Der 2.4. ist wieder einmal Reisetag, der Camper will zurück gegeben und die JuHe im Zentrum bezogen werden. Da spielt es kaum eine Rolle, wie das Wetter ist; wir finden uns mit einem bedeckten Himmel und später einzelnen Tropfen ab, im wesentlichen bleibt es aber trocken. Es dauert immer eine Weile, bis wir unsere Rucksäcke wieder gepackt haben; nach 8 Tagen im Camper ist kaum noch etwas an seinem ursprünglichen Platz. Erstaunlich, wie das Volumen der Rucksäcke im Verlaufe der Reise zunimmt. Etwas Bammel vor der Fahrt in den Moloch Melbourne haben wir schon und sind unsicher, ob der normale Straßenatlas ausreicht, um sowohl ins Zentrum zur Gepäckabgaben bei der JuHe als auch danach an den Stadtrand zur Camperabgabe zu kommen. Es hat alles ganz gut geklappt, als wir jedoch bereits 12 Kilometer vor dem Zentrum nur noch im Schritttempo durch Einkaufsstraßen fahren konnten, wurde der Fahrer ziemlich nervös, ob wir noch rechtzeitig beim Campervermieter sein würden. Da haben wir uns zu früh gestresst, denn gut in der Zeit erreichten Reiter und Begleiterin den Hof.
Die Fahrt auf das Zentrum zu führte uns beinahe in einer Art Stadtführung durch alte Teile von z.B. Brunswik, durch lange Straßenfluchten von teilweise umfassend restaurierten Gebäuden aus dem Ende des 19. Jhd.. Auch konnten wir dabei sehr gut feststellen, wie sehr Australien ein Einwandererland ist. Man sah Menschen aus allen Ländern und Geschäfte, die sich speziell an die verschiedenen Einwandergruppen wenden. Die spätere Fahrt mit dem Zug in die Innenstadt bestätigte diesen Eindruck.
Die Fahrt mit dem Zug, die Haltestelle war nur gut 200 Meter vom Büro des Campervermieters entfernt, begann mit einem Problem. Auf dem Bahnhof stand nur ein großer Fahrscheinautomat, der partout keine Einzelfahrscheine ausgeben wollte. In Melbourne fährt man im ÖPNV völlig papierfrei; nur eine mit Chip ausgestattete Plastikkarte, die mit entsprechendem Guthaben aufgeladen werden muß, dient als “Fahrkarte”. Ärgerlich, wenn nur für diese eine Fahrt, die pro Kopf etwa 3,50 Dollar kostet, diese Plastikkarte zum Preis von 6 Dollar vorab erworben werden muß, um sie dann mit einem Guthaben zu bestücken. Man weiß hier wohl, wie man Geld macht. Da einer der angefahrenen Bahnhöfe nur wenige hundert Meter von unserem Quartier entfernt ist, entfiel heute der längere Spaziergang, dachten wir.
Um unser Netzzugangsproblem zu beheben, hatten wir vor einer guten Woche beim Weltkonzern Vodafon einen prepaid-Breitbandstick gekauft, der nach Installation im Laden an diesem Tag auch seinen Dienst gut verrichtete – aber nur an diesem Tag. Seitdem verweigert er uns den Zugriff auf das Netz und hat uns ganz schön unter Druck gebracht, denn für die Etappe Samoa war/ist vieles noch zu regeln. Zum Glück gibt es immer wieder offenen Netzzugang, meistens in den Bibliotheken oder in den Touristeninformationen, was wir wenn möglich auch genutzt haben. So zuletzt heute Morgen, um eine Buchung für Samoa durchzuführen. In den bislang in Victoria angefahrenen Städten hatten wir keine Vodafonläden ausgemacht, selbst in Bendigo ist der Weltkonzern nicht vertreten. Also bleibt die letzte Hoffnung Melbourne. So kamen wir dann zu unserem ausgiebigen