Letzte Tage in Chile – Valparaiso und Santiago

Nachdem wir den Wagen erfolgreich an sein Ziel gebracht hatten, machten wir uns per Metro und dann bei Überlandbus nach Valparaiso auf den Weg, raus aus der mit einer Dunst- und Smogwolke überlagerten Großstadt. Nach zwei Stunden Busfahrt am Ziel, ohne bislang der Meer gesehen zu haben, dafür jedoch eine sehr trockene, fast vertrocknete Landschaft. Mit Hilfe eines Ministadtplans ging es dann vom zentralen Busbahnhof quer durch die Stadt in einer Art erstem Stadtrundgang  zu unserem Quartier in der Templeman, der Casa Kultour, mitten im Barrio Concepcion und damit in dem zum Weltkulturerbe erklärten historischen Bereich.

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Bereits hier konnten wir am eigenen Leib erfahren was es heißt, in Valparaiso, insbesondere in seinen alten Stadtteilen, zu leben, nämlich Treppensteigen, mehr oder weniger steile Straßen und Sträßchen hinauf- und hinabzugehen. Da weiß man, wie schwer der Einkauf war und orientiert sich hin zu den kleinen Geschäften in der Wohnumgebung. Ein erster Eindruck dieser von manchem als schön bezeichneten Stadt : Valparaiso hat etwas, versprüht eine besondere Atmosphäre, zumindest in seinen aus der früheren Blütezeit im 19. Jahrhundert stammenden Vierteln. Ob man deshalb aber Hymnen über die Stadt dichten muß, wie Pablo Neruda, der hier in einem seiner drei Häuser, der La Sebastiana, immer wieder gelebt hat, es vermochte, sei dahin gestellt. Das Valparaiso eine seiner Herzensangelegenheiten war, kann man seinen Äußerungen jedoch deutlich entnehmen.

Der Besucher der Innenstadt erlebt eine Stadt voller Leben, geschäftig, aber nicht hektisch, belebt aber nicht überfüllt, modern und aus dem 19. Jahrhundert stammend, mit sehr regem Busverkehr und oft vollen Straßen, geduldig an den Haltstellen Wartenden, fliegenden Händlern, Musikern, schöner alter Bausubstanz, oft ansprechend restauriert, oft aber auch dem Verfall preisgegeben. Je weiter man sich vom “Plan”, dem wassernahen Büro-, Verwaltungs-, Einkaufsbereich, entfernt, desto größer ist der teilweise morbide Charme der Stadt und seiner alten Viertel spürbar, in denen in großer Zahl, insbesondere auch in den unter den Weltkulturerbeschutz gestellten, die Gebäudeverwahrlosung oft sehr deutlich wird. Dies kann bedrücken, stimmt traurig, wie mit dem Kulturerbe umgegangen wird, ist aber nur die eine Seite der Stadt. Die andere Seite ist abends zu spüren, wenn gerade in diesen Vierteln nicht nur durch die Touristen, sondern vor allem durch die Einheimischen die Plätze und Gassen belebt werden.

Dieser Lebensfreude entspricht die oft sehr farbenfrohe Gestaltung der Häuser, seien sie noch so klein, sanierungsbedürftig oder vom Verfall umgeben. Hier hat man Mut zur Farbe, die ganze Farbpalette wird abgearbeitet, nicht nur Einheitspastelltöne fallen bei einem Rundumblick ins Auge.

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Valparaiso ist die Stadt die, so heißt es, auf 42 Hügeln gebaut wurde. Wir haben uns nur den im historischen Innenstadtbereich befindlichen gewidmet, vor allem wurden die Barrios Santo Domingo,Concepcion, Allegre,Pantheon, Bellavista und Carcel durchstreift. Auf alten Bildern von Mitte des 19. Jhd. kann man erkennen, daß es kaum eine Hügelbebauung gab, verständlich, denn Valparaisos Blütezeit kam erst noch. Der Hafen als Umschlagplatz hatte bis zur Eröffnung des Panamakanals eine große Bedeutung und war ein wesentlicher Grund für das Aufblühen der Stadt. Aus dieser Zeit Ende des 18. Anfang des 19. Jhd. stammen die allermeisten Bauten, in Hafennähe oft extrem repräsentativ, oft erinnernd an Gründerzeitbauten in ihrer Wuchtigkeit, auf und an den Hügeln in exponierter Lage riesige Villen der Begüterten, im weiteren Umfeld dann auch die Häuschen von nicht so betuchten Bürgern. Alten Bildern ist zu entnehmen, daß zuerst auf den Bergrücken gebaut wurde, um anschließend sich den Hang hinab zu arbeiten. Beeindruckend, wie man es geschafft hat, auf dem felsigen Untergrund manche Objekte zu errichten. Manchmal mussten meterhohe Mauern hochgezogen werden, um ein Baufundament zu erhalten, manchmal gab es nur einfache Balkenkonstruktionen, auf denen dann das oft kleine Haus steht. Hin und wieder scheinen die Häuser wie ein Schwalbennest an den Bergen zu kleben. Zahlreiche Treppen verbinden die unten liegenden Häuser mit den auf dem Hügelrücken verlaufenden Straßen oder es werden Treppenfluchten bis ins “Tal” geschaffen. Es scheint es, als sei alles mit allem irgendwie verbunden.

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Valpo hat viele Besonderheiten, eine der herausragendsten sind jedoch seine “ascensores”, kleine Seilbahnen, bei der sich zwei Kabinen gegenläufig hinauf-oder hinabziehen. Die älteste von 1883 überbrückt einen Höhenunterschied von vielleicht 50 Metern im Stadtteil Concepcion und erspart den Benutzern den Gang über eine schier nicht enden wollende Steintreppe. Nicht alle dieser in den Plänen verzeichneten ascensores sind aktuell in Betrieb, verständlich, denn sie wurden im wesentlichen bis Anfang 1900 gebaut und werden seitdem nahezu unverändert in Betrieb gehalten. Natürlich erfolgen auch technische Überprüfungen. Einer Panne bei der Durchführung einer solchen Prüfung muß im vergangenen Jahr ein Altertumsstück zum Opfer gefallen sein, denn durch einen Fehler bei der Befestigung der Seile rauschte eine Kabine im Test in die Tiefe; dieser ascensor wird wohl nicht mehr eröffnet werden. Über den Spuren anderer wächst, da seit langem außer Betrieb gesetzt nicht nur das Gras, sondern ganze Büsche und Bäume. So reduziert sich nach und nach die früher einmal 42 betragende Zahl der aktiven Seilbahnen. Es wäre schade, wenn diese Bestandteile der Baukultur und des Lebens in den Vierteln endgültig von der Bildfläche verschwinden würden. Wir sind mit verschiedenen der ascensores gefahren und fühlten uns sicher; erstaunlich dann der Hinweis des Außenministeriums, man solle aus Sicherheitsgründen von der Benutzung dieser Seilbahnen absehen! Das rief auch bei Oliver mehr als nur ein Schmunzeln hervor, eher war es völliges Unverständnis für derartige Hinweise.

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Auch Valparaiso war, zuletzt 2010, immer wieder von mehr oder weniger großen Erdbeben betroffen, wurden Gebäude zerstört, weniger dort, wo auf den Granitfelsen gebaut wurde, sondern insbesondere im Bereich des vor den Hügeln liegenden Plan, dem im wesentlichen in den letzten 150 Jahren neu gewonnenen, dem Meer abgerungenen Land. Hier stand/steht die alte Markthalle, heute nur noch als Gerippe der Außenmauern, Folge des letzten Erdbebens.

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Manche Institution der Stadt hat die Zeit gut überlebt, ohne sich dabei grundegend geändert zu haben wie z.B. das Lokal Cinzano an der Plaza Anibal Pinto. Tritt man hier ein, wird man um viele Jahrzehnte zurück gebeamt. Das Interieur erinnert nicht nur an die 30er Jahre, es stammt aus dieser Zeit, die Bilder an der Wand, oft von Künstlern, aber auch Stadtansichten, zeugen von einer vergangenen Epoche. Und irgendwie passen die um die 70 Jahre alten Kellner und Barmänner mit ihren grauen Haren, dem kräftigen Bierbauch auch dazu. Eine Institution in der Stadt, von der es noch viele gibt, man muß sie nur entdecken.

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Hatten wir in Santiago den Eindruck, uns in der Stadt der Grafittokünstler, dem Zentrum der “Bewegung” zu sein, müssen wir uns nach unserem Besuch von Valparaiso korrigieren. Hier prangt an fast jeder Ecke ein nicht immer sehr gelungenes Graffito. Unscheinbare Ecken erhalten dadurch besondere Aufmerksamkeit, werden “sinnvoll” genutzt und zeugen auch von der Lebensfreude in der Stadt.

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Valparaiso hat zwar seine große Bedeutung als Hafenstadt für den Warenverkehr verloren, an deren Stelle ist jedoch der Besuch zahlreicher Kreuzfahrtschiffe getreten, bei deren Ankunft und vor allem Abfahrt sich viele Menschen an der Muelle Prat einfinden, um die riesigen Ungetüme zu bestaunen und zu verabschieden. Dann ist heftiges Gewusel auf dem Kai, umfahren kleine Boote mit Gästen die weißen Dampfer.

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Im Verlaufe einer Stadtrundfahrt mit der Linie 612, die über zahlreiche, insbesondere die historisch bebauten Hügel der alten Innenstadt fährt, besuchten wir auch busfahrend Vina del Mar. Diese Stadt hat wohl das Glück, im wesentlichen in einer Ebene sich entwickeln zu können. Während in Valpo Hochhäuser eher selten zu finden sind, alte Bauten das Stadtbild der Innenstadt  prägen, reihen sich in Vina die Betonklötze aneinander. Wenn diese Stadt ein Gesicht haben soll, wir haben es nicht gesehen. Demgegenüber weist Valpo ein eindrucksvolles wenn auch teilweise geschundenes Gesicht auf, das sehr ausdrucksvoll und vielfältig ist und zu langem Erkundungsgängen einlädt.

Von Oliver bekamen wir den Hinweis, daß in einer im Stadtteil Alegre befindlichen anglikanischen Kirche (ca. 1850 errichtet), jeden Sonntag ein kleines Orgelkonzert auf der historischen Orgel stattfindet. Wir besuchten das kleine Konzert, vor dessen Beginn der Organist erst einmal Hand an die Orgeltechnik legen musste, um das alte Instrument seinen Bedürfnissen entsprechend einzustimmen. Und dieser Anstrengung mit anschließendem Orgelkonzert folgten nur knapp 50 Personen! Herausragende Museen befinden sich nicht in der Stadt, heißt es. Kürzlich wurde jedoch auf dem Cerro Alegre das Museo de Bellas Artes in einem restaurierten Palast, dem Palacio Baburizza, wieder eröffnet. Nach Aussagen von Oliver zwar gut gefüllt mit Landschafts- und Portraitmalerei des 18. und 19. Jhd., bemerkenswert seien jedoch die, leider, wenigen Stadtansichten aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das mit einer wunderbaren Aussicht auf den Hafen ausgestattete Gebäude war uns schon bei einem früheren Spaziergang durch das Barrio aufgefallen, nun konnten wir den Blick auch aus seinem Inneren heraus genießen. Die Gemäldesammlung muß man nicht unbedingt besucht haben, die alten Stadtansichten waren den gut einstündigen Rundgang wert.

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Eigentlich wollten wir ja auch den Strand von Valpo genießen; uns war aber entgangen, daß dieser sich nicht in Zentrumsnähe befindet; die Badesachen hatten wir vergeblich mitgenommen.

Die beiden Tage in Valpo waren völlig ausreichend, um einen guten Einblick zu erhalten, interessant war es, hier herum zu laufen, anstrengend durch die vielen Hügel teilweise auch. Nett waren die Menschen, hilfsbereit. Nicht nur einmal wurden wir darauf hingewiesen, nicht mit der Kamera in der Hand in einen bestimmten Teil von Santo Domingo, dem alten Hafen nah gelegen, zu gehen, wenn wir auch danach noch fotografieren wollten. Aufmerksam!

Damit verblieben uns noch zwei Tage bis zum Abflug auf der Osterinsel, in denen wir unsere Rücksäcke beim Autovermieter abholten, Wäsche waschen fuhren, unser Päckchen mit Literatur zu den nächsten Reisestationen bei unserer alten Sprachschule entgegen nahmen und viel im Internet zu der übernächsten Station, französisch Polynesien, recherchierten. Unsere Planung ist ja rollierend, d.h. die Infos zur nächsten Station beschaffen wir uns – leider – immer dann, wenn sie benötigt werden. So steht jetzt Tahiti und die umliegenden Inseln auf dem Programm.  Ergebnis der Recherche ist, neben der Insel Tahiti auch auf eine weitere der Gesellschaftsinseln, Huahine, zu fliegen. Also Flüge suchen, mit unserem Anflug nach Tahiti abstimmen, Quartiere suchen und reservieren. es war genug zu tun am letzten Tag vor unserem Abflug aus Südamerika, der sich dann noch, aus nicht mitgeteilten Gründen kurzfristig um 3 1/2 Stunden verschob. So konnten wir den 9.1. gemütlicher als ursprünglich vorgesehen, angehen.

Ein besonderes Erlebnis in Santiago muß an dieser Stelle erwähnt werden : bei unserem Kurzbesuch bei unserer Sprachschule, um ein hierhin adressiertes für uns bestimmtes Päckchen abzuholen, wurden wir laut, mit Freude und unseren Vornamen begrüßt. Das hätten wir nicht gedacht, daß sich Lehrer, Chef und Sekretärin nach so langer Zeit an uns erinnern.

Was ist das Fazit unserer Monate in Chile und Argentinien?

Wir sind im Verlaufe der Wochen vielen netten Menschen begegnet, Reisenden wie wir aber auch zahlreichen Chilenen und Argentiniern, Es war überraschend und schön festzustellen wie hilfsbereit die Menschen waren. Selbst Autos hielten an um zu fragen, ob sie uns helfen könnten. Die gesehenen Landschaften, ganz gleich ob Berge, Wüste, Seen, Meer, Wiesen und Wälder, Fjorde und Flüsse waren sehr beeindruckend und für uns einzigartig, oft auch atemberaubend schön. Es fällt schwer, aus der Vielzahl der Erlebnisse und Eindrücke die drei herausragendsten zu benennen, Katrin hat andere Präferenzen als ich, aber einig sind wir, das diese Wochen eine echte Bereicherung waren und es wert war, hier diese Wochen verbracht zu haben. Menschlich enttäuscht wurden wir, abgesehen von der Bestätigung unseres Vorurteils über Autoverkäufer, nie. Natürlich muß man bei einer so langen Reise und den vielen Stationen damit rechnen, nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, nicht jeder Wandertraum z.B. erfüllte sich. Dennoch, so viel gewandert und uns in der immer wieder anders sich darbietenden Natur wie auf diesem Kontinent haben wir bislang noch nicht, auch dies ist ein besonderer Gewinn unserer bisherigen Reise. Schön war es hier, wenn auch nicht jeder einzelne Tag das besondere Highlight brachte, es waren aber unzählige Höhepunkte, die wir nicht missen wollen. In der Summe aller Tage sind wir mehr als zufrieden und glücklich.

Nach vier Monaten Südamerika, ein Monat Sprachkurs und drei Monate Rundreise in Chile und Argentinien freuen wir uns, andere Kulturkreise kennen zu lernen.

Talca, das Maule Tal und der Parque Nacional Altos de Lircay

Der Himmel meinte es bei unserer Abreise aus Pucón gut, es nieselte und regnete zu Beginn, also kein toller Blick auf die Bergwelt möglich. Ganz im Gegensatz zu unserer Stimmung, wir waren gespannt, was Talca, gut 650 Kilometer Fahrstrecke weiter nördlich und in Schlagdistanz zu Santiago zu bieten hat. Auf Talca sind wir aus zwei Gründen gekommen : zum einen kann man von hier aus bis zur Mittagszeit, unser Abgabetermin für den Wagen, Santiago erreichen, zum anderen befinden sich in der Nähe mehrere interessante Nationalparks, wobei die Parque Nacional Altos de Lircay uns besonders zusagt.

Nach 6–stündiger Fahrt waren wir am Ziel und checkten am frühen Nachmittag in unserem Hostel ein. Als gegen 19:00 Uhr uns der Hunger plagte machten wir uns auf den Weg zum nahe gelegenen Plaza de Armas, bislang immer ein Ort an dem oder in dessen näherer Umgebung ausreichend Restaurants sich befanden. Auch in Talca mit seinen mehr als 200.000 Einwohnern gingen wir davon aus, fündig zu werden. Wir liefen eine Vielzahl von Straßen rund um den zentralen Platz ab, alle Restaurants waren geschlossen. Ein Kino hatte zwar geöffnet, das benachbarte Restaurant verweigerte sich dem Gast. Nach fast einer Stunde ergebnisloser Suche kehrten wir zum Hostel zurück, vielleicht wußte der Concierge Rat. Dieser schickte uns in eine nahegelegene Straße, in der in der Tat sich zahlreiche Restaurants befinden, jedoch heute alle geschlossen. In unserer Not und mit mehr als nur einem Loch im Bauch besannen wir uns einer Systemgastronomie, die rund um die Uhr jeden Tag im Jahr geöffnet hat, ein “Restaurant”, um das wir sonst immer einen großen Bogen machen. Aber heute schien uns das die einzige Möglichkeit zu sein, nicht mit großem Hungergefühl ins Bett gehen zu müssen. Also stiefelten wir, ausgehend von unserem Hostel, über das wir die Adresse dieses Spitzenrestaurants erfahren hatten, gut 14 Blocks ostwärts und drei Blocks nach Norden. Wir hatten uns nicht geirrt – es kann alles zusammenbrechen, MD hat immer auf und wartet auf sein Geschäft. Groß war der Umsatz mit uns nicht, wir beschränkten uns auf das Allernotwendigste und verließen schnell, zumindest leicht gesättigt, den Tatort.

Es war für uns eine völlig neue Erfahrung, am Neujahrstag in einer Großstadt überall auf geschlossene Lokale zu treffen. Wohl auch deshalb war in der Stadt nicht nur am frühen Abend kaum jemand unterwegs.

Den 2.1. widmeten wir neben einem Stadtrundgang insbesondere weiteren Recherchen zu unseren nächsten Zielen und vor allem dem Versand nicht mehr benötigter Reiseliteratur und unserer Schulbücher. In Santiago wartet bereits ein Karton mit Reiseführern unserer nächsten Stationen. Man mag es kaum glauben, aber der Versand unseres Buchkartons mit etwas über 11 Kg Gewicht kostete so viel, daß wir dafür auch fast 3 Nächte in unserem Hostel, zugegeben, diesmal stimmte der Preis wirklich mal, hätten schlafen können.

Ganz aus unserem Gedächtnis gestrichen war die Information in 2010, in dem ein sehr starkes Erdbeben vor der Küste Chiles insbesondere die Region um Talca heftig getroffen und zu immensen Schäden geführt hatte. Anfangs wunderten wir uns über die auch in der Innenstadt befindlichen zahlreichen Adobehäuser, die leer standen, teilweise keine Dächer mehr besaßen, manchmal zwar von weitem “gesund” aussahen, bei näherem Hinsehen aber von tiefen Rissen im Mauerwerk überzogen waren. Eine stattliche Anzahl von Innenstadtgrundstücken lag brach, war eingezäunt, das Unkraut wucherte. Eigentlich in exponierter Lage nicht verständlich. Aber nicht nur Adobehäuser waren baufällig, auch eine größere Anzahl stattlicher moderner (Schule) oder repräsentativer Bauten (Bank) war gesperrt, die Türen verschlossen, die Fenster teilweise verbrettert oder es gähnte den Betrachter ein großes oft helles Loch entgegen – Licht kam von oben, dem Himmel. Information über die Stadt brachte dann die Erklärung, das Erdbeben in 2010. Wie wir erfuhren, mußten zahlreiche Bürger ihre einsturzgefährdeten Häuser aufgeben, sollen jedoch nicht der Stadt den Rücken gekehrt, sondern sich in den Randbezirken niedergelassen haben. Eine Flucht aus der – gefährdeten – Stadt habe es nicht gegeben. Was jetzt noch fehlt ist ein erkennbarer Einsatz, die noch vorhandenen zahlreichen Schäden dauerhaft zu beseitigen.

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Unser Reiseführer aber auch die eingeholte Auskunft im örtlichen Tourismusbüro bestärkte uns in der Entscheidung, noch einmal in einen Nationalpark wandern zu gehen. Nächstgelegen ist der Parque Nacional Altos de Lircay, d.h. wir müssen gut 60 Kilometer anfahren, um an die Berge und die Anden zu kommen. Unsere Fahrt führt uns über San Clemente in Richtung Osten in ein kleines Tal, an dessen Ende – fast Ende – das Örtchen Vilches Alto liegt. San Clemente muß man eigentlich  noch der Weinbauregion im Mauletal zurechnen, denn zahlreiche sehr große Weinbaubetriebe säumen die Straße hierhin. Wir hatten zwar von der besonderen Qualität der hiesigen Weine gehört, heute jedoch etwas anderes vor und verzichteten auf die zahlreichen Möglichkeiten einer Weinprobe im Umland von Talca. Was dann aber bei der Einfahrt nach San Clemente sehr befremdete war die “Begrüßung” durch eine auf dem Mittelstreifen aufgebaute alte Flak, die gegen Westen, d.h. Talca zeigte. Ein Weinfass oder wegen des ebenfalls ausgeprägten Obstanbaus ein Symbol dieses Wirtschaftszweiges hätten wir noch verstanden, aber ein Flakgeschütz? Gegen wen richtet es sich, wer soll hier geschützt werden? Geschmacklos und verirrt.

Langsam ließen wir den landwirtschaftliche geprägten Bereich hinter uns, fuhren stetig bergauf und wurden nach und nach vom Wald umgeben und trafen dabei wieder einmal auf einige Gauchos, die einige Rinder vor sich her trieben, eine staubige Angelegenheit.

