies oft vergeblich und wurden nur selten fündig. Verständlich, wenn insbesondere Katrin, die als Vegetarierin es noch schwerer als ich hat, passende Speisen zu finden, oft an das heimatliche Essen denkt.

Als erstes stand am Montagmorgen die Suche nach dem/den notwendigen Guides für unsere Ausflüge an; Bedingung : englischsprachig. Wir hatten Hinweise auf zwei Agenturen vor Ort bekommen, die Zugriff auf entsprechende Führer haben. Also steuerten wir morgens um 9:00 Uhr die erste Agentur an. Dort nahm man unser Anliegen auf und sagte für den Abend um 20:00 Uhr zu, daß der Agenturleiter, englischsprachig, dann anwesend sei, mit dem wir alles Weitere besprechen könnten. Um unseren Besuch des Vulkans Malacara in die Wege zu leiten, besuchten wir die einzige Agentur vor Ort, die wohl das Monopol auf diese Exkursion hat. Leider hielt man uns im Unklaren, ob die um 15:00 Uhr am Vulkan beginnende Führung auch auf Englisch erfolgt. Wir waren jedoch positiv wie so oft im Glauben gegangen, daß dies der Fall sein würde. In der Zeit bis zur Vulkanbesichtigung wollten wir das Vogelreservat und die Lagune Llancanelo besuchen. Hier ist ausreichend, sich bei Betreten des Parks beim Parkwächter anzumelden. Beide Orte ließen sich gut miteinander verbinden, da relativ nah zu einander etwa 50 Kilometer von Malargüe entfernt.

Von Parkwächtern wird i.a. erwartet, daß sie wachen – als wir vor Ort eintrafen waren sie sicherlich wach, aber vor Ort wachen – keine Spur. So saßen wir pflichtbewußt vor der verschlossenen Tür der Hütte, leisteten dem “Wach”hund Gesellschaft am zunehmend heißer werdenden Vormittag und warteten. Nachdem mehr als eine halbe Stunde ohne besondere Ereignisse verstrichen war glaubten wir, uns unserer Anmeldepflicht entledigen zu sollen und machten uns eben unangemeldet auf den Weg, und wie sich herausstellte, auf die Suche nach der Lagune. Ja, während der Anfahrt, man nähert sich der Region, indem man in ein riesiges Tal hineinfährt, hatten wir mehrfach Blickkontakt zur Wasserfläche, der natürlich nicht mehr gegeben war, als wir uns auf gleichem Niveau wie die Lagune befanden. Die vor der Parkwächterhütte angebrachte Routenkarte wies uns, scheinbar, den Weg, auf den wir uns dann auch machten. Nun handelt es sich nicht gerade um eine kleine Lagune; um von einem Ende  etwa in ihre Mitte zu gelangen waren gut 18 Kilometer zu fahren, interessante Kilometer. Einige der Vögel, die ihr Quartier in der Lagune haben (sollen), trafen wir auf der Fahrt dorthin an einem überschaubaren Wassertümpel an, den einerseits Kühe und Pferde als Tränke nutzten, andererseits Aufenthaltsort für eine ganze Reihe von Flamingos war. Die Vögel haben wohl besondere Antennen, denn sie stoben davon, als wir uns noch in erheblicher Entfernung zu ihnen auf der Anpirsch befanden. Wasser ist Leben, für manches Rindvieh reichte das wohl nicht aus, denn im Umfeld dieses Wassertümpels lagen mehrere Gerippe verendeter Rinder herum.

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Die Lagune Llancanelo ist ein Naturschutzgebiet, auch wir Besucher sollten uns an strikte Regeln halten. Aus ökonomischen Gründen werden wohl die Regelungen so ausgelegt, wie es den Interessen von Ölfördergesellschaften am besten entspricht. Auch hier stießen wir auf zahlreiche Ölförderanlagen, auf stillgelegte oder verschlossene Bohrungen, auf einen Maschinenpark und auf Anlage von Öltanks, die eigentlich in diesem sensiblen Bereich nichts zu suchen haben.

In einem bestimmten Bereich, der Playa, kann man an die Lagune heranfahren, zumindest zu einem Punkt, bis zu dem sie sich vor vielen Jahren einmal ausgedehnt hatte. Inzwischen ist der Wasserstand so stark zurückgegangen, daß wir in einem halbstündigen Marsch es nicht schafften, an das Laguneufer zu kommen. Manchmal gaukelten uns wohl Luftspiegelungen vor, unmittelbar davor zu stehen, jedoch verschwand das “Wasser” dann schneller, als wir uns im näherten. Der Illusion, am Ufer dann auch noch große Teile der ausführlich beschriebenen Vogelwelt dieses Sees zu sehen zu bekommen, hingen wir schon nicht mehr nach. Man erwähnt sie, also gibt es sie, wir müssen das auch ohne Augenschein glauben.

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Die Region ist von Vulkanen übersäht; ein solcher Drum von über 1.500m Höhe steht auch in Lagunenähe und bietet sich als Aussichtspunkt an. Von hier ober wurde das Dilemma des Sees so richtig deutlich, denn die trockengefallenen Flächen waren deutlich zu erkennen, die ursprüngliche Lagunefläche hatte sich im Verlaufe der Jahre sehr stark  verringert.

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Der Besuch oder besser das Eindringen in den Vulkan Malacara war interessant, denn so nah waren wir noch nie dem Boden eines Vulkans wie es hier der Fall war. Der eigentliche Vulkan besitzt 3 Krater, in denen man herumkraxeln und klettern kann. Schade, daß wir keine geologischen Kenntnisse besitzen, denn die Vielzahl der vorgefundenen verschiedenen Gesteinsarten und ihre jeweilige Verbindung zueinander wäre für uns von Interesse gewesen. So standen wir immer wieder vor den bizarren Formen, die der Vulkan und die über ihn hinweggegangenen Millionen Jahre geschaffen haben, die Vielfalt der wahrzunehmenden Farben. Wir waren auf unsere eigene Wahrnehmung angewiesen, denn die Führerin, die mit zwei weiteren Gästen zum Treffpunkt angereist war, konnte ihr Wissen nur in Spanisch weitergeben, für unsere Ohren und unsere Sprachkenntnisse etliche Nummern zu groß. So blieb am Schluß ein Aha-Erlebnis, aber auch die Erkenntnis, daß der hiesige Tourismus noch einiges dazulernen muß, wenn er seine Schätze auch internationalem Publikum zugänglich machen will. Und diese Sprachprobleme bzw. das Fehlen fremdsprachekundiger Guides zieht sich nahezu von Beginn unserer Reise durch, ein Manko, das besonders die Individualtouristen zu tragen haben, denen es nahezu unmöglich ist, sprachkundige Führer aufzutreiben.

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Womit wir beim Frust des Tages sind. Zur angegebenen Zeit trafen wir am Treffpunkt im Hotel des Agenturbesitzers ein um zu erfahren, der für 20:00 Uhr angekündigte Chef sei noch nicht da, vielleicht um 21:00 Uhr oder auch später. Stimmung auf dem Nullpunkt, da wieder einmal ein Beweis der Unzuverlässigkeit erbracht worden war und frustrierter Abgang von Katrin und Thomas.  Eine Möglichkeit für unsere Tagestour am nächsten Tag in den Provinzialpark El Payun gab es noch, die zweite Agentur, die Zugriff auf fremdsprachenkundige Führer hat/haben soll. Da man hier auch abends arbeitet und oft die Läden bis in die Puppen geöffnet sind, hatten wir Glück, der Laden war noch offen und besetzt – das war es dann auch schon mit der positiven Wahrnehmung. Die Ladenkraft war nicht in der Lage herauszufinden, ob der für den morgigen Tag für diese 12-Stunden-Tour eingeplante Guide mehr al nur Spanisch kann. Nach den Erfahrungen im Vulkan hatten wir jedoch kein weiteres Bedürfnis nur sehende Mitfahrer zu sein, ohne am Wissen des Guides teilhaben zu können. Die Inkompetenz, die wir hier in Tourismusangelegenheiten wiederholt erfahren hatten, wollten wir nicht erneut am eigenen Leib erfahren, deshalb mussten wir uns schweren Herzens von unserem Plan, El Payun zu besuchen, verabschieden. Dies fiel auch deshalb schwer, weil die zu besuchende Region nicht nur besondere Ausprägungen und Ergebnisse vulkanischer Tätigkeit aufweist, sondern weil hier auf engstem Raum Dutzende von Vulkankegeln versammelt sind.

Über die dürftigen Kochkünste haben wir uns schon mehrfach ausgelassen; nach dem Vorstehend geschilderten Frusterlebnis wollten wir mal wieder vernünftig essen und besuchten ein bekanntes Restaurant. Nachdem wir um 19:00 Uhr unter Verweis auf die Öffnung um 20:30 Uhr abgewiesen worden waren, trafen wie gegen 20:45 Uhr ein – als einzige Gäste, auch für die nächste halbe Stunde. Das Essen so la la, die Parilla hat mich nicht überzeugt, die Preise waren teilweise von einem anderen Stern. Dem Faß den Boden schlug jedoch eine Beobachtung Katrins aus, als sie, als erste und wohl bislang auch einzige Frau an diesem Abend die Banos aufsuchte und kopfschüttelnd, mit gewissem Ekel im Gesicht, an den Tisch zurückkehrte. Die Restaurantbesatzung hatte es wohl nicht geschafft, die teilweise Verkotung der Damentoiletten bis zur Öffnung am Abend zu beseitigen oder besser, hat diesen Zustand nicht wahrgenommen. Ein Glück, daß wir schon gegessen hatten.

Der Ausfall des geplanten Tagesausflugs verkürzte unseren Aufenthalt in Malargüe, d.h. am nächsten Morgen war Abreise angesagt. Vom Ort gibt es, wie die Karten belegen, eine Straßenverbindung über den Pass Pehuenche, 2.583m hoch gelegen, nach Chile zum Ort Talca, eine sinnvolle Fortsetzung unserer Reise.

Mendoza

Wer an Mendoza denkt, hat vor allem das Weinanbaugebiet in der Region vor Augen und denkt vielleicht an den einen oder anderen bekannten Tropfen hiesiger Winzer. Wir auch, jedoch lag unser Augenmerk eher auf die Nähe dieser Stadt zum NP Aconcagua, den wir aus der Nähe sehen wollten.

Wie immer steht am Beginn ein Stadtrundgang, bei dem als einer der ersten Aktionen immer das Touristenbüro wegen Karten, Plänen, Informationen angesteuert wird. Die dort ausgesprochenen Empfehlungen, was wir innerhalb der Stadt uns ansehen sollten – auch die Hinweise in den Reiseführern sind äußerst überschaubar –, hatten wir am Abend praktisch “abgearbeitet” und mussten feststellen, so berauschend ist die eigentliche Stadt nicht. Es gibt viele schöne Parks, kleine Grünanlagen und teilweise riesige Parkanlagen (Parque General San Martín) die es wert sind, besucht zu werden. Herausragende architektonische und historische Bauten sucht man hier jedoch vergeblich, kein Wunder, denn vieles wurde bei einem großen Erdbeben in 1861 zerstört, der Stadtkern anschließend verlagert. Bei Mendoza muß man wissen, daß es hier eher heiß als warm ist, d.h. die Sonne brennt dauernd unbarmherzig herunter. Welch eine Wohltat sind deshalb die in der Innenstadt und an vielen Ausfallstraßen vorhandenen Platanen und andere Bäume mit großem Blätterdach, die auf den Gehsteig und die Straßen den notwendigen Schatten werfen und darüber hinaus ein richtig schönes Bild abgeben. Diese Schattenspender finden sich nicht nur im Innenstadtbereich und den großen Avenidas, sondern sind weit im Stadtgebiet vertreten, wie ein Blick vom Cerro de la Gloria belegt. Ich glaube, so ganz ohne diesen großzügigen Baumbestand, der durch die eher breiten Straßenzüge ermöglicht wird, könnte man es hier nicht aushalten.Bei genauer Betrachtung erschließt sich das “Wunder” dieser Schattenspender : ihre Wurzeln werden in Abständen “gewässert”, denn durch ein ausgeklügeltes Grabensystem, das straßenbegleitend direkt an den Baumwurzeln entlang geführt wird und in vielen Fällen offen ist, wird den Bäumen immer wieder Wasser zugeführt.

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Und dennoch, der größten Hitze entfliehen die Bewohner und scheinen sich mittags, wo auch immer, im Kühlen aufzuhalten, denn die meisten Geschäfte hatten heute am Montag von ca. 13:00 Uhr bis gut gegen 16:00 Uhr geschlossen! Hatte gestern noch auf Nachfrage uns ein Hotelmitarbeiter gesagt, nur sonntags seien über die Mittagszeit idR  die Geschäfte geschlossen, so scheint unser Test von heute zu belegen, daß hier jeden Mittag Sonntag ist. Es seí den Menschen gegönnt, denn die Hitze ist schon belastend.

Mendoza besitzt einen riesigen Park, der Anfang 1900 auf über 400ha Fläche damals am Stadtrand geschaffen wurde. Unzählige schöne und alte Bäume kann man hier bewundern, auf den großen Rasen/Wiesen picknicken und spielen, wie es zahlreiche Mendozenos auch heute praktizierten. In unserem Verständnis bedeutet Park, daß hier der Mensch einen Erholungsraum hat und Vorrang vor allem anderen genießt. Dies macht auch die Stadt- und Parkverwaltung deutlich, wenn an dem von uns benutzten Eingang dem Autofahrer mitgeteilt wird, daß der Fußgänger in allen (!) Fällen Vorrang habe. Diesen Hinweis zu geben, sagt einiges über die Situation aus, denn der Park ist von unendlich vielen Straßen durchzogen, auf denen die Fahrzeuge wie sonst auch, das Recht des PS-stärkeren durchsetzen. Schade, denn die grüne Lunge und der Erholungsraum für die Bevölkerung kann der Park dann nur eingeschränkt sein, eher handelt es sich hier im mit umfangreicher Begrünung begleitete Straßenzüge am Rand der alten Innenstadt. Wir sind in diesem Park, der neben Sportanlagen auch einen u.a. von Ruderern genutzten Teich und zahlreiche Spielplätze umfasst, gut 2 1/2 Stunden spazieren gegangen, ohne ihn dabei vollständig erlaufen zu haben, was einen Eindruck seiner Größe vermittelt.

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Für den Dienstag hatten wir uns vorgenommen, in einem großen Bogen um Mendoza herum über die Vorkordilliere der Anden zu fahren und dabei auch die wenigen auf der Strecke liegenden Höhepunkte zu besuchen. Nach 50 Kilomater Anlaufstrecke waren wir dann am Fuß der Vorkordillkiere auf etwa 900m. Von da an ging es immer nur in eine Richtung, bergauf. Unser Zwischenstop lag bei gut 1.800m in Villavicencio. Der Name steht hier in Argentinien für eine große Mineralquelle, dort steht aber auch seit Jahren ein Hotel – leer und die vorhandenen Thermalquellen können nicht benutzt werden, auch heute nicht. Der Eigentümer, die Grupo Danone, soll seit Jahren keine Anstrengungen für eine Wiedereröffnung unternommen haben. Schade, denn dadurch war uns auch der Zugang zu dem Gelände versperrt. Stattdessen versuchten wir von einem etwas oberhalb der Hotelanlage liegenden Parkplatz in die Höhe zu wandern. Auch von dornigen Sträuchern ließen wir uns – anfangs – nicht entmutigen, stellten aber nach einiger Zeit fest, wie wenig Spaß es macht in einem Bachbett in die Höhe zu kraxeln ohne Aussicht auf eine vernünftige Aussicht. Nach einer guten halben Stunde ständigen Bemühens Höhe zu gewinnen entschieden wir uns zur Umkehr. Wieder einmal sahen wir die Feststellung bekräftigt, daß es offensichtlich in Südamerika, zumindest in den bislang von uns kennengelernten Teilen, keine vernünftigen Möglichkeiten zum Wandern gibt. Wege sind kaum zu erkennen und wenn, dann sind diese oft zufälliger Natur oder naturgegeben; Markierungen, Hinweise suchten wir vergeblich. Man könnte vermuten, so den Wander-/Bergführern Einkommensmöglichkeiten schaffen zu wollen – aber wer bemüht sich für 2 Stunden Wandern um einen professionellen Führer? Wohl keiner und deshalb scheint es auch zu stimmen, daß die Südamerikaner im allgemeinen zum Bewegen und Wandern ein eher distanziertes Verhältnis besitzen.