Spaziergang auf der Suche nach einem entsprechenden Laden, leider ohne erfolgreiche Lösung unseres Problems, stattdessen haben wir uns ein neues eingehandelt : jetzt geht sogar die WiFi-Verbindung nicht mehr. Wer hier an der falschen Schraube gedreht hat wissen wir nicht, vermutlich ein hilfsbereiter Mitarbeiter im Laden. Nach dem Verfahren trial and error haben wir dann am späten Abend zumindest dieses Problem gelöst, bleibt zu hoffen, daß der Stick bald auch seine Arbeit verrichten kann.
Somit war der erste Weg am 3.3. zurück zu unserem Vodafon-Berater. Diesem gelang es nach mehr als einer Stunde eine englischsprachige Version unseres Betriebssystems auf den Rechner zu laden – dank des nun funktionierenden WiFi –, um dann auf die Fehlersuche zu gehen. So ganz verstanden haben wir nicht, was er dann geändert hat, auf jeden Fall deinstallierte er einen bestimmten Programmteil und hatte damit Erfolg – zumindest anfangs. Wir waren im Netz, aber nur bis zum nächsten Sicherheitsupdate, dann standen wir wieder ohne Verbindung zur weiten Welt da. Zum Glück hatten wir uns gemerkt, was und wie er einen Programmteil deinstallierte und wiederholten mit Erfolg seine Prozedur. Nun haben wir, wenn auch sehr umständlich, endlich unseren Netzzugang, zumindest dann, wenn das Vodafonnetz funktioniert, was, wie wir feststellen mussten, an manchen Stellen/Regionen nicht der Fall war/ist. Damit war die erste Hälfte des Tages ohne etwas von Melbourne gesehen zu haben vorbei, also Zeit, die Hufe zu schwingen.
Wie immer begannen wir unsere Stadterkundung an der Touristeninformation, die aber auch erst angelaufen werden musste. Bei der kompletten Neugestaltung des Federation Square fiel auch ein futuristisches Gebäude für die Touristen ab, in dem im Tiefgeschoss man alle erforderlichen Informationen erhält. Mit zahlreichen am Ende aber nur teilweise gelesenen/überflogenen Broschüren zogen wir ab. Der Federation Square wird von zahlreichen wirklich beeindruckenden und bedeutenden Gebäuden flankiert. Auf der einen Seite steht das riesige Flinders Train Station Gebäude, von dem alle Vorortzüge abfahren, mit seinen zahlreichen Uhren, die den Heraneilenden die Zugabfahrten auf den verschiedenen Gleisen von weitem über dem Haupteingang ankündigen. Gegenüber befindet sich die älteste Gaststätte/Kneipe/Hotel von Melbourne, das Young & Jackson. Diejenigen, die dort über die Strenge geschlagen haben, gehen über die Straße hin zur im neugotischen Stil erbauten und innen sehr schlichten St. Pauls Cathedral. Nach dem enormen Straßenlärm umfängt einen hier die Ruhe und die Kühle einer massigen Kathedrale. Der Moment der Ruhe war jedoch nur sehr kurz, denn der Organist machte sehr bald seine Fingerübungen. Keine überladene Kirche, nicht bombastisch, sondern ein zurückhaltendes Erscheinungsbild prägt das Gotteshaus. Einzig die zahlreichen Hinweise auf in den verschiedenen Kriegseinsätzen gefallene Bürger sowie die britische Flagge in Verbindung mit Soldatischem verwunderte. Ins Auge fällt ein an exponierter Stelle des straßenseitigen Giebels angebrachtes Transparent, auf dem sehr deutlich Position für ein humanes Flüchtlingsrecht bezogen wird (Walk for Justice for Refugees).