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Bei der Parkverwaltung am Parkeingang informierten wir uns über die Wanderrouten. Unterschiedlich lange Strecken standen für einen Wandertag zur Auswahl; wir entschieden uns, zum etwa 2.300m hoch gelegenen Basaltplateau El Enladrillado zu wandern, einem Ort mit weitem Blick auf und in die umliegenden Andenberge; die Wanderzeit mit angegebenen 8 Stunden passte noch in unseren Zeitplan, denn wir hatten in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung machen können, teilweise erheblich vor den vorgegebenen Zeiten am Startort zurück zu sein. Eine Zusatzoption gab es durch dieses Ziel, bei genügend Zeitpuffer und Lust bestand die Möglichkeit, den Rückweg über die auf 2.200m gelegene Laguna Alto zu wählen. Während wir auf unseren vergangenen Wanderungen durch Nationalparks kaum andere Wanderer angetroffen haben, hier waren doch einige unterwegs, meistens voll bepackt mit Zelt, Schlafsack und Isomatte, Kochgeschirr etc. um einige Tage auf einem der beiden unten im Tal befindlichen CONAF-Campingplätzen zu verbringen. Hier waren dann auch manchmal Familien unterwegs, bei denen erkennbar das eine oder andere Familienmitglied sehr früh unter der Last und dem ansteigenden Weg gelitten hat. Als es dann nach gut 1 3/4 Stunde so richtig bergauf ging, waren wir dann allein unterwegs. So lange wir im Schatten des urwüchsigen Lenga- und Roblewaldes wanderten, lief zwar wegen der großen aber noch auszuhaltenden Hitze auch Schweiß, aber in Grenzen, auch wenn wir nicht gerade bummelten. Doch nach einer weiteren halben Stunde waren wir aus dem Schutz des Blätterdaches heraus und spürten die volle Kraft der Sonne. Ein leichtes Lüftchen brachte etwas Kühlung. Zur Hitze kam dann noch ein immer schlechterer Weg, ein Steig, der immer wieder vorgaukelte, bald hätten wir den Bergsattel erreicht. Nach dreieinhalb Stunden standen wir dann endlich in praller Sonne auf dem Plateau und konnten die wirklich ungewöhnliche Aussicht genießen. So richtig weit sehen konnten wir zwar nicht, dafür waren dann die umliegenden Berge, Bergketten und Vulkane doch zu mächtig, aber die Blicke ins Tal, auf die abwechslungsreichen sichtbaren Felswände, die umherliegenden und den Abhang markierenden Basaltbrocken entschädigten für den vergossenen Schweiß. Als wir dann noch, leider weiter entfernt, einen Kondor in seinem Flug ohne einen Flügelschlag dahingleiten sahen, war der Tag perfekt, wenn nicht noch ein Rückweg durch die Sonne anstehen würde. So interessant der Rückweg über die Laguna Alto auch erschien, wir hätten dann 2 zusätzliche Stunden in der prallen Sonne gehen müssen, wogegen wir uns aus Vernunftsgründen entschieden. Zügig ging es dann auf bekanntem Weg zurück, auf dem wir im Talabschnitt auch zahlreichen wandernden Campern begegneten, von denen einzelne bereits nach einer guten Stunde wandern ziemlich platt am Wegrand saßen. Nach etwas mehr als 5 1/4 Stunden Wanderung meldeten wir uns dann beim Parkranger ab und fuhren zurück nach Talca. Das war dann sicherlich die letzte Wanderung während unserer Reise auf chilenischem Festland. Das nächste Mal werden wir auf Rapa Nui die Wanderschuhe anziehen dürfen.

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Den Abend verbrachten wir damit, unser Gepäck so zu richten, daß unser Handgepäck das Notwendige für den Kurzabstecher nach Valparaiso enthält, der Rest muß in unseren beiden Rucksäcken verstaut werden. Was anfangs als Problem erschien, stellte sich später als fast leicht zu lösende Aufgabe heraus – alles fand seinen Platz, man muß sich halt von Überflüssigem trennen.

Wir hatten die Wagenrückgabe für den 4.1. gegen 12:00 Uhr vereinbart und starteten deshalb bereits um 07:30 Uhr. Für die 250 Kilometer bis zur Hauptstadt viel Zeit, da wir aber kein ausreichendes Kartenmaterial zur Stadt besitzen und uns den letzten in der Stadt verlaufenden Streckenabschnitt aus einem Routenplaner herausgezogen hatten ohne zu wissen, ob dieser Vorschlag zielführend ist, war uns ein größerer Zeitpuffer sehr recht. Und diesen brauchten wir auch. Offensichtlich sprechen Routenplaner und diejenigen, die für die Ausschilderung vor Ort zuständig sind, nicht ausreichend miteinander. Sobald wir die eigentliche Autobahn verlassen mussten, uns dabei auch an den Kilometerangaben des Routenplaners orientierten, waren wir aufgeschmissen. Die aufgezeichneten Ortsangaben existierten nicht, wir fuhren ab der Stadtgrenze Santiago im Blindflug. Die in Stadtrandnähe ersichtlichen Ortsteilangaben brachten uns auch nicht weiter, denn wir konnten diese nicht zuordnen. Nach mehr als einer halben Stunde Irrfahrt endlich ein Hinweis auf die Richtung ins Zentrum. Da kennen wir uns aus, für den Innenstadtbereich haben wir eine Straßenkarte. Wie stark sich Santiago in der Fläche ausbreitet, haben wir dann in der folgenden 3/4 Stunde im wahrsten Sinne des Wortes erfahren können, bis wir uns endlich auf bekanntem Terrain befanden. Bis wir den Wagen an seinem Bestimmungsort abgeben konnten, leider erst um 12:10 Uhr, sind wir fast volle zwei Stunden durch die Stadt gefahren, hatten wiederholt erheblichen Frust entwickelt und mehr als einmal die wilden und rücksichtslosen Raser in der Stadt mit Schimpfwörtern belegt. Alles ging gut, wir konnten den roten Flitzer nach exakt gefahrenen 20.300 Kilometern ohne Beanstandung dem Vermieter zurück geben. Dreckig, voller Staub war er und wir hatten die letzten Stunden ganz schön geschwitzt. Tschüss, der Toyota war ein verlässlicher und hinsichtlich seines Spritverbrauchs mit seinen 2,4l Hubraum genügsamer “Begleiter”. Damit endet hier in Santiago unsere Rundreise per Auto, jedoch nicht unsere Zeit in Südamerika, denn vor dem Weiterflug nach Rapa Nui werden wir noch einen Abstecher nach Valparaiso unternehmen.

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Zurück nach Pucon – jetzt den Volcano Villarrica vor Augen

Vor wir wissen gar nicht mehr wieviel Wochen hatten wir Pucón den Rücken gekehrt bei strahlendem Wetter. Leider haben wir dabei den Volcano Villarrica nur von unten gesehen, statt wie erhofft oben auf ihm zu stehen. Unser Zeitpolster erlaubt es, auf dem Weg gen Norden hier einen 2-Tagesstop einzulegen. Ob das Wetter diesmal für eine Bergwanderung geeignet ist?

Fünf schöne Tage hatten wir in der Posada del Colono verbracht, auch viel mit Emma und Marcelo gesprochen, wir haben uns hier sehr wohl gefühlt, der Abschied von den beiden und dem so gar nicht als Wachhund tauglichen Pepe fiel herzlich aus. Zu Pepe ist folgendes nachzutragen. Während unserer Anwesenheit nächtigte auch ein Paar hier, das per Fahrrad unterwegs war. Pepe freundet sich mit jedem der hier ankommt an und begleitet sie, sei es nur zum Auto, zum See oder, wie die beiden Radfahrer, diese auf ihrer nächsten Etappe zum Ort Entre Lagos, nicht auf direktem Weg, sondern auf Umwegen. Seine Abwesenheit wurde erst nicht so richtig bemerkt, bis ein Anruf Emma aus dem 50 Kilometer entfernten Rupanco erreichte, hier sei ihr Hund angekommen. Offensichtlich hatten die beiden Radler den dann wohl ziemlich matten Pepe irgendwo auf der Strecke “abgeben” können. Den Hund abholen, daran wurde kein Gedanke verschwendet. Marcelo kehrte das harte Bauernherz heraus, Pepe sei eh kein Wachhund, sondern eher wie ein kleines Kind, soll er doch sehen, wie er zurück kommt. Also wurde nichts unternommen. Am nächsten Morgen lag dann ein völlig erschöpfter Pepe vor der Tür; der kleine Kerl hatte den Rückweg gefunden und war wohl froh, wieder bei seinem Fressnapf zu sein. Die ersten beiden Tage war mit ihm nicht viel anzufangen, verständlich, wenn man als Hund zwei Marathons am Stück in den kleinen Beinen hat.

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Wir haben ja keine Eile, nach Pucón zu kommen und legten einen Übernachtungsstop in Futrono am Lago Ranco ein. Da wir gemächlich fuhren, trafen wir dort auch erst am Spätnachmittag ein. Auf dem Weg dorthin passierten wir nicht nur 5 weitere mehr oder weniger sehr große Seen, schließlich bewegen wir uns hier im chilenischen Seengebiet, sondern auch teilweise sehr unterschiedliche Landschaften. Die Region um den Lago Llanquihue ist nicht nur hügelig, sonden die landwirtschaftlich genutzten Flächen oft auch relativ kleinteilig. Viehhaltung in Mehrhundertergröße haben wir hier nicht wahrgenommen, Großbetriebe fehlten, stattdessen immer wieder kleine Gehöfte und Katen entlang der Strecke. Wiesen und Weiden, immer wieder durch große Waldflächen aufgelockert, zahlreiche Bäume auf den Weiden spenden den Rindviechern Schatten. Getreideanbau konnten wir nicht ausmachen. Dies änderte sich, als wir in den Einzugsbereich des Lago Ranco, nachdem wir vorher einen kleinen Abstecher an den Lago Rupanco, leider erfolglos, denn ein Seezugang war nicht möglich, gemacht hatten, kamen. Die Hügel waren noch sanfter, die Weideflächen nahmen oft sehr große Dimensionen an, bäuerliche Großbetriebe bestimmten das Bild mit ihren in unseren Augen manchmal nicht mehr nach hunderten Tieren zu zählenden Viehbeständen. Hier wurde auch Futtergetreide und Mais in großem Umfang angebaut, Kleefelder wurden über ein umfangreiches Rohrsystem dauerhaft bewässert. Kleinbetriebe gab es kaum, kleine Katen waren von der Bildfläche verschwunden, stattdessen waren um den Hof herum eine ganze Reihe identischer Holzhäuser gebaut worden, offensichtlich für die Arbeiter und ihre Familien.

Nicht immer gelang es uns, ohne Umwege unsere geplante Strecke zu fahren, fehlten, wieder einmal, an wichtigen Kreuzungen Schilder, waren die angegebenen Entfernungsangaben nicht mit den der Karte zu entnehmenden identisch und führten uns deshalb in die Irre. Wahrscheinlich verschlägt es in diese Gegend zu selten Gäste, um diesen Mangel zu beheben. Über die Orte Entre Lagos, wo uns angesprochene Bewohner mit mißverständlichen Hinweisen nach dem Ort der Tankstelle fast in jede Himmelsrichtung schickten, über Crucero, als Ort kaum wahrzunehmen, es standen aber einige Häuser um eine Kreuzung herum, kamen wir zum Ort Lago Ranco am gleichnamigen See, ein unscheinbares Örtchen. Bei der Fahrt entlang des Sees, einer ehemals schmalen Schüttelpiste konnten wir wieder einmal die Bauwut im Land “bewundern”. Hier wurde großzügig auf zwei Spuren ausgeweitet, neue Brückenbauwerke errichtet und unendliche Kubikmeter Erde und Gestein bewegt. Eine normale Fahrt war kaum möglich, ständig musste gewartet oder Baufahrzeuge  vorbei gelassen werden. Die Aussicht an den wenigen anfahrbaren Aussichtspunkten war jedoch immer den Stop wert. Im Lago Ranco befinden sich einige mehr oder weniger große Inseln, deren bedeutendste die Isla Huapi ist, Wohnort einer größeren Mapuche Gemeinde. Wir umrundeten den See fast vollständig und müssen sagen, der Seeblick vom Süden aus war der eindruckvollste, im Osten und Norden führte uns die Straße zu oft vom Seeufer weg und um die den See eingrenzenden Bergrücken herum. Unsere Zeit ließ einen kleinen Abstecher zum etwas abseits gelegenen Lago Maihué zu; unsere Karte wies einen Ort namens Puerto Llolles auf, unser Ziel. Dort angekommen standen wir dann vor den Resten einer Steganlage, Bebauung gab es keine, aber einen kleinen Strand und einen ganz friedlich daliegenden ruhigen See. Zufahrend auf das Tagesziel wurde deutlich, was die seit längerem erkennbare umfassende Forstwirtschaft und die Anlage von überwiegend Eucalyptusplantagen angedeutet haben – wir waren in einem der Zentren der Holzwirtschaft gelandet. Große, kleine und sehr große Sägewerke befanden sich in der Nähe und in der Stadt Futrono. Immer wieder sahen wir auch sehr weit vor der Stadt auf den “Höfen” rechts und links der Straße Maschinen und Lkws stehen, die in der Forstwirtschaft und im Holztransport eingesetzt werden. Futrono ist deshalb auch keine von einem Reisenden besonders zu beachtende Stadt, ihr einziger touristischer Vorteil, weshalb hier auch eine Anzahl von Cabanas zur Vermietung angeboten werden, ist der See und der vor der Stadt liegende Strand.

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Am 29.12. setzten wir unsere Seenrundfahrt in Richtung Norden und an den Lago Villarrica fort. Den ersten am Wegesrand liegenden See, den Lago Rinihue steuerten wir an, mussten beim Versuch an sein Ufer zu kommen, wieder einmal vor den vielen Stacheldrahtzäunen und dem Privateigentum aufgeben. Vor Panguipulli stießen wir auf großflächige Obstanbaugebiete; unserer unfachmännischen Meinung nach könnte es sich hier um Blaubeeren handeln, Auskunft konnte uns keiner geben, obgleich hier im Land am Sonntag nicht nur die Landwirte, sondern auch (z.B.) die Müllwerker ihrer Arbeit nachgehen.

Panguipulli gehört auch zu den unscheinbaren und irgendwie am Rande liegenden Orten in dieser Region; obgleich angabegemäß 16.000 Menschen hier leben sollen, eine gewisse Ausdehnung hat diese Stadt auch, ihre Anziehungskraft, insbesondere wirtschaftlich ist begrenzt, wie wieder einmal der Zustand der in der Innenstadt liegenden Häuser belegt. Nach unserer Auffassung standen hier vergleichsweise viele Objekte leer und waren ihrem Verfall überlassen, andere suchten einen Käufer. Bei unserem kleinen Spaziergang entlang der Ufer”promenade” konnten wir nicht nur oberhalb eine ganze Reihe kleiner Giebelhäuschen mit ihrem tollen Blick in die Weite des Lago Panguipulli ausmachen, sondern stießen auch auf eine Holzskulptur, die offensichtlich die friedliche “Bekehrung” der indigenen Völker darstellen soll, eine Geschichtsverfälschung ersten Ranges, denn friedlich gingen die Glaubensvertreter gar nicht vor.

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Die anschließende Fahrt entlang des nordöstlichen Seeufers des Lago Panguipulli fand leider bei zunehmend schlechterem Wetter statt, es begann leicht zu regnen, der Himmel war dunkel, die Sicht nicht gerade gut. Den im Südosten liegenden Volcano Choshuenco konnten wir mehr ahnen als in seinen Umrissen wahrnehmen. Bei diesem zunehmend unbefriedigendem Wetter verzichteten wir auf einen Abstecher des malerischen Lago Pirehueico, über den auch eine Möglichkeit besteht, per Boot und Bus nach San Martin de los Andes in Argentinien zu reisen, um eher zügig als gemächlich zu unserem Tagesziel zu gelangen. Wir passierten tief unter uns liegend den Lago Neltume, drangen wieder in stark bewaldetes und zunehmend bergigeres Land vor, mussten diverse Regenschauer über uns bzw. unseren Flitzer ergehen lassen, bevor wir an die Thermen von Conaripe kamen. Ein Thermenbesuch war uns ja bislang nicht vergönnt gewesen, also fuhren wir in die Anlage, die zu einem Hotel gehört. Der gewonnene Eindruck deckte sich leider mit vielen früheren Wahrnehmungen – manche Unternehmen halten von Gebäudeunterhalt nicht sehr viel. So war auch dieser sehr weitläufige Hotel- und Resortkomplex mehr schlecht als recht in Schuss gehalten. Die Thermenbecken waren klein und nachdem uns der Preis für einen Besuch mitgeteilt wurde, das Wetter so schlecht wurde, so daß ein Aufenthalt im Freien wenig Freude macht, denn es wurde zunehmend bitter kalt, verschoben wir den Besuch erneut. Es gibt noch genug Thermen entlang unserer Route. Bald darauf durchfuhren wir Conaripe, auch eine dem Tourismus zugewandte Stadt am Lago Calafquen um anschließend am “Hauptort” dieses Sees, Lican Ray endlich mal an einen hier schwarzen Strand zu gehen. Und es regnete immer noch, was einem Gang an das Wasser jedoch keinen Abbruch tat. Lican Ray ist eine Ansammlung von Cabanas wie man sie sich kaum vorstellen kann. Hier stehen im Grunde nur kleine Ferienhäuschen und Cabanas, sonst nichts, wenn von den für einen funktionierenden Ferientourismus notwendigen Infrastrukturen wie Tankstelle, Gastronomie, Lebensmittelgeschäften abgesehen wird. Noch steppte hier nicht der Bär, aber erste Anzeichen für den kommenden Ansturm waren erkennbar, die Vergnügungsindustrie war dabei, ihre Angebote aufzubauen. Aber was ist in diesem Ort außerhalb der Urlaubszeit los – nichts, tote Hose. Die Strände, die schön tief und lang waren und aus feinem schwarzen Lavasand bestanden, sind jedoch attraktiv.

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Und dann war es nicht mehr weit zu unserem Ziel, Pucón, die Strecke waren wir bereits vor Wochen im wesentlichen gefahren. Unser Quartier, die Casa Satya, hatten wir vorab gebucht; wir befürchteten, nicht ganz zu Unrecht, mit unserer üblichen Strategie in den Ort fahren und suchen, kein vernünftiges Quartier zu finden. Die Casa Satya passt schon, ein sehr schönes uriges und überschaubares Domizil für die nächsten drei Nächte.

Unser Ziel ist ja, auf den Volcano Villarrica zu wandern, was entsprechend gutes Wetter voraussetzt. Direkt nach unserer Ankunft machten wir uns auf den Weg zu den beiden empfohlenen Veranstaltern um sehr ernüchtert ins Quartier zurück zu kehren. Nicht nur das schlechte Wetter, der Himmel war und blieb bedeckt, machte uns einen Strich durch unsere Pläne, darüber hinaus erfuhren wir, daß für den eventuell möglichen Termin, Wetterbesserung vorausgesetzt, der 31.12., mehr Voranmeldungen vorlagen, als mitgenommen werden. Für uns sah es sehr schlecht aus, dennoch ließen wir uns auf die Warteliste bei beiden Agenturen setzen. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung.

Am 30.12. war wahrlich kein Wetter, bei dem es Spaß machte, längere Strecken zu wandern es sei denn, man liebt es, im Regen zu laufen und wenig zu sehen. Wir nicht, deshalb blieben wir weitestgehend in unserem gemütlichen  Quartier. Wir hatten schon Pläne gemacht, wohin wir am letzten Tag des Jahres, vernünftiges Wetter vorausgesetzt, wandern wollen, als wir vom Veranstalter SummitChile angerufen wurden. Es waren Interessenten abgesprungen, wenn wir wollten, könnten wir … So schnell waren wir selten unterwegs, um zum Veranstalter zu kommen. Gut, Garantie gibt es nicht, aber der Wetterbericht für den 31.12. gibt, so hieß es, etwas Hoffnung, auch wenn diese noch relativ klein ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt, wir sind dabei. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß  Morgen wirklich ein Tag für einen Aufstieg auf den Volcano Villarrica ist.

Die nötigen Verpflegungseinkäufe für unsere Tageswanderung wurden noch schnell gekauft, dann erfolgte bereits unser erster Zugriff auf die Internetseite www.snow-forecast.cl, die eine auch von den Professionellen genutzte Vorhersage mit wichtigen Parametern wie z.B. Windgeschwindigkeit, Wolkenhöhe etc. bietet. Überzeugend sah das nicht aus, aber wir waren jetzt dabei, hatten unsere Chance bekommen. Ob es an der von Katrin auch eingekauften Tüte sehr fettiger Chips lag, wir schliefen nicht gerade fest oder viel und waren, als unser Wecker um 05:30 Uhr klingelte, eigentlich schon wach. Gefrühstückt haben wir kaum, Kaffee dafür um so mehr getrunken und sind dann schnellen Schritts, als Dritter aus der Casa Satya kam Max, aus Brasilien wie der Name schon sagt, ein Lotse auf dem Amazonas und in Manaus beheimatet, im Schlepptau mit. Wir waren bei SummitChile nicht die ersten an dem frühen Morgen, Claudio und seine Crew sowie weitere Mitwanderer waren bereits dabei, die bereit gestellte Ausrüstung anzuziehen und das nicht sofort benötigte Equipment, Steigeisen, Eispickel, Überhose und weiteren Anorak, Handschuhe (dicke und dünne), Mütze, Helm, Hilfsmittel zum Abrutschen im Schnee, im bereit stehenden Rucksack zu verpacken. Kurz nach 07:00 Uhr fuhren wir los, wie wir an der Liftstation feststellen konnten, waren wir beinahe die ersten am Abmarschpunkt. Es war schon bequem, per Kleinbus gut 10 Kilometer an den Berg herangefahren zu werden und auf bereits 1.400m Höhe aussteigen zu können, bleiben dann nur noch weitere 1.400m zu absolvierendem Aufstieg. Bei der Abfahrt hat jeder aus unserer kleinen Gruppe, Claudio beschränkt sich immer auf maximal 10 Gäste und begleitet diese mit 4 Bergführern, die übrigen Agenturen füllen fast einen Großbus mit ihren 24 Gästen, denen 3 maximal 4 Bergführer bzw. Assistenten zur Seite stehen, gen Süden auf den Villarrica geschaut und sich gefreut, denn der Vulkan präsentierte sich gerade ohne Wolken, auch wenn einige am Himmel zu sehen waren. Stimmung bei der Fahrt gut, auch wenn sicherlich der eine oder andere angespannt war. Bereits vor der Abfahrt hatte Claudio sehr deutlich gesagt, daß seiner Meinung nach keine guten Bedingungen für eine erfolgreiche Gipfelwanderung herrschen, der Himmel sei zwar im Augenblick klar am Berg, aber der dort herrschende Wind sei schon ganz schön stark, wie der aktuelle Wetterbericht aussagte. Wir könnten dennoch abfahren und dann vor Ort prüfen, wie die Chancen stehen. Klare Worte, die unsere Hoffnung natürlich dämpften, aber wohl nicht von jedem so deutlich verstanden wurden. An der Talstation der Lifte angekommen fuhr der Bus, wie im Nachhinein deutlich wurde, ganz bewußt auf eine etwas ausgesetztere Stelle. Während wir unser Gepäck ausluden, sah man Claudio mit einem Gerät an unterschiedlichen Stellen des Plateaus herumlaufen; er stieg auch auf die Liftstation hinauf, und erklärte uns anschließend sein Tun. Er war mit einem Windmeßgerät unterwegs, die Ergebnisse waren jedoch nicht erfreulich. Die Windgeschwindigkeit, die er hier unten messen konnte, betrug im günstigsten Fall 27m/sec; am Berg, wenn wir aus den windgeschützten Senken herauskämen, würde das deutlich mehr als 40m/sec bedeuten, ab 40m/sec würde im allgemeinen abgebrochen. Zudem sei zu erwarten, daß die weit entfernten Wolken im Verlaufe des Vormittages den Vulkan erreichen würden, bevor man oben sei. Das sei seine Prognose, es könne sich – vielleicht – auch anders entwickeln, unsere Entscheidung sei nun gefragt. Man muß wissen, daß wenn mit der Wanderung begonnen worden ist, es keine Erstattung der gezahlten 50.000 CLP gibt! Eine einheitliche Meinung bildete sich nicht unter uns 6 zahlenden Gästen; einer wollte egal wie den Versuch starten, zwei junge Brasilianerinnen schienen bereits jetzt bei dem Wind zu frösteln, ich wäre ein durchschnittliches Risiko eingegangen, Katrin hätte sich der Mehrheitsmeinung angeschlossen und Max war auch bis zum Schluß unentschieden. Dann rief Claudio uns zu einem engen Kreis zusammen, sah jedem in die Augen und entschied dann : die Chancen bis zum Krater zu kommen sind deutlich geringer als 50 Prozent; es entspricht nicht seiner Philosophie bei so schlechten Aussichten  mit der Wanderung zu beginnen. Im übrigen sei auch er von viel mehr Gipfelbesteigungen zurück gekommen als er Gipfel in seinem Bergsteigerleben erreicht habe. Es habe keinen Sinn, nach zwei Stunden festzustellen, es ginge nicht und dann zurück zu gehen. So fuhren wir wieder zurück nach Pucón, während uns die Heerscharen an Wanderer anderer Agenturen entgegenliefen. Bezeichnend, daß ein Bergführer im Blickkontakt mit Claudio ein Zeichen wie beim Kopfabschneiden machte. Diese Entscheidung von Claudio, die ihn und seine Mannschafft um die Tageseinnahme gebracht hat, ist anerkennenswert, zeugt von sehr seriösem Geschäftsgebaren und ist extrem fair gegenüber seinen Kunden. Wie wir am Abend erfuhren, sind alle (!) Wanderer nach etwa zwei Stunden Anstieg wegen der Bedingungen umgekehrt, hatte jeder seinen “Wett”einsatz verloren und die Agenturen richtig Geld verdient, obgleich offensichtlich schon beim Abmarsch erkennbar war, wie gering die Erfolgsaussichten waren. So wurde z.B. der Sessellift, der im allgemeinen benutzt wird, um erst ab 1.700m mit der Wanderung zu beginnen, wegen zu hoher Windgeschwindigkeit nicht in Betrieb genommen! Daraus kann man nur die Schlußfolgerung ziehen : Wanderer, willst du jemals auf den Volcano Villarrica wandern, mach es mit SummitChile, die Leute kann man nur wärmstens empfehlen! Bei unserem Kleinstgruppenfoto mit Claudio Retamal als Zweitem von rechts, war die Enttäuschung noch nicht jedem anzusehen, Ben, der gipfelsturmbesessene Amerikaner stand abseits.