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Hatten wir bis nach Villavicencio schon 900 Höhenmeter überwunden, ging es auf den dann folgenden 365 Kurven und Spitzkehren bis auf den Kamm der Vorkordilliere auf rund 3.100m. Hier lagen dann knapp 30 Kilometer Bergfahrt hinter uns, die zwar wegen der geforderten Konzentration, denn die Piste war schmal und der Abgrund oft nah, nicht mit links zu absolvieren waren, uns aber immer wieder mit grandiosen Blicken in die Weite der unter uns liegenden Ebene und die um uns herum wahrzunehmenden Berghänge entlohnte.Wenn es nicht so dunstig gewesen wäre, wir hätten fast den Atlantik erblickt!  Ab und an wurden wir auch von höherer Warte kritisch und distanziert beäugt; kleine Gruppen von Guanacos standen in den steilen Hängen über uns und versuchten, das letzte Grün von den wenigen Büschen zu rupfen.  Auf den Kamm zufahrend wurden wir durch einem weiteren fantastischen Anblick für die doch lange Anfahrt belohnt : in der Ferne deutlich sichtbar die zum Teil schneebedeckten Andengipfel rund um den Aconcagua, genau auszumachen bei bester Sicht, schneidigem, kaltem Wind. Auf dem Kamm ist ein Kreuz wohl in Erinnerung an die weiter unten im Tal früher in Silber- und Goldminen Beschäftigten und eine kleine Kapelle errichtet. Ein weiteres Hinweisschild führt uns auf den angabegemäß höchsten Kreuzweg der Erde, der von unserem Standort einige 100m in die Höhe führt. (Muß denn immer alles in Superlativen dargestellt werden – selbst bei diesem bescheidenen Kreuzweg, es handelt sich um schlichte Holzkreuze, kommt man nicht umhin, auf den weltweiten Vergleich hinzuweisen!?)

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Von nun an ging es bergab, zuerst nach Paranillos, dann weiter nach Uspallata. Dabei machten wir einen kleinen Abstecher nebst längerem Marsch zum Füßevertreten hin zu aufgelassenen Minen und den Ruinen der Jesuiten von Paramillos. Die dann linker Hand bis nach Uspallata uns begleitenden Berge erinnerten an bereits Gesehenes – auch hier wieder das fast altbekannte Farbspiel, auch hier konnte man von den Bergen mit den sieben Farben sprechen.

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Uspallata fällt kaum auf, liegen seine Häuser häufig hinter Bäumen versteckt, hebt sich von dem vorher Gesehenen durch die kräftige Vegetation einer Art Oase, das dominierende Grün, die vielen Bäume und Sträucher, durch Landwirtschaftsflächen deutlich und wohltuend ab. Ein Ort, der auf Touristen wartet, der eigentliche Ansturm steht noch bevor, wirkte ansonsten aber extrem verschlafen.

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Weiter in Richtung Mendoza passierten wir noch den Stausee von Potrerillos, auch dieser weist, wie oft auf chilenischer Seite bereits festgestellt, einen sehr niedrigem Wasserstand auf.

Fasst man den Tag zusammen, haben wir wunderschöne Landschaft gesehen und uns leider  – wieder einmal – viel zu wenig bewegt.

Dies wollten wir am Mittwoch nachholen und brachen, nachdem notwendige organisatorische Arbeiten wie Suche und dann auch Buchen der kommenden Unterkunft erfolgreich erledigt waren, am späten Vormittag auf. In unmittelbarer Umgebung der Stadt boten sich keine richtig überzeugenden Wandermöglichkeiten an; am ehesten schien noch die “Reserva Ecológica Divisadero Largo, etwa 8 Kilometer vor den Stadttoren geeignet zu sein, mehr als nur ein paar Schritte zu tun. Wir wurden nicht enttäuscht, als wir den kleinen Park auf staubiger Straße endlich erreichten. Wie wir erfuhren, muß sich der Parkwächter und seine Kollegen nicht gerade vor einem Besucheransturm fürchten. Vor allem durch den Besuch von Schulklassen aus der Stadt konnte er auf eine Besucherzahl in diesem Jahr von 2.000 Personen (!) stolz hinweisen. Wir konnten dann auch ungestört von anderen Wanderern unseren Route ablaufen. Der freundliche Parkwächter wies uns ausführlich in die Wegführung ein, erklärte, wann wir wieder in nördlicher Richtung zurücklaufen müssten, wenn wir nicht die nächsten 50 Kilometer bis ans Parkende bewältigen wollten und war ganz erstaunt, als wir natürlich die längere Rundstrecke angehen wollten – die nur rund 5 Kilometer betrug. Offensichtlich ziehen die meisten übrigen Besucher eine der beiden Kurzvarianten vor. Die Entscheidung für die etwas längere Rundstrecke war gut getroffen, nicht nur, daß wir immer wieder schöne Ein- und Ausblicke in das Tal und die umgebende Bergwelt hatten, sondern wir waren gezwungen (!), eine längere Passage entlang eines Bachlaufes zu gehen. Dies hat sich gelohnt, denn obgleich der Bach in Wirklichkeit nur ein Rinnsal war, das zudem dann auch noch im Sand versickerte, hier wurde deutlich, daß durch das Wasser aus dem Gestein Salze gewaschen werden, die sich im Bachbett und am Bachrand nachhaltig und dauerhaft abgelagert hatten, den Boden stark weiß einfärbten,. Aus nächster Nähe war zu beobachten, wie eine vielfältige Vegetation dennoch sich entwickelte. Der Rundweg vermittelte dem Kenner auch zahlreiche Einblicke in die Entstehungsgeschichte dieses Teils der Vorkordilliere, wir haben wohl in den entsprechenden Schulstunden nicht so richtig aufgepasst, denn diese Hinweise gingen mehr oder weniger an uns vorüber. Nicht immer war es hier so ruhig; langsam verfallende Bauten sind Beleg einer früheren Bergbautätigkeit in diesem kleinen Tal.

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Zurück am Parkeingang meldeten wir uns, natürlich, beim Ranger wieder an, der dann die Gelegenheit nutzte uns und insbesondere Katrin auf die vielfältigen Möglichkeiten eines Besuches der anderen ich glaube 17 weiteren Parks und Nationalparks in der Provinz Mendoza hinzuweisen. Dieser Mann lebte und liebte wohl seinen Job.

Trotz ausgiebigem Vesper, es war erst gegen 14:30 Uhr, als wir den Park verließen, glaubten wir, unser Wanderpensum bei weitem noch nicht erfüllt zu haben – was tun? Am Rande des riesigen Parks General San Martin ragt ein kleiner Hügel, mit einer Statue “gekrönt”, in den Himmel, den wir bislang außen vor gelassen hatten. Da der Park zudem auf dem Rückweg in die Stadt zu durchqueren war, gab es Gelegenheit zu einem Gipfelsturm. Wir waren auf den doch steilen Rampen hoch zur Aussichts- und Gedenkplattform nicht allein; zahlreiche Läuferinnen und Läufer nutzen die steilen Wege zum Berglauftraining. Wie immer bei derartigen Hügeln – dieser wurde 1916 seiner heutigen Bestimmung “zugeführt”, die Vegetation nimmt sich ihr Recht und sicherlich schon seit einigen Jahrzehnten gibt es von dort oben keinen ungestörten Blick mehr auf die Stadt. So umrundeten auch wir ein monströses Denkmal zu Ehren von General San Martin, der zwar nicht seinen Rock mit einem Bettler teilte, jedoch mit militärischen Mitteln maßgeblich dazu beigetragen hat, daß Argentinien und Chile sich von der Fremdherrschaft der Spanier befreien konnten. Früher als eigentlich geplant, schlugen wir dann den Rückweg ins Hotel ein, konnten dennoch unter den vorhandenen Umständen auf ein angemessenes Tagwerk an Bewegung verweisen.

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Heute am 31.10. war der Tag, an dem wir dem Aconcagua auf den Pelz rücken, ihn aus der größtmöglichen Nähe betrachten wollten. Die Gelegenheit ist günstig, denn die Mendoza und Santiago de Chile über den Paso de la Cumbre verbindende Nationalstraße 7 durchquert den Provinzpark Aconcagua; von dieser Straße ausgehend kann und wird der “Angriff auf den Gipfel in der Regel gestartet. Nun, Gipfelsturm war und ist nicht, zum einen war uns heute nicht danach, zum anderen ist der allergrößte Teil des Parks bis Mitte November für jedermann, auch den Gelegenheitstrecker gesperrt. Aber ausgehend von dem an der Nationalstraße liegenden Parkbüro kann man eine kleine Runde bis zur Laguna de Horcones gehen und hat dabei, wenn das Wetter mitspielt, einen guten Blick auf den Berg.

Um relativ früh die gut 200 Kilometer in Angriff nehmen zu können, klingelte der Wecker bereits (!) um 7:00 Uhr. Ein Blick nach oben zeigte jedoch, daß heute wohl nicht unser Glückstag sein würde, denn statt in sattem Blau war der Himmel durchweg bewölkt. Schon öfter hatte es tagsüber aufgeklart, so unsere Hoffnung, als wir starteten. Um nicht nur wegen eines oder mehrerer Blicke auf den höchsten Gipfel Südamerikas (und auch von ganz Amerika) drei Stunden Anfahrt in Kauf zu nehmen, hatten wir uns über weitere als sehenswert eingestufte Haltepunkte informiert. Natürlich, die Bergwelt ist immer einen zusätzlichen Blick wert, und der Betrachter kann ständig Neues sehen, insbesondere, wenn durch wechselnden Lichteinfall die verschiedenen Farben der Felsen unterschiedlich leuchten. Seitdem wir in Mendoza sind, werden wir verfolgt, und zwar von dem Namen San Martin. Dieser Mensch, früher einmal General, wird über alles erhoben, ihm wurden unzählige Denkmäler gebaut, Straßen, Schulen, Plätze, Hochschulen nach ihm benannt: Was ihm diese Ehrung eingebracht hat war sein Feldzug gegen die Spanier, den er erfolgreich beendete und damit die Grundlage für den Staat Argentinien gelegt hat, weshalb man ihm noch heute über alle Maßen dankbar ist. Diese “Verehrung” schlägt Kapriolen. Zum “Kampf” gegen die in Chile sitzenden Spanier mußte seine – kleine – Armee den Paso de Cumbre überqueren. Offensichtlich hat man in der jüngeren Vergangenheit jeden seiner Schritte in Richtung Westen rekonstruiert, denn auf dem Weg talaufwärts, dem Rio Mendoza entlang, trifft man immer wieder auf Hinweisschilder, wo das Heer unter seiner Führung entlang gekommen ist. So erhalten dann z.B. kleine Brücken über ein ebenso kleinen Bach eine besondere Bedeutung und werden von allen Neugierigen und Wissbegierigen besucht. Auch wir wollten sehen, was das für eine Brücke sei, die Puente Historico de Picheuta, die unweit der Nationalstraße liegt, und machten den kleinen Umweg. Wie über diese kleine Brücke ein ganzes Heer weiter gezogen ist – uns blieb es ein Rätsel, aber eine schöne Geschichte ist es doch.

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Auch bei unserem weiteren Stop spielt die Sagenwelt eine Rolle, es geht um die Puente del Inca, eine im Grunde auf natürlichem Wege, unterstützt durch dass Thermalwasser, das an dieser Stelle zu Tage trat, entstandene Naturbrücke, bei der offensichtlich das schwefelhaltige Wasser zu einem schönen in Orange gehaltenen Farbenspiel beiträgt. Früher befand sich hier einmal ein Thermalhotel, das jedoch durch einen Erdrutsch  zerstört wurde. Ob die Inka bis hierher vorgedrungen sind, ist nicht geklärt, jedoch ist in die Welt der Märchen zu verweisen, die Inka hätte diese Brücke zur Flußüberquerung gebaut.

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Der eigentliche Höhepunkt, unser Blick auf den Aconcagua, konnten wir alleine genießen, denn mancher Reisender stieg zwar am Parkbüro aus um einen mehr oder weniger flüchtigen Blick in Richtung Berg zu werfen, aber weiter in seine Nähe zu wandern bei dem strammen Wind und den leicht über dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen wollte so gut wie keiner. So waren wir dann alleine auf dem “mirador” und sahen – weiße schnell dahinziehende Wolken. Die Situation verbesserte sich auch nicht, während wir auf ein Wunder warteten, so bleibt in Erinnerung der Blick aus gut 50km Entfernung, den wir vor zwei Tagen auf den Aconcagua hatten.

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Genau der der Grenze zwischen Chile und Argentinien steht Christo Redentor, eine riesige Statue auf 4.200m Höhe und soll an die friedliche Beilegung von Grenzstreitigkeiten erinnern, unser nächstes Ziel, das wir jedoch nicht erreichten. Wir hatten schon die Argentinische Grenze hinter uns gelassen, um Verbindungstunnel den Hinweis auf Chilenisches Staatsgebiet und die Grenzabfertigung in 3 Kilometer Entfernung gelesen, dann aber Bammel, auf der Suche nach der Zufahrt zu unserem Ziel die Grenze zu übertreten, was uns immense Probleme beschert hätte. Also direkt hinter dem Tunnel umdrehen und zurück Richtung Mendoza.

In der Nähe der Puente del Inca liegt der Friedhof der Andinisten, der uns bereits auf der Hinfahrt aufgefallen war, so war es zwangsläufig, auch hier noch einmal anzuhalten. Auf einem “nur” zum Teil mit Grabstellen und Erinnerungstafeln belegten Friedhof, in dessen Mitte ein kleiner Felsen aufragt, sind am Aconcagua um das Leben gekommene Bergsteiger beigesetzt, jedoch auch Personen, die sich um den Argentinischen Alpinismus verdient gemacht haben oder Bergsteiger des Landes, die z.B. im Himalaya verschollen oder verstorben sind. Manche Inschrift der Bergkameraden war ergreifend, beeindruckend auch, in wie vielen Fällen Eispickel, Bekleidungsstücke oder Schuhe mit dem Grab verbunden waren. Nicht immer waren alle Inschriften noch lesbar, oft jedoch konnte man erkennen, daß nicht nur junge, sondern  auch 60-jährige am Berg verstorben sind. Ein Friedhof, der durch seine Nähe zum Berg ein besonderer ist.

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In Chile ist der 31.10. ein Feiertag, weshalb offensichtlich ein größerer Bevölkerungsteil die Fahrzeuge betankt und in Richtung Argentinien, hier Mendoza zu einem Kurzurlaub aufbricht. Die Folgen waren auf der Nationalstraße 7 zu beobachten – mindestens 7 Kilometer stauten sich die Fahrzeuge vor der Argentinischen Grenzkontrolle auf, und diese arbeitet gewissenhaft, wie wir bereits erfahren hatten. Innerhalb von einer halben Stunde schob sich die Schlange um etwa 200m nach vorne. Ob die Kurzurlauber erholt ankommen?

Da unser Fahrzeug ein Chilenisches Kennzeichen aufweist, wir jedoch Argentinien nicht verlassen hatten und somit keine Grenzprozedur über uns ergehen lassen müssten, könnten wir eigentlich an den wartenden Fahrzeugen vorbeifahren – könnten! Die das Verkehrsaufkommen regelnden Polizisten glaubten wohl, uns gegen wütende “Landsleute” schützen zu müssen, wenn wir so einfach an ihnen nach vorne fahren würden und forderten uns auf, uns direkt hinter einem talwärts fahrenden LKW zu setzen, nach hinten abgeschirmt durch einen Polizeibulli. Wir kamen unbehindert an der Grenzstation vorbei.

In unserer Tierschau fehlte bislang noch der Kondor. Zufällig schauten wir während der Fahrt nach oben und bemerkten einen Vogel mit großer Spannweite – ein Kondor? Als der Vogel dann auch noch direkt vor uns über die Straße flog, erkannte Katrin seine Kopfzeichnung – wir hatten wirklich einen Kondor in Freiheit gesehen.

Der Rest des Tages : auf direktem Weg zurück zum Hotel, zwischendurch zum Essen eingekehrt; über die Kochkünste hiesiger Küchenchefs schweigen wir besser, denn das nicht umwerfende Ambiente wurde durch die aufgetischten Gerichte leider bestätigt. Die verschmudelte Speisekarte des wohl größten Restaurants in Uspallata ließ übles erahnen, die WCs waren in lausigem Zustand und das Umfeld passte sich dem an. Katrins Forelle vom Grill musste zweimal sterben : einmal, als sie gefischt wurde, das zweite Mal brachte der Koch sie um, als er über den gegrillten Fisch eine braune mit Pilzen angereicherte Sauce goß und ihn damit ertränkte. Wir hatten es geahnt, aber der starke Hunger und das Wissen, sonst 1 1/2 Stunden länger hungern zu müssen, hielten uns am Ort fest.

Daß nicht die Hunnen, aber die Chilenen kommen, konnten wir bei Ankunft im Hotel feststellen : ausgebucht, wie fast alle Hostels und Hotels in der Stadt.

Damit gehen die vier Tage Mendoza zu Ende und der Sachkundige wird sich und uns fragen : und der Wein? Ja, Mendoza und Umland sind für seine Weine sehr bekannt, Führungen werden angeboten, Verkostungen sind möglich. Aber im Ernst, wer würde allen Ernstes eine organisierte Fahrt zu drei Weingütern, wie hier angeboten, unternehmen, bei der nach einem Start gegen 8:30 Uhr am Morgen  die erste Besichtigung mit Verkostung gegen 10:30 Uhr ist, Weiterfahrt um 12:30 Uhr, die zweite Besichtigung mit Verkostung, wieder einsteigen um ca. 15:00 Uhr zur dritten Besichtigung und Verkostung, Rückkehr garantiert mit schwerem Kopf und Gliedern so gegen 18:00 Uhr. Das ist nichts für uns; wir haben entschieden, in San Rafael, wo einige Weingüter zu Fuß zu erreichen sind, uns unter die Verkoster zu begeben.