Der riesige aus zahlreichen Gebäudestrukturen und Gebäuden bestehende Federation -Square-Komplex reizte uns nicht wirklich, in seine Tiefen einzudringen, aber an ihm vorbei gelangt man leicht an das Ufer des Yarra River. Überrascht wurden wir, als wir auf eine Großleinwand blickten und darauf uns entdeckten.

Gegenüber am Yarra River liegende alte Bootshallen machen deutlich, wozu man einen Fluß nutzen kann; unweit trainierte auch ein Frauenvierer. Blickt man in Richtung Südosten, taucht nur Grünfläche und eine große Anzahl von Sportkomplexen auf. Kricket ist in Aussiland die dominierende Sportart, kein Wunder, wenn das die Landschaft dort dominierende Gebäude dann auch der Melbourne Cricket Ground ist, der über 100.000 Besucherplätze aufweist und m.E. auf dem Ort der Olympiaarena von 1956 steht. Daneben erkennt man dann die Rod Laver Arena, in der zu Anfang des Jahres die Tennis Australian Open stattfinden und ein Fußballstadion, natürlich deutlich kleiner als das Kricketmonster, befindet sich ebenfalls hier.


Während wir durch Teile des Parks spazieren gingen, dem Birrarung Marr, nutzte eine größere Zahl von Büroarbeitern aus den nahegelegenen Bank- und Verwaltungsgebäuden ihre Mittagspause und joggten, meistens in kleinen Gruppen, am Fluß entlang. An soviel Sportbegeisterung in der Mittagspause kann ich mich nicht erinnern, sie z.B.in Deutschland erlebt zu haben. Zurück in Richtung belebtere Innenstadt ging es dann über verschiedene Plattformen, vorbei an den Federation Bells – die 39 Glocken werden zu bestimmten Zeiten angeschlagen, um an den Zusammenschluß der australischen Kolonien vor 100 Jahren (19011) zu erinnern – über eine lange Fußgängerbrücke zurück zur Flinders Street. Wir legten ebenfalls eine – unsportliche – Mittagspause ein, wieder einmal bei einem Inder und waren zufrieden mit der Wahl.
Das Immigration Museum zu besuchen war für uns ein Muß, schließlich ist Australien das Einwandererland an sich. Es befindet sich in einem ehemaligen Zollbehördengebäude an exponierter Stelle in der Stadt. Man sollte meinen, dieser trockene Stoff ist nicht zu vermitteln, schon gar nicht in einer Ausstellung, hier ist es jedoch gelungen. Offensichtlich ist die didaktische Aufbereitung des Stoffes – und die dabei erarbeiteten schülergerechten Materialien – so gut, daß wir dort zahlreiche Klassen mit ihren Lehrern intensiv die Exponate und Erklärungen studierend antrafen. Im Grunde ist ja jeder nicht von den Aborigines abstammende Australier ein Einwanderer bzw. stammt von einem solchen ab. Dies wird auch deutlich ganz zu Beginn der Ausstellung. In zahlreichen filmischen Beiträgen werden die Aus- bzw. Einwanderungsgründe, die von politischer Verfolgung, Armut und neuer Lebensperspektive, Hunger, bis zur ethnischen Verfolgung reichen, dargestellt.. Eine besondere Bedeutung wird der sich im Verlaufe der 200 Jahre Einwanderergeschichte gewandelten Einwanderungspolitik zugemessen. Während in den ersten 100 Jahren man nahezu händeringend um Siedler auch mit Qualifikationen warb, wurden wiederholt in dem folgenden Jahrhundert starke Reglementierungen verfügt. Auch in Australien gab es während des Faschismus in Europa eine starke Bestrebung, nur weiße Einwanderer zuzulassen, eine Politik der weißen Rasse wurde mit Erfolg verfolgt, und zwar bis hinein in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Verständlich auch, wenn Einwanderer aus den Ländern, mit denen man sich in WWI und WWII im Krieg befand, nicht mehr erwünscht waren, jedoch ging man soweit, bereits im Land befindliche Deutsche oder Österreicher zu internieren. Erfreulich, wenn auch die sehr umstrittene Einwanderungspolitik der Jahre um die Jahrtausendwende, in der gleichfalls eine indirekte Selektion nach Rassen erfolgte, sehr kritisch dargestellt wurde.
Natürlich gehören auch die Lebensgeschichten ausgewählter Einwanderer in eine solche Ausstellung oder Exponate aus der Zeit der frühen Einwanderer. Die zwei Stunden im Museum waren wieder einmal zu kurz, um alles in Ruhe zu studieren, dennoch, unser Kopf brummte ganz schön.
Durch die Straßen Melbournes rattern in kurzen Abständen eine Vielzahl von Straßenbahnen, auch an unserer JuHe direkt vorbei. Viele der Straßenbahnzüge wären in unseren Städten bereits ins Museum verfrachtet worden, hier verrichten sie nach wie vor ihren Dienst. Der größte Teil dieser Waggons befördert Gäste gegen Bezahlung, aber auf einer Linie, die um den inneren CBD (Central Business District – mussten wir auch erst lernen) herumfährt, der Linie 35, kommt man zu einer kostenlosen Stadtrundfahrt, kann jederzeit an interessanten Stellen das Bähnlein verlassen und 10 Minuten später wieder zusteigen.