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Wir waren also früher zurück als geplant in unserem Quartier und holten erst einmal das eigentliche Frühstück nach. Was mit dem “gewonnenen” Tag anfangen? Christine, unsere Wirtin, hatte einmal auf einen kleinen privaten Park, den “Parque El Cani” hingewiesen, vom höchsten erreichbaren Punkt gäbe es zur Belohnung nach einem 4 1/2 stündigen Aufstieg einen wunderschönen Rundumblick auf alle großen Vulkane, also eine Tageswanderung. Als wir, ebenso wie Max, gegen 10:00 Uhr immer noch am Tisch saßen und miteinander schwatzten, scheuchte sie uns auf, “also wenn ihr heute noch etwas Wandern wollt, dann wird es aber Zeit”! Christines Fürsorglichkeit als gebürtige aber seit 20 Jahren in Pucón lebende Schweizerin gegenüber ihren Gästen!

Weil ich mir den Fahrweg nicht richtig eingeprägt hatte und wir ohne jegliche Karte unterwegs waren, erreichten wir den Startpunkt der Wanderung erst mit mehr als einer dreiviertel Stunde Verspätung und begannen mit unserer Wanderung um 11:20 Uhr. Ab 17:00 Uhr hatten wir zu Sylvester mit der Heimat Skypetermine vereinbart, bummeln durften wir also nicht, für die Wanderung standen uns maximal 5 Stunden zur Verfügung. Dementsprechendes Tempo schlugen wir auch an, hatten dabei trotzdem genügend Muße, den uns bis zum Gipfelfelsen auf 1.550m begleitenden wunderschönen alten Wald mit seinen riesigen Alercen und später in der Höhe auch großen Araucarien zu bestaunen. Immer wieder konnten wir unter uns im Süden den Lago Villarrica und mehr im Westen den Lago Calburga, nie in Gänze, aber zu einem guten Teil sehen. Nach nicht ganz 70 Minuten hatten wir ein Refugio erreicht

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und gegenüber den Zeitangaben der Parkranger 35 Minuten hereingelaufen, auf einer Strecke, die permanent mehr oder weniger steil bergan ging. Ob wir uns den Frust aus dem Leib laufen wollten oder die Belastung am Abend verspüren wollten, die wir nach einer Wanderung zum Vulkankrater erfahren hätten, wir wissen es  nicht, aber in dem Tempo ging es weiter bis zum Gipfelblick, den wir nach 160 Minuten erreichten. Ganz verschwiegene Lagunen hatten wir dabei passiert, die Laguna Totoras und die Laguna Negra, erstere war fast ausgetrocknet und dient einer Anzahl von Kühen als Weide, letztere lag still da, umgebenen von zahlreichen Alercen sowie einer großen Anzahl von bis zu 2.000 Jahren alten Araucarien. Hinter der Lagune ragte dann der über steile Serpentinen zu erlaufende Aussichtsfelsen auf.

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Dann waren wir oben auf dem Aussichtsfelsen und schauten in die Runde. Der erste Blick ging natürlich in Richtung Volcano Villarrica – voll von Wolken eingehüllt; auch die übrigen von hier aus sichtbaren Vulkane, die Vulkane Quetrupillán, Lanin und Llaima waren unsichtbar, von Wolken eingehüllt, die Wolken flogen wieder einmal tief. Der Weg war das Ziel. Dennoch, auch ohne den Blick auf die hohen Vulkangipfel, der Blick ins Rund, auf die unter uns liegende nahezu geschlossene Baumdecke war prächtig. Schön zu sehen, wie auch in weiter Entfernung noch der typische Wald der Region an den Bergflanken hinauf reicht, nur in geringem Maße der Kettensäge und den Holzwirtschaftsinteressen zum Opfer fiel. Nach gut 10 minütiger Rundschau, dem Verzehr unseres Gipfelproviants, machten wir uns auf den Rückweg, den wir, wegen der Steilheit des Pfades und dem lockeren Untergrund oft mehr in kleinen Schritten laufend als gehend absolvierten. Was vereinbarte Termine so alles bewirken können – diesmal eine Wanderung, die nur knapp 4 Stunden dauerte an Stelle der anvisierten 6 1/2 Stunden – dann hätten wir aber nicht mehr skypen können – stattdessen saßen wir entspannt und geduscht vor dem Netbook und warteten. Unsere Muskeln teilten uns noch am nächsten Tag mit, sie seien ganz schön gefordert worden, also hat das Training sich auch in dieser Hinsicht gelohnt.

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Wir schreiben den 31.12.2013, nicht nur der letzte Tag des Jahres, sondern auch unser letzter Tag in Pucón. Auch wenn wir beim zweiten Versuch, zum Kraterrand des Volcano Villarrica zu wandern, nicht erfolgreich waren, der Ort und seine Landschaft sind es wert gewesen, hier weitere zwei Tage zu verbringen, an denen wir nette Menschen treffen konnten und uns in unserem Quartier sauwohl gefühlt haben. Das berühmte nächtliche Feuerwerk haben wir jedoch nicht bestaunt, nachdem es bald nach unserer Rückkehr von El Cani sehr heftig zu regnen begonnen hatte, ein Zustand, der auch nicht aufhören wollte.

Also, neues Jahr neues Glück, es gibt noch viel zu sehen und zu erleben.

Im Schatten des Vulcano Osorno – am Lago Llanquihue

Unser Standort in der Nähe von Puerto Klocker – wir haben diesen Ort bislang nicht wirklich entdeckt (!?)

oder liegt er hier unten :       P1080905

– auf der östlichen Seite des Lago Llanquihue eignet sich für eine ganze Reihe von Ausflügen, in Richtung Osornovulkan, zum Lago todos los Santos und seinem Hafen Petrohué oder auch  einer Rundfahrt um unseren Haussee, den Lago Llanquihue. Da uns Informationen zu den beiden ersten Tageszielen fehlen, blieb die Seerundfahrt für heute, den 23.12., als Ausflugsziel.

Wir fuhren im Uhrzeigersinn, d.h.  sahen auf den ersten Kilometern das, was wir am Vorabend in der einbrechenden Dunkelheit nur schemenhaft wahrgenommen hatten. Einen dominierenden Begleiter hatten wir den ganzen Tag – der Volcano Osorno war immer und überall in unserem Blickfeld, aber nicht nur dieser Vulkan, sondern zwei weitere waren immer wieder in der Ferne auszumachen.

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Nicht alles was er sah, erfreute den Betrachter – an vielen Stellen während unserer Ganztagesreise über gut 180 Kilometer immer eng am See entlang stießen wir auf Fischzuchtkäfige in großer Anzahl, in denen insbesondere Lachs produziert wird. Leider auch manchmal nur knapp 100 Meter von genutzten Badestellen entfernt. Die bekannten Gesundheitsgefahren werden hier offensichtlich in Kauf genommen, denn ohne Medikamente, insbesondere Antibiotika, läuft in der Fischzucht nichts. Wie zur Beruhigung erfuhren wir, jedem einzelnen Fisch würde per Injektion die Dosis Antibiotika verpasst. Selbst wenn das zutrifft, die Problematik der Fischmehlfütterung – auch per Pipette in jedes Fischmaul? – und die damit verbundene Verseuchung der Gewässer bleibt. Da die Endverarbeitung nicht vor Ort erfolgt, sind in der Nähe der Fischkäfige an Land Umschlagstationen geschaffen worden, in denen der lebende Fisch mitsamt dem Wasser in die Tanks großer LKWs umgepumpt wird.

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Auf unserer Rundreise sahen wir völlig verschiedene Seiten der “Seenutzung”. Insbesondere der südliche und westliche Teil ist stark touristisch orientiert, bestimmen in den Orten ab Ensenada bis nach Puerto Varas die Anbieter von Cabanas und Ferienbetten das Ortsbild, nicht tourismusverbundene Tätigkeiten sind kaum vorhanden, nur sehr selten sah man noch den klassischen Bauernhof, der doch für diese Region früher das typische Bild abgegeben hat. Auch Orte wie insbesondere Frutillar und mit großen Abstrichen Llanquihue werden stark von Touristen und Badegästen angefahren. Daneben steht dann das Bild einer durch die Landwirtschaft geprägten Landschaft. Hier hat man im Gegensatz zu dem aus Südpatagonien und Südargentinien abgespeicherten Bild einer Totalentlaubung der Böden zu Gunsten riesiger Weideflächen mit Augenmaß abgeholzt. Nicht nur Wälder wurden stehen gelassen, sondern die Weideflächen  und Äcker haben zivilisierte Ausmaße, das Landschaftsbild ist nicht eintönig sondern vielseitig durch die Bäume, Wälder, Sträuche, Knicks. Das leicht hügelige Seeumland verstärkt noch den Wohlfühleffekt, wenn durch derartige Landschaft gefahren wird.

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Viele der um den See herum entstandenen Ortschaften haben einen Bezug zu deutschen Einwanderern, meistens Mitte des 19. Jahrhunderts hier eingetroffen. In Frutillar z.B. wurde extra ein Museum geschaffen, um den Beitrag dieser Einwanderer zu würdigen. Kritiker meinen, hier würden nur die Erfolge dargestellt, das für die meisten hier eine neue Heimat Suchende sehr karge und harte Leben sei ausgeklammert worden. Dies deckt sich mit den Ansichten unseres Herbergsvaters, dessen Vorfahren ebenfalls in dieser Zeit hier eingetroffen sind (1854), aus Schlesien hat es sie an die Ufer des Lago Llanquihue verschlagen. Er vertritt die Ansicht, die Deutschen seien hier auch im 19. Jhd. schon die Chefs gewesen, die einheimischen Chilenen die Knechte. Alle Auswanderer von Beginn an Chefs, reich und erfolgreich? Die Wirklichkeit dürfte sehr weit davon entfernt sein, auch wenn es zahlreiche sehr erfolgreiche deutschstämmige Einwanderer gab. Dem deutschen Einfluß oder Deutschlandbezug begegnet man hier immer wieder. Der Begriff “Kuchen” ist in die chilenische Sprache integriert worden, ständig konnten wir entsprechende Hinweise lesen. Besonders deutlich wird der Einfluß deutscher Einwanderer in Puerto Varas. Die Stadt ist eine richtige Kleinstadt, lebt praktisch ausschließlich vom Tourismus, obgleich der direkt vor der Stadt liegende Strand keine Verheißung ist, da haben wir entlang des Lago Llanquihue schönere Abschnitte gesehen. In dieser Stadt sahen wir nicht nur häufiger deutsche Namen an den Geschäften, nein es gibt sogar einen deutschen Verein. Derartige Vereine haben wir aber nicht nur hier, sondern als Sportvereine, Kulturvereine auch in anderen durchfahrenen Orten entdeckt.

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Und die Krönung dann in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Quartier. Hier hat sich ein Uwe Petersen niedergelassen und bewohnt im halbjährigen Wechsel sein Prunkhaus am See oder wohnt in Deutschland. An der Straße flattert an einem Fahnenmast wohl sein Wahlspruch, den er bei den Nordfriesen entlehnt hat – oder ist er selber Nachfahre dieser standhaften Volksgruppe?

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(leewer doad aas slaw)

Puerto Varas hat trotz des Tourismusbooms einiges von seiner alten Struktur und seinen alten Bauten aus dem 19. Jahrhundert bewahrt. Die innere Innenstadt wird zwar von Hotelbauten und anderen modernen Zweckbauten beherrscht, zwei Straßenblocks von der Standpromenade entfernt, findet man jedoch das alte Puerto Varas mit seinen maximal zweigeschossigen mit Holzschindeln – seltener – oder Holzbrettern beplankten Wänden, manchmal verzierten Eingangsbereichen, oft an ähnliche Häuser z.B. im Erzgebirge oder auch Bayern oder Baden-Württemberg erinnernd.

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Auf die Tatsache, daß Weihnachten vor der Tür steht, machte an zentraler Stelle ein ganz besonderer Weihnachtsbaum aufmerksam, alles ist recyclingfähig oder vollständig wiederverwendbar :

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Auch wenn man zur Lebenszeit nicht so exponiert gewohnt hat, eher zu den armen Schluckern zählte – nach dem Tod sind alle gleich, haben sich wohl die Bewohner von Puerto Octay gedacht, als sie ihren Friedhof schufen. Hoch oben auf einem kleinen Hügel direkt am Llanquihue-See befindet er sich. Wenn schon der eine oder andere Hingeschiedene zu Lebzeiten wenig Anlaß hatte, die schöne Aussicht zu genießen mit dem über allem stehenden Volcano Osorno, von seinem Grab aus hat er die beste Sicht auf See und Vulkan, denn ausnahmslos alle Gräber wenden sich dem See und dem dahinter aufragenden Volcano Osorno zu.

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Fährt man durch das landwirtschaftlich geprägte Land, bemerkt man sowohl imposante große und großartige Herren-/Herrschaftshäuser auf dem Gutsland, oft läuft eine von stämmigen Bäumen gebildete Alle auf den Haupteingang zu, als auch aufgegebene Höfe, deren Gebäude verfallen und somit davon zeugen, nicht jeder fand hier auf Dauer sein Glück. Vielleicht wird zu wenig wahrgenommen, wie eng hier großer Wohlstand und Armut nebeneinander wohnen. Nicht nur vereinzelt fielen uns kleine Katen mit ihren Gemüsegärtchen auf, Häuser, denen man ansehen konnte, daß selbst in dieser reichen Region es am Vielem mangelt. Wir haben uns verkniffen vor diesen Häusern anzuhalten und sie zu fotografieren – wir schämten uns unserer Neugier.

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24.12. Weihnachten – warum kommen bei uns so gar keine weihnachtliche Empfindungen auf? Nun, wir sind nur sehr eingeschränkt in den letzten Wochen in Städten unterwegs gewesen, in denen das Weihnachtsgeschäft so richtig brummt und alles auf diesen konsumträchtigen Feiertag hinweist, so daß die übliche  Anstöße zum Geschenkekaufen, Korrespondenz verfassen gar nicht ausgelöst werden konnten. Weihnachtsbäume haben wir, bis auf den heute Abend bei unseren Herbergseltern auch nicht wahrgenommen, Weihnachtsmusik, wir hören kein Radio, ebenfalls nicht vernommen. Da zudem auch das Familientreffen an diesen Feiertagen für uns zumindest ausfällt, gibt es noch einen weiteren Grund, für diese Festtage nicht so richtig in Stimmung zu sein. Oft sind ja die Feiertage auch Tage ohne beruflichen Arbeitsstreß, den haben wir schon gar nicht, für uns ist jeder Tag ein Gewinn und Genuß. Schließlich sind wir es auch gewohnt, daß es an Weihnachten kalt ist, zumindest ist es um uns herum nicht sehr grün – hier erleben wir natürlich genau das Gegenteil. Hier scheint die Sonne prächtig vom Himmel, der See verlockt zum Baden, alles grünt und blüht, auch wenn die Landwirte hier vor Ort sich über die zu lang anhaltende Trockenheit beklagen. Zusammengefasst, vom Weihnachtsblues sind wir weit entfernt, nur schade, daß Familie und Freunde so weit weg sind, aber das wird sich ja in einigen Monaten wieder ändern.

Unser Problem war eher, wo können wir an den Feiertagen Essen gehen. Die Frage haben wir Marcelo, unserem Herbergsvater gestellt. Nun kocht Emma, seine Frau, auf Voranmeldung auch für die Gäste, aber an Weihnachten wollten wir nicht darum bitten. Sehr erstaunt und erfreut waren wir, als beide meinten, wir könnten doch zusammen mit ihnen am 24. essen, auch vegetarische Kost sei dabei kein Problem. Leicht beschämt waren wir, aber nach den Erfahrungen vom Vorabend war das die (!) Lösung. Und es wurde ein gemütliches Abendessen mit den beiden und einem ihrer Kinder, Alfonso, der in Santiago studiert und über die Feiertage nach Hause gekommen ist. Viel wurde miteinander gesprochen, wobei Marcelos Englisch vor allem für mich sehr gewöhnungsbedürftig ist, Katrin konnte sich besser in seine Sprache hineinhören, und wenn das nicht klappte, ging es halt auf Spanisch weiter. Irgendwie haben wir uns alle verstanden. Zur Krönung des Abends, als die Eltern dann Alfonso eine sehr große Türe in die Hand drückten, wurden auch wir beide von ihnen mit einem kleinen lokalen Kupferteller zu Weihnachten bedacht!. Eine sehr schöne Geste. Leicht angeheitert stiegen wir dann einen Stock hinauf zum Schlafen.

Ansonsten verbrachten wir den 24.12. sehr geruhsam mit einem kleinen Spaziergang auf der Suche nach Puerto Klocker, lesen, Blog schreiben etc., saßen in der Sonne und erwehrten uns der zunehmenden Angriffe einer hier nur vorübergehend auftretenden Bremsenart (den colihuachos), eine Art Pferdebremse, die wirklich sehr hartnäckig einem nachsetzen. Irgendwann war dann doch die Flucht in das Haus angesagt. Nicht alle Tiere haben die Attacken überlebt; unsere Tagesstrecke waren locker 20 Exemplare. Schade, denn die Mücken sehen eigentlich ganz putzig aus mit ihrem teilweise orangenfarbigen Körper.

Während daheim am 25.12. häufig Verwandtenbesuche auf dem Programm stehen, große weitere Völlerei erfolgt, gab es für uns ein Aktivitätsprogramm. Wenn schon der Volcano Osorna direkt hinter unserem Haus aufragt, dann sollte man im doch näher kommen. Bis an den Beginn eines Sessellifts auf etwa 1.000m kann man mit dem Auto über eine asphaltierte Straße fahren. Dort nehmen die Gehfaulen, wozu nach Angaben von Marcelo alle Chilenen zählen (“nur die Europäer laufen da hinauf, wo man doch bequem mit dem Lift ein großes Stück nach oben kommt”), die Aufstiegshilfe in Anspruch oder aber man geht, wie wir, die Abfahrtsstrecke nach oben. Da der Untergrund aus meistens aus sehr kleinkörnigem Vulkangestein und Vulkanasche besteht, sinkt man nicht nur immer wieder ganz schön ein, sondern das Vorwärtskommen wird eine anstrengende Tätigkeit, deutlich mühsamer, als im Sand am Strand sich fortzubewegen. Und bei einer Steigung von durchschnittlich gut über 20 Prozent kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Als wir das Ende der beiden hintereinander gekoppelten Sessellifte erreichten, wurden diese dann auch für die anderen Besucher in Betrieb genommen. Wir hatten den Höhenunterschied von über 500m in knapp 50 Minuten überwunden. Viele weitere Höhenmeter konnten wir nicht mehr gehen, dann versperrte uns der Gletscher das weitere Fortkommen. Mit einem Führer und unter Verwendung von Steigeisen und Pickel ist die Besteigung des etwas über 2.600m hohen Vulkankegels an einem Tag möglich, ohne zertifizierten Führer oder als ausgewiesenes aktives Mitglied eines Alpinistenvereins ist die Besteigung, aus gutem Grund wegen der Todesfälle, untersagt. Von Unglücken vor Ort am Berg zeugen kleine Gedenkkreuze. Auch wenn der nicht angestrebte Gipfelblick nicht möglich war, von den erreichten gut 18/19hundert Metern hatten wir einen schönen Blick auf den Lago Llanquihue, die umliegenden Vulkane, insbesondere den Calbuco und in die Weite des Landes, leicht beeinträchtigt durch eine lockere Wolkendecke. Eine Belohnung für den schweißtreibenden Aufstieg, bei dem wieder ein strammer Wind ging. Da auf gut 15/16hundert Meter Höhe einige Nebenkrater bestehen, liefen wir diesen kleinen Schlenker auf unserem Rückweg mit. Interessant war auch zu sehen, in welch unterschiedlichen Farben das Vulkangestein vorhanden ist, nicht nur in schwarz und grau, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Rottöne stachen optisch aus den Geröllfeldern und dem Geröllberg hervor.