Von Cafayate auf Umwegen nach Mendoza

Geplant war, von Cafayata aus über die Ruinenstätte Quilmes nach Tafí de Valle, einer idyllisch an einem See, im Grünen und in den Bergen liegenden kleinen Städtchen zu fahren, wo es auch Möglichkeiten zum Wandern geben soll. Je nach Lust und Laune wollten wir dann weiter nach Belém fahren. Am Vorabend wurde uns dann aber klar, daß Belém als Stadt der Ponchoweberei doch nicht so interessant ist, um einen 250km Umweg teilweise über Pisten zu rechtfertigen, also sollte es dann von Tafí direkt weiter in den Süden gehen. Unsere Schweizer Reisefreunde Sabina und Lukas strebten ebenfalls Tafí an, wo sie bleiben wollten, um dann per Bus wie auch immer nach Mendoza weiterzureisen.

Wie immer, brachte ein neuer Tag neue/alte Überraschungen. Zum einen : zum ersten Mal seit Wochen sahen wir über weite Strecken und mehrstündiger Fahrt nicht mehr braunes Gestein, trockene Wüste, sondern Laubwälder im Tal und die Hänge hinauf; kaum waren wir über die letzte Kuppe auf der Bundesstrasse 307 hinter El Mollar gefahren und ließen den Wagen abwärts rollen, umfing uns anfangs leichter, dann die ganze Strecke von gut 35km bis ins Tal in unendlichen Kurven und vielen Serpentinen  dichter Wald Für unsere Augen aber vor allem für die Seele eine Wohltat. Zum anderen :rund um Tafí de Valle kann (!) es grün sein, darauf weist die vergleichsweise umfangreiche Viehhaltung auf den quasi Hochalmen hin (der Ort selber liegt auf 2.100m), andererseits war das Grün eher braun, Hinweis auf seit längerem ausbleibenden Regen. Und von Wald mit Ausnahme eines Schutzwaldes oberhalb des Ortes keine Spur; bei sengender Hitze wandern – daran hatte keiner Interesse. Wieder einmal hatten unsere Unterlagen etwas anderes versprochen als zum jetzigen Zeitpunkt gehalten werden konnte – vielleicht waren wir auch nur am falschen Tag an diesem Ort. Alle waren enttäuscht, waren wir doch darauf erpicht, endlich einmal etwas längere Strecken zu gehen, zu wandern, denn immer nur Autofahren war eigentlich nicht unser Ziel.

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Sabina und Lukas entschieden, vom Ort aus mit dem Bus nach Tucuman zu fahren, um dann mit einem Nachtbus möglichst bis nach Mendoza zu gelangen; Katrin und ich wollten erst noch einen Abstecher zu den Grabungsstätte mit Menhiren in der Nähe des Sees in El Mollar machen, bevor wir Richtung Süden weiterreisen. Wir fanden die Grabungsstätte – an diesem Samstag aber verschlossen! So blieb uns nur ein Blick durch den Zaun, der uns in der Ferne einige relativ kleine aufrecht stehende Stelen zeigte, einige von ihnen bearbeitet. Schade, da aber nicht zu erwarten gewesen wäre, vor Ort im Falle eines Zugangs auch auskunftsfähige Guides vorzufinden, hielt sich der “Schaden” in Grenzen.

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Tafi de Valle liegt gut 2.100m hoch.  Von hier aus mußten wir in die Ebene hinabfahren, d.h. mehr als zahlreiche Kurven in einem teilweise sehr engen Tal standen vor einem dann in der Ebene gemütlichen und schnellen Fahren. Am Ende des Tales sahen wir vor uns dann eine riesige Ebene, auf der anfangs Obstanpflanzungen auszumachen waren, denen aber sehr bald unendliche Anbauflächen für Zuckerrohr folgten, das Hauptprodukt dieser Provinz. Entsprechende Fabriken waren dann auch nicht weit, einmal umringten uns vier dieser Komplexe, die ihren manchmal sehr schwarzen Rauch in den Himmel abließen. Das passte dann auch zu der Beobachtung, wie auf einigen Flächen dann die noch aufstehenden Stoppel großflächig abgebrannt wurden und die Sicht stark beeinträchtigten.

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Zügig ging es durch die Provinz Tucuman Richtung unseres Ziels der Stadt San Fernando de Valle de Catamarca (schlicht Catamarca genannt) in der Provinz Catamarca, wo wir nach einigem Suchen und wie immer über die Touristeninformation dann ein Quartier am frühen Abend fanden, leider ohne Frühstück, da müssen wir dann schauen, wie wir den nächsten Morgen starten.

Fast vergessen : Quilmes, heute kein Ort, aber eine archäologische Grabungsstätte, die ihren Namen von den hier vor rund 1000 Jahren siedelnden Quilmes-Indianern herleitet. Vor etwa 1000 Jahren hat dieser Indianerstamm hier einen wehrhaften Ort erbaut, in dem, so heißt es, 5000 Menschen (und eine nicht bekannte Anzahl von Tieren) lebten. Der Ort war als Festung ausgebaut, wie an Rudimenten der extrem dicken Umfassungsmauer festgestellt werden kann, um sich gegen die anderen Indianerstämme und schließlich auch gegen die Inka zu behaupten. Wie es heißt, konnten 1665 die Spanier die Quilmes nach 35-jähriger (!) Gegenwehr schließlich besiegen. Die obsiegenden Spanier zwangen anschließend die überlebenden rund 270 Quilmes-Familien zu einer Umsiedlung per Fußmarsch nach Buenos Aires, d.h. auf einen gut 1000km langen Weg durch die Hitze und über hohe Berge. Nur wenige sollen überlebt haben. Da entstehen Assoziationen zu der “Umsiedlung” der Armenier im Großtürkischen Reich, die ebenfalls zu hunderttausenden einen langen Marsch in Richtung Süden (Irak, Libanon?) antreten mussten, auf dem ein sehr großer Teil der Vertriebenen das Ziel nicht lebend erreichte.

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Vielleicht um einen Bezug zur Vorkolonialgeschichte und den unterdrückten und zum Teil ausgelöschten indigenen Volksstämmen für das eigene Marketing zu nutzen, gibt es seit vielen Jahren ein Bier, das den Namen Quilmes trägt. Vielleicht aber wollten die Brauherren auch ihre Solidarität mit den tapferen Indianern zeigen. Vom letzteren ausgehend trinken wir seit dem immer wieder ein Quilmes im Andenken an die Ureinwohner dieses Landes. Übrigens, vor einigen Tagen hatte ich eine Information in der Hand, in der die noch vorhandenen indigenen Volksgruppen Argentiniens aufgelistet sind wie auch ihre Verbreitungsgebiete. Erstaunlich, wie weit verstreut einzelne Stämme in diesem riesigen Land leben (müssen). Den Namen der Quilmes-Indianer habe ich der Liste nicht entnehmen können!

Wie von einem hoch in den Bergen liegenden Eckpunkt der Verteidigungsmauer festzustellen war, ist bislang nur ein kleiner Teil der Stadt freigelegt worden. Wie die einzelnen zu identifizierenden Räume sich zueinander verhielten, was Wohnräume oder Ställe z.B. waren, warum in vielen Fällen mehrere Ein-/Ausgänge – übrigens sehr schmal und nicht sehr hoch – sich in einem Raum befanden, in anderen Fällen es nur einen einzigen Zugang gab, warum immer wieder auch runde Umfassungsmauern zu erkennen waren – Fragen über Fragen, die uns vor Ort nicht beantwortet werden konnten. Ein am Eingang der Grabungsstätte anwesender “guia” versuchte uns auf Spanisch zu vermitteln, welche Routen es durch das Mauergewirr gibt und zu ermahnen, nicht auf den Mauerresten herum zu klettern, aber das war es dann auch mit den “hilfreichen” Erklärungen. Schriftliches – Fehlanzeige, Hinweisschilder – Fehlanzeige, Museum – Fehlanzeige! Dahinter steckt vermutlich keine böse Absicht, wohl eher mangelndes Verständnis für die besonderen Wünsche der Besucher, gleich ob Einheimische oder Ausländer. Unserer Beobachtung entsprechend ist Quilmes gar kein Einzelfall, auch in den übrigen Museen und Natur- und sonstigen Parks waren die Informationen äußerst dürftig.

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Wird der Sonntag unser Glückstag? Da das Hotel sonntags kein Frühstück anbietet suchten wir abends nicht nur ein Restaurant für das Abendessen, sondern hielten unsere Augen auch nach Cafés mit frühen Öffnungszeiten auf. So richtig glücklich fühlten wir uns, als es in unserem Abendrestaurant auf Nachfrage hieß, auch Frühstück am Sonntagmorgen anzubieten.

Wegen der vor uns liegenden langen Fahrtstrecke klingelte der Wecker schon um kurz nach sieben; gegen acht Uhr, keine unchristliche Zeit, aber offensichtlich war außer uns fast niemand in der Stadt schon auf den Beinen, standen wir dann vor unserer Frühstücksquelle – vor verschlossenen Türen! Enttäuschung war groß, denn mit leerem Magen und vor allem ohne anständigen Kaffee uns auf den Weg zu machen löste gar keine Jubelstürme sondern eher Flüche aus. Um es vorwegzunehmen : bis zum Abend konnten wir keine beachtenswerte Restauration ausmachen, um unseren steigenden Hunger, der mit Obst und Keksen stillen versucht wurde, zu besiegen.

Als wir am Abend in Mendoza angekommen den Tachostand ablasen, waren an diesem Tag fast genau 800km mehr auf der Uhr. Als wir uns fragten, was denn haften geblieben ist von dieser Mörderstrecke, dann gibt es nicht sonderlich viel zu berichten. Teilweise kilometerlang gingen die Straßen geradeaus, links und rechts der Straße über hunderte von Kilometern niedrige Buschsteppe, anfangs mit eher dichterem und grünerem Bewuchs, ab und an stand dann auch ein vereinzeltes Bäumchen zwischen den Sträuchern, später nahm das Strauchgrün die Bodenfarbe an und wirkte eher sandfarben; selten war ein Gehöft/Gebäude auszumachen, auf den ersten gut 500km konnten wir kaum Viehhaltung feststellen, bestellte Äcker schon gar nicht. Kein Wunder, denn die Provinz Catamarca gehört zu den mit am dünnsten besiedelten in Argentinien. Das Bild änderte sich, als wir die letzten 300km in Angriff genommen hatten. Offensichtlich waren hier die klimatischen Bedingungen oder aber die Voraussetzungen für eine künstliche Bewässerung besser, denn zunehmend größere Viehbestände waren festzustellen, oft als frei vagabundierende Herden, später kamen sichtbar Landwirtschaft hinzu, aber offensichtlich primär in Form von Monokulturen, denn schon deutlich vor San Juan sahen wir neben der Straße über Kilometer nichts anderes als Olivenbaumplantagen, die später, je näher wir Mendoza kamen, in ähnlichem Umfang von Weinanbauflächen in enormen Ausmaßen abgelöst wurden. Wie es heißt, erfolgt in der Region Mendoza, durch das heiße Klima begünstigt und mit enormem Aufwand durch künstliche Dauerbewässerung ermöglicht, gut 80% der Weinproduktion Argentiniens. Grund genug, neben dem in Cafayate angebauten Wein, den wir auf einer Weinprobe kosteten, auch hiesigen Weinkellereinen einen Besuch abzustatten.

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So ganz ohne ein Zwischenziel wollten wir die lange Fahrt doch nicht hinter uns bringen. Da die Beschreibung des Valle de Luna/NP Ischigualasto, die wir in den Reiseführern lesen konnten, sich mit der Empfehlung von Karl-Ulrich deckten und der mit einem Besuch verbundene Umweg gering war, steuerten wir es an. Auch hier gibt es positive und negative Wahrnehmungen. Unser Zeitplan – wir hatten unser Hostel in Mendoza vorgebucht und deshalb am Abend keinen Suchstreß zu erwarten – erlaubte, trotz gut 10stündiger Fahrtzeit einen Ausflug von 1-1 1/2 Stunden, um das Tal mit seiner bizarren Landschaft zu erkunden. Am Eingang zum NP angekommen, trafen wir auf einen völlig leeren Parkplatz – offensichtlich verirren sich selten Besucher hierher, es sei denn, es kommen organisierte Touren an –, ein geschlossenes Museum – im Valle de Luna wurden zahlreiche bis zu 180 Mio. Jahre alte Fossilienfunde gemacht und sollen hier ausgestellt sein –  und ein NP-Büro, in dem uns der Mitarbeiter kundtat, eine durch einen Ranger zwingen zu begleitende Rundfahrt würde gut drei Stunden dauern. Es war 14:00 Uhr und erst die Hälfte der Strecke bewältigt, Parkrundfahrt und Weiterfahrt würden auf eine Ankunft gegen 22:00 Uhr hinauslaufen, wenn alles rund läuft. Da hieß es, Prioritäten zu setzen, denn in völliger Dunkelheit auf schlecht ausgeschilderten Straßen zu fahren, dürfte kein Vergnügen sein und eher zu weiteren Verzögerungen führen. Also Verzicht, schweren Herzens, auf die Parkfahrt, statt dessen Weiterfahrt – dies war die negative Wahrnehmung.

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Zur positiven : Nur weil wir in den Nationalpark gefahren waren, haben wir Guanacos gesehen, nicht nur eines oder zwei, sondern mehrfach größere Gruppen dieser Lamaart, die vom Wuchs her wohl etwas größer sind als die bislang kennengelernten Vicunas. Es scheint, als ob die Vegetation im Park diesen Tieren genügend Nahrungsgrundlage für ihr Überleben in der  Wildnis bietet; sicherlich trägt auch der Schutzstatus des Parks seinen Teil dazu bei, daß diese Tiere sich hier ansiedeln. Und zwei weitere Tierarten sind uns auf den wenigen Kilometern, die wir im Parkgelände zurück legten, begegnet : 3 Straußen (Korrektur : Es waren Nandus) sind uns fast in den Wagen gelaufen, zumindest sahen die Tiere wie ein Strauß aus und ein kleiner Fuchs querte unseren Weg sogar zweimal, als wir auf das Gelände der Parkverwaltung einfuhren, offensichtlich das Haustier vor Ort.

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Ansonsten waren wir froh, so gegen 19:00 Uhr im Hostel angekommen zu sein, nachdem wir, auf Grund fehlender Beschilderung rund um San Juan manchen zusätzlichen Kilometer fuhren, umkehrten und den richtigen Weg fast schon erahnen mussten.

Es war nicht einfach, uns in Mendoza zurechtzufinden, wir waren froh, endlich am Ziel zu sein. Unser Hostel Punto Urbana machte auf den ersten Blick, d.h. den Eingangsbereich, einen akzeptablen Eindruck, aber als wir dann in Richtung unseres Zimmers geführt wurden, änderte sich unser Eindruck gewaltig. Nun bedeutet Hostel natürlich auch, daß hier vorzugsweise jüngere Menschen übernachten und sich dann auch oft selber verpflegen. Daß dies auch mit Einhaltung normaler Reinheitsstandards möglich ist, konnten wir z.B. bei unserem Hostel in Cafayate feststellen – die Küche sah, auch wenn Gäste sie benutzt hatten, wie geleckt aus! Ganz anders hier im Punto Urbano – dreckiges Geschirr stand herum, Abfälle lagen an unterschiedlichen Stellen, die Küchentische waren versifft, in einer Ecke stand eine größere Ansammlung leeren Wein- und sonstiger Flaschen, die Fliegengittertür vor dem Küchenausgang hing nur noch an einem Scharnier – so unsere ersten kurzen Feststellungen. Und durch dieses Chaos mußten wir in unser Zimmer im ersten Geschoss! Dieses wirkte zwar auf den ersten Blick sauber, gleichzeitig aber auch schmuddelig; eher behelfsmäßig war in einer Ecke des sehr kleinen Zimmers ein Waschbecken angeschraubt, dies war jedoch nicht in eine Waschtischplatte eingelassen, sondern diese mit eher sehr hobbymäßig ausgesägter Öffnung für die Waschschüssel von oben auf den Waschtisch silikoniert. Das “Bad” wies neben einem WC und einem Bidet eine Dusche auf, bei der die Halterung für den Duschkopf fast aus der Wand fiel und zu allem Überfluß auch noch in einem Abstand von ca. 60cm der E-Schalter für das Bad in die Wand eingelassen war. IP-44 – hier wohl nicht Standard. Übrigens, man mußte gelenkig sein, wenn man erfolgreich duschen und dabei nicht gleichzeitig auf dem Toilettendeckel stehen wollte – so viel zu den Platzverhältnissen. Und schließlich das Schiebefenster, bei dem wir feststellten, als wir uns zum Abendessen auf den Weg machen wollten, daß der Feststellhebel zum Verschließen abgebrochen war, also keine Sicherheit für unsere Barschaft etc. bei Abwesenheit.