Diese Rundfahrt vermittelt zumindest einen guten ersten Überblick über das, was man so besuchen kann, zeigt, wie vielfältig und zugleich schön dieser engere Innenstadtbereich und die neu geschaffenen und bebauten Docklands – Quartiere für die extrem Betuchten entstehen hier in Größenordnung – ist. Hochhäuser dominieren das Gebiet, hin und wieder findet man dazwischen fast hingeduckt noch alte Objekte, die sich der Spekulation bislang entzogen haben. Manchmal wirken sie wie erdrückt neben den großen Monstern. Die wahrgenommene Architektur ist vielseitig, ansprechend, modern also wert, näher betrachtet zu werden. Was besonders auffällt ist die sehr intensive Bautätigkeit in diesem engen Viertel von 1 x 1,5 Kilometer. An zahlreichen Stellen werden neue Hochhäuser hochgezogen; nicht erkennbar sind bei den vorhandenen Bauten Leerstände. Also scheint der Bauboom auf keiner Spekulationsblase zu basieren?. Ich bin da skeptisch, zeigte doch insbesondere die jüngere Geschichte der Stadt Melbourne zahlreiche Phasen wirtschaftlichen Niedergangs und konnte man heute eine Schlagzeile einer großen Zeitung lesen, die auf einen Höchststand des Verschuldungsgrades der Privathaushalte hinweist.


Da wir wegen des enormen Straßenlärms nicht gerade viel geschlafen hatten, die JuHe liegt, wie das bei zentralen Bauten üblich ist, an einer sehr stark befahrenen Straße, auf der auch die Straßenbahnen verkehren und keine 50 Meter entfernt kreuzt die alle drei/vier Minuten befahrene Metrostrecke die Straße, war unser Akku nach der “Stadtrundfahrt” für den Tag ziemlich leer, der Weg ins Quartier um die Beine hochzulegen, vorgezeichnet.


Erstes Ziel am 4.4. war der Queen Victoria Market, am Rande des CBD gelegen. Er soll/ist der größte überdachte Markt (wahrscheinlich der südlicheren Hemisphäre) sein. Da der gesamte Tag mit viel Gehen verbunden war, nutzten wir die direkt vor der JuHe haltende Circle Line, Linie 35, um in die Nähe des Marktes zu gelangen. Damit verließen wir auch das Karree der Hochhäuser und bewegten uns in einem Gebiet, das noch stark von Bauten aus der vorvorigen Jahrhundertwende durchsetzt ist. Auch die Markthallen, an den Seiten offen, stammen aus der Zeit um 1880. Eigentlich hatten wir vor allem einen riesigen Gemüsemarkt erwartet, vorgefunden haben wir eine Angebotspalette, die von Bekleidung jeglicher Art, Nippes und Antikes, Spielzeug und Haushaltswaren, kleineren Möbelteilen bis hin zu Nahrungsmitteln in jeder Form reicht. In Teilen erinnerte uns der Markt an vergleichbare in Asien, jedoch fehlte das Flair, wir konnten keine ländlichen Anbieter z.B. im Gemüsebereich erkennen, sondern überall wurde Ware von den Großmärkten bezogen, angeboten. Dennoch, die Präsentation im Obst- und Gemüsebereich war ansprechend. Nur selten waren marktschreierische Aktivitäten zu vernehmen, es blieb ziemlich ruhig, selten unterbrochen von anpreisenden Ausrufen. Sehr vielfältig die Angebote an Gewürzen, nur konnten wir leider hiervon keinen Gebrauch machen. Wein konnte man in eigene Flaschen abfüllen lassen; in einem Gestell warteten m.E. 12 Fässer mit unterschiedlichen Weinen, abgezapft zu werden. Wie immer bei Märkten kann man an kleinen Buden lokale Speisen essen; es geht aber auch vornehmer, denn ein Teil der früheren Markthallen, in denen ursprünglich Fleisch verkauft wurde, wird nach Umbau durch Edelgastronomie genutzt. Durch die meilenlangen Gassen kann man lange Zeit schlendern, bemerkt aber nach gewisser Zeit die sich ständig wiederholenden Produkte wie auch insbesondere im Segment der Bekleidung den starken asiatischen Einfluß, denn diese Stände waren meistens in deren Hand. Ob die Vielzahl der angebotenen Markenprodukte Originale oder Falsifikate waren – wer will das schon wissen, außer den Markenherstellern, die ihre Pfründe gesichert wissen wollen.