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Für den Nachmittag hatten wir uns vorgenommen, den Pazifik zu besuchen, seine Ausläufer befinden sich fast um die Ecke von unserem See. Der Fjord Estuario de Reloncavi erstreckt sich fast 60 Kilometer landeinwärts und man kann zumindest entlang einer Fjordseite bis hin zum Golfo de Ancud, also dem Pazifik fahren. Soweit wollten wir nicht, aber wenigstens etwas Luft der weiten Welt schnuppern, den Tidenhub beobachten. Leider war der Himmel auch weiterhin sehr bedeckt. Die Fahrt führte uns über das bereits mehrfach durchfahrene Ensenada durch das Tal des Rio Petrohué nach Ralún an der Nordspitze des Fjordes. Das befahrene Tal war wieder einmal stark bewaldet, knorrige Bäume, oft eine hier heimische Ulmenart, prägten die Strecke, ein sehr breiter und schnell fließender Rio Petrohué begleitete uns bis zu seiner Einmündung in den Fjord.  Der Tidenhub war sichtbar, denn ein Teil des Landes war trockengefallen. Von hier ab schlängelt die Straße sich am Berg entlang; die wahrgenommene Landschaft und die gegenüberliegenden Bergflanken vermitteln schon den Eindruck eines Fjordes, steil, stark bewaldet wo möglich, kaum bewirtschaftetes Land, selten eine Bebauung. Auch dieser Fjord wird von der Fischindustrie zur Aufzucht von wahrscheinlich Lachs genutzt, wie die zahlreichen schwimmenden Aufzuchtbecken signalisieren. Welche Rolle die in einer systematischen Ordnung ausgebrachten Bojen haben, wissen wir nicht, vermuten aber, daß hieran auch wieder Netze für Fischkäfige befestigt sind. Etwa 15 Kilometer fjordabwärts erreichten wir ein unscheinbares Örtchen, Cochamo, in dem die Zeit stehen geblieben war. Einfache Holzhäuser säumten die wenigen Sträßchen, das mit am besten erhaltene Gebäude war eine nicht ganz neue schindelgedeckte und mit Schindeln beplankte Holzkirche in der Nähe der Mole. Es heißt, dieses Kirchlein sei im Chiloe-Stil erbaut worden; mangels Besuch der Insel und weiterer Kenntnisse gehen wir davon aus, daß der vorgefundene sehr schlichte innere Stil des Gebäudes einem besonderen Stil entsprechen soll. Die Plage der Pferdebremsen, die uns seit einigen Tagen begleitet, ist leider nicht auf unseren Haussee begrenzt, sondern verfolgte uns auch hier. Nachdem wir den Wagen am Ufer geparkt hatten um zum Kirchlein zu laufen, waren wir für diese Mücken Freiwild. Mit wildem Gefuchtel versuchten wir, die immer größere Zahl der Plagegeister uns vom Leib zu halten und waren froh, nach wenigen Minuten und immer schnelleren Schritten in das rettende Dunkel der Kirche zu kommen. Diese Quälgeister waren dann auch der Grund, weshalb wir sehr schnell und auf direktem Weg zurück zum Quartier fuhren, jedoch nicht, ohne vorher noch einen Blick auf den über den Fjord zu uns herüberblickenden Volcano Yates geworfen zu haben.

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Wir hatten noch längst nicht alles gesehen, was uns u.a. auch Emma und Marcelo ans Herz gelegt hatten. Deshalb stand für den 26.12. eine Fahrt zum und Wanderung am Lago todos los Santos, etwa 40 Kilometer entfernt auf dem “Programm”. Natürlich legten wir dabei auch einen kurzen Stop an den angepriesenen Wasserfällen de Petrohué ein, mussten aber feststellen, deutlich interessantere und imposantere gesehen zu haben, ohne dabei einige tausend Kilometer Richtung Iguazu zu schauen. Es war putzig zu beobachten, wie die ebenfalls den Wasserfall besichtigenden Chilenen die Gelegenheit nutzten, sich in allen möglichen Posen vor dem kleinen Gebrause abzulichten, sowohl Männer wie Frauen waren auf derartige Aufnahmen erpicht.

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In Petrohué, dem einzigen Ort am Lago todos los Santos, bestehend aus wenigen Häusern, diversen Anlegestellen für Bootsfahrten, dem Büro der CONAF sowie dem “Abfertigungsgebäude” der Seeschifffahrt – siehe folgenden Tag –, starteten wir, nachdem wir Streckeninformationen im NP-Büro der CONAF eingeholt hatten, zu einer denkwürdigen und rekordverdächtigen gut 18 Kilometerwanderung bergauf und bergab, durch Lavageröll und lange Strecke durch tiefen Lavasand und –kies am Strand in nicht ganz vier Stunden. Fazit : wenn Rekorde gegangen werden sollen, dann ist die beste Zeit zwischen Mitte Dezember bis zum 21. Januar. Warum? Ganz einfach, die bereits erwähnte Pferdebremse, sie lebt nur in dem genannten Zeitraum, hält jeden, der in dieser Zeit versucht, in der Nähe von Gewässern zu wandern, automatisch erheblich in Trab, der Schritt wird trotz der permanenten Abwehrversuche der Viecher schnell, auch sehr kraftzehrender Untergrund wird dann spielend überwunden. Zuerst schritten wir auch ungeplagt munter aus, durchliefen einen jungen Wald in Ufernähe und stiegen langsam die Flanke des Osorno bergauf, kamen in einen sehr schönen Altbestand von Alercen. Über weite Strecken war erkennbar, daß ein großer Teil unseres Weges auf einer dünnen Humusschicht und einem starken Unterbau von Lavageröll verlief. Nur kleinere Waldstücke waren in der Vergangenheit von Vulkanausbrüchen verschont geblieben. Deshalb auch in weiten Teilen ein Baumbestand, der keine hundert Jahre alt ist. Den vereinzelt auftretenden Quälgeistern schenkten wir nicht allzu viel Beachtung, im allgemeinen waren wir zwei gegen eine Bremse, was deren Exitus bedeutete. So ab Kilometer zwei, wir querten gerade ein einige hundert Meter breites Lavaflussbett, sahen wir in angemessener Entfernung einen Wanderer wilde Armbewegungen machen, dann fiel er sogar an zu laufen. Kaum hatten wir das bemerkt, hörten wir auch ein zunehmendes Summen rund um uns herum.  Hatten wir früher die Erfahrung gemacht, schwarze oder dunkle Kleidung zieht die Viecher magisch an und deshalb auf diese Bekleidung verzichtet, mussten wir jetzt feststellen, dies galt gestern, heute aber nicht mehr. Da die Bremsen meistens nur mich umschwirrten, deckte Katrin mich von hinten ab und versuchte zur Landung ansetzende Flugobjekte zu eliminieren. Trotz dieser zusätzlichen Sportübung kamen wir in normalem Tempo voran, hatten manchmal auch für einige Zeit das Glück, entweder den größten Teil der Quälgeister erlegt oder verjagt zu haben. Zur Panik bestand wenig Anlaß, wir schienen alles im Griff zu haben und hatten genug Muße, Landschaft, Wald, Berge und See in Ruhe zu genießen – zumindest auf der ersten Hälfte der Wanderung. Die Situation änderte sich dramatisch, als wir wieder in die Nähe des Sees kamen und uns der zunehmenden Angriffe der gegen uns aufgefahrenen Heerscharen erwehren mussten und erwehrten, indem wir mit einem abgerissenen Ästchen wild um uns herum wedelten. Blicke für unsere Umgebung hatten wir nur noch wenige, eher war der Blick auf den Weg gerichtet, der die Qualität eines echten Pfades hatte mit Stock und Stein. Wir nahmen zwar wahr, daß wir durch einen Wald liefen, der teilweise an einen Regenwald erinnert, durch schöne sehr tiefe Bachtäler uns kämpften, durch fehlende Bezeichnung des Weges auch in einen falschen Pfad eingebogen sind, hin und wieder einen Blick auf den See, seine verschwiegenen Strände warfen, ja sogar solche Strände besuchten – zum Glück konnte ich Katrin von einem Badeversuch abbringen, wie hätte sie anschließend herumspringen müssen, um sich die Bremsen vom Leib zu halten – aber unser größtes Augenmerk richteten wir auf die uns umschwirrenden Flugobjekte. Wenige nur brachten wir zur Strecke, es fiel kaum auf, wenn mal wieder ein Bremsenkörper tot am Boden lag, der Ersatz war bereits zur Stelle. Die Phasen, in denen wir von Angriffen verschont wurden, nahmen spürbar ab und eine Daueroffensive begann, als wir nach etwa 3 1/4 Stunden am Strand ankamen. Von da an schwirrten nach Katrins Angaben deutlich mehr als 20 Bremsen um mich herum und wir beide hatten gut zu tun, unsere Blätterwedel in Betrieb zu halten. Was anstrengender war, das um sich schlagen oder in sehr schnellem Schritt durch den Strandkies und –sand zu laufen, wissen wir nicht. Schweiß floss jedoch in erheblichem Umfang. Und dieser Strand nahm kein Ende, der ersten Bucht folgte eine weitere, und dann wieder eine und so fort. Wegmarkierungen hatten wir seit etwa der Hälfte der Strecke schmerzlich vermisst, deshalb erschien uns der Weg am Strand entlang die einzige Lösung, zum Ziel zu kommen. Wir haben es auch geschafft und – wurden nicht gestochen (die Stiche sollen mehr als unangenehm sein). Wir waren aber auch froh, als wir auf dem Parkplatz unser Auto sahen und wussten, gleich sind wir in Sicherheit. Tür aufgeschlossen, aufgerissen hineingesprungen, Tür zu, waren fast eins. Etwas tröstete uns, wir sahen auch Parkwächter auf dem Weg, die sich ebenfalls der Plagegeister erwehren mussten, also auch Einheimische werden Opfer. Wir hatten ein nicht so kleines Wanderpensum erledigt und waren auch erledigt. Irgendwie ein “ereignisreicher” und besonders aktiver Tag.

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Alle, mit denen wir über unser Ziel Lago Llanquihue sprachen, schwärmten von einer Fahrt über den Lago todos los Santos, am besten als Fährfahrt zum am östlichen Ende gelegenen Peulla. Auch Marcelo legte uns diesen Ausflug sehr ans Herz. Sollen so viele Menschen sich irren? Wir glaubten nein und fuhren am 27.12. deshalb nach Petrohué. Einen stolzen Preis (24.000 CLP, das sind mehr als 30 Euro pro Person) mussten wir für die insgesamt fast 4 Stunden Bootsfahrt bezahlen und uns dabei die Aussicht mit über 300 weiteren Fahrgästen teilen. Der Katamaran war bis auf den letzten Platz gefüllt; zahlreiche Busse hatten aus auch weiter entfernteren Städten wie Puerto Montt oder Puerto Varas hunderte Urlauber hierhin gebracht, meistens ein Ausflugspaket verkauft, das auch noch kostspielige Aktivitäten in Puella umfasste. Dieser Flecken und der Lago todos los Santos wurde vor 100 Jahren von einem Herrn Roth “entdeckt” und seitdem umfassend für den Tourismus und den Geldbeutel der Familie Roth erschlossen. Hier besitzt diese Familie nahezu alles und hat auf vieles ein Monopol. Nicht nur die einzige Fähre gehören zum Besitztum, sondern umfangreiche Ländereien, eine riesige Insel im Lago, übrigens, hier besteht ein Nationalpark (!!), in Peulla die beiden (einzigen) Hotels, die Transferrechte quer durch die Halbinsel zu einem weiteren Hafen, eine landesweit agierende  Reiseagentur, eine Adventuregesellschaft, diverse weitere Hotels, im Grunde alles, was im Rahmen einer kompletten Wertschöpfungskette im Tourismus erforderlich ist, um an jeder einzelnen Station mitverdienen zu können. Angesichts dieser großen Anhäufung von Unternehmen verwunderte dann, den renovierungsbedürftigen Zustand eines der beiden Hotels in Peulla feststellen zu müssen. Hier nagt der Zahn der Zeit beträchtlich.

Natürlich haben wir uns unsere gute Laune durch den Fährpreis nicht vermiesen lassen, dazu war viel zu viel auf der Fahrt zu sehen. Was wir am Vortag durch die Fahrt in den kleinen Fjord schon erleben konnten, wiederholte sich auch hier. Zwar stehen die Berge nicht immer ganz dicht am teilweise grünschimmernden See, aber meistens ragen sie steil aus dem Wasser heraus, sind bis zur Wasserlinie stark bewaldet. Nur sehr selten waren hier und da kleine Häuser in Ufernähe zu sehen, alle nur über den See zu erreichen, denn Straßen oder Pisten gibt es östlich von Petrohué am See entlang nicht. Transfers von Personen erfolgen deshalb auch in der Regel in der Form, daß die Fähre auf dem See kurz anhält, um den Passagier von einem kleinen Boot zu übernehmen und nach Peulla oder Petrohué mitzunehmen. Ein Leben in nahezu völliger Abgeschiedenheit; in dieser Zeit dürften die Bremsen dann für die beste Unterhaltung sorgen. Während der Fahrt konnten wir immer wieder in den einen oder anderen der zahlreichen Seitenarme des Lagos hineinblicken und erkennen, welch große Ausdehnung er besitzt. Unsere Fährfahrt, bei der der See in seiner Länge durchmessen wurde, erstreckte sich über 20sm, das sind rund 32 Kilometer. Natürlich begleitete uns auch hier der Volcano Osorno, aber nicht nur er, sondern auch andere Vulkane waren während unserer Fahrt zu erkennen, wie z.B. der sehr spitz zulaufende Volcano Puntiagudo oder der Grenzvulkan  Monte Tronador mit seinen 3.451m und seinen Gletscherfeldern. Nicht jede Minute konnte man Neues entdecken beim Rundumblick, aber diese ruhig daliegende Natur beeindruckte. In Peulla angelandet hatten wir gut 3 Stunden “zur freien Verfügung”; gerne hätten wir die Pause auch zu einer kleinen Wanderung in das Tal des Rio Puella genutzt. Der Empfang durch eine Armada von Bremsen veranlasste uns aber, im Restaurant Zuflucht zu suchen – einen Gewaltmarsch wie gestern wollten wir heute nicht wiederholen. Mit uns verließen auch einige Reisende das Boot, um per Bus und anschließenden Bootsfahrten nach Argentinien weiter zu reisen mit Zielort Bariloche. Auch hier der gesamte Transportprozess in der Hand von Unternehmen der Familie Roth. In einer schönen spätnachmittäglichen Stimmung ging es dann über den See zurück nach Petrohué.

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Das war dann unser letzter Ausflug von unserem Standort La Posada del Colono aus, ein rundum gelungener Tag.

Al Fin del Mundo – nicht ganz, aber fast!

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Nun liegt Punta Arenas ziemlich am südlichen Ende Südamerikas, aber nur ziemlich. Der eigentlich südlichste Punkt des südamerikanischen Kontinents liegt südlich von Punta Arenas und kann in einem, wie es heißt anstrengenden, Fünftagestrecking erreicht werden; es ist das Cruz de los Mares. Weiter südlich liegt dann nur noch Feuerland/ Tierra del Fuego mit Ushuaia als größter Stadt; und dann ist immer noch nicht das Meer erreicht, weitere, zahlreiche Inseln auf chilenischem Hoheitsgebiet folgen noch, bis man ganz im Süden bei dem berühmt-berüchtigten Kap Horn angelangt ist. Weder das Cruz de los Mares noch Kap Horn waren unser Ziel  – obgleich, als Segler wäre Kap Horn zu umsegeln ein Traum (!) –, aber Südamerika ohne Feuerland wäre eine nicht ganz vollständige Reise.

So lichteten wir dann am 16.12. den Anker und steuerten in Richtung Ushuaia. Sehr viel Neues konnten wir während der über 600 Kilometer langen Fahrt nicht sehen. Die ersten Streckenkilometer aus Punta Arenas hinaus war immer wieder ein Blick auf die hier doch sehr breite Magellanstraße möglich, auf der kaum Schiffsverkehr zu beobachten war. Später ging es etwas landeinwärts und die endlose Weite hatte uns wieder eingefangen. Man hatte den Eindruck, sämtliche Flächen, gleich ob eben oder leicht hügelig, wären rasiert worden, nur sehr wenige vorwitzige Bartstoppeln hatten die Rasur überlebt. Die glatten Flächen wurden zunehmend genutzt, überwiegend von großen Schafherden, seltener von Nandus.

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Als wir uns bei etwa Kilometer 160 wieder der Magellanstraße annäherten, tauchten entlang der Straße eine ganze Reihe heruntergekommener Gebäude auf, die mein Interesse weckten. Ausgestiegen und herumgelaufen stellte sich heraus, es handelt sich um die Estancia San Gregorio. Teile der verwahrlosten Gebäude werden immer noch genutzt. So fand ich in der ehemaligen Garage zahllose Ballen mit Schafswolle, die ehemalige Schurhalle wird immer noch zum gleichen Zweck genutzt – ein Dutzend Schafscherer machte gerade Pause, während in den Boxen dicht zusammengedrängt Tiere auf ihre Körperpflege warteten. In einem Außengatter liefen eine große Anzahl geschorener Schafe herum, hinter weiteren Gattern wartete ein sehr viel größere Zahl Schafe auf ihre Sommerschur. Und unweit des umfangreichen Gebäudekomplexes war am Strand dann ein havariertes Lastenschiff zu “besichtigen”, das hier gestrandet war, auch ein Hinweis darauf, daß von der Estancia die Wolle direkt verschifft worden ist.

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Bald darauf fuhren wir auf Punta Delgada, dem Fährort für ein Übersetzen nach Feuerland, zu. Eine große Schlange an LKWs wartete auf die Passage, die Anzahl der anstehenden PKWs war überschaubar. Wir hatten Glück und kamen mit der nächsten Fährfahrt mit. Die Meerenge beträgt hier nach meiner Erinnerung nur gut 4,5sm, das sind gut 7 Kilometer.

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Auf Feuerland konnten wir hinsichtlich der Landschaft anfangs keine Veränderung gegenüber dem Festland feststellen; sogar Guanakos waren hier anzutreffen. Doch nach und nach mit der Annäherung an die argentinische Grenze nahm die Bewaldung zu,  waren nicht mehr alle Erhebungen kahlrasiert.

Bei San Sebastian (sowohl auf chilenischer als auch argentinischer Seite heißt der Grenzort gleich, obwohl etwa 10 Kilometer auseinander liegend) wechselten wir von Chile nach Argentinien und fuhren, nachdem die letzten gut 120 chilenische Kilometer eine Schotter- und Erdpiste waren, auf geteerter Straße unserem Ziel entgegen. Die Estancias blieben groß. Neu war die Beobachtung, daß wir uns in einer Art Emsland  befanden, denn zu beiden Straßenseiten tauchten immer wieder Ölförderpumpen auf, befanden sich in größeren Abständen Batterien von Öltanks, sogar eine entsprechende Fabrik war in respektvollem Abstand zur Straße in Betrieb, waren über lange Strecken Rohre durch das Land gezogen worden.. Nun war uns auch klar, was es mit den von uns im Dutzend überholten LKWs auf sich hatte, die alle irgendwelche Rohre, Gestänge, Maschinen, Bohrgestänge (?) transportierten.

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Und wieder wurden zahlreiche Stempel in unsere Pässe gedrückt, die Fahrzeugpapiere intensiv geprüft und mit den bereits erfassten Daten früherer Grenzübertritte verglichen, nicht immer ging das wirklich schnell über die Bühne. Dann strebten wir zügig unserem Ziel Ushuaia entgegen, gut 330 Kilometer Strecke lagen noch vor uns und der Nachmittag hatte bereits deutlich begonnen. Da blieb wenig Zeit für Zwischenstops, Fotostops, maximal kurze Pinkelpausen konnten wir uns zugestehen. Wir waren hierin eisern, bis wir das Weideland und den Atlantik hinter uns gelassen und zunehmend wieder in bergiges Gelände und bewaldete Zonen hineinfuhren. Dann lag er plötzlich vor uns, der Lago Fagnano, dessen größter Teil Argentinien zuzurechnen ist und nur ein kleiner Zipfel im Westen in Chile liegt. Umgeben von Wald an manchmal sehr steil aufsteigenden Bergflanken lag er da. Seine Dimension konnten wir erst so richtig wahrnehmen, als wir, kurz bevor die Straße sich wieder vom See wegwandte, anhielten, um zu schauen. Schön war das Bild.

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Kurz danach hatten wir die Passhöhe überschritten und rollten die nächsten gut 45 Kilometer dem Meer und Ushuaia entgegen. Gegen 20:00 Uhr waren wir, endlich, am Zielort, hatten aber noch kein Quartier. Die in der Tourismusinfo erhaltenen Auskünfte und Unterlagen stellten sich ebenso wenig als große Hilfe heraus, wie die im Reiseführer enthaltenen Angaben; in einigen Fällen existierte die Herberge nicht mehr, in einem anderen Fall wurde seit Jahren nicht mehr vermietet – alles Angaben aus einem Werk, das im Juni 2013 in 8. und überarbeiteter Auflage erschienen ist! So fuhren wir mehr oder weniger systematisch die innerstädtischen Straßen ab, hielten hier und da, wo ein Schild auf eine Herberge hinwies, an, fragten nach und schüttelten bei den aufgerufenen Preisen den Kopf. Welche Übernachtungspreise hier für das unscheinbarste kleine Zimmerchen und oft in einem nicht sehr überzeugenden Zustand verlangt werden, überstieg dann doch unsere Schmerzgrenze. Für 100 Euro hätten wir in anderen Städten eine Luxussuite beziehen können, hier reicht es zu einem kargen Zimmer. Lange dauerte die Suche, die Uhr ging auf 22:00 Uhr zu,bis wir per Zufall an einer Ampel stehend neben uns einen Hostalhinweis fanden. Nachgefragt und das überteuerte Angebot dann angenommen, uns blieb kaum etwas anderes übrig. Und wie zur Bestätigung des Nepps, das Frühstück fiel trotz des Hammerpreises so kärglich aus wie kaum eines zuvor. Das einzig positive an unserer Bleibe, der Blick aus unserem Fenster über die Stadt auf den Beagle-Kanal.