Also was tun, zufrieden mit dem Vorgefundenen waren wir beide nicht, hatten jedoch per Internet über booking.com für fünf Nächte gebucht und waren unsicher, wie die Rücktrittsbedingungen aussehen. Auf der Suche nach einem Lokal stießen wir, keine 200m von unserem Hostel auf ein kleines Hotel, in dem Katrin sich direkt nach einem Zimmer erkundigte und, welch Überraschung, es gab freie Zimmer für die kommenden Nächte, sogar zu einem günstigeren Preis als in unserem Hostel!! Wir reservierten für den kommenden Tag und wollten prüfen, wie wir den Wechsel vollziehen können, ohne dabei unnötigerweise noch zusätzliches Geld ausgeben zu müssen. Denn in einem weiteren Fall fühlten wir uns vom Hostel getäuscht : Katrin hatte wegen eines Parkplatzes angefragt und auch in der Buchung zum Ausdruck gebracht, daß ein Parkplatz benötigt würde. Die Mailantwort besagte, es gäbe kostenlose Parkplätze in der Nähe, man müsste dies vorher mitteilen, was ja geschehen war. Angekommen verwies man uns auf nicht sichere Laternenparkplätze sowie auf gebührenpflichtige Parkhallen, von umsonst und man kümmere sich keine Rede. Also bissen wir in den sauren Apfel und spendiertem unserem roten Flitzer eine Nobelunterkunft, die uns für 4 Tage so viel kostet wie zwei Nächte im Hotel! Die von Booking.com zugestellte Reservierungsbestätigung wies aus, daß wir ein Zimmer u.a. mit einem Kabelfernseher gebucht hatten. Trotz Suche, einen Fernsehen fanden wir in unserem schlichten Zimmer – wie im Gefängnis : Bett, ein Stuhl, Waschtisch – trotz eifrigen Suchens nicht. Das war dann der Aufhänger, denn das Bestellte war nicht geliefert und konnte nicht geliefert werden. Das überzeugte auch die verantwortliche Mitarbeiterin und wir kamen nach dieser einen Nacht im Hostel “frei”.

Zur Ehrenrettung des Hostels : das Frühstück gehörte zu den besseren, die wir bislang auf unserer Reise genießen durften, dennoch, auch am Abend danach, beim Bierchen in unserem neuen Quartier in Mendoza müssen wir feststellen, daß der Quartierwechsel gut und richtig. war.

Der Ritt über die Schotterpisten – von Salta nach Cafayate

Trotz wiederholter Pleiten mit den Empfehlungen der Reiseführer ließen wir uns nicht abhalten, durch das Salta umgebende Bergland, den Nationalpark Los Cardones nach Cachi und von dort durch die Quebrada Calchaquies nach Cafayate zu fahren. Die Entscheidung war richtig, diese leider sehr lang dauernde Fahrt hat  sich gelohnt, war interessant und hat uns neue Seiten des Landes gezeigt.

Ging es anfangs, nachdem wir bei Cerrillos Richtung Westen von der RN 68 abgebogen waren, noch durch zumindest teilweise grünes Gelände, folgten wir einem Rio Escoipe, begann sehr bald das Gekurve um die Kurven, um Höhenmeter zu gewinnen, denn der Scheitelpunkt unserer Strecke in den NP Los Cardones lag bei über 3.000m. Schon bald umgab uns das übliche aus dem Norden gewohnte Bild : Steine, groß und klein, Sand, Wüste, Geröll, Felsen, wenig Sträucher, dafür hier aber in steigender Anzahl die in diesem NP besonders geschützt Art von Kakteen, die Cardones, die nicht nur 200-300 Jahre alt werden sollen, sondern mit ihrer Höhe von bis zu 12 Metern zu den Kakteenriesen zu zählen sind. Ein solches riesiges Exemplar haben wir natürlich nicht gesichtet, aber immer wieder Exemplare, die mit ihrer schieren Größe imponierten. Die Kakteen standen nicht in dichten Gruppen, sondern eher vereinzelt und zogen sich die Berghänge auf dem kargen Untergrund hinauf.

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Auch Schotter- und insbesondere Erdstraßen bedürfen der “Pflege” und Reparatur. Wer sie gefahren ist wird gegenüber dem Arbeiter, der mit seiner Maschine versucht, die Oberfläche einigermaßen einzuebnen und dabei die größten Schlaglöcher – für kurze Zeit – mit verfüllt, dankbar sein, und nimmt die Verzögerung durch die Streckensperrung gerne in Kauf, so auch wir, als wir eine ganze Weile anhielten und warteten.

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Kurz vor der Passhöhe wies ein kleines Schild auf ein abseits gelegenes Gehöft hin; Lukas, der mit Sabina auf dem Weg nach Cafayate mitfuhren, hatte gelesen, daß es abseits der Straße eine tolle Aussicht geben sollte, und zwar in das Valle Encantado. Warum nicht, für einen tollen Blick in die Landschaft sind wir schon so manchen Umweg gefahren. Und so ging es einen landwirtschaftlichen Weg im wahrsten Sinne bergab bis zu einem Plätzchen, auf dem ein Wenden möglich war. Lukas und seine Information hatten schon Recht, es war ein schöner Blick in dieses karge Land, in dem weit unten im Tal ein kleiner Bauernhof auf der ihn umgebenden Grünfläche Kühe und Pferde hielt. Von einem weiteren Fahrexperiment gen Tal sahen wir ab und kehrten auf die “Straße” zurück.

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Dann war es nicht mehr weit bis zur Passhöhe (3.348m); steil ging es hinauf und später auch auf einer anfangs sogar geteerten Piste ebenso steil wieder abwärts. Oben am Pass stand eine kleine Kapelle, die Piedra del Molino; wir schauten zu beiden Seiten in tiefe Täler, gleichzeitig ragten um uns herum höhere Berge auf, im Norden fiel dabei das Massiv des Cerro Malcante mit seinen 5.226m besonders auf. Höhe und die damit verbundene Kälte sowie der Wind verkürzten trotz der permanent scheinenden Sonne  den Aufenthalt außerhalb des Wagens.

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Der erste Streckenteil nach der Passüberquerung in Richtung Cachi war mit einem alten Inkatreck identisch, worauf an wenigen Stellen ein Schild hinwies (Recta Tin Tin); sogar im Straßenatlas war dieser Hinweis in extrem kleiner Schrift enthalten!

Unser eigentliches erstes Ziel auf dieser uns über diesen gewollten Umweg nach Cafayate führenden Fahrt war dann Cachi. Beschrieben wird er als ein traditioneller Ort mit starkem indigenen Einfluß. In seiner Struktur jedoch wirkt er wie ein aus der spanischen Kolonialherrschaft stammender Ort. Ein das Zentrum einnehmender mit umfangreichem Blumenanpflanzungen und zahlreichen stattlichen Bäumen repräsentativ gestalteter Platz, die Plaza de 9. Julio, sowie die umliegende koloniale Bebauung weisen auf den dominierenden Einfluß der Spanier hin. Im Osten der Plaza befindet sich eine kleine hell gehaltene schlichte Kirche aus dem Ende des 18. Jahrhunderts; bei seiner Innenausstattung sowie der Decke wurde das auch früher im Salar de Atacama verwendete Holz der Baumkakteen (Cardones) eingesetzt. Die Stammstruktur verleiht z.B. den Beichtstühlen und sonstigen Inneneinrichtungen eine besondere Note.

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Weitere Platzseiten waren von anderen aus der Kolonialzeit stammenden Bauten besetzt; wenn durch öffentliche Einrichtungen genutzt, wie z.B. durch das Museo Arqueologico oder einem Teil der Gemeindeverwaltung, war offensichtlich der Gebäudeunterhalt gesichert – war dies nicht der Fall, verfielen die Gebäude nach und nach.

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Nachdem wir unsere Mittagspause mit sehr unterschiedlichen Urteilen über die vorgefundenen Speisen beendet hatten – Lukas und Sabina hatten sich an einer lokalen Spezialität, einer Art Ziegenbraten versucht und dabei vor lauter Knochen kaum Fleisch zum abnagen gefunden – ging es etwas vor 16:00 Uhr weiter. Nun lag ein sehr schönes Stück Weges vor uns, die Quebrada (Schlucht) Calchaquies, die als äußerst malerisch beschrieben wird. Zum Unglück für den Fahrer war die Straße sprich die Erdpiste wenig malerisch, sondern besonders eng, kurvenreich und über gut 150 Kilometer lang bis zum Tagesziel. Es würde spät werden mit unserer Ankunft.

Wir hatten ja vor wenigen Tagen extra einen Ausflug von Salta nach Purmamarca und in das Welterbetal Humahuaca unternommen, um die Vielfalt der Farben in dem Gestein der Gebirge uns näher anzusehen. Mit dem Wissen dieser 150 Kilometer zwischen Cachi und Cafayate hätten wir diesen Tag damals zumindest zum Teil anders nutzen können. Auch hier begleiteten uns auf der ganzen Fahrt bunte Berge; mal mit mehr Rottönen versehen, mal dominierte eher Ocker, auch Grün wurde entdeckt. Zwischendurch tauchten kleine oder größere Haziendas auf, die offenbar begünstigt durch das günstige Klima, dass Vorhandensein von Wasser durch den Rio Calchagui, fruchtbare Böden bestellen konnten. Böden, die anfangs der spanischen Kolonialherrschaft noch den einheimischen Indigenen, dem Volk der Calchaqui-Indianer gehörte. Diese wurden jedoch enteignet, vertrieben bzw. nach Buenos Aires zwangsumgesiedelt als sie sich weigerten, den Spaniern Lohndienste zu leisten.

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Endlich gegen 20:00 Uhr fuhren wir dann in Cafayate ein; von unserem Hostel in Salta hatten wir eine Empfehlung und die steuerten wir auch direkt an. Für zwei Nächte kamen wir im Rusty-k Hostal unter und haben diese Unterkunftswahl nicht bereut.

Den Folgetag, den 24.10., wollten wir nicht untätig vergeuden. Lukas und Sabina wollten schauen, ob und wenn ja wie sie mit einem Fahrrad die Gegend erkunden können. Uns stand eher der Sinn nach einer Wanderung. Aber wie wandern in einem vom Weinanbau fast völlig beanspruchten Umland? Als eine Möglichkeit hatten wir im Touristenbüro von einer 1-1 1/2 stündigen Wanderung zu einem schönen Wasserfall in einem nördlich vom Ort gelegenen Tal erfahren. Die Zeitangabe bezog sich einerseits auf den Hinweg und zum anderen ist es sinnvoll, die ersten 6 Kilometer mit dem Wagen zu fahren, was die Wanderzeit nicht wirklich verkürzt. Wie wir später nach Rückkehr feststellten, war die Zeitangabe im Büro völlig aus der Luft gegriffen. Am Startpunkt der kleinen Wanderung angekommen wurden wir zuerst von einem Einheimischen angesprochen; er wollte sich uns als Führer empfehlen; Dauer des Hinweges – jetzt waren es schon drei Stunden. Noch ohne besondere Erfahrungen was die Kennzeichnung von Wanderwegen in Chile betrifft lehnten wir ab. 300m später saß ein anderer Bewohner des indigenen Dorfes vor einem Tischchen und forderte uns auf, unsere Daten in eine Kladde einzutragen; darin wurde auch der Startzeitpunkt ab Dorf vermerkt. Auch jetzt hieß es, mit einer Wanderzeit von drei Stunden sollten wir rechnen. Mit einer kurzen Wegbeschreibung, die aber nur für den ersten Kilometer galt, schickte er uns dann in das Tal hinein. Zu Anfang konnten wir auch munter ausschreiten, passierten kleine Gärtchen, überquerten den Fluß/Bach mehrfach, kamen an einen kleinen Staudamm, von wo aus über Kanäle die Bewässerung der Anbauflächen der Dorfbewohner gewährleistet wurde und stießen immer weiter in das Tal vor. Aus dem anfänglich kleinen aber nicht gekennzeichneten Weg wurden zunehmend viele kleiner und kleinste Wege durch das Geröll, das der Fluß im Verlaufe der Jahrtausende hinuntergerissen hatte. Wir kletterten also über Felsen, balancierten immer wieder über den Fluß und suchten permanent nach “dem” Weg zu unserem Ziel. Zunehmend wurde uns klar, daß es den Königsweg gar nicht gibt, wir folgten den sichtbaren Ziegenwegen. Leider waren wir nicht so behende wie die Tiere, manches Wegstück fiel uns richtig schwer und umkehren mußten wir auch wiederholt. Aber wir kamen voran! Nach weit über 1 1/2 Stunden standen wir dann vor einem wirklich steilen Felsen, auf den hinauf natürlich auch wieder Ziegenpfade führten. Teile der Strecke waren aber ganz schön ausgesetzt und der Untergrund nicht immer fest. Katrin kletterte oder krabbelte vornweg, ich in gebührendem Abstand hinterher. Ich hatte das Ende dieses Abschnittes noch gar nicht ganz erreicht als es von oben hieß : wir gehen zurück. Katrin hatte keinen Hinweis auf einen vernünftigen Weg gefunden, die Plackerei fortzusetzen, schien wenig Sinn zu geben, der Weg wurde immer beschwerlicher und der Rückweg stand uns auch noch bevor. Für den Rückweg benötigten wir nahezu die gleiche Zeit wie ins Tal hinein, mehrfach hieß es zurück auf Start, wir verliefen uns wiederholt. Wer kann sich in diesem Steingewirr auch einprägen, welchen der unzähligen Ziegenpfade wir gegangen waren, wo wir den Fluß überquert hatten? Froh waren wir, nach weiteren fast 1 1/2 Stunden wieder am Wagen Wir hatten zwar den Wasserfall weder gesehen noch gehört – war wahrscheinlich auch nur so ein ganz kleiner, so daß es kein Verlust ist, nicht bis zu dieser Stelle vorgedrungen zu sein –, aber wir waren ohne Blessuren wieder auf sicherem Boden angelangt.

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Am nächsten Tag hieß es innerhalb des Ortes in ein neues Quartier umzuziehen. Wir hatten bei der Rückkehr von unserer Wasserfallwanderung ein kleines Hostel am Ortsrand gefunden, bei dem Preis und Leistung stimmte. Lukas und Sabina hatten bei ihrer Suche am Nachmittag nichts besseres aufgetan, so daß wir eine Nacht im Hostal Candelaria übernachteten.

Katrin und ich hatten uns für den 25.10., unseren zweiten Tag in Cafayate, vorgenommen, in die nach Norden führende Quebrada del Rio de las Conchas, auch Quebrada de Cafayate genannt, zu fahren. Der durch die Quebrada fließende Fluß, der Rio de las Conchas, das Wetter, der Regen, der Wind und die Sonne, die Erosion, haben hier im Verlaufe von wahrscheinlich Millionen von Jahren ein Kunstwerk in die Felsen gefräst. Dabei entstanden eine Vielzahl von mit Phantasie zu erkennende Figuren, Strukturen, Gebilde. Betont wird das Plastische dann noch durch den Buntsandstein, der in seiner Farbenvielfalt zu dem prächtigen Gesamtbild beiträgt. Was bereits von Weitem imponierend ist und Neugier weckt, wirkt aus der Nähe noch interessanter. Also konnten wir unser Interesse an den “Figuren” mit ausführlichen Spaziergängen in die einzelnen Täler verbinden. Je weiter wir uns von der durch die Quebrada führende RN 68, die Salta mit Cafayate verbindet, entfernten, desto einsamer wurde es, denn die auch in diese Region ihre Gäste chauffierenden Agenturen sorgten dafür, daß nur wenig Zeit vor Ort blieb. Für uns ein schönes Geschenk, konnten wir im wesentlichen völlig ungestört durch die Täler laufen. Wo die Phantasie den erkannten Gebilden Namen gibt, werden sie zu Erkennungs- und fast auch Markenzeichen. So findet man neben dem Amphitheater, die Garganta del Diablo (Teufelsrachen), El Sapo (die Kröte), El Fraile (der Ordensbruder), El Obelisco (der Obelisk) oder Los Castillos (die Burgen).

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Es war faszinierend zu sehen, wie künstlerisch die Natur mit dem vorgefundenen Material umgehen kann und dabei keine geringen Anforderungen an unser Vorstellungsvermögen stellt.