Eine Erkenntnis nahmen wir von unserem Marktbesuch mit : die Lebensmittel sind hier mindestens so frisch wie im Markt um die Ecke, aber um mehr als die Hälfte günstiger! Bis zu unserer Stadtführung um 14:30 Uhr hatten wir noch Zeit, die wir zu einem Spaziergang zu Carlton Gardens nutzten, in dem sich das Royal Exhibition Building und das Melbourne Museum befinden. Auf dem Weg passierten wir immer wieder aus der Gründerzeit der Stadt stammende schön restaurierte Funktional- und Wohngebäude, wurden durch die roten Briefkästen an Besuche in England erinnert wie auch durch die schmiedeeisernen am Straßenrand stehenden WC-Häuschen.




Nachdem Victoria 1851 sich von New South Wales und somit Sydney erfolgreich trennen konnte – eine Woche bevor die Goldfunde bekannt wurden, wer denkt dabei Böses (?!) -, war man bereits 1880, soweit ich mich richtig erinnere, Ausrichter einer Weltausstellung, d.h. in einem anfangs auf Strafgefangenen gründenden jungen “Staat” wurde diese Weltausstellung vor der Weltausstellung in Paris, dem Frankreich seinen Eiffelturm verdankt, ausgerichtet. Das Gebäude kann heute leider nur im Rahmen vorangemeldeter Touren besucht werden, also blieb nur der Blick von außen.


Im Gegensatz zu dem Weltausstellungsgebäude steht heute an der Stelle eines früheren Pendants, aber aus Holz gebaut, ein moderner Komplex, der neben dem Melbourne Museum auch ein riesiges Imax-Kino umfasst. Leider war die Zeit auf einmal zu knapp geworden, das Imax zu besuchen – Katrin reizte ein Film über Haie – als auch das Museum. Bei letzterem war eine Maya-Ausstellung angekündigt, die uns interessiert hätte. Wie wir abends in der JuHe hörten, haben wir nichts verpasst, denn die Ausstellungseröffnung steht noch bevor.
So machten wir uns auf zum Treffpunkt unserer Stadtführung,14:30 Uhr an der Statue vor der State Library of Victoria, am Rande des CBD gelegen. Erkennbar waren wir nicht die einzigen, die sich dieser Stadtführung unter der Überschrift “for free”, aber in der berechtigten Erwartung eines der Leistung angemessenen Trinkgeldes, anschließen wollten. Nicht nur die Jugend nutzte diese legere Art des Rundgangs, auch ältere Reisende befanden sich in der gut 30 Köpfe zählenden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Länder stammenden Truppe, als Hugo, so hieß unser Führer wirklich, zum Aufbruch rief. Wir bewegten uns, aber nur wenige Meter bis hin zur imposanten Statue eines wichtig dreinschauenden uns bis dato nicht bekannten Mannes, was sich sehr schnell änderte. Es handelte sich hier um die Statue des Gründers dieser Bibliothek und viel bedeutsamer, des obersten Richters am Staatsgerichtshof, der auch in dem wohl berühmtesten Fall in der Geschichte, zumindest der älteren Australiens, das Urteil zu fällen hatte. Ned Kelly, der wohl berühmteste Australier des 19. Jhd., seines Zeichens Pferdedieb und Bankräuber, mit einer sozialen Ader ausgestattet und den Armen von seinen Raubzügen gebend, also eine Art Robin Hood auf australisch, wurde über Jahre gejagt und endlich in einem imposanten Shootout so verletzt, daß man ihn festsetzen konnte. Den Prozeß machte man ihm 1880 in Melbourne, Vorsitzender Richter der mir leider mit Namen nicht mehr erinnerliche, Mensch der großen Statue. Kelly wurde zum Tode verurteilt, das Urteil wurde kurz nach dem Urteil dann im Old Goal von Melbourne vollstreckt. Überliefert sind vom ihm insbesondere zwei Aussprüche, der eine, kurz bevor er gehängt wurde “that’s life”, der andere bezog sich auf den Richter zu dem er fast prophetisch meinte, man sehe sich in Kürze wieder. Der Richter verstarb drei Tage nach Vollstreckung des Urteils. Prophetie oder Zufall? Danach begannen wir unseren Rundgang wirklich, der uns vorbei an einem Teil der alten Universitätsgebäude hin zum Gerichtsgebäude aus Ned Kellys Zeit und daran vorbei zum Old Goal, dem damaligen um 1840 herum erbaute Gefängnis führte, einem aus blau scheinendem Stein und mit festen Mauerwerk errichteten immer noch stehenden aber nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion genutzten Bauwerk.