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Am 17.12. begrüßte uns morgens schon sehr trübes Wetter, typisch für eine am Meer gelegene Stadt, insbesondere, wenn dies auch noch in Feuerland ist; hier wechselt der Wetterzustand sehr schnell, mit Regenschauern muß man immer rechnen, hat aber  zugleich die Hoffnung, die Sonne bald wieder zu sehen. Wie immer steht am Anfang eine Stadterkundung und die Beschaffung von Informationen. Insbesondere geht es um die verschiedenen Möglichkeiten, den Beagle-Kanal zu befahren. Ich hatte großes Interesse an einem Segeltörn, der hier auch angeboten werden soll. Die über die Touristeninformation bereitgestellten Infos waren sehr dürftig, die in den am Hafen stehenden Verkaufsbüdchen der diversen Veranstalter von Bootsfahrten gegebenen Auskünfte auch sehr ernüchternd. Angebote für Segeltörns gab es, aber keine konkrete Information wann und wo; dies machte der Kapitän wohl vom Wetter abhängig. Keine tollen Aussichten, sich einen Traum zu erfüllen. Zu diesen unbefriedigenden Aussagen kam dann noch ein immer schlechter werdendes Wetter hinzu, es regnete sich ein und trieb uns zurück in unser Hostel. Bei Dauerregen eine Stadt zu erlaufen macht wenig Spaß, also warteten wir auf eine Wetterbesserung und begannen, die verbliebene Zeit zu verplanen, Infos über das Netz einzuholen. Bis zur Rückgabe des Fahrzeuges haben wir noch 2 1/2 Wochen Zeit, neue Ziele ins Visier zu nehmen und anzusteuern. Wie kommt es dazu, soviel Zeit im “Überfluß” zu haben?  Ganz einfach : unser ursprünglicher Plan, den Salar de Uyuni zu bereisen, mussten wir, wie geschildert, beerdigen, d.h. die dafür vorgesehenen maximal 6 Tage stehen für andere Pläne zur Verfügung; die Reise in den äußersten Norden Chiles, für den ebenfalls eine Woche veranschlagt war, haben wir gestrichen, da die dabei zu bereisende Landschaft nur zu Depressionen bei uns geführt hätte. Also heißt es jetzt, sich neue Ziele zu setzen, Ziele, die auf unserer Rückfahrt nach Santiago angelaufen werden können und die lange Fahrtstrecke in erträgliche Teilstücke unterteilt. Da es noch so viele Regionen insbesondere in Chile gibt, deren (Kurz)Besuch uns reizt, war es nicht so schwer, die restlichen Tage in Südamerika sinnvoll zu füllen.

Am Nachmitttag hatte der Regen nachgelassen, so daß wir unseren Erkundungsgang nachholen konnten. Einen Schönheitspreis hat diese Stadt nicht verdient. Am Meer liegend und dahinter dann die aufsteigenden Berge bestimmen das Stadtbild, das durch teilweise steil ansteigende Straßen, manchmal auch durch entsprechende Treppen, geprägt ist. Aber noch deutlicher stechen die Holzhäuser, oft in einem mehr als sanierungsbedürftigen Zustand, bestimmend heraus. Manches sieht nach Behelfsbau aus, manchmal entstanden auch vorzeigbare Objekte, manche Altbauten wurden ansprechend saniert. Insgesamt wirkt die Stadt eher schmuddelig als anheimelnd, Hafenstadt eben. Daß der Tourismus eine wichtige Säule und Wirtschaftsfaktor für die Stadt darstellt, sieht man in der Innenstadt auf Schritt und Tritt, ohne daß damit ein Bild entsteht, wie es z.B. in Calafate gegeben ist.

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Wir hatten uns dazu entschieden, nur noch einen Tag, d.h. den 18.12., in dieser Stadt zu bleiben. Am Vormittag machten wir uns auf den Weg, an den Fuß des Gletschers Martial zu kommen. Eine kurze Fahrt aus der Stadt heraus brachte uns an die Talstation eines kleinen Sesselliftes. Im Gegensatz zu den Einheimischen, die die “Aufstiegshilfe” auch beim “Wandern” benutzen, liefen wir die knapp 30 Meter breite Piste hinauf. Auch von der “Berg”station des Liftes war es noch eine gute Strecke Weges, die uns anfangs auf normalem schmalen Weg, später über Geröll und Schnee zwischen zwei Gletscherzungen führte. Wir standen dann nach 1 1/2 Stunden Wandern wirklich auf einem Gletscher, leider mit schlechter Sicht, denn in den Wolken. Das mögliche Panorama blieb uns versagt.

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Für den Nachmittag hatten wir uns vorgenommen, entweder per Segelschiff oder mit einem normalen Ausflugsboot einige Stunden auf dem Beagle-Kanal zu schippern. Zwar fanden wir einen Anbieter/Vermittler für eine Fahrt auf einem passablen Segelboot, da das Büdchen aber erst wieder ab 15:00 Uhr besetzt sein sollte, sämtliche andere uns bekannten Bootsausflüge aber zu dieser Zeit den Hafen verlassen, gab es keine Chance, die Realisierbarkeit meines Traumes zu prüfen, wollten wir nicht mehr leeren Händen, sprich ohne Bootsfahrt dastehen. Zudem ließ die glatte Oberfläche des Beagle-Kanals nur geringe Windstärke vermuten. So kauften wir dann Tickets für eine Bootsfahrt, die uns in 3 1/2 Stunden über den Beagle-Kanal, rund um einen Leuchtturm, zu mehreren Inseln mit Pinguinen, Seelöwen sowie einer Insel für einen kurzen Landausflug brachte. Gesehen haben wir also viel, gesehen haben wir aber auch, wie zwei Segelboote um 15:00 Uhr am anderen Ende des Hafens die Leinen losmachten und in See stachen. Da wäre ich gerne dabei gewesen, denn, wie sich zeigte, der Wind reichte aus, um gut Fahrt über Grund zu machen.

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Unser Schiff legte dann um 15:30 Uhr ab und steuerte als erstes eine im Kanal aber auf argentinischem Hoheitsgebiet liegende Insel an, auf der sich unzählige Magellanpinguine niedergelassen haben, diesen Flecken Erde aber mit Seemöwen sich teilen müssen. Dabei war manchmal ein Streit insbesondere um geeignete Nistplätze oder erbeutetes Nistmaterial festzustellen.

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Anschließend wurde der Ruheplatz einer kleinen Gruppe von Seelöwen angesteuert, die sich jedoch durch das sich ihnen nähernde Motorboot in keiner Weise in ihrer Ruhe stören ließen. Die Kolosse lagen einfach dick und fett auf den Felsen und dösten vor sich hin. Etwas mehr Aufmerksamkeit, die eine oder andere Aktion hätten wir für unser Geld schon erwartet. Als wir schon am abdrehen waren, machte sich einer der offensichtlich älteren Seelöwen auf den Weg zu einem anderen Ruheplatz.

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Der halbstündige Landgang auf einer kleinen Kanalinsel diente wohl im wesentlichen dazu, die Fahrtzeit auf eine für den bezahlten Preis angemessene Länge zu bringen. Botaniker hätten sicherlich mit Interesse die dort zu findende Vegetation auf Feuerland näher unter die Lupe genommen. Der Nichtbotaniker, wie ich, mußte sich mit einigen Aufnahmen der gesehenen Pflanzen und den Weitblick auf die sich auf chilenischem Gebiet befindliche Darwin-Kordillere begnügen.

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Dann ging es mit großem Tempo auf den östlich von Ushuaia auf einer Insel stehenden Leuchtturm zu, der weiterhin in Betrieb und für die Kanaldurchfahrt wichtig ist. Hier versammelten sich alle die Tiere, die wir bereits vorher auf unserer Bootsfahrt ausführlich betrachten konnten. Neben einer großen Kolonie von Pinguinen lagen auch hier eine nennenswerte Anzahl von Seelöwen faul auf ihrer Haut, die Seemöwen, wenn sie sich nicht gerade auf dem Inselchen ausruhten umkreisten die Spitze des Leuchtturmes und einen (!) Kormoran haben wir auch gesichtet.

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Die Rückfahrt nach Ushuaia verlief nah unter Land und gab dadurch den Blick frei auf den feuerländischen (Ur)Wald, der oft bis direkt an das Wasser reichte. Reichlich windgekrümmt kamen die Bäume oder oft auch nur Bäumchen daher, bildeten dennoch an sehr vielen Stellen einen sehr dichten Wald. Das diese Region auch Schafszüchterland ist, war ebenfalls vom Wasser aus zu besichtigen; eine Estancia lag unmittelbar am Wasser, das sie umgebende Land zwar vom Wald “befreit”, jedoch nicht, wie so häufig festgestellt, beräumt.

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Bei der Einfahrt in den Hafen kamen uns zwei große Kreuzfahrtschiffe entgegen, die bei unserer Abfahrt noch an der Pier gelegen hatten. Sie fuhren Richtung Antarktis, hatten hunderte von Gästen an Bord, die auf ihrer zwischen 10 und 14 Tagen dauernden Reise sicherlich unvergleichliche Erlebnisse haben und besondere Eindrücke sammeln werden,  dabei jedoch auch in eine ökologisch extrem sensible Zone eindringen.

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Wir haben einiges von dem hier in Ushuaia erleben und sehen können, was wir für interessant gehalten haben und können mit einer gewissen Zufriedenheit weiter reisen. Bootsfahrt und Wanderung waren zwar keine außergewöhnliche Unternehmungen und haben uns keine einzigartigen und völlig neuen Eindrücke vermittelt, das Gesamtpaket Fahrt nach Ushuaia und diese Aktivitäten machen den Abstecher nach Feuerland für uns zu einem, wenn auch nicht ganz großen, Gewinn.

Hinterm Horizont geht’s weiter…

Am 14.12. verlassen wir Puerto Natales; ein Blick ins Rund zeigt uns, gutes Wetter herrscht auch heute nicht. Tiefliegende Wolken, auch in Richtung Torres del Paine. Irgendwie beruhigend für uns, denn wir hätten uns sonst wo hin gebissen, wenn heute optimale Bedingungen geherrscht und wir nicht vor Ort ausgehalten hätten.Es nieselt nur leicht, Wind geht auch, aber nicht mehr so extrem. Am Vorabend habe ich eine Karte des Torres del Paine Gebietes studiert und bin auf ein Piktogramm gestoßen, das auf besonders starken Wind aufmerksam macht. Unser Zeltplatzgebiet sowie die Strecke von dort zum Refugio Grey erhält dabei besonders viele Sterne! Ist zwar kein Trost, denn den Wind hätten wir ja noch hingenommen, aber ohne Aussicht auf Sicht stundenlang zu wandern?

Punta Arenas liegt nur gute 3 Autostunden von Puerto Natales entfernt – wenn die Landschaft wenig Abwechslung bietet, ist jede Strecke nicht leicht zu fahren, schläfert ein. Waren zu Anfang nah bei Puerto Natales noch größere Waldflächen an den Hängen und auf den Hügeln auszumachen, nahm mit zunehmender Entfernung der Waldanteil spürbar ab und der der Weidefläche unheimlich zu. Dann hält man natürlich auch Ausschau nach den riesigen Schafherden, die diese Riesenflächen abweiden sollen. Selten konnten wir eine entsprechende Tierhaltung ausmachen. Auch wenn es heißt, ein Schaf benötige als Nahrungsgrundlage etwa 3/4 Hektar Weidefläche, hier liegt erhebliches Weideland brach. Dies passt zu der schlechten Wirtschaftssituation in der sich die Schafszüchter in Chile, aber nicht nur hier, wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Wolle derzeit befinden. Wahrscheinlich haben einige der Estancias ihre Herden drastisch verkleinert. Sahen wir nur sehr selten Tierherden von der Wegstrecke aus, kamen wir noch viel seltener an den großen Gehöften der Schafszüchter, den Estancias, vorbei. Wenn, lagen sie meistens weit außer Sichtweite tief in ihrem Land, das in zehntausenden, wenn nicht hunderttausenden Hektar gemessen wird. Ein großes Tor, oft ein Schild – auch deutschklingende Namen für die Estancia konnten gelesen werden –, und ein schnurgerader Fahrweg führt zu dem Gehöft. Selten lag in Straßennähe eine Estancia, und wenn, dann war seine Dimension anscheinend überschaubar.

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Die Auswirkungen extensiver Weidelandbeschaffung sind auch heute wieder ständig zu beobachten. Neben Landstrichen oder Estanciaweiden, die “beräumt” wurden, findet sich in großer Zahl Weideland, auf dem das vor Jahrzehnten gefällte Holz zusammengeschoben wurde und auf den Verfall, die Zersetzung wartet. Manchmal hat man auch Glück und sieht das Entstehen neuer Bäume neben dem am Boden liegenden Totholz.

Über sanfte Hügelchen rollen wir, haben oft einen sehr weiten Blick und nehmen kaum Interessantes wahr. Deutlich wird, so geht es immer weiter, und weiter, und weiter, eine unendlich weite fast trostlos zu bezeichnende Landschaft durchfahren wir.

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Wären da nicht durch den Dauerwind, denn der herrschte auf der gesamten Strecke, eine Vielzahl von Baumskulpturen entstanden. So machten wir uns für einige Zeit den Spaß die Landschaft auf besonders skurrile und die Situation deutlich beschreibende Exemplare abzusuchen.

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Nachdem uns diverse Lagunen entlang der Strecke, aber auch Feuchtwiesen, daran erinnert haben, daß wir uns auf nahezu Meeresniveau befinden, erreichen wir nach gut 250 Kilometern – endlich – wieder das Meer. Zügig nähern wir uns unserem neuen Ziel, der Hafenstadt Punta Arenas, die schon von Weitem zeigt, daß sie Hafenstadt ist. Wie immer ein das Zentrum dominierender Platz, die Plaza Munoz Gamero, um die herum, natürlich, die Kathedrale, aber auch einige aus dem 19. Jahrhundert stammende gewichtige Gebäude stehen.

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Der Ort verdankte im Grunde seine Entwicklung den goldenen Jahren der Schafszucht. Alle wichtigen prunkvollen Gebäude wurden damals von den reichen Schafszüchtern aus dem Umland gebaut. Ein sehr repräsentatives wird heute als Nobelhotel genutzt, ein anderes beherbergt heute ein Regionalmuseum, in dem der Prunk der damals herrschenden Oberschicht nachvollzogen werden kann. Natürlich kann an diesem Ort kein Denkmal für Magellan fehlen, natürlich steht es an zentralem Ort, der Plaza. Es entspricht wohl dem Zeitgeist zur Zeit der Entstehung des Monumentaldenkmals, wenn dem Magellan zu Füßen zwei Indianer sitzen. Sie sollen, so heißt es, die später ausgerotteten Indianerstämme der Ona und der Aonikenk repräsentieren.

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Die Stadt selber ist betriebsam, wie immer strukturiert, weist nur eine überschaubare Anzahl von Protzbauten auf, soweit wir dies ersehen konnten. Selbst im näheren innerstädtischen Einzugsgebiet dominieren die einfachen Holzbauten, meist zweigeschossig. Fährt man die Uferstraße entlang, begegnen einem zuerst sehr einfache niedrig hingeduckte Häuschen, mit Holz beplankt, oft aber auch mit Blechplatten zumindest an der Seeseite gegen das Wetter geschützt. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, um so häufiger sind die in der Regel neueren Holzhäuser, die im Stil den Altbauten nahekommen, vertreten.

Man sagt, Punta Arenas besäße den schönsten Friedhof Südamerikas, was eine Überprüfung verlangte. Wir hatten ja bereits in Buenos Aires einen bemerkenswerten innerstädtischen Friedhof mit zahlreichen Mausoleen, Grabhäusern und besonders gestalteten meist kitschigen Gräbern durchlaufen und waren begeistert. Kann der hiesige dem Vergleich standhalten oder, wie behauptet wird, übertreffen? Am Sonntagnachmittag statteten wir den Gräbern einen Besuch ab. Ergebnis : uns hat der in BA deutlich besser gefallen, auch weil dort das Vergängliche an den ungepflegten Grabbauten, Mausoleen so schön sichtbar wurde; zudem waren dort deutlich mehr Hochbauten, kleine Kapellen, Mausoleen zu sehen, als es hier in Punta Arenas zu bestaunen gab. Andererseits, hier ist die gesamte Anlage sehr gepflegt und, jahreszeitlich bedingt, sind wegen der Weihnachtszeit eine größere Anzahl von Gräbern ganz besonders mit (Kunst)Blumen geschmückt. Es war ein interessanter Besuch, aber überschwängliche Lobeshymnen hat der Stadtfriedhof in Punta Arenas nicht unbedingt verdient.

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Weshalb legt man in Punta Arenas einen Zwischenstop ein? Zum einen als Ausgangspunkt zu Walbeobachtungsfahrten, dann wiederum kann man zu einer Insel fahren, der Insel Magdalena, auf der Magellan-Pinguine in unendlicher Zahl sich während der Brut- und Aufzuchtzeit aufhalten, schließlich gibt es südlich von Punta Arenas so etwas wie historische Orte, den Hungerhafen und die Festung Bulmes. Beide eigentlich nicht von so großer Bedeutung, denn vom Hungerhafen aus dem Jahre 1583, Gründung einer Kolonie durch die Spanier, ist praktisch nichts mehr übrig, seine damaligen Bewohner verhungerten in dieser trostlosen Gegend. Die Festung Bulmes war einst eine aus strategischen Gründen an der Meerenge der Magellanstrasse erbaute chilenische Festung, um den Seeweg zu kontrollieren. Wegen Nachschub- und Wasserproblemen wurde die Festung, 1843 erbaut, bereits 5 Jahre später aufgegeben. An seine Stelle trat dann Punta Arenas.

Wegen der beiden ersten möglichen “Programmpunkte” machten wir uns auf den Weg, Informationen einzuholen. Einfach war es, die Passage zu der Isla Magdalena zu buchen; ohne ausreichende Information blieben wir über die Möglichkeit, per Boot in das Naturschutzgebiet Parque Marino Francisco Coloane zur Walbeobachtung zu gelangen, so daß Stand 15.12. die Walfahrt nicht unternommen wird. Dafür haben wir heute aber über 120.000 Magellan-Pinguine auf ihrer Insel beobachten können – zwar konnten wir, verständlicherweise zum Schutz der Tiere -, nur eine Stunde an Land und auf abgesperrtem 850 Meter Weg an den Brutstätten, den Höhlen, den spielenden, sich umwerbenden, streitenden, stolz daherschreitenden, zur See und somit zur Futterbeschaffung watschelnden, einfach so dastehenden, daliegenden Pinguinen langsam vorbeilaufen. Die Tiere hatten keine Scheu vor uns Besuchern; die auf ihren Eiern in Wegesnähe brütenden Vögel ließen sich nicht beirren, die der See zustrebenden Vögel suchten eine größere Lücke zwischen den “Inselgästen” und watschelten dann über den Weg. Es war ein Wahnsinnsbild, über die Insel verstreut so viele dieser Vögel geschäftig zu sehen. Es war ein Kommen und Gehen. Nicht nur Pinguine, sondernd auch zahlreiche Möwen brüten hier; die ebenfalls hier heimischen Kormorane haben wir nicht entdeckt. Es war schwierig auszumachen, ob in einer der Höhlen sich bereits Jungtiere befinden oder die Eier noch ausgebrütet werden. Wir konnten keines der Jungtiere herumlaufend beobachten, jedoch in Mutternähe in der geschützten Höhle sahen wir einige. Die einen noch mit dem ersten hellgrauen Flaum, andere trugen schon die typische Farbe der Magellan-Pinguine. Es war nur eine Stunde Landgang, aber Erlebnis für einen vollen Tag. Wir waren froh, diesen Ausflug unternommen zu haben, auch wenn wir in aller Frühe aus den Federn mussten.

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Den Abend ließen wir dann bei einem gemeinsamen Essen mit Phil und seiner Frau, die seit drei Tagen in der Stadt sind und mit denen wir uns per Mail verabredeten, und vielen interessanten Gesprächen ausklingen. Solche netten Menschen wie die beiden während der Reise kennen gelernt zu haben, ist eine echte Bereicherung.

Puerto Natales – zum Wandern im NP Torres del Paine

Der Park Torres del Paine ist der einzige Grund nach Puerto Natales zu kommen; dies gilt für uns ebenso wie für fast alle Gäste dieser Stadt, die zwar auch Hafenstadt ist und von der zahlreiche Fischer immer noch ausfahren, jedoch bessere Zeiten, abgesehen vom Tourismusboom, hinter sich hat. Früher erfolgte hier das Verschiffen der Schafswolle der großen Schaffarmen in Patagonien; heute ist der entsprechende Terminal etwas außerhalb der eigentlichen Stadt zu einem 5-Sterne-Hotel umgebaut worden. Der starke patagonische Wind, der zwar nicht ständig bläst, aber wenn, dann mit nicht zu unterschätzender Stärke und in kräftigen Böen, dürfte die Ortsbebauung spürbar beeinflußt haben. Viele insbesondere ufernahe Bauten ducken sich quasi hin, um dem Wind wenig Angriffsfläche zu bieten; im innerstädtischen Bereich überwiegen die einstöckigen Gebäude, in der Regel Holzbauten, selten findet man Zweigeschosser und nur wenn stabilstes Material (Beton) eingesetzt wird, sind es in Einzelfällen auch einmal etwas mehr Stockwerke. Also eine nicht nur bewohnerzahlmäßig kleine Stadt, sondern sie geht auch baulich nicht hoch hinaus. Als Zentrum für einen großen Teil Südpatagoniens konzentrieren sich hier zahlreiche Geschäfte, so daß die Dominanz der Reiseagenturen, Ausrüster, Hostals, Restaurants etc., die sich an die Touristen richten, gemindert wird. Sehenswertes haben wir auf unseren Spaziergängen eigentlich nicht entdeckt, sieht man von der ebenfalls nicht sehr hohen Kirche am viel zu groß dimensionierten zentralen Platz, der Plaza de Armas, ab.

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Betrachtet man obige Skulptur, die eine Verbundenheit zwischen der indigenen christianisierten Bevölkerung und dem Priester/der Kirche darstellen soll, kann schnell auch der Begriff Heuchelei fallen. In der “offiziellen” Geschichtsschreibung wird kaum auf die gewaltsame Bekehrung wie auch die Entwürdigung der indigenen Bevölkerung durch  insbesondere Ordensleute eingegangen. Es ging nicht um Bekehrung, sondern um Unterwerfung, auch im Interesse der Staatsmacht. Eine Form der “Bekehrung”, wie sie Mitteleuropa im Mittelalter kannte!

Den heutigen 10.12. nutzten wir, um die für die Wanderung im NP Torres de Paine notwendigen Informationen zusammen zu tragen, die Entscheidung über die Gestaltung der nächsten Tage vorzubereiten und zu fällen, das fehlende Equipment auszuleihen und die Stadt zu erlaufen. Im Zuge der Stadterkundung landeten wir natürlich auch am kleinen Hafen, d.h. einerseits am Pier für die Navimag-Schiffe, die Puerto Natales mit Puerto Montt verbinden, andererseits am etwas abseits liegenden gewerblichen Hafen, in dem vorwiegend Fischerboote vertaut waren. Ausgemusterte Boote “schmücken” das Umland.

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Wir hatten von einem Aussichtspunkt vor der Stadt gehört, der Mirador Doretea, von wo aus ein schöner Überblick über die Stadt und der auf sie zulaufenden Fjorde möglich sein soll. Grund genug uns dorthin auf den Weg zu machen. Um auf den vielleicht 250 Höhenmeter über der Ebene liegenden Hügel zu kommen, muß Privatgrund überquert werden. Hier lernten wir eine moderne Form der Wegelagerei kennen. Hatten wir schon den Straßenzoll kennengelernt, war dies nun ein Wegezoll. Während jedoch die Maut etwa 3.000 CLP für 20 Kilometer Straße beträgt, mußten wir hier, um wahrscheinlich nicht einmal einen Kilometer über den Privatboden zu gehen, insgesamt 10.000 CLP, dies entspricht etwa 14 Euro, der Grundbesitzerin in die Hand drücken. Gemessen an den Investitionskosten ein Wahnsinnspreis; er entsprach so ziemlich exakt dem Betrag, den wir für ein komplettes Mittagessen mit Getränk ausgegeben haben! Da ohne zu zahlen kein Ausblick zu bekommen war, erleichterten wir die Reisekasse um den geforderten Betrag.