Cafayate ist von zahlreichen Rebflächen umgeben; der Weinanbau ist einer der dominierenden Landwirtschaftszweige des Ortes. Überall wo möglich, werden neue Anbauflächen erschlossen. Das warme Klima und offensichtlich auch der Boden sollen gute Voraussetzungen für das Gedeihen der Rebstöcke liefern. Wie wir sehen konnten, werden alle Rebstöcke in Form von Tropfenbewässerung mit Wasser versorgt; aufwendige Installationen sind dafür ebenso erforderlich wie erhebliches Kapital. Damit ist mehr oder weniger vorherbestimmt, daß die Großbetriebe hier über kurz oder lang bestimmend sein werden. Wasserprobleme scheint man zu negieren. Wie wir bei einer Weinprobe bei einem kleinen örtlichen Weinbauern erfuhren, haben nur wenige sogenannte Wasserrechte; so wie ich es verstanden habe, darf nur ein Großproduzent sein notwendiges Wasser direkt dem Rio de las Conchas entnehmen, die übrigen müssen Tiefbrunnen bohren mit der Folge, daß der Grundwasserspiegel auch für die sonstige Landwirtschaft absinken wird. Es hat den Anschein, als ob hier mittelfristig eine Monokultur entsteht mit den bekannten negativen Folgen für Umwelt und Bevölkerung. Die hier angebauten Weine sind, so erfuhren wir, überwiegend Weißweine. Die Weinprobe nach einer Führung durch einen kleinen Betrieb mit einer Jahresproduktion von rund 700.000 Litern, in dem auch die Flaschen noch per Hand abgefüllt werden, die Arbeitskraft ist deutlich billiger bei dem Mengendurchsatz als die Automatisierung der Produktion, war nett, in gewissem Umfang informativ, die zur Verkostung gereichten Weine trafen jedoch fast alle nicht unseren Geschmack

Ohne beschwipst zu sein, gingen wir Richtung Quartier, um uns auf die am nächsten Morgen anstehende Abreise “einzustimmen”.

Salta – la linda

Schien am Samstagabend der größte Teil der Bevölkerung in der Innenstadt auf den Beinen zu sein, waren am Sonntag bei gleißendem Sonnenschein die Straßen nahezu leer, Autoverkehr in einem Umfang, der an einen autofreien Sonntag vor vielen Jahren in Deutschland erinnert. Also beste Zeit, um entspannt die Sehenswürdigkeiten der Stadt, die wir uns für einen Besuch ausgewählt hatten, anzusteuern. Wie immer dominiert das historische Zentrum ein großer Platz, diesmal der Plaza 9 de Julio , eingerahmt von Palästen, Prunkbauten, Kolonialbauten und natürlich einer Kirche, hier der Kathedrale. Der Platz selber, auch wie immer, war von den Bürgern in Beschlag genommen, aktuell in überschaubarer Zahl, was sich nachmittags und insbesondere abends spürbar verändert, wenn sich hier Gruppen treffen, flaniert wird, oder man entspannt auf einer der Bänke die Zeit genießt..

Die Kathedrale stand auf unserem Besuchsprogramm und wir hatten Glück : gerade war eine Sonntagsmesse mit für unsere Verhältnisse enormer Beteiligung zu Ende gegangen und wir konnten anschließend, wenn auch nur für kurze Zeit, die Kirche bestaunen. Nicht nur, daß hier auch ein Panteon zahlreicher historisch wichtiger Personen aus dem Norden Argentiniens, u.a. General Güemes, Platz gefunden hat, sondern es soll auch Altäre zweier Heiliger mit ihren Reliquien dort geben. Identifiziert wurde der Altar der Virgen del Milagro; zu ihrem Pendant auf der anderen Chorseite konnte ich noch keine Informationen erschließen. Weitere zahlreiche Altäre befanden sich in den Seitenschiffen, meist eher für unsere Verhältnisse kitschig gestaltet, was der gezeigten Frömmigkeit jedoch keinen Abbruch tat. Vor manchen Altären verharrten die Menschen minutenlang in innerer Einkehr, vor anderen ließen sie sich niederfallen, vor wiederum anderen, wie z.B. der Virgen del Milagro bildeten sich Schlangen, um an der Reliquie vorbeizugehen.

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Typisch für die hier vorgefundenen Kirchen, neben der Kathedrale besuchten wir die Iglesia San Francisco, daß insbesondere die aus dem 19. Jhd. stammenden in Bonbonfarben gestrichen waren. Wer es mag …; und am Abend waren dann die wichtigsten Kirchen beleuchtet, auch ein besonderes Bild; manchmal wurde dadurch der Kitschcharakter noch unterstrichen.

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Neben einem Spaziergang durch die historische Innenstadt, in der immer wieder Häuser/Hausfassaden aus der Kolonialzeit zu bewundern waren, standen aber auch, selbst in Innenstadtnähe, Objekte, die nur auf die Abrißbirne warteten. Das hat wohl auch einen besonderen Charme, dieses morbide.

Unsere Versuche, die angesteuerten Sehenswürdigkeiten auch wirklich zu besichtigen, waren bis auf eine Ausnahme, die Kathedrale, nicht erfolgreich. Selbst die Kirchen hatten keinen Tag der offenen, sondern ausdauernd Tage der geschlossenen Türen. Und in einem Fall, dem Museo de Bella Arte, das entgegen den uns bekannten Gepflogenheiten nicht montags, sondern sonntags geschlossen hatte, kehrten wir am Folgetag zurück – und wurden in diesem Fall durch eine eindrucksvolle Ausstellung insbesondere der Werke einer in Salta seit Jahrzehnten wohnenden und sehr bekannten Künstlerin,Telma Palacios, belohnt.

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Wir lernten auf diesem mehrstündigen Spaziergang viele der Innenstadtstraßen näher kennen, stolperten über manch aufgerissenen Bürgersteig, umkurvten hin und wieder Hundekot und klapperten nahezu alle Banken in Reichweite ab, um an Geld zu kommen. Alle Versuche mehr als 700 arg. Pesos, das sind nicht ganz 100 Euro, abzuheben scheiterten. Und dazu waren die meisten angesteuerten Geldausgabeautomaten auch nicht so gekennzeichnet, daß wir sicher sein konnten, bei Einsatz unserer Visa-Card nicht noch mit horrenden Gebühren belastet zu werden. Irgendwann stießen wir auf eine Banelco-Filiale, bei der m.E. auf einem Automaten ein Visaaufkleber sichtbar war – und hier schlugen wir zu. Ohne zu zögern gab der Automat bei vier Transaktionen immer den möglichen Höchstbetrag heraus, unsere Bargeldkasse war endlich wieder gefüllt. Und das ist nötig, denn das Restaurantpreisniveau z.B. kann mit den heimischen Preisen ohne Probleme mithalten.

Uns drückte erheblich unser “Kartenproblem”, in diesem Fall ist nicht die Kreditkarte sondern sind die fehlenden Straßenkarten gemeint. In der Hoffnung, der Argentinische Automobilclub verkauft vielleicht von der Qualität ähnliches Kartenmaterial, wie wir es auf chilenischer Seite bei der Tankstellengruppe COPEC vorgefunden hatten, machten wir uns am Montag zu Fuß auf den Weg, orientierten uns dabei an einem kleinen vom Tourismusbüro der Stadt herausgegebenen Stadtplan. Um Vergleichsmöglichkeiten zu haben, prüften wir die Angebote an Straßenkarten in diversen Buchläden, die auf dem Weg lagen. Nichts von dem Vorgefundenen, sowohl bei ACA als auch in den Buchläden überzeugte so wirklich, die Maßstäbe waren alle ziemlich groß, für eine Groborientierung brauchbar, aber Detailinformationen fehlten. Dennoch, weiter im Blindflug – nein danke; so klemmten wir uns dann ein Handbuch mit begrenztem Kartenmaterial vom ACA unter den Arm – ein Problem war damit weitestgehend gelöst.

Montagnachmittag standen dann 1074 Treppenstufen hinauf auf den Cerro San Bernardo auf dem Programm, quasi der Stadthügel von Salta, von wo aus die Möglichkeit einer Stadtübersicht besteht. Natürlich, wie in einer modernen Stadt, gibt es auch eine Aufstiegshilfe, den “Teleferico”, eine Gondelbahn, mit deren Hilfe und einigen Pesos man den Höhenunterschied von mehr als 200m überwinden kann. Der Weg hinauf zog sich, denn die Stufenpassagen wurden durch Passagen ansteigenden Pflasterweges unterbrochen. Ganz erstaunt waren wir, als wir schon zu Beginn unseres “Aufstieges” auf eine kleine Kapelle stießen, der im Verlaufe des Weges weitere folgten, insgesamt 14 an der Zahl, also ein Kreuzweg. Wir konnten lesen, daß dieser Weg dann auch als Prozessionsweg einmal im Jahr beschritten wird. Man kann nur hoffen, daß die die Prozession begleitenden Priester eine gute Kondition mitbringen.

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Die Stadt beherbergt auch ein Kloster der Schwestern des Carmeliterordens;  ihr Kloster ist nur von außen zu besichtigen – wir konnten beobachten, wie einem Handwerker fast verstohlen die Pforte geöffnet und sofort wieder geschlossen wurde. Ihr Klostergebäude, ein sehr schlichtes Gebäude, an dem das prunkvollste wohl die aus dem Jahr 1742 stammende verzierte hölzerne Eingangstür ist, soll aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammen und zählt damit zu den ältesten noch vorhandenen religiösen Bauten.

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Aus Angst, zu spät für eine erfolgreiche Quartiersuche in Salta anzukommen, sind wir bei der Anreise am Samstag mit Höchsttempo Richtung Süden gefahren und hatten dabei manch interessantes Ziel links oder rechts liegen gelassen – genug Gründe gab es, wieder in den Norden zurückzufahren, wenn auch als 1-Tagestour, um die Quebrada de Humahuaca aus der Nähe in Ruhe kennen zu lernen, schließlich ist dieses Tal/Schlucht in die Liste der Welterbekulturgüter aufgenommen worden. Ein Tal – Welterbe? Man muß es gesehen haben, um ein Urteil fällen zu  können. Vor allem die zahlreichen Farben des Felsgesteins waren wohl bestimmend für diese Entscheidung. So findet man z.B. im Ort Purmamarca einen Berg der sieben Farben, auch den galt es in Augenschein zu nehmen.

In unserem Quartier in Salta hatten wir ein Pärchen aus der Schweiz kennengelernt, Sabina und Lukas aus Luzern, die in den nächsten zwei Monaten primär per Bus Argentinien bereisen wollten. Als wir hörten, daß sie planten, einen PKW für die Fahrt in die Quebrada zu mieten haben wir angeboten, mit uns mitzufahren – also machten wír uns zu viert auf den Weg. Diesmal nahmen wir nicht den kürzesten Weg in den Norden und die Ausgangsstadt JuJuy, sondern fuhren durch eine selten besuchte an unsere Mittelgebirge erinnernde Berglandschaft auf schmaler Straße, die immer wieder neue Ausblicke bot. Die sehr kurvenreiche Straße kostete Zeit, aber gegen 13:30 Uhr waren wir dann in Purmamarca, unserem ersten eigentlichen Ziel. Nun, aus der Nähe betrachtet, wirken die farbigen Sandsteinfelsen schon, aber überwältigend war es nicht; das war auch das Fazit nach einer mehr als einstündigen Wanderung durch die farbige Gesteinslandschaft. Also weiter talaufwärts, nach Tilcara.

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Der Reiseführer wies hier neben einer typischen Ortsgestaltung durch die indigene Bevölkerung auf die “Garganta del Diablo” hin, einer kleinen tiefen Schlucht, zu der man in einer  mehrstündigen Wanderung oder über eine 8km lange schmale Geröllpiste den Berg hinauffahrend gelangen konnte. Zeitökonomie gebot, zum Ziel zu fahren. Und wieder mußte festgestellt werden, daß zwischen unserer Wahrnehmung und den überschwenglichen Schilderungen der Reiseführerverfasser große Differenzen bestehen. Ernüchtert machten wir uns auf die holprige Bergabstrecke. Der nächste Reiseführerhinweis sollte dann die Fahrt aus dem Feuer reißen. In der Nähe von Tilcara gab es eine Ortschaft indigener Bevölkerung aus präcolumbinischer Zeit, die z.Zt. archäologisch untersucht und in Teilen freigelegt ist. Gegen 16:30 standen wir am Eingang und mußten feststellen, daß für eine auch mit einem längeren Fußweg verbundene Besichtigung der Grabungsstätte nur eine gute halbe Stunde verblieb – zu wenig, damit es sinnvoll ist.

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Nun waren wir seit dem späten Vormittag unterwegs, das erhoffte Highlight unser Fahrt fehlte – ob die Weiterfahrt nach Humahuaca das schwache Ergebnis verbessern könnte? Nach einer guten halben Stunde Fahrt, immer wieder vorbei an den “bunten” Felsformationen erreichten wir das Ziel, oft als malerisch beschrieben mit seinem Kopfsteinpflaster, dem Leben auf den (?) Plätzen, dem ursprünglichen Leben seiner Bewohner. So richtig malerisch war der Ort nicht, eher verschlafen, sein Kopfsteinpflaster zwar vorhanden, aber oft ausbesserungsbedürftig. Geprägt wurde der Ort einerseits durch die in übergroßer Zahl vorhandenen Geschäfte mit kunstgewerblichen Artikeln, andererseits durch zwei, drei besondere Gebäude : dem Cabildo sprich dem Rathaus, seiner wieder einmal geschlossenen in weiß gehaltenen Kirche de la Candelaria y San Antonio, die 1641 durch die Spanier errichtet worden war und das Monument der Heroen der Unabhängigkeit. Und wie überall : auf dem zentralen Platz versammelte sich gegen Abend die Jugend, die Alten und die Polizei (ihr Quartier war direkt am Platz im Rathaus) zu einem Schwätzchen. Das Leben scheint hier sehr geruhsam vonstatten zu gehen; in einem Führer wird ausgeführt, daß der Ort zweimal am Tag zum Leben er/aufwacht – immer dann, wenn der Linienbus mit Touristen ankommt. Rückblickend betrachtet : die letzten 60km das Tal hinauf auf rund 2.700m in Humahuaca hätten wir uns sparen können.

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Bleibt noch nachzutragen, was es mit dem Titel “Salta – la linda” auf sich hat. Der Begriff “linda” wird hier nach unserer Wahrnehmung nahezu inflationär verwendet, alles ist linda (schön, hübsch). Auch die Stadt wirbt selber mit dem Slogan “Salta – la linda”. Resumiert man jedoch die gemachten Erfahrungen in Stadt und Umland, so liegt hier eine wirkliche Übertreibung vor, denn die Stadt hat sowohl schöne Seiten uns gezeigt, als auch offenbart, wie umfangreich die Probleme sind. Über große Teile der Kernstadt verstreut besteht immenser Bedarf, die häßlichen Seiten auszubessern, zu beseitigen. Salta war interessant, aber in überschwenglichen Jubel über das Vorgefundene können wir nicht ausbrechen.

Puerto Iguazu–Wasser von allen Seiten

Auf dem Anflug auf Puerto Iguazú versuchten wir wie fast alle Fluggäste die Wasserfälle von Iguazú auszumachen – trotz guten Wetters vergeblich. Die warmen Temperaturen von Buenos Aires waren bis hier in den Norden vorgedrungen. Nicht mit nach hier waren jedoch zu unserem Leidwesen unsere Rucksäcke gekommen, – wir sahen uns, als das Förderband endlich stillstand, ganz bedröppelt an und befürchteten Schlimmstes, wie : und von jetzt an mit neu zusammengestoppelter Ausrüstung weiter reisen etc.! Positives Denken half offensichtlich; zwar konnte die zuständige Mitarbeiterin am LAN-Schalter auch nicht feststellen, in Richtung welchen Erdteils unser Gepäck entschwunden war, machte uns aber Hoffnung – vielleicht dann im nächsten Flieger? Also warteten wir und wurden nicht enttäuscht. Nach einer guten Stunde waren wir wieder vereint – unsere Rucksäcke und wir. ÖPNV gibt es vom Flughafen, der 20 km vor den Toren der Stadt liegt in diese nicht, also kauften wir für angemessene 80 Argentinische Pesos zwei Sitzplätze in einem Kleinbus, der uns sogar direkt vor die Tür unseres “Hostel Inn”, an der R. National 12, km 5 (sagt etwas über die Entfernung ins Städtle aus) fuhr. Quartier bezogen – zu gar nicht JuHe liken Konditionen, aber schön im Eck mit riesigen Fenstern und Blick auf den riesigen Park gelegen.Ein riesiger Pool fand dann auch Katrins Interesse, aber wegen der relativ niedrigen Wassertemperatur wurde das Training auf den Abend/Folgetag verschoben. Stattdessen war Entspannung pur angesagt.

 

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Nachmittags dann der Erkundungsspaziergang in die Stadt, auch um vernünftig zu essen. Wie das leider aktuell nicht hochzuladende Foto belegt, hat Katrin wahrlich den größten Fisch an Land gezogen! Also: Verpflegung war top und gestärkt legten wir den Rückweg dann in knapp einer 3/4 Stunde im Dunkeln zurück. So entspannt und erfolgreich könnten auch die folgenden Tage hier im Dreiländereck von Argentinien, Brasilien und Uruguay sein, so unser Wunsch.

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Am Montag wollten wir sehr früh uns in Richtung Wasserfälle mit dem öffentlichen Bus auf den Weg machen und standen um 07:00 Uhr auf. Bereits da gab es anfangs nicht genau zuordnenbare Geräusche draußen vor dem Fenster. Nach intensivem Prüfen kamen wir zu dem Ergebnis, nicht Kofferrollen auf dem Gang vor der Tür sondern Donnergrollen über uns waren Ursache für die Störung. Und es wurde noch besser – mit dem Donner kam auch der Regen, und was für einer. Ein richtiger Landregen brach am Dienstag über uns herein und vereitelte jede Tagesplanung. So blieben wir dann im Hostel und hofften auf ein Einsehen des Wettergottes. Bei dem Wetter schickt man nicht einmal seinen liebsten Feind vor die Tür!