Wenige Schritte weiter wird weithin sichtbar durch drei nebeneinander stehende Achten auf der Spitze einer großen Säule auf den hier 1853 begonnenen Kampf um den Achtstundentag hingewiesen. Die drei Achten stehen für 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Ruhe und 8 Stunden Freizeit. Letztlich ist dies auch ein Symbol für die Stärke der Arbeiterschaft im 19. Jhd., was sich auch in dem gegenüber liegenden sehr großen Gebäude der damaligen Gewerkschaft, auch heute noch gewerkschaftlich und durch politische Parteien genutzt, ausdrückt. Man war wohl eine starke Kraft, was sich auch in dem Volumen des Gebäudes ausdrückte.




Nicht alles, was wir ansteuerten, war uns unbekannt, dies traf z.B. auf den folgenden Rundgangabschnitt in und durch Carlton Gardens und das Royal Exhibition Building zu. Im Baustil orientierte man sich an großen europäischen Vorbildern, was sich auch in den Schmuckelementen sowohl am Haus als auch am davor stehenden prunkvollen Brunnen ablesen lässt – mit einer Ausnahme. Ein bischen Australien ist dann doch noch eingeflossen, denn im oberen Brunnenteil speien Schnabeltiere, die es nur in diesem Land gibt, Wasser.


Der nächste Halt erfolgte auf einer kleinen Grünanlage, mit moderner Plastik “zeitgemäß” gestaltet; vor allem aber hatte man hier einen Blick auf St. Patrick’s Cathedral, die mit der St. Paul’s Cathedral wetteifert, ebenfalls aus dem blau scheinenden Stein erbaut wurde und älter als St. Paul’s ist. Schräg gegenüber befindet sich eine Institution der Stadt, alt und ehrwürdig, aber nicht mehr in bestem Zustand, “Princess Theatre”, in dem aktuell Vorstellungen zur Comedy-Woche der Stadt stattfinden. Wenige Schritte die Bourke Street hinunter dann eine weitere Institution des alten Melbourne, “Her Majesty’s Theatre”. Mehr aus den Augenwinkeln betrachteten wir auf dem Weg nach Chinatown das riesige aus Sandstein errichtete Parliament House mit seinen schmucken Kandelabern als Laternen. Hier konnte man sich durch den Reichtum aus der Goldrauschzeit ab 1856 so richtig austoben und aus dem finanziellen Vollen schöpfen. Unweit davon die Spring Street nach Süden hinunter befindet sich das nicht minder imposante gleichfalls im klassischen Stil gehaltene Old Treasury Building, eingerahmt vom Treasury Garden.