Vor den Blick auf Stadt, Fjord und Berge hat das Gelände den Schweiß gesetzt; es ging mehr als steil hinauf, über Schafswiesen, Ziegengelände und zum Schluß durch einen Lengawald, d.h. Südbuchen säumten unseren Weg. Einen guten Teil der Strecke hatten wir hilfreichen Rückenwind. Noch bevor wir den eigentlichen Aussichtspunkt erreichten und den schützenden Wald, der inzwischen aus verkrüppelten Bäumchen bestand, verließen spürten wir zunehmend den strammen vom Meer kommenden Wind. Auf freier Fläche angekommen war er dann so stark, daß wir nicht nur in sehr gebückter Haltung uns weiter bergauf kämpfen mußten, sondern immer wieder, wenn Böen uns ergriffen, Standprobleme bekamen und das eine oder andere mal auch versetzt wurden. Stramm war der Wind; um uns in Ruhe umsehen zu können suchten wir deshalb den Schutz und Stand am Drahtzaunes eines Funkmastes. Weit war die Sicht, auch wenn insbesondere in Richtung Torres de Paine sich die Wolken ballten und der Traumblick eingeschränkt war. Dennoch, wir bekamen einen Eindruck von der Weite der Landschaft, von ihrer Differenziertheit, von Fjorden, Bergen, Schnee und der Ebene. Der kleine Ausflug auf den Aussichtspunkt war so eine Einstimmung auf unsere Fahrt in den NP und die erste Wanderung in Puerto Natales.

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Wir hatten Phil und seiner Frau Steph ja angeboten, mit uns zur Wanderung am Torres del Paine mitzukommen. Nach ausführlicher Beratung mit dem abendlichen “Empfangschef” unseres Hostels sah die Planung vor, am Mittwoch mit dem Wagen zum östlichen Parkeingang an der Laguna Amarga und von dort weiter bis zum Hotel Las Torres zu fahren. Von hier aus kann der östliche Schenkel der “berühmten” W-Wanderung, der einen Blick ab der Laguna Torre am Fuß der drei Torre-Gipfel hinauf zu dem Massiv bietet, angegangen werden, wofür gut 7 Stunden Gehzeit zu veranschlagen sind. Katrin und ich hatten vor, die “U and I”-Runde zu laufen, d.h. nachdem am Mittwoch das “I” anstand, sollten am Donnerstag und Freitag mit Basis Zeltlager am Refugio Paine Grande an einem Tag zum Refugio Grey mit Ausflug zum etwas nördlicher gelegenen Grey-Gletscher gelaufen werden sowie am Folgetag dann vom Refugio Paine Grande nach Osten in das Valle del Francés und dann wieder zurück am gleichen Tag, wodurch ein “U” grafisch entsteht.

Das “I” unserer Runde gingen wir gemeinsam mit Steph und Phil an. Zu nicht mehr nachtschlafener Zeit nahmen wir die gut 120 Kilometer Anfahrt in Angriff. Für uns eine altbekannte Strecke, denn der erste Teil entsprach unseren letzten Kilometern nach Puerto Natales. Jetzt fiel nur mehr als vor zwei Tagen auf, wie stark doch noch die Bewaldung der Hügel war, welch große Schafherden hier unterhalten werden; das geringe Verkehrsaufkommen hingegen war Alltag. Was wir dann etwas später erlebten, kann man durchaus als Fahrt durch einen Zoo beschreiben. Hatten wir bislang Guanakos oder auch Nandus als äußerst scheue Tiere kennen gelernt, die sofort Reißaus nehmen, wenn man sich ihnen nähern wollte, sahen wir heute sehr weit vor der eigentlichen Parkgrenze nicht nur in respektvollem Abstand zu der von uns befahrenen Piste, sondern sehr zahlreich auch in unmittelbaren Wegnähe ganze Großfamilien und Herden von Guanakos. Die Tiere ließen sich nicht aus der Ruhe bringen beim äsen, wenn wir im Abstand von vielleicht 5 Metern an ihnen vorbeifuhren. Einige wenige Tiere beobachteten uns, die allermeisten ließen sich in ihren Tätigkeiten nicht  aus der Ruhe bringen, seien es Jungtiere, die an de Zitze der Mutter säugten, im Gras liegende Guanakos oder auch jugendliche Tiere, die offensichtlich im Spiel miteinander durch die Gegend rannten, auch mal quer vor den Wagen, aber nicht vor Angst davon stoben, sondern weil sie einander verfolgten. Als wenn die Tiere angepflockt worden wären; auf jeden Fall fehlte ihnen jeglicher Fluchtreflex, sie schienen hospitalisiert, den Menschen und seine Fahrzeuge gewohnt. Frei lebende Tiere ohne Scheu, dafür muß man einmal um den Globus fahren. Die Nandus hatten wir bislang eher als ihre Gehwerkzeuge in schnelles Tempo versetzende Fluchttiere kennen gelernt, sobald Mensch Anstalt macht, sich ihnen zu nähern; allein schon das Anhalten des Wagens löste den allbekannten Reflex aus. Nun lief völlig in Ruhe eine Nandufamilie mit zahlreichem Nachwuchs uns vor die Linse; ausgewachsene Tiere mißachteten unsere Anwesenheit, andere gingen, wenn wir uns ihnen näherten, einige Schritte zurück hinter einen Busch. Aber fluchtartig die Region verlassen – kein einziger Nandu folgte diesem Reflex.

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Durch derartige Erlebnisse eingestimmt, wird auch der Rest des Tages ein Gewinn sein.

Bereits auf den letzten Kilometern hin zum Parkeingang konnten wir eine Vorfreude auf das dann aus größerer Nähe zu sehende Panorama empfinden. Natur pur, auch wenn der Himmel nicht klar war. Und um das Besondere an dem Gebiet um den NP Torres del Paine zu unterstreichen, lagen auch diverse Gewässer/Lagunen rechts und links des Weges.

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Dann starteten wir am Hotel/Refugio Las Torres unsere Wanderung den Rio Ascencio hinauf, Hotel und Refugio waren ein imposanter und zugleich riesig langgestreckter aber relativ gut in die Landschaft eingepasster Komplex. Ging es zu Anfang gemächlich da auf einer Höhenlinie laufend vorwärts, stieg der Weg, nachdem wir den Rio Ascencio auf einer kleinen Hängebrücke überquert hatten, merklich an, mußten wir den leichten erdigen Boden gegen teilweise geröllartige Bachbette tauschen. Am Rande konnten wir, wie auch später im Campamento Chileno beobachten, wie der Warentransport hinauf in die Hütten und Refugios verläuft : auf dem Rücken kleiner stämmiger Pferde, die teilweise im Dutzend von einem Gaucho geführt werden. Vor unseren Augen bemühte sich ein Gaucho seine vier Lasttiere durch den Fluß zu lotsen.

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Die uns bereits auf den ersten Metern begleitende Vegetation erinnerte weniger an die geringe Höhe (wir starteten bei 135müNN), sondern vielmehr an die geographische Lage – karg war der Bewuchs, soweit wir sehen konnten; die Berghänge im ersten Wegabschnitt ähnelten mehr Geröllhalden als dem uns bekannten klassischen Berg. Wild war es hier und der unten im Tal nicht dahinplätschernde, sondern ganz schön rauschende Fluß unterstrich dieses Bild. Wie zur Bestätigung, daß Patagonien ein sehr windiges Land ist, mußten wir uns immer wieder starken Böen entgegenstellen. Ruhiger wurde es erst, als wir tiefer ins Tal eingedrungen waren.

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Nach etwa 1 1/2 Wanderstunden erreichten wir das Campamento Chileno, auf 440müNN gelegen. Manche Wanderer nutzen hier die Zelt- und Übernachtungsmöglichkeiten, und machen sich dann mit Tagesgepäck in Richtung Base de las Torres auf. Hier war ein Kommen und Gehen, gut für den Betreiber des Campamento, denn die Nachschubmengen, die wir bei der Anlieferung auf dem Rücken der Pferde auf unserem Rückweg sahen, waren riesig, die Preise aber auch; für ein Sandwich werden stolze 5 Euro verlangt. Da der NP strenge Entsorgungsregeln hat, muß sämtlicher Müll wieder ins Tal geschafft werden. Hier werden gerade etwa 20 Pferde für den Rücktransport von Säcken und leeren Gasflaschen von den drei Gauchos vorbereitet.

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Vor uns lagen nach einer kurzen Pause noch gute 2 1/2 Stunden Höhenwandern, die uns zuerst nicht nur über hölzerne Brücken, Baumstämme und durch kleine Bäche führten, sondern auch lange Zeit durch einen schönen wilden Buchenwald. Dieser wird sich selber überlassen; die gestürzten Baumriesen, die zerborstenen Baumstämme, das herumliegende und nach und nach sich zersetzende Bruchholz machten den Wald zu einem besonderen Blickfang, denn ständig gab es Neues zu entdecken. Von den Berghängen sahen wir immer wieder in kleineren Bächen in langen aber nicht sehr mächtigen Kaskaden das Wasser talwärts fallen.

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Nach gut 1 1/2 Stunden lag rechterhand das Campamento Torres, das Lager der Kletterer, von nun an ging es richtig steil bergauf; anfangs noch über zivilisierte Pfade, doch dann mussten wir über lange Zeit durch und über großes Geröll steigen, nicht immer war dabei der Pfad auf den ersten Blick sichtbar.

Katrin als jüngste unter uns Bergwanderern konnte ihr Wandertemperament nicht zügeln und ging fast immer voran. Oft wartete sich nach einer Weile, aber als es dann die letzte Stunde nur noch steil bergauf ging, war sie offenbar nicht zu halten. Anfangs sah man ihren Rotschopf noch, doch nach etwa 10 Minuten war sie aus dem Blickfeld verschwunden. Das blieb auch so, bis wir am Ende des Trecks an der Laguna Torres (880müNN) ankamen und staunen durften. Es windete hier oben heftig, so gingen wir drei davon aus, Katrin habe sich hinter einem Felsen in den Windschatten gesetzt und suchten nach ihr, ohne Erfolg. Nach etwa zehn Minuten Suche, unterbrochen durch anhaltendes Betrachten des Teils der Torresgipfel, der sichtbar war, machten wir uns auf den Rückweg. Vielleicht hatten wir uns, wo auch immer, verpasst und sind aneinander vorbei gelaufen. Nach zehnminütigem Abstieg sah ich dann Katrin aufwärtsstrebend.

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Endlich wieder vereint, machten wir uns zu zweit dann auf das letzte Stück zur Laguna Torres. Bessere Sicht war inzwischen auch nicht eingetreten, die Wolken drängten immer stärker ins Tal, die Sicht verschlechterte sich. Dennoch, was wir sahen, diese steilen Wände, die ab Lagunaniveau fast 2000 Metersteil in die Höhe wachsen, war äußerst beeindruckend. Auch wenn uns der volle Blick auf das Massiv verwehrt geblieben ist, wir nehmen das Teil für das Ganze – selbst das Teil zu sehen hat den Weg lohnenswert gemacht.

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Phil und Steph trafen wir wieder im Campamento Chileno bei einer Brotzeit; die gute halbe Stunde Vorsprung konnten wir beim besten Willen nicht zulaufen, wollten wir nicht völlig auf die Blicke nach hinten und zur Seite verzichten. Wie schnell sich die Situation vor Ort ändern kann, war bei einem Blick über die Schulter festzustellen. Über eine längere Zeit war es möglich, zumindest die Spitzen des Torres zu sehen, wenn sie denn sichtbar waren. Die den Berg umhüllenden Wolken verzogen sich offensichtlich und gaben immer wieder den einen oder anderen der drei Gipfel zu Ansicht frei.

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“Endlich” wieder alle zusammen, so konnten wir uns, nachdem wir ausgiebig nicht nur gevespert sondern auch den Gauchos bei ihrer Arbeit, die Pferde satteln, zugesehen hatten, auf den Rückweg machen, Katrin zwar auch hier vorneweg, aber immer auch bemüht, den vorher gemachten Fehler, einen Weghinweis nicht beachtet und mit gesenktem Kopf einfach einem Pfad nachgelaufen zu sein, nicht zu wiederholen.

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Während der Rückfahrt gab es immer wieder Gelegenheit, einen Blick in den Rückspiegel oder zur Seite zu richten, lang genug ist die Anfahrt zum Nationalpark ja. Gut 40 Kilometer vom Startpunkt unserer Wanderung entfernt, ergab sich ein wunderbares Panorama für uns. Die Wolken hatten sich zwar nicht verzogen, waren jedoch aufgestiegen und gaben uns einen fantastischen Gesamtblick auf das Massiv. Ein schöner Tag wurde somit auch mit einem bemerkenswerten Eindruck abgeschlossen.

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Für den 13. und 14.12. haben wir, ausgehend vom Refugio Paine Grande, geplant, an einem Tag vorbei am Refugio Grey zum Grey Gletscher zu wandern, im Zelt auf dem Campingplatz am Refugio Paine Grande zu übernachten, um von dort am Folgetag hinüber in Valle del Frances zu wandern, damit auch wir den oft beschriebenen unvergleichlichen Blick aus der Zwergperspektive auf die in einem kleinen Kreis um den Betrachter herum stehenden fast 3.000m hohe Granitfelsen werfen können. Rückweg am gleichen Tag, um die Fähre zur Heimfahrt um 18:30 zu erreichen. Es kam anders.

Gut vorbereitet hatten wir uns. Bei der Planung hatte Katrin sich einverstanden erklärt, eine Nacht im Zelt zu schlafen, was die Basis für diese Wanderung erst schuf. Zwar kann man auch im Refugio Zelte mieten, aber um nicht böse überrascht zu werden, mieteten wir uns in einem Ausrüsterladen das notwendige Equipment für die Wanderung (Zelt, Schlafsäcke, Isomatte, Kochgeschirr, Rucksack, denn wir wollten den Inhalt unserer Rucksäcke nicht in Tüten umpacken). Derartig ausstaffiert starteten wir am Donnerstagmorgen so zeitig, um die Fähre zum Refugio über den Lago Pehoé, deren Abfahrt uns mit 10:00 Uhr angegeben war, zu erreichen. Auch wenn ich die – nicht gekennzeichnete – Abzweigung zur Ablegestelle zuerst verpasst hatte, wir waren um 09:30 Uhr vor Ort, sahen das Boot, zogen unsere Treckingschuhe an und mussten erleben, wie die Fähre um 09:30 ablegte! Wie sich herausstellte, nicht zu früh, sondern fahrplanmäßig. Die nächste Überfahrt war erst um 12:00 Uhr möglich. Damit war der Plan, nach Ankunft und Zeltaufbau sofort zum Gletscher zu wandern, etwa 4,5 – 5 Stunden je Weg, nichts mehr wert. Daß ich darüber nicht gerade erfreut war, kann sicherlich nachvollzogen werden.

War es bei unserer Ankunft an der Ablegestelle schon sehr windig, trugen die Seewellen richtige Schaumkronen, nahm die Windstärke im Verlaufe der kommenden Stunden weiter zu; die Böen waren nicht nur stark, sondern äußerst heftig.

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Dennoch, der Blick auf das Torres del Paine Massiv während der Überfahrt, ließ große Vorfreude aufkommen, nicht nur bei uns, sondern auch bei den weiteren gut 80 Wanderern auf dem Boot, von denen die meisten offensichtlich sich auf eine Mehrtagestour eingestellt und ausgerüstet haben. Dementsprechend voll war dann auch der “Gepäckraum” des Katamarans.

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Je näher wir unserem Ziel der gut 30 minütigen Seefahrt kamen, desto unruhiger wurde der See, die Wolkendecke verdichtete sich, es wurde dunkler und der wahrnehmbare Wind nahm nicht ab, sondern weiter zu. Unser erster Weg nach dem Verlassen des Bootes war der Zeltplatz, auf dem sich bereits zahlreiche Zelte befanden. Einige hatten mit dem sehr heftigen Wind schon kräftig zu kämpfen; auch Wanderer, die ihr Zelt gerade aufbauten, sahen bei ihrem Bemühen nicht gerade glücklich aus. Wir entschieden, wenn möglich auf den Zeltaufbau bei diesen extremen Verhältnissen zu verzichten und uns ein Zelt vor Ort zu mieten. Wie sich herausstellte eine gute Entscheidung. In der kommenden Nacht stürmte es so stark, daß einige Zelte diese Stunden nicht überlebten. Unser extrem professionell und solide aufgebautes und verankertes Zelt stand wie eine Eins. Ob wir das auch hinbekommen hätten?

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Nun waren wir hier, um unser U zu wandern, als erster Teil stand die Wanderung zum Refugio Grey auf dem Plan. Wir stellten uns dem starken Wind, der insbesondere in seinen Böen äußerst unangenehm war und liefen gegen ihn an. Ab und an gab es einen kleinen Schauer, aber die Tropfen nahmen wir kaum wahr, wurden eh durch den Wind sofort trockengeföhnt. Die Wegstrecke war nicht besonders anspruchsvoll, da es aber nirgendwo Windschatten gab hieß es, dauernd im Wind und gegen den Wind zu laufen, d.h. auch, fast immer den Kopf nach unten gesenkt und Blick auf den Untergrund . Von der Umgebung nahmen wir zwangsläufig weniger als sonst wahr; wenn wir die Umgebung betrachten wollten,mußten wir stehenbleiben. Erstaunlich, hier in Patagonien kann ein Starkwind blasen und gleichzeitig, wenn auch immer wieder nur für ganz kurze Zeit, die Sonne scheinen. Zurecht wird darauf hingewiesen, man könne hier am Torres del Paine alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Wir können bestätigen, drei Jahreszeiten heute erlebt zu haben. Trotz des wirklich unangenehmen Wetters, wenn es denn dann Aussichtsmöglichkeiten gab, waren die umwerfend. Nach einer knappen 3/4 Stunde lag unter uns die Laguna los Patos, mit einer sehr bewegten Wasseroberfläche.

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Das was wir an Gebüsch und Bäumchen entlang unserer Wanderstrecke sahen, hatte auch seinen Tribut an die Witterung, insbesondere an den hier fast immer sehr heftigen Wind entrichtet; kleiner Wuchs, meistens vom Wind gebeugt. Wie stark es windete, kann an der Lage mancher Äste sehr gut erkannt werden.

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Wir kämpften uns vorwärts; es war nicht leicht, das Gleichgewicht zu halten, teilweise wurden wir nicht nur am Vorwärtsgehen gehindert, sondern auch auf dem Pfad versetzt. Der Wind war nicht berechenbar, denn die Windrichtung wechselte immer wieder deutlich. Man könnte glauben, wer mit Gepäck auf dem Rücken läuft, kann dem Wind besser standhalten – stimmt nicht unbedingt, denn die Erfahrung zeigte, wie schwer es ist, mit Gepäck “vernünftig” zu gehen. Hut ab vor den Treckern, die nicht mit unseren 6 Kilos auf dem Rücken, sondern sich mit 14-16kg dem Ziel entgegen kämpfen. Nach gut 2 1/2 Stunden hatten wir einen Punkt erreicht, von dem aus ein wunderbarer Blick auf den Lago Grey und den riesigen Greygletscher möglich ist, nachdem wir ihn bereits seit einiger Zeit immer wieder kurz von der Strecke aus einsehen konnten. Von hier ab ging es nur noch bergab zum Refugio. Wir hatten wenig Grund, das letzte Stück zum Refugio zu laufen, denn darüber hinaus bis an den Greygletscher heran, war aus Zeitgründen nicht mehr möglich. So versuchten wir uns aufrecht zu halten, genossen den Blick auf den Gletscher, im See treibende abgebrochene Gletscherteile, See und Bergwelt, ließen uns richtig gut durchpusten und strebten dann wieder unserem Zeltplatz zu. Schade, denn die Dimension des Gletscherfeldes war enorm, und seine Mächtigkeit aus der Ferne so gar nicht einzuschätzen, aber die Vernunft siegte.

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Wer geglaubt hat, mit Rückenwind kommen wir schneller an unseren Zeltplatz zurück, irrt. Der Pfad war ja nicht asphaltiert, sondern ein echter Wanderpfad mit Wurzeln, Steinen, Geröll zwischendurch, man mußte über Steine hinab- und hinaufsteigen, trat auf loses Gestein, Sand, seltener auf feste Erde, also es war konzentriertes Gehen angesagt. Da stört ein insbesondere böiger Rückenwind, der zudem seine Richtung plötzlich wechselte, erheblich, war eine Last und keine Unterstützung. Ständig auf der Hut, möglichst immer schnell den Boden finden, damit man durch eine Bö nicht aus dem Gleichgewicht geworfen wird. Wir hörten abends im Camp von Wanderern, die es mehrfach ausgehoben hatte; die eine Rolle, die ich unfreiwillig zu machen gezwungen war, war wohl unterdurchschnittlich. Man kann sich auch nicht vorstellen, daß derartiges Wandern anstrengender als normales ungestörtes Laufen ist. Wir waren zumindest nach den vier Stunden rechtschaffen kaputt.

Eines war uns aus den Berichten bereits bekannt, durch Hinweise im Camp wurde die Wahrnehmung weiter geschärft : Dummheit und Unachtsamkeit hatten in der Vergangenheit zu erheblichen Bränden rund um das Torres del Paine Massiv geführt, deren Schäden noch über Jahrzehnte zu “besichtigen” sind. Wir sind gut eine Stunde durch einen toten Wald gelaufen, verbrannte Bäume statt grünem Schutz sahen wir. Ein trauriges Bild.