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Unsere Planung, uns am Montag die Wasserfälle auf der Argentinischen Seite und den Nationalpark anzusehen, ein volles Tagesprogramm, um dann am Dienstag über die Grenze nach Brasilien zu fahren; dann wollten wir den von dort möglichen Blick auf die Breite der Cataractas werfen und versuchen, zum Staudamm von Itaipú, dem wohl größten der Welt weiter zu kommen. Stand Montagnachmitttag sind alle Pläne Makulatur. Sei´s drum, ohne Blick auf die Fälle reisen wir nicht ab, und wenn wir dann bis auf die Haut durchnässt werden sollten. Also Morgen haben wir noch einen, den letzten Versuch, denn den Flieger nach Buenos Aires am Mittwochmitttag, um dann – leider – erst am Donnerstagfrüh nach Santiago de Chile weiterreisen zu können, müssen wir nehmen.

Bei Einbruch der Dunkelheit am Montagabend ließ der Regen langsam nach, um dann völlig zum Erliegen zu kommen. Es gab Hoffnung – mal schauen, wie es Dienstagfrüh aussieht. Wenn wir in der Nacht aus dem Schlaf aufwachten lauschten wir, nahmen aber keine Regengeräusche wahr und konnten uns beruhigt wieder umdrehen. Um 07:00 Uhr hieß es aufstehen, der erste Bus in Richtung Iguazú fuhr um 08:00 Uhr am Hotel vorbei, den galt es zu erreichen, um vor dem Ansturm der sonstigen Besucher im Park zu sein. Und wir schafften es, mit uns fuhren nur knapp 10 Gäste in Richtung Parkeingang. Der Himmel war zwar bezogen, Temperatur angemessen so um 18 Grad, und es blieb trocken. Zum Fotografieren keine guten Bedingungen, aber uns ging es ja vor allem darum, dieses Naturwunder mit eigenen Augen zu sehen.

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Wir wurden nicht enttäuscht. Es war weniger die Höhe der einzelnen Wasserfälle als vielmehr die riesige Anzahl breiter, schmaler, in Kaskaden oder direkt in die Tiefe stürzende, mehrere in dichter Folge oder jeweils einzeln aus dem Felsen herausbrechend, von einer Gischtwolke umhüllt oder ganz rein und unverfälscht abwärts stürzend – wir waren und sind begeistert, überwältigt und freuten uns beim Gang über die verschiedenen Rundstrecken, die den Besucher an die einzelnen Fälle heranführten, immer wieder von Neuem über die Naturschönheit. Wir konnten in die Fälle von oben, von der Seite hereinsehen und an seltenen Wegstellen sogar fast von unten in die Abrißkante blicken.

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Natürlich waren wir nicht allein unterwegs, im Verlaufe des Vormittags strömten immer mehr Besucher in den Nationalpark, so daß sich auf manchem Wegteil, insbesondere dort, wo über Stege die Zuwegung zu Aussichtpunkten erfolgte, regelrechte Aufkommensstaus ergaben.

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Durch den frühen Start sind uns wohl die größten Auswüchse des Besucheranstroms erspart geblieben. Da es unterschiedliche zu Fuß zu bewältigende Wege gibt und man darüber hinaus zu dem berühmtesten Wasserfall, dem Teufelsschlund, den größten Teil des Weges mit einem Bähnchen im Zuckeltempo gefahren wird,

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kann man problemlos, mit Muße ausgestattet und vom Wunsch beseelt, jeden auch noch so kleinen Weg abzugehen, einen vollen Tag auf der argentinischen Seite des Weltwunders verbringen. Der wiederholt Blick zum Himmel, der sich immer wieder am Vormitttag verdunkelte, ließ uns aber rational handelnd ein zügiges Tempo vorlegen und nicht jeden Wegschlenker mitnehmen. Wir wollten möglichst viel sehen und dabei – hoffentlich – trocken bleiben. Denn das tatsächliche Wetter entsprach in keiner Weise der lokalen Wettervorhersage, die für den Vormitttag leichten Regen und nachmittags Starkregen angekündigt hatte. Jeder irrt einmal, auch die Wetterfrösche, heute war es uns sehr lieb. Nachdem wir gegen Mittag nahezu alle Besuchspunkte auf der argentinischen Seite erkundet hatten und wenig Sinn darin sahen, durch den Naturpark weiter zu streifen, um außen den uns ständig begleitenden Waschbären noch weitere als die unten abgebildeten erwähnenswerte Tiere zu sehen, reifte der Plan den Versuch zu wagen, irgendwie doch noch auf der brasilianischen Seite in den Park zu kommen.Im übrigen hatten wir schon ganz besondere Tierarten aufgespürt, die eine, das Krokodil lag unweit unseres Weges im Wasser, die andere, eine Wasserschildkröte entdeckte Katrin dank ihrer durch die Costa Rica Reise im Schildkrötenaufspüren geschulten Augen in großer Entfernung auf einem kleinen Felsen im Flußlauf.

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Auch anderes Getier kreuzte unseren Weg :

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In den Reiseführern wurde hervorgehoben, daß von der brasilianischen Seite zwar nicht eine große Vielzahl an Wasserfällen wie auf der argentinischen  Seite aus der Nähe betrachtet werden könnte, dabei aber Brasilien mit einem wunderschönen Panoramablick entlohnen würde. Wir erfuhren, daß vom Busbahnhof in Puerto Iguazú eine Busverbindung in den brasilianischen Parkteil bestünde, aber wann fahren die Busse ? Dennoch, wir machten und auf dem Weg, fanden die passende Buslinie und fuhren um 14:00 Uhr Richtung brasilianische Grenze. Die letztmögliche Rückfahrt  ab Brasilien Nationalpark war um 17:00 Uhr. Relativ wenig Zeit, aber wir wollten es versuchen. Obgleich erkennbar “kleiner Grenzverkehr” mit einem kurzen Übertritt nach Brasilien stattfand, war die Grenzbürokratie unbarmherzig und uns wurde Zeit gestohlen. Am Ende des Nachmitttags wiesen unsere Pässe jeweils vier weitere Stempel auf (jeweils Ein- und Ausreise aus/nach Brasilien/Argentinien). Endlich am Park angekommen, die Eintritttickets gelöst, blieben uns gut 2 1/4 Stunden!! Zum Glück gibt es einen Bustransfer in die Nähe der Fälle, so daß ein kilometerlanger Anmarsch dem Besucher erspart bleibt, bei dem er ohnehin nicht viel Bedeutendes zu Gesicht bekäme. Aber dann, nach gut 15 Minuten langsamer Busfahrt, eröffnete sich uns nach wenigen Metern hangabwärts ein wahnsinniger Panoramablick; ein Teil der Fälle uns direkt gegenüber – wenn auch sicherlich gut 1-2 km entfernt, jedoch imposante Erscheinungen.

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Und so ging es dann den weiteren Weg in Richtung Abbruchkante an er brasilianischen Seite weiter, ein Panoramablick folgte dem nächsten, wir kamen den Wasserfällen immer näher bis wir kurz vor Ende auf einer Aussichtsplattform standen, von dem aus man eigentlich in das brodelnde Wasser des Teufelsschlunds hineinsehen können sollte, wären da nicht die wahnsinnigen Gischtwolken, die ein Erkennen unmöglich machten, uns umgab nicht als Wassernebel.

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Das Brausen des in die Tiefe fallenden Wassers hat uns ja den ganzen Tag begleitet, wenn man die Augen schließt, ein stark entspannendes Geräusch, aber hier, praktisch im Schlund des Teufels, brauste es noch um Einiges stärker. Gigantisch – aber auch ganz schön naß! Welches Ausmaß die Wasserfälle von Iguazú in ihrer Breite haben, erschließt sich erst von der brasilianischen Seite. Auch mit einem Weitweitwinkelobjektiv lasst sich das Gesamtpanorama nicht auf das Bild bannen. Interessierte seien für weitere Informationen an die Fachliteratur verwiesen, aus der dann Werte über Ausdehnung, Höhe, Anzahl der Fälle – je nach Wasserstand von gegen 170 bis zu 240 Fälle –, Wassermenge die pro Sekunde in die Tiefe fällt, Geschichten und Anekdoten verwiesen – uns hat der Anblick stark in den Bann gezogen, die Zahlen sind etwas für Statistiker. Wenn man auf argentinischer Seite auf dem Weg zum Teufelsfall auf Stegen über den Rio Paraná geht und unter sich dann den teilweise träge dahinfließenden aber doch ziemlich breiten Fluß mit seinen zahlreichen Armen sieht, dann wächst das Erstaunen über die Gewalt, die durch den Absturz der Unmengen Wasser entsteht.

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Waren wir am Montag ziemlich geknickt und haben uns den Dienstag positiv “geträumt”, so sind wir jetzt am Dienstagabend total glücklich. Der Abstecher hierhin hat sich wirklich gelohnt und wir hoffen, daß auch weitere Entscheidungen für ein kleines Reiseziel am Ende zu der gleichen positiven Bewertung führt. Darauf wollen wir einen trinken, bevor es Morgen wieder zurück nach Buenos Aires für eine Nacht geht. Donnerstag landen wir in Santiago de Chile und hoffen, daß mit dem dort wegen des Sprachkurses für vier 1/2 Wochen gebuchten Quartier alles in Butter ist.

Weiterreise nach Santiago de Chile

Der 4. und 5.9. waren als Transfertage nach Santiago de Chile über Buenos Aires geplant; Direktflüge gibt es nicht, deshalb der Rückweg nach Buenos Aires, wo wir eine weitere Nacht verbrachten. Schade, daß wir uns von unserem Hostel verabschieden mußten, denn obgleich uns der Regentag Stimmung und Planung versaut hatten, wohl haben wir uns hier gefühlt! Den großen Pool hatte Katrin am Vorabend des Abreisetages dann auch noch benutzt und ihre Runden gezogen; so wie es aussah, war sie wohl die erste oder einzige seit langem, die in diesem täglich penibel gereinigten Pool badete und schwamm. Es soll auch nicht – viel – kälter als im Vaihinger Freibad gewesen sein. Nachprüfen kann ich es nicht, denn mir war nach Arbeit zu Mute.

Auf dem Rückflug hatten wir im Vergleich zum Hinflug auf der gegenüberliegenden Seite Fensterplätze und blickten, im Vertrauen daß die Angaben  in Reiseführern und/oder Berichte von erfahrenen Travellern zutreffend sind, angestrengt jedoch ohne den erhofften Blick auf die Fälle zu erhalten hinaus und waren auch hier um eine Erfahrung reicher.

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Uns bekannten Informationen zur Folge sollte es möglich sein, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sprich dem Bus, direkt vom nationalen Flughafen in die unmittelbare Nähe unseres Nachtquartiers an der Plaza de Congresso/Av. de Mayo, dem Hotel Mundial, zu kommen. Nähere Hinweise erhofften wir von der im Flughafen präsenten Touristeninformation zu erhalten. Wie erstaunt waren wir, als uns, nachdem die erste Frage von uns auf Englisch gestellt worden war, die Gegenfrage erreichte, ob wir aus Deutschland seien und dann das Gespräch auf Deutsch weitergeführt wurde. Mit den notwendigen Hilfsmitteln und Plänen ausgestattet, vor allem aber eine ältere Ausgabe von “Argentinisches Tageblatt” – seit 1889 erscheint die Zeitung wohl wöchentlich auf Deutsch, berichtet insbesondere über Ereignisse in Deutschland und weist über gut zwei Seiten im Innenteil auf Veranstaltungen, Treffen verschiedenster Deutscher Zirkel, Vereine etc. hin,

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so gibt es auch den “Schwäbischer Sport- und Turnverein Pineyro” – im Rucksack, gingen wir auf die am Flughafen vorbeiführende Schnellstraße und suchten die Bushaltestelle. In gut 400m Entfernung wurden wir fündig, auf der dem Flughafen gegenüberliegenden Seite; stutzig wurden wir nicht, denn die Straße machte – auch – einen Bogen um die Startbahn, bevor sie in die Innenstadt, wo unser Ziel lag einbog. Darüber hinaus war auf einer Tafel auch an fünfter Position unsere Zielhaltestelle angezeigt.

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Bus um Bus fuhr vorbei, es dauerte fast eine halbe Stunde, bis endlich unsere 37 eintraf. Wir zahlten (3 Pesos am Automaten) und hielten uns auf der rasanten Fahrt, die immer weiter in Richtung Norden führte, manchmal nur mühsam auf den Beinen. Langsam stiegen Zweifel auf, ob dies der richtige Bus sei, die zur Gewißheit wurden, als an der Universität es hieß : Endstation. Was nun? Hin zum Busfahrer, unser Mißgeschick so gut es auf Spanisch ging erklärt, der schloß dann die Türen und fuhr einfach wieder los – auf die gegenüberliegende Straßenseite um seine Rücktour zu beginnen. Wie viele Stationen wir passiert haben, bis wir an der Plaza de Congresso dann endlich ausstiegen konnten – wir wissen es nicht, aber es war alles in allem eine mehr als 1 1/2 stündige fast kostenlose Stadtrundfahrt, denn für die Rückfahrt wurden wir nicht erneut zur Kasse gebeten.

Unser Hotel befand sich in einem klassizistischen Bau, vor 3 Jahren grundlegend restauriert und machte von innen einen guten Eindruck. Ins Auge fiel die Aufzuganlage, die wohl auch  schon an die 100 Jahre auf dem Buckel hatte, aber funktionsfähig war und insbesondere durch ihr schmiedeeisernes Gehäuse auffiel.

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Auf unserem nachmitttäglichen Spaziergang durch dieses Viertel um das Kongressgebäude bemerkten wir immer wieder, wie zahlreich doch Gebäude mit bemerkenswerten Fassaden noch in den Straßenfluchten zu sehen waren. Leider in den meisten Fällen in einem bedauernswerten Zustand, die wenigsten Gebäude erschienen angemessen restauriert, an wenigen wurde gerade Hand angeleggt, die meisten existierten irgendwie vor sich hin und warteten auf ein Wunder. Schade, denn die in diesen Fassaden zum Ausdruck kommende Handwerks- und Architektenkunst, sich auch um das gestalterische Detail zu kümmern, Fassaden schön zu gestalten, so zu gestalten, daß sie ein Blickfang sind, scheint m.E. bei der heutigen Hochbauarchitektur abhanden gekommen zu sein, in der Glasfronten und Stahl inzwischen dominieren, das kleine Detail aber zu kurz kommt. Diese stark beschädigten Fassaden vor dem inneren Auge kann ein Gefühl für die frühere Schönheit der Stadt aufkommen. Tempi passati.

Eigentlich war geplant, auch am 5.9. zum internationalen Flughafen Ezeiza mit dem Bus zu fahren; wir wußten, dies dauert gut zwei Stunden, aber da der Abflug ja erst gegen 14:00 Uhr erfolgen sollte, schien dies machbar zu sein. Und die Relation von etwa 16 Argentinischen Pesos gegen mindestens 240 Pesos war auch ein Argument. Der Concierge unseres Hotels hat aber mit solch Engelszungen uns deutlich gemacht, daß aus den zwei auch schon mal drei Stunden werden könnten, die Gefahr bestünde den Abflug zu verpassen, was auch schon vorgekommen sei etc., so daß wir dann doch von unserem Vorhaben Abstand nahmen und auf die bequeme Tour in gut einer 3/4 Stunde uns zum Flughafen chauffieren ließen.

Bereits bei unseren ersten Ankunft in Buenos Aires ist mir im unserem Bus ein Gast aufgefallen, der sich, als eine Kirche direkt neben der Straße auftauchte, bekreuzigte. Ich nahm dies zur Kenntnis, ist halt eine Marotte von ihm. Als dann aber auch unserer Fahrer als er genau diese Kirche auf unserem Weg zum Flughaffen passierte sich ebenfalls bekreuzigt, wies dies auf einen wohl bei manchen oder vielen Menschen in BA vorhandenen besonderen Glauben hin.

Der Flug über die Anden nach Santiago de Chile gehörte zu den kürzeren, zuerst überflogen wir endlich bräunlich erscheinende  Felder, dann wohl Mendoza am Fuß der Anden um diese dann zu überqueren – schrundige Bergrücken, lange Täler, aufgefaltete Bergkuppen und dann auch Eis und Schnee kamen ins Blickfeld und schienen gar nicht so weit von unserem Flieger entfernt zu sein.

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Und dann begann auch schon der Abstieg von unserer Flughöhe zur Landung in Santiago de Chile. Damit wurde auch deutlich, wie nah die Stadt an den Andenbergen liegt, in Sichtweite.