Über die Straße hinweg, die Bourke Street einige Schritte hinunter gegangen und an der Little Bourke Street eingebogen, schon waren wir in einer anderen Welt. China empfing den Besucher, nicht nur mit unzähligen entsprechenden Geschäften und Lokalen, sondern zuerst mit einem großen Torbogen. Von der Little Bourke Street zwischen Swanston Street und Exhibition Street sowie den abbiegenden Gässchen nur China im Auge. Unweit davon haben sich vor langer Zeit die Auswanderer aus Griechenland in großer Zahl niedergelassen – was entstand daraus : natürlich das griechische Viertel.


Nach Durchlaufen des chinesischen Viertels ist man plötzlich mitten in der belebtesten Einkaufsmeile der Stadt mit den bekannten Kaufhäusern Myer und David Jones. Ob letzterer Geschäftsgründer eine kriminelle Vergangenheit hatte oder nur eine durch den Konkurrenten von nebenan angedichtete, erinnere ich mich nicht mehr, auf jeden Fall stehen zwei imposante Riesenkaufhäuser heute einträchtig nebeneinander und ziehen das zahlungskräftige Publikum an. In diesen Straßenquadraten reihen sich Kauftempel und Shoppingmalls nur so aneinander; immer wieder zweigen Einkaufspassagen ab, sich hier zurecht zu finden ist nicht einfach, man wird förmlich von dem Konsumangebot erdrückt. Noch imposanter dann die nahe gelegene Royal Arcade, Melbournes älteste – und feinste – Ladenpassage, wie wir beim durchschreiten, gehen wäre nicht angemessen gewesen, feststellen konnten, denn hier wurde das Nobelste vom Noblen angeboten; sogar eine feine englische Tee”stube” war hier zu finden.




Nach der Glitzerwelt ging es durch zahlreiche schmale Gässchen, wo das Leben der alternativen Szene teilweise pulsiert, interessante Gaststätten für den Normalbürger existieren, man in Rooftopgaststätten einen besonderen bezahlbaren Blick auf Melbourne erhält, wo nicht die Schickeria sich trifft sondern der Normalo, und vor allem wo die Graffitoszene der Stadt zumindest an einigen genehmigten Wänden sich ausprobieren kann mit dem Ergebnis, nach drei-vier-Wochen prangen dort schon wieder neue Kunstwerke. Jedoch sind einige der Werke als Dauerkunstwerke zu betrachten und hier zuoberst abgebildet.



Und plötzlich traten wir aus einer Gasse heraus und standen hinter der St. Pauls Cathedral in einem Gässchen, in dem früher zahlreiche Konfektionsbetriebe existierten, später dann lagebedingt vor allem von Hotelbetrieben vertrieben wurden. An der St. Paul’s Cathedral vorbei, die Flinders Street Train Station und den Federation Square, hier trafen wir ebenfalls auf ein Spiegelzelt deutscher Provinienz,

passiert standen wir am Yarra River. Über die Princess Bridge führte unser Abschluß auf eine Terrasse der Hamer Hall, der Konzerthalle der Stadt, die aber keinen Vergleich mit dem Gebäude in Sydney aufnehmen kann, auch wenn unser Führer die Vorzüge des Melbourner Opernhauses in allen Tönen lobte. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das Victoria Arts Centre, auf das, damit das eher unscheinbare Gebäude besonders wahrgenommen wird, ein überdimensionaler Pfeil hinweist. Mit einem schönen Blick auf die Skyline der Innenstadt beendeten wir unseren Rundgang.


Nach gut drei Stunden Spaziergang und einer Wegstrecke, wie unser Führer Hugo meinte von gut 7 Kilometern, war unser Bedürfnis auf weitere Kulturinformationen zumindest für heute gestillt. Zurück in der JuHe bereiteten wir uns auf den Abreise am nächsten Morgen vor, saßen aber auch stundenlang in der Küche bei informativen und interessanten Gesprächen mit anderen Gästen. Die Zeit in Melbourne war zu knapp bemessen, um noch mehr von der Stadt zu sehen, sie hätte es verdient, aber einen nicht nur ersten sehr schönen Eindruck haben wir gewinnen können. Ob auch in unserer Beurteilung Melbourne die Nase vorne haben wird, wie unser Hugo immer wieder mit dem Stolz des hier Geborenen betonte, werden wir erst beurteilen können, wenn wir unsere nächste Reisestation, Sydney, besucht haben.