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Zum Abend wurde es immer ungemütlicher. Zu dem heftigen Wind, der inzwischen bei einigen Zelten u.a. zu einem Bruch des Gestänges geführt hatte, kam zunehmend auch heftiger Regen, beste Bedingungen, um die Nacht in einem Zelt zu verbringen. So früh wie wir selten zuvor den Tag beendet hatten, krochen wir in unsere Schlafsäcke – es war so richtig kalt geworden und im Schlafsack hofften wir, die notwendige Wärme zu finden. Geschlafen haben wir in der Nacht beide nicht so richtig, vielleicht gedöst, denn die Böen zerrten unentwegt an der Zeltplane, rissen das Zelt in alle Richtungen, zwischendurch war es fast ruhig, wenn nicht gleichzeitig die heftigen Regenschauer auf das Dach getrommelt hätten. Bei dem Getöse bekommt man selten Ruhe zum Einschlafen und so lagen wir Stunde um Stunde wach und warteten auf das Ende des Regens und der Starkwinde, wurden aber nicht so richtig erhört. Planmäßig standen wir auf, denn noch hatten wir unser Ziel, ins Valle del Francés zu laufen, nicht aufgegeben. Aber bereits beim Frühstücken wurde deutlich, der Regen nimmt nicht ab, die das Massiv einhüllenden Wolken sitzen fest und der Wind hat sich auch nicht spürbar abgeschwächt. Also keine wirklich guten Voraussetzungen für eine 9-Stunden-Wanderung. Wir sahen einige Unentwegte ihre Zelte abbauen, den Rucksack schultern und sich auf den Weg machen, wir sahen aber auch einige, die zurückkehrten von ihrem “Kurzausflug” zum nächsten Ziel. Zwar ist der Weg das Ziel, aber wenn man weder den Weg so richtig sehen noch das Ziel optisch wahrnehmen kann, welchen Sinn hat es dann, uns auf den Weg zu machen? Im Valle del Francés bei den herrschenden und anhaltenden Bedingungen einen Blick auf die umliegenden Granitfelsen mit ihrem starken Farbenspiel werfen zu können war illusorisch, aber dieses Bild war es doch gerade, weswegen wir uns auf den Weg gemacht hatten. Schweren Herzens entschieden wir, den zweiten Part unserer Tour nicht zu gehen, es wäre sinnlos gewesen. Wie wir später von Treckern erfuhren, die von dort zum Refugio kamen, war die Sicht mehr als schlecht und der Weg eine einzige Quälerei, was unsere Entscheidung bestätigte. Also bestiegen wir wieder unsere Fähre, früher als geplant und machten uns auf den Rückweg nach Puerto Natales. Ein Trost, wir waren nicht die einzigen, die sich zum Rückzug entschieden hatten.

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Im Regen ging es dann Richtung Puerto Natales, vorbei an den zahlreichen kleinen Lagunen, am Lago Nordenskjöld, Wolken statt Bergmassiv zur Linken, dafür aber wieder den lebendigen Zoo entlang eines Teils unserer Strecke; dieses Sauwetter konnte den Guanacos oder Nandus nichts anhaben. Ungemütlich war es wohl auch für einen Gaucho zu Pferd, seine drei Hunde und einen Hilfsgaucho auf einem Geländemotorrad, eine Schafsherde von vielen Hundert Tieren zusammenzuhalten und in die gewollte Richtung zu lenken.

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Gegen 14:00 Uhr waren wir wieder in unserem Hostel, sehr enttäuscht, aber die Vernunft sagte, die getroffene Entscheidung war richtig. Solche Bilder, wie sie andere Trecker sehen konnten, hätten auch wir gerne mit unseren Augen und der Kamera aufgenommen – es sollte halt nicht sein.

So hatten wir dann genug Zeit, unsere Rücksäcke für die morgige Abreise zu packen.

Auf der Carretera Austral Teil 2 : von Coyhaique über Caleta Tortal nach Chile Chico

Am Morgen des 28.11. hieß es wieder die Pferde satteln und, nachdem um 10:00 Uhr die Wäsche bei der Wäscherei abgeholt war, die Zügel frei zu geben. Es stand zwar keine extrem lange Fahrtstrecke auf dem Programm, Tagesziel war das kleine Dorf Puerto Rio Tranquilo, etwa 220 Kilometer weiter südlich, da aber die Piste nach gut 70 Kilometern wieder die übliche Schotterqualität haben soll tun wir gut daran, uns erreichbare Ziele zu setzen.

Die Umgebung von Coyhaique ist wahrlich für den Natursuchenden keine Augenweide. Hier wurde, was die Landnahme angeht, vorzüglich gearbeitet und nahezu kein Baum stehen gelassen. Konsequenz ist, daß inzwischen in einigen offensichtlich auch zum Schutz gegen weitere Erosionsschäden umfangreiche Neuaufforstungen bzw. intensive Fortwirtschaft betrieben wird. erfolgt sind. Ansonsten Weideland wohin man blickt, und das über viele Kilometer Strecke.

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Heute haben wir Patagonien auch von einer uns nicht unbekannten, aber so noch nicht erlebten Seite kennengelernt : es blies ein mehr als strammer Wind, so haben wir bislang noch nicht gegen den Wind kämpfen müssen. Das war so richtig Wasser auf Katrins Mühlen, ist der Wind doch nicht unbedingt ihr engster Freund. Aber offensichtlich ist es hier dauerhaft sehr windreich, und das aus einer bevorzugten Richtung, denn sonst würden die Bäume sich nicht so wie wahrgenommen entwickeln.

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Lange Zeit durchfuhren wir von der Viehwirtschaft geprägte Regionen, es wurde vom Landschaftsbild immer ruhiger, runder, fast sah es schon nach einer großen Ebene aus, die Pampa war nicht weit, bis wir wieder uns mehr interessierende Landschaftsbilder um uns herum hatten.

Auch heute säumten einige Seen, insgesamt fünf, unseren Weg, nachdem wir in das Tal des Rio Simpson eingebogen waren. Und wie immer, rundum bewaldet, lagen sie ruhig da, wenn denn der stramme Wind nicht wäre. Selbst auf so kleinen Tümpeln von nicht einmal 500m Länge  konnten sich dank des Windes ganz schöne Wellen aufbauen.

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Inzwischen waren wir auch wieder in eine Gegend vorgedrungen, in der die Axt vor einigen Jahrzehnten nur begrenzt geschwungen wurde. Welche Auswirkungen der Komplettkahlschlag, wie er in großen Teilen Patagoniens erfolgt ist, haben kann, konnten vorher wir vielfach bestaunen. Klein fängt es meist an, wenn nur überschaubare Teile des Hanges abrutschen. Hier ist dann auch zu sehen, welch geringen Umfang eigentlich die Bodenkrume hat, wie nah unter der Bodenoberfläche das Geröll noch ist. Größere Abgänge sind nicht selten zu sehen, auch in aufgeforsteten Bereichen; hier hat dann die teilweise erfolgte Aufforstung nicht so richtig funktioniert.

Wir durchqueren den NP Cerro Castillo, fahren eine kleine Passstraße bis auf gut 1.200m hinauf. Dann geht es durch die Cuesta del Diablo einige Kilometer hinab, wobei uns rechter Hand bereits dominante Bergzacken auffallen. Wir sahen aus einem anderen als üblichen Blickwinkel die Felskathedrale des Cerro Castillo. Dann wiederum eine langgezogene Kurve und  wir stehen auf einmal vor einem weiteren grandiosen Anblick bei der Fahrt ins Tal : linker Hand tauchen immer wieder bizarre Felsformationen auf, von denen wohl die imposanteste der Cerro Castillo (2.675m) ist. Leider war der Himmel stark bewölkt, und zu allem Unglück “flogen” die Wolken auch sehr tief, so daß der Anblick dieser Bergwelt immer eingeschränkt war. Nicht fünf sondern mindestens 10 Minuten habe ich einmal an einem Ort auf eine Gelegenheit gewartet, die komplette Spitze des Cerro Castillo fotografieren zu können – vergeblich. Dennoch, auch diese wolkenumsäumten Berge hatten ihre besonderen Reize und wir unsere Freude an ihrem Anblick. Nicht nur wir hielten an, um das Gesehene auch zu dokumentieren – ein Radfahrerpärchen, schwer bepackt, tat es uns gleich; zuerst hoch oben auf der Passstraße, dann vis-a-vis zum Berg.

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Kurz hinter dem Ort Villa Cerro Castillo queren wir den Rio Ibanez, der sich durch ein sehr schmales Felsbett zwängt, immer begleitet von imponierenden Bergmassiven.

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Etwa 7 Kilometer hinter dem Ort Cerro Castillo weist ein unscheinbares Schild auf unscheinbare einige tausend Jahre alte (8-10.000 Jahre) Felszeichnungen hin, das Nationalmonument  Manos de Cerro Castillo. Teilweise in “Negativtechnik” haben sich hier vor dieser langen Zeit die Ureinwohner auf einigen Felsen verewigt. Auf einer schmalen Erdpiste gelangt man bis in die Nähe des Monuments, um sich auf dem letzten Kilometer im Schatten bergaufgehend in der gebotenen Ruhe dieser kulturhistorischen Stätte zu nähern. Zwar wird man kurz an einem Eingangshüttchen aufgehalten, um seinen Eintritt zu entrichten, das war es aber auch schon mit der Pflege des Kulturgutes. Völlig ungehindert kann man die Felszeichnungen nicht nur betrachten, sondern berühren, wenn gewünscht abpausen etc. Niemand hindert einen daran. Seltsam nur, daß eine ganze Reihe der Felszeichnungen, deren Zahl im übrigen überschaubar ist und erkennbar für uns nur aus Händen besteht, äußerst verblasst sind, das rot ist kaum noch auf dem Felsen wahrnehmbar, andere, sehr wenige, Hände sind hingegen von einem kräftigen Rot umgeben. Ist das hier ein Ratespiel, was ist richtig und tausende Jahre alt, was ist ein fake? Ich zumindest habe meine Zweifel ob der Authentizität aller dort sichtbaren Felszeichnungen. Das Problem wäre bei einem verantwortungsvolleren Umgang mit diesem Kulturgut nicht entstanden.

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Was der Mensch nicht nachmachen kann, die umliegende Bergwelt, begleitete uns auch hier bei unserem Kulturausflug. Mich beeindruckte mehr die Gigantomanie der Landschaft, die Farben der Natur als das von alter oder junger Menschenhand Geschaffene.

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Immer wieder werden wir von dichten Wäldern auf unserer Fahrt begleitet, treffen jedoch auch auf Gebiete, die bei einem Vulkanausbruch des Volcano Hudson vor vielen Jahren von dichtem Ascheregen bedeckt worden waren, was auch zu erheblichen Zerstörungen der Flora geführt hat. Über weite Strecken ragen nur noch stumme, entlaubte Restbaumstämme in den Himmel; drumherum bildet sich langsam eine neue Vegetation. Es sieht teilweise richtig gespenstisch aus. Dort wo möglich, wird in größerem Umfang Landwirtschaft betrieben, d.h. Kühe, Pferde und Schafe treiben sich auf den Weideflächen herum. Auch Gewässer, fast hätten wir sie nicht mehr wahrgenommen, wurden passiert wie den “Lago Verde”, dessen Wasser so gar nicht grün war, und immer wieder gab es wunderschöne Panoramen.

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Den Lago Carrera hatten wir schon im Blickfeld, als ein kleines Schild am Straßenrand, ein Wunder, daß wir dieses entdeckten, auf einen “cementerio antiguo”, also einen alten Friedhof hinwies. Ich war enttäuscht, als ich mich über eine Kuhwiese auf den Weg zu diesem Friedhof gemacht hatte. Alte Grabstellen gab es so gut wie keine; einige verwitterte Holzkreuze wie auch einige “Grabhäuser”, die gleichfalls mehr morsch als intakt waren, ließen erahnen, was unter einem alten Friedhof zu verstehen ist. Die Parzellen waren fast ausschließlich mit neuen Gräbern besetzt, wobei der besondere Geschmack und die Vorliebe der Südamerikaner für Plastikblumen sehr deutlich zum Tragen kam.

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Und dann lag er vor uns, der gewaltige See, der Chile und Argentinien verbindet, auf chilenischer Seite “Lago General (!) Carrera” genannt wird und auf Argentinischer Seite “Lago Buenos Aires” heißt. Dieser Lago ist nicht nur der größte Chiles – ich gehe davon aus, daß bei dieser Wertung nur der auf ihr Land entfallende Seeanteil berücksichtigt wurde –, sondern nach dem Titicacasee der zweitgrößte Südamerikas. Von dem Prädikat kann niemand sich etwas kaufen, aber das Gesamtbild See und die umliegende im Augenblick in den Höhen sogar rundherum noch weiße Berglandschaft, das kann punkten auf jeden Fall bei uns, denn wir waren und sind sehr beeindruckt.

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Im Ort Puerto Rio Tranquilo kamen wir in einer ganz guten Hospedaje unter und lernten,wieder einmal, nette Mitmenschen kennen. Zwei ältere Paare, beide im Rentenalter, das eine aus England/London, das andere aus dem Westen Canadas, reisten per Bus, und zwar nicht nur drei/vier Wochen, sondern das eine (London) insgesamt zwei Jahre, das andere bringt es auf ein Jahr. Da gab es viel zu erzählen und zu diskutieren. Zum Glück war die Hospedaje mit ausreichend Wein- und Biervorräten ausgestattet, obgleich, plötzlich wurde eine Palette Bierdosen durch die Tür getragen, offensichtlich mußten die Vorräte aufgefrischt werden. Es war ein sehr langer Abend, sehr gemütliche und unterhaltsame Stunden mit Menschen, die uns gegenüber sofort sehr aufgeschlossen waren und die wir als sehr sympathisch empfanden.

Trotz kurzer Nacht hieß es am nächsten Morgen früh aus den Federn sein, denn wir hatten uns noch am Vorabend in eine Bootstour zu den Marmorkathedralen im Lago Carrera eingeklinkt. Diese berühmten Marmorkathedralen waren ja der entscheidende Grund, weshalb wir es bis hierher zu fahren auf uns genommen hatten. Diese Tour zu verpassen… nicht auszudenken. Pünktlich wie die Preußen standen wir um 9.00 Uhr am Treffpunkt und warteten! Aber nur zwei Minuten, dann kam schon unser Bootsführer mit den übrigen Teilnehmern (5) um die Ecke gefahren. Für hiesige Verhältnisse überpünktlich!

Die fast zweistündige Rundtour über den See zu den Marmorkapellen hat sich wirklich gelohnt. Es ist beeindruckend, wie die Natur es schafft, derartige Formen zu produzieren, nicht im Sandstein, sondern im harten Marmorstein. Der in unterschiedlichen Farben scheinende Marmor, mal weiß, mal grau oder leicht bräunlich, teilweise mit schwarzen oder bräunliche  Schichten oder Äderchen durchzogen wirkte auf seiner Oberfläche wie fein gemeißelt; in seiner Struktur erinnert er eine an getriebene Kupferfläche. Eine Vielzahl von Höhlen war entstanden, einzelne Felsen in besonders bizarrer Form “gestaltet”. Das Wasser schimmerte teilweise bläulich, war kristallklar und bot eine tiefe Sicht. Der See soll an seiner tiefsten Stelle 600m tief sein. Das eine oder andere Kunstwerk hat die Jetztzeit nicht erreicht und ist zusammengebrochen, was angesichts der manchmal sehr dünnen Tragpfeiler auch verständlich ist. Während wir auf der Hinfahrt achterlichen Wind hatten, den wir kaum wahrnahmen, da mit Motorkraft voraus fuhren, blies uns auf der Rückfahrt der Wind stark ins Gesicht und drang durch jede Kleidungsschicht – dem einen oder anderen auf dem Boot wurde ziemlich kalt, auch Katrin brauchte anschließend Zeit, um wieder aufzutauen. Unseren drei aus Alaska stammenden Mitfahren schien das wenig auszumachen; einer der Jungs war in Bermudas angetreten, von Kälteempfindlichkeit keine Spur. Auch ein sehr nettes junges Holländisches Pärchen, ein Jahr auf einer Reise durch Südamerika, war mit von der Partie.

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Sandra und Thomas hatten uns auch empfohlen, in das Valle Exploradores hineinzufahren; hier soll es nach einigen Kilometern urwüchsig sein, also eine entspannte Fahrt in typisch patagonisches Hinterland. Also machten wir uns nach unserem Seeausflug auf den Weg in Richtung Puerto Exploradores und wurden nicht enttäuscht. Natürlich brauchte es eine gute Wegstrecke, bis wir aus der total kultivierten Umgebung heraus waren, aber dann umfasste uns teilweise patagonischer Urwald. Es ging dem Rio Exploradores entlang auf schlechter Piste. Die erste wahrnehmbare Besiedlung fanden wir bei Kilometer 44, dort, wo das enge Tal sich endlich etwas aufweitete. Teilweise steil aufragende Felsen in dem engen Tal machten die Wegführung nicht leicht; oft mußte Felsen für den Weg weichen, ebenso oft konnten wir aber auch feststellen, daß der Felsen sich durch Felsstürze seinen Tribut einforderte und die Straße nicht nur demolierte, sondern vorübergehend in der Vergangenheit auch unpassierbar gemacht hatte.

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Als Ziel hatten wir uns Kilometer 65 gesetzt; die vollen 75 Kilometer bis zu einem Steg am Ende der Sackstrasse, von dem aus man auf die andere Seite des Flusses übersetzen kann, um zu Fuß weiter in Richtung Gletscherfeld San Rafael zu laufen, schienen uns nicht reizvoll. An unserem Wendepunkt bestand die Möglichkeit, gegen einen kleinen Obolus, auf einen Aussichtspunkt zu gelangen, etwa 100m höher als die Strasse gelegen, um von dort aus einen Blick auf eine Gletscherzunge des Gletschers zu erhalten. Näher als bei unserer letzten Gletscherannäherung beim “Hängenden Gletscher” in NP Queulat kamen wir auch hier nicht, dennoch war der Blick sehr beeindruckend. Die Gletscherzungen war im Auslauf nicht sehr mächtig, aber wir konnten deutlich die Gletscherspalten sehen. Noch viel interessanter war die Beobachtung, welche Höhe dieser Gletscherbereich einmal gehabt haben muß,  wie an den Talseiten ersichtlich war. Und unter uns türmten sich die Berge der Endmoräne auf, ja wir standen im Grunde auf einer solchen Endmoräne, inzwischen aber gut einen Kilometer (mindestens) vom Gletscheranfang entfernt. Die Möglichkeit eines “Gletscherspaziergangs” wird vor Ort angeboten; ín Begleitung eines erfahrenen Führers kann man mit Steigeisen ausgerüstet, sich ein Stündchen auf dem Gletscher bewegen. Das war nicht nur heute nichts für uns zumal noch die Weiterfahrt nach Cochrane anstand. Zum Abschied hatten wir noch das Glück, nachdem wir mehrfach bei unseren Wanderungen einen Specht gehört und manchmal auch welche gesehen hatten, diesmal einen sogar bei seiner “Arbeit” zu fotografieren.

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Für den Nachmittag standen überschaubare 120 Kilometer Fahrt auf dem Programm, entlang des westlichen Ufers des Lago Carrera und dann dem Flußbett des Rio Baker folgend nach Cochrane, Ausgangspunkt eines weiteren Abstechers in den Süden. Wieder hatten wir gewisses Wetterglück, denn der anfangs bewölkte Himmel verschwand und wir hatten während unserer Fahrt wiederholt tolle Sicht auf die westlichen Bergketten. Die Weite des Sees wurde immer dann besonders deutlich, wenn wir erheblich über das Uferniveau hinauf steigen mussten. Dabei entdeckten wir immer wieder neue im See verstreut liegende Inseln. Natürlich ließen wir uns mit dem Vorankommen Zeit, hielten öfter an, als es Katrin lieb war, um das wunderschöne Panorama zu genießen. Doch dann waren wir am südwestlichen Seeende angelangt und vor uns erhob sich eine vergleichsweise große Brücke, die den Abfluß des Rio Baker, unser Begleiter nicht nur bis nach Cochrane, überspannte.

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Zuerst empfing uns dann der Lago Bertrand, wie alle Seen der letzten Tage, in eine Berglandschaft eingebettet; still lag er da und wahrscheinlich nur von wenigen Reisenden so richtig im Vorbeifahren wahrgenommen. Auf und ab ging es, dem Verlauf des Rio Baker weitgehend folgend. Von patagonischen Wäldern keine Spur, Weideland wurde durchquert, ab und an lag dann auch ein kleiner Hof in Straßen-/Pistennähe. Immer wieder war es möglich, den Verlauf des zunehmend wilder werdenden Rio Baker zu verfolgen, wie die Wassermassen sich durch ein enges Flußbett zwängten. Ablenkung vom erforderlichen konzentrierten Fahren brachten ebenfalls die westlichen Bergmassive, zunehmend vergletschert und manchmal sehr schroff aufragend. Puerto Bertrand wurde passiert, ein kleines Dorf am gleichnamigen See, dessen Einwohner einerseits vom Holzeinschlag und den Folgeproduktionen andererseits von einem beginnenden Tourismus an ihrem See profitieren. Den Ort La Junta haben wir kaum wahrgenommen, obgleich es möglich ist, von hier aus zu zwei  Gletscherzungen des Campo Hielo Norte aufzusteigen, auch für uns keine allzu reizende Option. Die weiteren Kilometer nach Cochrane waren kurvenreich und wenig ereignisreich. Angekommen war der erste Weg wie immer zur Touristeninformation, die jedoch geschlossen war – nur im Januar und Februar geöffnet! Also hieß es die Straßen abfahren, die wenigen vorhandenen Informationen nutzen und immer wieder anhalten und ein mögliches  Quartier besichtigen. Zum Glück wurden wir schnell fündig und hatten einen guten Griff getan. Im Residencial Sur Austral fanden wir aufmerksame Wirtsleute vor, die sogar am Abend in den zentralen Räumen die Holzöfen in Betrieb nahmen, obgleich es nicht unbedingt so kalt war, daß dies erforderlich gewesen wäre – aber schön war es trotzdem; eine zu empfehlende Unterkunft bei angemessenem Preisniveau. Und am Abend trafen wir in unserer Unterkunft auch noch ein nettes Schweizer Ehepaar.

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Heute, Samstag der 30.11., ist ein Tag, der mit vielen positiven Eindrücken verbunden werden wird. Wenn der Tag durch Stichworte beschrieben werden soll, könnten diese lauten : t-shirt-Tag; wahnsinniges Panorama, typischer patagonischer Wald, die Äxte haben gewütet, mehr Radfahrer als Autofahrer, Seenlandschaft, per Steg von Haus zu Haus – ein verrückter Ort.

Der Tag fing gut an; ein Blick durch den Vorhang signalisierte Sonnenschein, der nicht unbedingt erwartet worden war, denn am Vorabend hatte es zu regnen begonnen; der Regen setzte sich auch in der Nacht fort. Beste Voraussetzungen, um noch einige Kilometer auf der Carretera Austral südwärts und damit durch eine tolle Landschaft zu fahren. Unsere (meine) ursprüngliche Absicht, die Carretera bis ans Ende in O’Higgins zu fahren, hatten wir nach Gesprächen mit Sandra und Thomas in Coyhaique aufgegeben; der Endpunkt der Carretera ist wirklich ein Endpunkt, die Carretera wird hier zur Sackgasse. Auch wenn Argentinien nicht weit ist, eine Möglichkeit per Auto hinüber zu wechseln gibt es (noch) nicht. Für einige äußerst mutige und kräftige Trecker soll (!) es die Chance geben, zu Fuß und dann mit einem Boot sowie begleitet von einem ortskundigen Führer ins Nachbarland zu kommen. Dieses Abenteuer werden nur die wenigsten auf sich nehmen, zumal das Boot zur Zeit nur einmal die Woche fährt. Den uns gegebenen Hinweisen entsprechend würden wir im Grunde nichts wirklich neues und spannendes jenseits der Abzweigung nach Caleta Tortel sehen, aber gut 250 Kilometer Piste zusätzlich fahren müssen. Erfahrenen Menschen sollte man, auch wir, vertrauen, also hießt das für uns, einen Tagesausflug (Gesamtstrecke gut 260 Kilometer und 6-7 Stunden Fahrzeit) in das Örtchen Caleta Tortel zu unternehmen.