Nach Erledigung der Einreise- und Zollformalitäten – zuvor hatten wir den nicht einführbaren Apfel (!) verspeist – sowie Informationsbeschaffung bei der Touristeninformation wegen des Busverkehrs uns mit neuen, diesmal chilenischen Pesos versorgt, den Bus bestiegen (20km Fahrt für jeweils rund 2 Euro), in die Metro gewechselt, um dann von der Station Salvador die gleichnamige Straße zu unserem Quartier in der Hausnummer 915 zu laufen. Die Wegstrecke entpuppte sich als deutlich länger als an Hand der ins zu Hause zur Verfügung stehenden Karte ermittelt, das Gepäck drückte ganz schön auf die Schultern, aber schließlich um 17:15 Uhr waren wir da, an unserem Heim für die nächsten 4 1/2 Wochen. Die Vermieterin und ein Vertreter der Vermittlungsagentur warteten auf uns; nach Erledigung der Vertragsformalitäten, der Mietzahlung konnten wir uns dann endlich “langmachen”. Gerade angekommen hatten wir natürlich noch keine Orientierung, was wir wo in diesem Viertel finden könnten.. Und so gingen wir dann am Abend mit hungrigem Magen auf Erkundungsgang. Dieser zog sich hin, denn so viele Straßen wir auch abgingen, wir fanden, kein Restaurant, Bistro etc., in das wir einkehren wollten oder konnten und endeten schließlich bei einer Minipizzeria, die unserem Haus gegenüber liegt!

So konnten wir dann mit vollem Magen uns relativ früh betten.

Buenos Aires – von Licht und Schatten

Eines vorab : der Frühling scheint Einkehr zu halten, die Temperaturen sind gegenüber dem Ankunftsmorgen deutlich gestiegen, die Zahl der in Winterbekleidung durch die Straßen strömenden Einheimischen geht spürbar zurück, unsere Laune steigt mit jedem Grad Temparaturanstieg.

In den vergangenen 4 Tagen sind wir deutlich mehr als einen Marathon lang über viele Stunden durch die Viertel San Telmo, La Boca, Puerto Madero, Centro und Microcentro, Teilen von Monserrat, Teilen von Retiro, Recoleta und Palermo gelaufen, so viel gewandert, daß Katrin gestern das Gefühl hatte, die Socken würden langsam verschmoren. Unser vorläufiges Fazit fällt äußerst gemischt aus : eher mehr Schatten als Licht.

Natürlich ist Buenos Aires eine faszinierende Stadt,insbesondere in der engeren Innenstadt finden sich zahlreiche wunderschöne Profanbauwerke und staatliche Bauten aus vergangenen Zeiten, Kirchen, die Kathedrale, andere öffentliche Prunkbauten, Monumente,  schön gestaltete Brunnen, Parks (? – dazu mehr später), pulsiert das Leben – teilweise mehr auf den proppevollen Fahrbahnen als auf den Fußwegen –  findet man unzählige den gut gefüllten Geldbeutel ansprechende Geschäfte. Das nicht überall exklusive Ware angeboten wird, auch in den bekannten Einkaufsstraßen, war dann doch augenfällig. Aus aufwändig gestalteten Schaufenstern sprangen dem Passanten ständig z.B. Rolexangebote ins Auge – nicht dutzenden sondern hunderten dieser Geschäfte sind wir während unserer Wanderungen  begegnet; es scheint, Rolex ist hier ein Jedermannprodukt, von Exklusivität keine Spur (!?)Je nach Viertel Menschen voller Hast oder in betonter Langsamkeit. Wenn man aber drei Ampelphasen benötigt, um eine breite Fahrschneise – von 6 Fahrspuren an aufwärts bis m.E. inkl. Busspuren 16 Bahnen (!) -quer durch die Stadt zu überqueren, beginnt das Nachdenken – was dient hier wem.

Und noch etwas fiel auf : Die Bauwut, die Bauspekulation hat offensichtlich sehr umfassend und über längere Zeit den Verstand beherrscht, denn es sind insbesondere in den Vierteln Palermo und Ricoleta unendliche Kolonnen von Hochhäusern aus dem Boden gestampft worden, dicht an dicht und eng gestaffelt. Bei unserem “Spaziergang” insbesondere durch Recoleta stießen wir auf wenige Straßenviertel, in denen noch Villen und kleinere Häuser aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts standen, manche dieser Villen dient als Botschaftssitz oder Kultureinrichtung.  Das, was sich hier früher in gleicher Form auf riesigen Grundstücken befand, mußte offensichtlich der Grundstücksspekulation weichen, denn überall wurden Hochhäuser mit 15, 18 oder 20 Stockwerken hochgezogen. Auch Kirchen wurden nicht verschont; so fanden wir eine Kirche, die von drei Seiten fast Mauer an Mauer von 14-Geschossern eingekastelt war. Offensichtlich von der Bauorgie ausgenommen und insofern einen Besuch wert dann das am südlichen Ende des Viertels gelegene Palermo Viejo. Bei den, ausgenommen die Avenidas, sehr engen Straßen in den Viertel dürfte es in mancher Wohnung tagsüber kaum einen Sonnenstrahl geben –  wahrlich ein Gewinn! Wer das Grün eines Baumes sucht, muß in die Parks ausweichen oder in ein Blumengeschäft gehen, denn straßenbegleitendes Grün hat kaum eine Überlebenschance, weshalb auch wohl darauf verzichtet wurde. Daß sich in diesen Stadtteilen der wohlhabendere Teil der Stadtbevölkerung niedergelassen hat zeigen die vielfältigen Bemühungen, ihr Hab und Gut zu schützen. Vergitterte Balkone bis hinauf in den 20. Stock sind keine Seltenheit!. Zur Ehrenrettung dieses früher von den Wohlhabenden Ende des 19 Jhd. nach einer Geldfieberepedemie in ihrem ehemaligen Wohnquartier San Telmo als neue Wohnstätte gewählten Viertels ist zu erwähnen, daß je näher man an das Viertel Retiro und Centro heranrückt, desto geringer fallen die Bausünden auf.

Den Japanischen Garten  und den Botanischen Garten in Palermo sollte man jedoch besuchen. Aufgrund der noch jungen Vegetationsperiode konnten beide Gärten nicht die Pracht zeigen, die man mit Blick auf die Hinweisschilder erahnen konnte, aber beide waren durch ihre Gestaltung eine Oase der Ruhe. Der Botanische Garten ließ durch seine dichte Bepflanzung an den Rändern den Straßenlärm von 8 Fahrspuren auf der einen und vier auf der anderen Seite nur noch als relativ leises Grundrauschen vernehmen. Und wenn man dann noch Schulkinder mit Zeichenmappen ausgestattet beim Besuch des “grünen Klassenzimmers” zusehen konnte, stieg der Grad der Entspannung inmitten der Hochhauswüste, denn südwestlich und westlich des Gartens türmten sich dicht hinter- und nebeneinandergereiht die Hochhäuser auf. Nicht weit entfernt liegt der Japanische Garten, weniger als der Botanische Garten von den Baukolossen erdrückt. Wasser, kleine Brücken, Inselchen, Schreine, kleine künstliche Erhebungen, angemessene niedrige Bepflanzung, zahlreiche Ruhebänke, große und sehr große Koikarpfen in dem Gewässer machten den Spaziergang zu einer Erholung.

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Ein Thema, daß uns bereits am ersten Tag beschäftigte : die Grünanlagen und die Liebe der Bewohner von Buenos Aires zu ihren Hunden. Blickt man auf den Stadtplan der Kernstadt, fallen einem größere Grünflächen ins Auge; tritt man näher an diese heran, wirkt der “Gras”boden eher bräunlich, was, wie wir dann feststellten, nicht primär an unzureichender Wässerung liegt, sondern eher an einer “Überwässerung” und Verkotung durch die ungezählten Hunde dieser Stadt. Katrin als Hundeliebhaberin tat es in der Seele weh zu sehen, wie diese Tiere in einer tierfeindlichen Umwelt gehalten werden, keinen Auslauf haben, ständig an der Leine geführt werden (müssen), offensichtlich in kleinen Wohnung gehalten werden – wahrlich keine Hundeleben, wie wir es verstehen. Der einzige positive Aspekt : Hunde schaffen nicht nur Dreck, sondern auch neue Arbeitsplätze! Zahlreiche Hundeausführer sind uns im Verlaufe der Tage begegnet, in den Parks, auf den Straßen, immer einige wenige bis zu gut 20 Hunden an ihren Leinen im Schlepptau, im Rucksack offenbar Hundefutter und am Gürtel klapperten wahrscheinlich Schlüssel zu den Hundebehausungen. In den Parks wurden die Tiere dann angepflockt, angebunden und in kleinen Gruppen “freigelassen” oder spazieren/Gassi geführt. Kein Wunder, wenn sich die Vierbeiner der Stadt in den Parks täglich versammeln und entleeren. Sa  machen der Park Lozama, der Park Jorge Newberry, die Plazas Republica de Chile und Republica del Uruguay und manch andere kleine Grünfläche auf den ersten Blick Lust auf einen Besuch, aber……

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Der Stadtteil Puerto Madero ist einen Besuch wert. Die dort auf ehemaligen Hafen-/Speichergelände errichteten modernen Bauten sind zwar relativ hoch, aber so großzügig zueinander aufgestellt, daß sie eine faszinierende Silhouette bilden. In manchem erinnert das Bild an die Hamburger Speicherstadt, die ebenfalls von exclusiven Neubauten neu definiert wird, ohne hier offensichtlich den Versuch zu unternehmen, ein Pesosgrab in Form eines modernen Schauspielhauses zu schaufeln. Hat man auch nicht nötig, denn das teatro colon ist eine Wucht!  Die moderne Fußgängerbrücke Puente de la Mujer wird nicht nur gequert auf dem Weg hinüber nach Puerto Madero, sondern von hier hat man auch einen schönen Blick auf das an der Kaimauer vertäute Segelschulschiff Fregata Sarmiento. Auf der stadtabgewandten Seite der Bebauung von Puerto Madero hat man angrenzend an die dann folgenden Grünflächen und Brackwassergebiete eine kilometerlange Promenade gebaut, an der im Abstand von etwa 100 Metern mehr oder weniger provisorische Imbissbuden stehen, mit um die Bude herum großflächiger Gartenbestuhlung. Sogar die Tourismusbehörde weist auf diesen “Besichtigungspunkt”/Attraktion mit den “Büdchen hin. Aus dem Blick geraten ist dabei aber die zunehmende Verschmutzung nicht nur der Promenade – eigentlich eine Aufgabe der Büdchenbesitzer, den Dreck seiner Kunden zu beseitigen –, sondern auch des Gewässers direkt hinter der Promendenmauer, das offensichtlich für viele Flaneure als Abfallbehälter genutzt und voller Plastikmüll liegt. Auf einen Besuch des hinter diesem Dreckgewässer liegenden “Naturparks” haben wir dann auf Rücksicht auf unsere Belastbarkeit (!) verzichtet.

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Doch, es gibt auch viel Schönes in Buenos Aires! Mit Bedacht haben wir als Hotelstandort das Viertel San Telmo ausgewählt. Früher einmal das Viertel für betuchtere Bewohner der Stadt heute etwas heruntergekommen, hier liegen schön restaurierte Stadthäuser neben notdürftig am Leben erhaltenen Objekten und wenigen Neubauten; Hochhäuser kann man in diesem Viertel an der Hand abzählen. Anfangs hätten wir das als morbiden Charme beschrieben, aber nachdem wir durch La Boca gelaufen sind, ist dieses mit Leben gefüllte San Telmo eher ein Kleinod, in dem man leben kann. Altes Kopfsteinpflaster, nur umpflasterte in der Straße belassene Straßenbahnschienen, weisen auf die Historie des Viertels hin. Zahlreiche kleine Restaurants, in den man auch gut essen kann, viele kunstgewerbliche Geschäfte, immer wieder Antiquitätengeschäfte, kleine Galerien, putzige kleine Boutiquen – aber nicht unbedingt auf den gehobensten Geldbeutel abzielend – kleine Eckgeschäfte, Tante Emma Läden, Bars und Bistros mit Bestuhlung vor der Tür und fast auf der Fahrbahn  prägen das Viertel, das auch abends lebt. Hier sind wir gerne umhergestromert, sind in die offenen Hinterhöfe hineingegangen, haben den Plazo  Dorrego mehrfach besucht. Hier kann man sich wohlfühlen, ein Stadtviertel, in dem zwar auch kaum echtes Grün festzustellen ist, das aber einen besonderen Charme durch seine Bewohner, ein großer Querschnitt durch die Bevölkerung der Stadt mit einem größeren Anteil von Freaks, Künstlern, Lebemenschen, Studenten, ausstrahlt.

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La Boca, auch ein gestandener historischer Stadtteil insbesondere früher für die Hafenarbeiter und  Arbeiter in den Fleischfabriken direkt am Hafen ist fast das krasse Gegenteil. Angepriesen wird diese Region u.a. als “Geburtsort” des Tango, auch wir sind deshalb zum Caminito gewandert und dabei auf Kommerz ohne Ende gestoßen. Im Grunde verständlich, denn von dem Touristenstrom wollen möglichst viele zehren. Wie in den Führern beschrieben, auch hier tanzten Könner auf der Straße und in den Restaurants Tango, schallte uns aus allen Richtungen Tangomusik entgegen. Dem permanenten Kieberern sind wir bald entflohen. Das was von alt La Boca noch steht, sind einige wenige “Bretter”- und Wellblechbuden in einem Seitengäschen, ansonsten alles so aufgepeppt, wie der Tourist sich das vorstellt. Verlässt man die wenigen Teilstraßenzüge, wohin sich die Gäste im allgemeinen verirren, erfährt man das ganze Ausmaß der Misere – unzählige nicht mehr bewohnbare Häuser stehen in fast jedem Straßenzug, Dreck und Abfall auf und neben den Gehwegen, und was an Bausubstanz vorhanden war, benötigte fast immer auch dringend eine umfassende Sanierung. Böswillig könnte man formulieren : La Boca ist ein von der Stadt aufgegebener Stadtteil, nur notdürftig am Leben erhalten, damit die Touristen einen weiteren Anziehungspunkt haben. So ein bischen rott törnt ja viele an!? Ist böswillig und hoffentlich weit von der Wirklichkeit. Eher ist zu vermuten, daß die Wirtschaftsmisere, die Argentinien für die meisten seiner Bevölkerung seit vielen Jahren begleitet, hier besonders tiefe Spuren hinterlassen hat. Und dann ist hier noch das berühmte Stadion in La Boca zu erwähnen, das ein Straßenviertel umgreift und an drei Seiten auch von niedriger substanzarmer Wohn- und Geschäftsbebauung begleitet wird : La Bombonera, in der der angeblich berühmteste Boca Juniors Spieler Maradona einst auflief. Ist schon imposant, die steil aufragenden Tribühnenränge zu sehen. Zusammengefasst – wir waren in La Boca – das war`s dann auch.

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Ja, es gab auch viele schöne Beobachtungen und Eindrücke. Heute nachmittag z.B. bei einem Kaffe auf dem Plaza Dorrego zu sitzen, sich die Sonne aufs Haupt scheinen zu lassen, den Einheimischen und einigen Touristen bei ihrer Nachmittagslektüre, dem Kaffeeplausch oder den Tangotänzern bei ihren Kostproben zuzusehen, war schön und entspannend, so wie wir es uns vorgestellt haben. Oder der Marsch zum teatro colon, der mit einer informativen Führung abgeschlossen wurde. Wir wußten zumindest bislang nicht, wie viele Architekten der Bau verschlissen hatte, wie sich die Sitzkapazität aufteilt, daß für Witwen quasi im Sousparkett am Rande Möglichkeit geschaffen worden war, den Vorstellungen beizuwohnen – bei jedoch begrenzter Sicht und angabegemäß noch schlechterer Akustik. Die in dem Bau zum Ausdruck kommende Pracht war schon sehr “beindruckend” – das soll auch so sein, schließlich sind derartige Bauwerke auch Ausdruck der Machtfülle und der Konkurrenz zu anderen Staaten. Wie überall beeindruckt die Plaza Major durch seine Größe als Mittelpunkt des jeweiligen Universums; abgesehen von den drei Bauwerken Kathedrale, Casa Rosada und dem Cabildo sowie der Pyramide de Mayo umgab dieser Platz sonst Eintönigkeit durch Funktionalbauten. Das Gesamtensemble war schön anzusehen – mehr aber auch nicht. Eher ins Auge fiel das Camp der Exsoldaten, die auf die mangelnde Aufarbeitung des Falklandkonfliktes seit langem hinweisen. Womit wir bei öffentlichen Kundgebungen wären : in den vergangenen Tagen begegneten wir immer wieder kleinen und großen Demonstrationen und Kundgebungen zu Themen der Staatskorruption, Ausbildung, Arbeit.

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Eindrucksvoll (?) war festzustellen, wie wehrhaft sich der Staat gegenüber seinen Bürgern positioniert (!). Nicht nur, daß hohe Zäune den unteren vom oberen Teil des Platzes Mayor trennte  und seitlich zum schnellen Absperren der Seitenstraßen entsprechende Zaunfelder bereitstanden, die Anwesenheit von einigen Dutzend Polizisten auf und am Platz sorgte nicht gerade für Wohlbefinden. Zwar ist die Casa Rosada offiziell der Präsidentenpalast, das Staatsoberhaupt hält sich hier jedoch nicht mehr auf, wozu dann diese Machtfülle demonstrieren? Und als ich dann an einer Platzseite aufgereiht eine größere Anzahl von Mannschaftswagen sah, einen Wasserwerfen stellte sich die Frage, wer hier vor wem Angst hat. Hat die Regierung Kirchner auch das Rad gegenüber der Bevölkerung überdreht? Ergänzt sei : an vielen Stellen in der Stadt und an jedem unserer bisher vier Besuchstage fielen uns die zahlreichen Uniformierten von Polizei und anderen Sicherheitsorganen auf.

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Nicht alles, was wir uns ansehen wollten, war auch zugänglich. Die Manzana de las Luces ist für gewöhnliche Sterbliche gesperrt, entschädigt wurden wir, als wir auf dem Weg zur Manzana an der Stammkirche von Papst Franziskus vorbeikamen, der Eglesia de San Francisco, und einen Blick hineinwarfen. So ganz ohne die starke Pracht der Kathedrale, jedoch warfen manche der Heiligenfiguren Fragen auf : offensichtlich ganz in der Ideologie der damaligen Zeit wird ein im heutigen Südamerika ankommender Franziskaner so dargestellt, daß sich die “ungläubigen” Ureinwohnen im zu Füßen werfen!  Auch der Grund, warum eine Heiligenfigur einen Totenschädel hält, erschloss sich uns nicht.

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Für Mitteleuropäer gewöhnungsbedürftig, nicht nur in der Kathedrale neben dem Altar auf der einen Seite die Nationalfahne aufgestellt zu sehen, auf der anderen eine katholische Fahne. Trennung von Kirche und Staat? Dem entspricht wohl auch, daß die für die Argentinier wichtigste Figur im Staatsbildungsprozess, der General José de San Martin, in einer Seitenkapelle mit seinem Sarkophag prunkvoll und von zwei stummen und regungslosen Soldaten bewacht präsent ist. Es scheint, als wenn die Menschen eher hierhin “”pilgern” statt in die eigentliche Kirche.

Der alte Friedhof in Ricoleta ist eine intensive Besichtigung wert. Was sich die Hinterbliebenen da an Prunkbauten/Mausoleen – wohl auch später für sich selbst bestimmt – in den letzten gut hundert Jahren haben hinstellen lassen, kann nur so umschrieben werden : die Nachwelt soll auch nach unserem Ableben sehen, wie wichtig wir für diese Gesellschaft waren, selbst im Tod sich noch überhöhen! Dennoch, man kann sich kaum satt sehen an den Putten, Schmiedearbeiten, Verzierungen, Bauformen, bei denen die Anlehnung an klassische Tempel nicht die Geschmacklosesten waren.

Die Avenue de Mayo sind wir mehrfach entlang gelaufen – hier fällt der frühere Prunk in die Augen, die aktuelle wirtschaftliche Lage der Immobilieneigentümer erlaubt jedoch in vielen Fällen keine angemessene Renovierung – manches ist sehr heruntergekommen. Es ist eine schöne auch baumbestandene Avenue, die früher sicherlich auch einmal zu den anziehendsten in BA gehört hat, heute jedoch finden sich zahlreiche nicht sehr niveauvolle Läden die Straße hinauf und hinunter. Natürlich, alte Institutionen sind nach wie vor am Ort, wie das Café Tortoni, in dem Mensch vom Tageslicht und – lärm abgeschirmt im leicht plüschigen Ambiente seinen Kaffee, Kuchen oder Wein zu sich nimmt, umkreist von Livrierten.

Buenos Aires ohne Tango ist wohl so wie Berlin ohne Preußen. Freunde, die diese Stadt schon besucht hatten wiesen uns eindringlich darauf hin, eine Tangoshow zu besuchen. Rückblickend auf den gestrigen Abend müssen auch wir feststellen : es war die Wucht und nicht zu vergleichen mit den sicherlich auch gekonnten Amateurvorführungen auf den diversen Plätzen und Restaurants. Die Entscheidung für eine Show war nicht leicht, ist das Angebot doch unübersichtlich und kaum vergleichbar; wir erstanden schließlich für eine Abendvorstellung im Café Tortoni – dort in einem Kellergewölbe – zwei Karten und wurden von er einstündigen Show nicht enttäuscht. Mangelnde Spanischkenntnisse verhinderten, daß wir die gesungenen Texte verstehen konnten, die Handlung wurde aber tänzerisch so perfekt umgesetzt, daß wir dem Geschehen folgen konnte. Das Tempo, die Perfektion, die leichten Füße/Gelenke, die Artistik, der Wechsel von sicher nähern und entfernen, das Laszive, die Lächeln, das Privole – ein Trommelwirbel an Eindrücken, der noch durch artistische Einlagen – die Tänzerinnen und Tänzer mussten Zeit für den Kleiderwechsel haben – verstärkt wurde. Ein gelungener Abend, an dem wir beschwingt durch die sich leerende Innenstadt in unser San Telmo liefen. Und siehe da : dort pulsierte das abendliche Leben.

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Fast vergessen zu erwähnen, wie farbenprächtig und kreativ gestaltet die Wände in Buenos Aires sind!? Wohltuend heben sich die vielfältigen großformatigen Graffitto von den sonst eintönigen mehr grau als sonst eine Farbe aufweisenden Wänden ab. Sicher nicht immer genehm, oft aber, wenn damit interessant Geschäftsrolläden verziert worden sind, vermutlich im Einvernehmen mit den “Betroffenen”. Oft finden sich auch Graffitti mit eindeutig politischem  und sozialen Bezug, verständlich beim Blick auf die Gesellschaft.

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Was gab es sonst noch in den vergangenen Tagen? Wir haben gute argentinische Weine aus der Region Mendoza getrunken, bis auf eine Ausnahme – eine als Sojasteak getarnte Schuhsohle lag auf dem Teller – immer ansprechende Küche genossen, nach dem Besuch des Museo de Bicentenario, nicht nur weil die Beschreibungen anderer Museen wenig Lust weckten, kein weiteres Museum besucht, da auch zu Hause keine Nachtschwärmer nicht ab 24 Uhr um die Häuser gezogen, also grundsolide gelebt, was anderes ist ja auch nicht zu erwarten. Was wir bislang vermissen : Weltnachrichten, die wir nicht über das Internet zusammenklauben müssen, sondern z.B. durch einen englischsprachigen TV-Newssender vermittelt erhalten.

Vier Tage Buenos Aires in diesem Großstadtmoloch waren uns genug – was mit dem letzten Tag vor Ort anfangen? Nach der teilweise so empfundenen Stadtenge wollten wir hinaus aus der Stadt; Ziele gibt es genug, aber für einen Tag bietet sich vorzugsweise eine kleine Tour nach Tigre am Delta des Rio de la Plata an, gut 30 km nördlich vom Stadtzentrum. Wer geglaubt hatte, wir verlassen die Stadt, sah sich auf dieser Strecke getäuscht.  Zwar nahm die Hochhausbebauung ab – und später wieder zu – und wurde abgewechselt durch Einfamilienhaussiedlungen und andere Stadtzentren, aber so richtig aus der Stadt heraus kamen wir nie. 30km in eine Richtung! So erklärt sich auch die Zahl von 13 (oder mehr) Millionen Bewohner im Großraum der Stadt. Wir wollten an diesem Tag entspannen und alles wurde zum Erreichen  dieses Zustandes getan : vor allem der Zugbetrieb Mitre, mit dessen Zug wir vom Recoletabahnhof nach Tigre fahren, leistete tatkräftige Hilfe auf dem Weg zur totalen Entschleunigung. Fast im Schritttempo zuckelten bzw. schaukelten wir auf den maroden Gleisen in Richtung Ziel, hielten unterwegs gut 20 Mal an, um nach mehr als 1 1/2 Stunden “”Zug”fahrt am Endbahnhof anzukommen. Langsam war es und unterhaltsam dazu, denn immer wieder liefen Verkaufstalente durch die Wagons und priesen ihre Waren lautstark und mit Nachdruck an, als da waren : Putzlappen, erbauliche (!) Schriften, Kaugummi, Strümpfe, Nüsse, Gebäck, eben alles, was nicht zu schwer und leicht zu transportieren ist. Tigre sollte nur Ausgangspunkt für eine Fahrt in die Insel- und Flußwelt des Deltas sein. Auf der Touristeninfo mit den nötigen Informationen ausgestattet bestiegen wir eines der quasi in Form des ÖPNV bestimmte Inseln umrundende Passagierschiffe. Ziel war eine Insel, auf der auch ein Restaurant verzeichnet war, die Rumba Negra. Nach gut 60 minütiger Bootsfahrt verließen wir das schmale Boot und folgten dem einzig ersichtlichen Weg der uns schließlich, vorbei an zahlreichen manchmal protzigen in der Regel aber einfachen Sommerhäusern mit Stegen vor der Tür, an unser Ziel, das Gasthaus “Alpenhaus” führte. Zeit für eine Rast und ein an die Heimat erinnerndes Mittagessen. Das dann Gelieferte ließ uns schnell flüchten – wir hatten einen Spinatstrudel bestellt, der nach gut einer Stunde auch geliefert wurde. Mag sein, daß er lange Zeit irgendwo herumgestanden hatte, so daß die Bechamelsoße inzwischen die Konsistenz eines Briketts hatte, der eigentliche Strudel wies zwar einige grüne Sprenkel auf, schmeckte nach rein gar nicht – und alles zu einem Preis, für den wir in der Stadt locker jeder zwei Menüs erhalten hätten. Wenn man dann den Hausprospekt in die Hand bekommt und die Selbstdarstellung sieht und liest wird einem bewußt, was Werbung so alles kann! Die Entschleunigung setzte sich fort, denn am An- und Ablegesteg warteten und warteten wir auf ein zurück in Richtung Tigre fahrendes Boot. Natürlich war kein Fahrplan angeschlagen, aber wir waren sicher, zurück an das Festland zu kommen. So geschah es auch und nach ewigem Warten im Bahnhof ruckte der Zug nach Buenos Aires langsam an und brachte uns in “Rekordzeit” von 80 Minuten zurück in die Hauptstadt. Ob es daran lag, daß der Zug und seine Wagons hoffnungslos überfüllt war oder der Zugführer zu einem wichtigen Fußballspiel wollte – wir wissen es nicht, waren aber sehr froh endlich dem Gedränge entkommen zu können.

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Am Abend nahmen wir dann Abschied von unserem San Telmo, spazierten zum Plaza Dorrego, der uns aber zu laut war, um hier unseren Scheidewein zu trinken und landeten später in unserer fast schon Stammkneipe. Tschüss Buenos Aires, es war (manchmal)schön, aber auch lang genug !

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“Ist hier Winter?!–Ankunft in Buenos Aires

Die Deutsche Bahn hält – manchmal – was sie verspricht : wir kamen pünktlich am Flughafen in Frankfurt an, checkten problemlos ein und harrten der Dinge, die ab jetzt kommen. Nach Zwischenlandung in Madrid und einem langdauernden Wechsel zu dem Abflugterminal hob unser Airbus 340-600 gegen 00:20 gen Buenos Aires ab. gut zwölf Stunden Flug standen vor uns, zum Glück in die Nacht hinein, so daß wir die Zeit nutzten, zumindest etwas zu dösen. Iberia bleibt was es ist, im Service eine stark verbesserungsbedürftige Fluggesellschaft. Getränkeversorgung, wie auch bei unserem letzten Langstreckenflug von Costa Rica erfolgte in Form der Selbstversorgung. Während andere Gesellschaften auch nachts Getränke den Reisenden anbieten, will Iberia uns verdursten lassen! Wir haben es durch zahlreiche Gänge an den “Verpflegungsstützpunkt” überlebt, während die Crew sich die wohl notwendige Nachtruhe verschafft hatte.

Der Anflug frühmorgens auf Buenos Aires war imposant, insbesondere, als unter uns offensichtlich der Mündungsbereich des Rio de la Plata auftauchte mit seinen zahlreichen Nebenarmen, Verzweigungen, dem Schiffsverkehr, den kleinen bewirtschafteten Inseln, alles in sehr gedeckten Tönen gehalten – es ist ja jahreszeitlich gesehen jetzt Winterende!?

Wie zur Bestätigung wurden kurz vor der Landung die Wetterdaten vor Ort durchgesagt : Buenos Aires Minus 2 Grad! Wir sahen uns beide ungläubig an – daß es frisch sein würde war uns bewußt, aber so kalt? Die Flughafenbeschäftigten, die wir beim Andocken der Maschine durch die Fenster sahen, waren auch nicht gerade sommerlich gekleidet : dicke Overalls, Mützen oder Kapuzen auf/über dem Kopf, Handschuhe und vor allem eine Atemfahne bestätigten, wir hatten uns nicht verhört. Ja ist denn hier noch Winter – offensichtlich ja, aber im Endstadium, denn sie späteren Wettervorhersagen sprachen tagsüber von bis zu 20 Grad (Wärmegraden!). Wie wir anderntags bei unseren ersten Erkundungen durch San Telmo und Centro feststellten : die Argentinier scheinen Weicheier zu sein. Bei mindestens 15 Grad plus bewegten sich zahlreiche Menschen im dicksten Winteroutfit, d.h. Stiefel, Daunenjacke, Schal und hochgeschlagener Kragen,Mütze und Handschuhe. Wie müssen sie sich dann vermummen, wenn es wirklich kalt ist? Dem entspricht so gar nicht die Situation in den Gebäuden. Auch unser Hotel macht da keine Ausnahme; Einglasfenster, die zudem noch schlecht schließen, dünnes Mauerwerk, Heizung aus der Steckdose – offensichtlich ein Standard, der auch bei relativ neuen Bauten noch gültig ist. Die Frage stellt sich, woher kommt der ganze Strom – eine Rechercheaufgabe für die Zukunft, denn das Wasserkraftwerk in der Nähe von Iguazu dürfte dazu wohl nicht ausreichen. Nun denn, uns machte die relative Kälte nichts aus, denn das Zwiebelprinzip anwendend lief auch Katrin in den folgenden Tagen warm gehalten und in guter Laune durch die Stadt.

Von Argentinien lernen heißt bei der Überwachung seiner Bevölkerung an der Spitze der Entwicklung zu sein! Diesen Eindruck muß man gewinnen, wenn man vor der Passkontrolle in der Schlange wartend einen “Werbe”film des Innen- und Immigrationsministeriums verfolgt. Dort wird unter der Überschrift, je mehr wir von Ihnen wissen, um so besser können wir sie schützen (!!) plausibel gemacht, daß man nicht nur biometrische Fotos von jedem Bürger benötigt – das kennen wir ja –, sondern gleichzeitig Abdrücke aller Finger der rechten Hand abspeichert – so sei eine schnelle Identifizierung des Bürgers bei jeder Gelegenheit, z.B. auch beim Erteilen von Verwarnungsgeldern im Straßenverkehr möglich. Effizienz steht hier über Bürgerrechten, der Komplettüberwachung wird ein weiterer Schritt näher gerückt. Und das vor dem historischen Hintergrund der zahlreichen Militärdiktaturen in diesem Land, die immer noch nicht aufgearbeitet sind. Immer noch protestieren jeden Donnerstagnachmittag die Mütter der Plaza Mayor und fordern Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder.

Die Passkontrolle und den Zoll passiert galt es, uns die notwendigen Informationen zum Transport in die Innenstadt zu beschaffen, Geld zu beschaffen. Nun ist Buenos Aires Internationaler Flughafen Ezeiza kein kleiner, aber Geldautomaten scheinen versteckt zu sein und wenn man dann einen aufgespürt hat ist nicht erkenntlich, ob sie Visa-Kreditkarten akzeptieren. erste Geldversorgung, auch mit Kleingeld für die Bustickets, dann in einer Wechselstube. Diesem Erfolg folgte dann der nächste “Mißerfolg”. Sich Getränke am Automaten zu besorgen ist eigentlich eine Kleinigkeit, hier am Flughafen hatten wir den Eindruck, unter Raubritter gefallen zu sein. Nicht daß wir über den ausgewiesenen Preis uns gewundert hatten, aber die Scheine am Automaten einfach einzuziehen ohne den Gegenwert in Form einer Wasserflasche auszuspucken, dabei zu bleiben trotz “Nachwerfen” und gutem Zureden war schon derb. “Das fängt ja gut an!”

Nach zahlreichen Fragen – Englisch ist zwar eine Weltsprache, aber in Argentinien selbst am Flughafen nicht allzu verbreitet, somit liegen wir richtig, einen Spanischsprachkurs wie geplant zu besuchen – hatten wir endlich die Groborientierung hin zu unserem Bus Richtung Innenstadt. Es ist hier nicht so wie daheim, wo Hinweise auf die Transportmöglichkeiten deutlich angebracht sind – sie fehlen völlig, wohl um den vor dem Flughafen stehenden hunderten von Taxis das Geschäft zu erleichtern , die wie wir hörten 50-70 Euro für den Transfer in die Innenstadt aufrufen. Genau so schnell wie mit einem Taxi kamen wir dann für ca. 12 Euro downtown, aus eigener Schusseligkeit – waren wohl doch etwas müde – stiegen wir eine Station zu spät aus. So lernten wir dann auf dem ca 1 km langen Weg zu Hotel das Gewicht unserer Rucksäcke so richtig “schätzen”.