Nach gutem Frühstück und nettem Gespräch mit zwei Schweizer Reisenden ging es dann gegen 10.00 Uhr los. Schon bald war klar, heute ist T-shirt-Wetter – kaum Wind (und das in Patagonien!) und eine Sonne, die voller Kraft schien. Die Welt sieht auch direkt freundlicher bei Sonnenschein aus, auch wenn wir, wieder einmal, feststellen mussten, die umliegenden Bergspitzen waren von tiefliegenden Wolken eingehüllt. Vielleicht ändert sich die Situation auf dem Rückweg, so unsere Hoffnung, denn wir hätten gerne das gesamte Zauberpanorama genossen.

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Es ging vorbei am nur 6 Kilometer hinter Cochrane liegenden Lago Esmeraldo, ein See von mittlerer Größe, klarem Wasser und einem Badestrand! Dieser dürfte nur von den Eisbären benutzt werden, denn angenehme Badetemperaturen dürfte der See auch auf lange Sicht kaum erreichen, aber er ist eine Attraktion. Bevor wir den nächsten See, den Lago Chacabuco erreichten überquerten wir eine Brücke über einen, so schien es, unscheinbaren kleinen Fluß, den Rio Salto. Ein schneller Blick zur Seite belehrte uns eines besseren – hier bahnte sich ein kräftiger Fluß seinen Weg durch den Felsen. Angehalten und ausgestiegen war eins und beim Näherkommen sahen wir einen Fluß, der in Kaskaden hinunterströmte durch eine Klamm, so daß es tobte und toste. Ein durchaus schöner Anblick, den wir auch aus der Nähe haben wollten und den Abhang zum Fluß hinunterstiegen. Eine auf der Brücke stehende Einheimische machte uns Zeichen die wir so deuteten, wir sollten dem Flußbett weiter folgen. Wir befanden uns zwar auf einem Privatgrundstück, aber kein Mensch weit und breit, also machten wir uns auf den Weg und wurden richtig belohnt. Zwar war es kein riesiger Wasserfall, den wir vorfanden, jedoch stürzte das Wasser mit solcher Macht in das schmale Becken am Flußgrund, das sich ständig hohe Gischtwolken ergaben. Ein sehr schönen Bild mit Regenbogenfarben in der Gischt.

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Die ersten 20-30 Kilometer südwärts geht es durch stark gerodetes Land. Nur selten sind einzelne oder noch in Gruppen stehende Urwaldbäume zu sehen; die gerodeten Flächen wurden so langsam von einem Neuwald erobert, der eine andere Struktur und Zusammensetzung als der ursprüngliche aber gefällte patagonische Urwald aufweist. Vereinzelt wurden auch komplette Baumplantagen angelegt. Grün war es, aber, zumindest auf diesem ersten Teilstück, weit entfernt von unserem Bild, was entlang der Carretera Austral an Urwald zu sehen ist. Das sollte sich jedoch grundlegend im Verlaufe der Fahrt ändern, wir bekamen unseren Urwald zu Gesicht, öfter entlang der Strecke, sehr häufig an den Bergflanken. Mit Blick auf die gerodeten Flächen, die jedoch erkennbar keiner besonderen Nutzung anschließend zugeführt wurden, es sei denn einer kleinen Viehhaltung diente, obgleich wir kaum Viehbestände auf den gerodeten Flächen gesehen haben, erinnerte ich mich an einen Hinweis in irgend einem Reiseführer. Der chilenische Staat, er hielt sich als Eigentümer des patagonischen Landes, Rechte der Ureinwohner wurden einfach negiert, förderte die Siedlungsbewegung in dieser unwirtlichen und äußerst entfernt liegenden Region, indem er versprach, wenn das Land urbar gemacht würde, sprich der Urwald gefällt und Viehhaltung möglich sei, würde es dem die Axt schwingenden Siedler überschrieben. Kein Wunder, wenn insbesondere in den aufgeweiteten Tälern alles gefällt wurde, was im Weg stand. Es hatte auch oft den Anschein, als ob manche der Siedlungshäuser, die wir entlang der Strecke wahrnehmen konnten, aufgegeben worden sind und Neusiedler nicht nachkommen. Wie sonst kann auf einer gerodeten Fläche sich ein neuer Wald ausbreiten.

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Weiter in Richtung Süden wollten und sind wir auch gefahren, um den einen oder anderen Blick auf die im südlichen Gletscherfeld liegenden Berggipfel zu erhaschen, hier und da auch den Gletscher selbst bzw. einzelne Teile oder wenigstens Gletscherzungen zu erblicken. Auf der Hinfahrt machten uns die Wolken einen Strich durch unsere Absicht, auf der Rückfahrt wurden wir dafür um so reichlicher entschädigt, bei prallem Sonnenschein hatten wir tolle Weitsicht und immer wieder mußte ich anhalten, um die Eindrücke zu dokumentieren.

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Kurvenreich war die Strecke und nur manchmal wirklich eng. Verkehr bestand überwiegend aus radelnden Weltenbummlern. Etwa ab Kilometer 50 von Cochrane aus gemessen trafen wir entweder alleine, zu zweit oder zu dritt radelnd auf 7 dieser masochistisch veranlagten dennoch zu bewundernden Spezies der Radfahrer, alle mit prallen Fahrradtaschen und querliegendem Zelt bepackt. Drei Stunden später hatten sie durchweg 30-35 weitere Kilometer hinter sich gebracht. Ihr Ziel war anscheinend Puerto Yungay, gut 120 Kilometer südlich von Cochrane gelegen, um mit der Fähre nach Rio Bravo übersetzen zu können, damit die letzten 100 Kilometer bis O’Higgins in Angriff genommen werden können. Auf unserer Hin- und Rückfahrt trafen wir nur auf 6 Fahrzeuge, also war heute der Tag der Radler.

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Unser heutiges Ziel, der am Canal Baker gelegene Ort Caleta Tortel, ist einzigartig oder fast einzigartig. Er zieht sich zu Füßen eines Bergrückens an diesem entlang, auf der einen Seite der teilweise steil aufsteigende Felsen, auf der anderen Seite das Wasser des Sundes. An die Stelle von Wegen sind hier Stege getreten, die sich entlang der Wasserfront um den Berg ziehen. Die Pfähle der Stege, aus Zypressenholz und somit relativ widerstandsfähig, stehen im Wasser. Auch sämtliche Häuser sind durch Stege miteinander verbunden, auch wenn sie nicht am Wasser errichtet wurden; Höhenunterschiede werden durch Treppen überwunden. Neben den Stegen stehen auch alle Häuser, gleich ob am Wasser oder auf dem Felsen gebaut, auf Stelzen/Pfosten, obgleich insbesondere in den höheren Lagen keine Überflutungsgefahr besteht. Durch diese Bauweise, die einheitlich im ganzen Dorf ist, ist Caleta Tortel zu einem Unikum geworden. Wirtschaftlich scheint sich das noch nicht so richtig positiv ausgewirkt zu haben. Zwar gibt es einige wenige Unterkunftsmöglichkeiten, aber das Gros der sichtbaren Häuser war in einem denkbar maroden Zustand, eher Ausdruck der persönlichen wirtschaftliche Lage. Dennoch, der Ort lebt. Wir passierten nicht nur eine Außenstelle der Wasserpolizei und Marine, sondern viel wichtiger, einen größeren Kindergarten und konnten ein sehr großes Schulgebäude wahrnehmen. Vieles von dem, was an öffentlichen Einrichtungen erkennbar war, konnte punkten, war in tadellosem Zustand, also eine Investition in die Zukunft des Ortes. Auch die sich an der Wasserfront entlang ziehende Steganlage dürfte eine Zukunftsinvestition insbesondere in den Tourismus sein, denn wer sollte sonst die in Abständen errichteten Pavillons bevölkern, die zahlreichen Sitzbänke mit Aussicht auf den Sund nutzen oder sich am etwas abseits liegenden und dennoch durch eine lange Steganlage mit dem Ort verbundenen Sandstrand in die Sonne legen?

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Ein, wenn offensichtlich nicht sehr starkes wirtschaftliches Standbein dürfte der Ort in der Fischerei besitzen, wie einige Fischerboote belegen. Andererseits war auch erkennbar, wie zahlreiche Boote am Ufer vor sich hin vergammelten und verfielen.

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Fast vergessen, es gibt auch einen Parkplatz, er befindet sich gut 60 Höhenmeter oberhalb der Wasserfront. Wesentliche Benutzer dürften die ankommenden Touristen sein, denn für den hier wohnenden ist der Besitz eines Autos eher ein Last denn eine Lust und sinnvoll.

Der heutige Tag war in jeder Hinsicht ein Gewinn, wir hatten nicht nur gutes Wetter, sondern immer wieder die Möglichkeit, Teile des nördlichen Gletscherfeldes zu sehen, fuhren an einem beeindruckenden Panorama schnee- und eisbedeckter Berge vorbei, waren in einer Art Puppenstube in Caleta Tortal und konnten den Süden Patagoniens in vollen Zügen genießen.

Am 1. Advent zeigte die Kompaßnadel nach Norden, zumindest anfangs, denn wir traten den Rückweg zum Lago Carrera an.  Da unsere Schweizer Bekanntschaft aus dem Hostal ebenfalls nach Chile Chico wollte, um dort für sich zu entscheiden, an Ort und Stelle weitere Wanderungen zu unternehmen oder nach einem neuen Ziel Ausschau zu halten, saßen wir zu viert im Wagen und ließen uns abwärts treiben, natürlich nicht ohne den einen oder anderen Stop. Manchmal waren es Guanakos, die den Weg kreuzten, dann wieder ein interessanter Blick auf den Rio Baker, oder ein Gaucho, der sein Vieh vor sich her trieb. Obgleich wir alle diese Strecke schon einmal befahren hatten, sie kam uns auf dem Rückweg in Teilen unbekannt vor.

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Ab Puerto El Maitén begann dann der unbekannte Abschnitt der heutigen Fahrt, die uns am Südufer des Lago Carretera fast 100 Kilometer lang entlangführte, mal ganz nah am Wasser und den Felsen entlang, mal in Serpentinen den Berghang hinauf, mal die Tiefe des Raumes sprich die Taleinschnitte nutzend und sich vom See entfernend, dann wieder galt es, sich tief in den Fels gegrabene Flüße zu überqueren. Und mit zunehmender Annäherung an das Argentinische Hoheitsgebiet begann auch die Vegetation in den Höhenlagen sich der der Pampa anzunähern, ein Vorbote auf das, was in den nächsten Stunden uns begleiten sollte. Je weiter wir nach Osten kamen, uns Argentinien annäherten, um so niedriger die Höhenzüge der nördlich des Sees gelegenen Berge, sie liefen so langsam in der Ebene der Pampa aus. Leider spielte das Wetter nicht so richtig mit, es regnete zwar nicht, aber der graue wolkenverhangene Himmel trübte die Stimmung schon ein bischen ein. So waren die umliegenden Berge nur zum Teil erkennbar, die Gletscher kaum zu sehen, die Farbkontraste gering: Trotz all dieser Einschränkungen, die Fahrt war ein Erlebnis; wir können die Hinweise bestätigen, daß dieser Teil der Strecke entlang des Lago Carrera der schönste ist. Hier steckt Abwechslung in der Streckenführung, die Blicke auf den See verändern sich, man erfährt im wahrsten Sinn des Wortes die Größe des Sees. Und darüber hinaus begegnet dem Reisender wieder einmal der lange Arm der Minenindustrie. Auf gut 600mm Höhe, d.h. etwa 300m über Seeniveau sind wohl Prospektoren fündig geworden und ein Berg wird “abgeräumt”. Hier ist man so stolz auf die Tat, daß für den Vorbeifahrenden extra ein “Mirador” geschaffen wurde, um einen Blick auf das Areal werfen zu können!

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Nach gut 4 1/2 Stunden Fahrt einschließlich der notwendigen Unterbrechungen waren wir am Zielort Chile Chico angekommen und verabschiedeten unsere Schweizer Begleitung. Thomas und seine Frau werden hoffentlich im Ort gut untergekommen sein. Wir wollten die Zeit und den Tag nutzen, um über die Argentinische Grenze und zumindest bis zum Ort Perito Moreno zu kommen.

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Auf der Carretera Austral – nur im Geiste auf den Spuren von Bruce Chatwin Teil 1 : Futaleufú–Coyhaique

In unruhigen Schlafphasen während der Nacht vernahmen wir immer noch heftigen Regen. Um so erfreulicher am frühen Morgen gegen 6 Uhr, keine Tropfengeräusche mehr zu hören, der Himmel war zwar sehr wolkig, aber ab und zu schien gegen 8 Uhr auch Blau durch. Also bestand Hoffnung entweder auf eine Fahrt ohne permanenten Regen nach Chaitén oder eine Raftingfahrt ohne zusätzliche Duschen von oben. Lust zu raften hatte uns auch die Auskunft in der Agentur gemacht, daß es sich nicht um eine Kaffeefahrt handeln würde, sondern der Fluß in dem Bereich, den wir befahren würden,  Schwierigkeitsstufe 4plus aufweist, da einige Stellen mit 5 bewertet würden. Und von unserer “Gastmutter” erfuhren wir beim Frühstück darüber hinaus, auf dem Rio Futaleufú würde im kommenden Jahr die Weltmeisterschaft im Raften ausgerichtet werden – wenn das nicht für die Qualität spricht! Also warteten wir, saßen praktisch auf gepacktem Rucksack und hofften auf einen Anruf der Agentur. Leider blieb dieser aus und wir machten uns auf den Weg. Natürlich nicht ohne, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, der Agentur einen letzten Besuch mit Nachfrage abzustatten. Leider ohne das von uns erhoffte Ergebnis.

Um 10:15 am 24.11. begann dann unsere Anfahrt zur und Fahrt auf der berühmt berüchtigten Carretera Austral. Über eine Fahrt auf dieser Strecke sind bereits meterweise Berichte geschrieben worden, jeder mit und aus einer anderen Perspektive, der eine nüchtern und sachlich, andere wiederum stark romantisierend – hängt wohl vom Zeitpunkt der persönlichen “Eroberung” dieser Straße und Patagoniens ab –, und dann sind noch die echten Schriftsteller am Werk gewesen, wie z.B. der “Reiseschriftsteller” Bruce Chatwin. Er hat sicherlich manchen der diese Straße in Angriff nehmenden Nachreisenden inspiriert, obgleich das Reisen zum heutigen Zeitpunkt ziemlich unbeschwert erfolgen kann. Schauen wir mal, wie es uns so ergeht; allen denjenigen, die mehr Literarisches wünschen, sei Chatwin ans Herz gelegt.

Wir hatten uns vorgenommen, “unseren” Rio während der Fahrt unter die Lupe zu nehmen um besser ermessen zu können, was uns entgangen war. Hätten wir doch vorbeigeblickt, denn was wir sahen machte den “Verlust” nur noch größer. Der Rio Futaleufú war nur so gespickt mit langen Stromschnellen, sich verengendem Flußlauf, Felsen im Bett, also die besten Voraussetzungen für eine lebhafte Fahrt. Und die wäre noch in einem Tal verlaufen, bei dem die steilen Felswände oft sich direkt aus dem Flußbett oder unmittelbar daneben erhoben. Was wäre das für ein Blick in den Himmel gewesen, wenn man überhaupt zum Hochblicken Zeit gehabt hätte! Es sollte nicht sein, die Autofahrt entlang des Flusses, mal nah, mal weiter entfernt, war nie langweilig.

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Es war Sonntag, und der Verkehr auf den 80 Kilometern hin zur Carretera Austral war mehr als gering, wir zählten in den zwei Stunden, die wir uns hierfür Zeit ließen vier (!) Fahrzeuge (und drei Tramperinnen, denen wir aber nicht helfen konnten). Das am Morgen noch so freundliche Wetter entwickelte sich im Verlaufe des Tages zu einem typischen Maiwetter, d.h. es gab immer wieder kurze heftige Schauer, dann wurde es wieder hell, manchmal war sogar die Sonne zu sehen. Auf regennasser eingeseifter Erd-/Schotterstraße zu  fahren macht nur begrenzt Spaß, denn Seife auf der Straße heißt auch man gleitet so schön durch die Kurven, nicht immer so, wie gewünscht. Im Grunde ein Vorgeschmack auf die Carretera, denn auch dort sollte man sehr konzentriert fahren.

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Die Landschaft wirkte deutlich rauer als die vorher durchquerten. Die Berghänge waren vom Tal ab soweit wie möglich stark bewaldet, die Flächen im Tal hingegen weitgehend gerodet; ab und zu blieben vereinzelte Baumbestände erhalten, der Rest der Fläche dient als Weidefläche. Oft wurden die gefällten Baumriesen nur in Teilen zersägt und auf dem Gelände ihrer Verrottung überlassen, eine “Beräumung” der Felder fand wohl nur selten statt – Land schien genug dazu sein, um sich diese Arbeit ersparen zu können?! Die gesehenen kleinen Höfe und ihr äußeres Erscheinungsbild zeugten jedoch in manchen Fällen nicht von besonderem Reichtum unter ihrem Dach, sondern ließ  ein eher sehr bescheidenes Leben erwarten.

Und wieder lag ein See an unserer Fahrstrecke, an dem sich einige Begüterte ganz schöne und große Domizile haben errichten lassen, der Lago Yelcho, ein auch von Anglern stark frequentiertes Gewässer. Und nicht nur Angler nutzen den Fischreichtum, sondern auch kommerziell wird der See ausgebeutet, und zwar durch eine Fischfarm. Wir hatten gelesen, daß durch die zahlreichen Fischfarmen, meistens Lachs, in den nördlicheren Seen der chilenischen Seenlandschaft Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung entstanden sind (u.a. auf Grund es Antibiotikaeinsatzes), dies scheint aber keine Rolle zu spielen, der Fischindustrie in dieser Form enge Manschetten anzulegen.

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Und endlich war sie erreicht, die viel beschriebene Carretera – und sie war völlig unspektakulär. Kein besonderer Hinweis, einfach nur ein Schild rechts nach Chaitén, links nach La Junta. Und von einer engen Straße nichts zu sehen, breit war sie, so breit, daß wir das Gefühl hatten, hier könnten drei LKWs nebeneinander fahren. Dieses Bild war nicht von allzu langer Dauer, es gab auch lange Passagen, an denen es deutlich enger war. Angesichts des äußerst geringen Verkehrs – lag es am Wochentag, dem Sonntag? – hätte ohne weiteres auch eine Spur gereicht. Meine Praxis, auf den entlegenen Strecken, die nur von wenigen befahren werden, den Entgegenkommenden mit Handzeichen zu begrüßen, habe ich auch auf der Carretera beibehalten und bin damit, wie ich dann gelesen haben, einem nahezu ungeschriebenen Gesetz unbewußt gefolgt. Man grüßt den Entgegenkommenden z.B. durch Anheben des Zeigefinder der linken Hand vom Lenkrad – das will gelernt sein! und immer wird zurück gegrüßt, fast wie in einer Familie kommt man sich vor. Offensichtlich ist die Zahl der diese Piste unter die Pneus Nehmenden doch überschaubar.

Auf unserem Besuchsprogramm für heute stand der Parque Pumalín, ein riesiger privater Park in einer Größe von 550.000 Hektar, der für Jedermann zugänglich ist. Er erstreckt sich entlang der chilenisch-argentinischen Grenze und umfasst riesige schützenswerte Wälder, Seen und natürlich eine Vielzahl von Vulkanen und Bergen. Der ehemalige Eigentümer von North Face, Douglas Tompkins, hat hier sein Vermögen eingesetzt und will der Gesellschaft, die ihm diesen Reichtum ermöglicht hat, etwas oder sogar vieles zurück geben, denn das Besitztum geht nach seinem Tod in eine Stiftung über die dem Zweck dient, dieses Areal als Naturpark für die Nachwelt zu erhalten. Wir kamen an dem südlichen Parkeingang in El Amarillo vorbei und bogen ein. Leider war von dem in den Reiseführern erwähnten Besucherzentrum (noch) nichts zu sehen, deshalb Einfahrt ohne Karte und Hinweise, wo denn gewandert werden könnte. Die Karte war entbehrlich, denn man konnte nur einem schmalen Schottersträßchen folgen. Der Ausblick war dann auch immer so interessant, so daß man unwillkürlich ein niedriges Tempo fuhr. Entlang der Streckenführung war der Park fast wie ein englischer Park angelegt mit gemähten Rasenflächen, großen Gehölzen zwischendrin, manchmal einige blühende Sträucher, mal offen gestaltet, mal verengte sich das gemähte Feld und dahinter entwickelte sich dann der Wald ohne Eingriffe. Der Blick des Betrachters wurde gelenkt und ihm wurde auch die Möglichkeit gegeben, den Park und seine Baumbestände quasi in der dritten Dimension zu sehen. Eine schöne Rundfahrt, die leider nur insgesamt gut 15 Kilometer lang war. An alles war gedacht worden, selbst für die Camper waren gesonderte Flächen ausgewiesen und Sanitäranlagen errichtet, zu kostenlosen Benutzung bereit gestellt, aber heute noch von keinem benutzt. Mangels Wanderkarten fiel dann unser Bedürfnis, uns die Beine etwas zu vertreten, ins Wasser und wir kamen am frühen Nachmitttag bereits in Chaitén an.

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Aber nicht ohne vorher nach Chaitén Viejo gefahren zu sein. Und das kam so : ich erinnerte mich gelesen zu haben, daß nachdem durch den Vulkanausbruch des Vulcano Chaitén sowie durch den dadurch über seine Ufer getretenen Rio Blanco 2008 die Stadt zu großen Teilen zerstört und die Menschen evakuiert werden mussten staatlicherseits ein Neuaufbau der Stadt gut 10 Kilometer weiter nördlich und weiter entfernt vom Vulkan angestrebt worden war. So ging ich davon aus, daß es sich bei dem auf der Straßenkarte mit Chaitén bezeichneten Ort um den Neuen handelt, folglich musste Chaitén Viejo der zerstörte Ort sein. Ich irrte, wie mir nach 8 Kilometer Fahrt abseits der Strecke klar wurde, als ich am Ufer des Rio Blanco stand; hierhin verirren sich erkennbar nur Angler.

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Chaitén ist nach wie vor eine stark zerstörte Stadt, in die  inzwischen aber eine große Zahl der früher Geflohenen in ihre Häuser zurückgekehrt ist und diese wieder reparieren, wenn es denn überhaupt möglich ist. Festzustellen ist aber auch, wie viele Objekte nach wie vor leer stehen und ihrem Verfall entgegen sehen. An manchen dieser leerstehenden Objekte klebt ein Hinweis, der auf einen staatlichen Eigentümer hinweist, offensichtlich über Entschädigungszahlungen in die Hand des Staates gelangt. Und der  unternimmt erkennbar nichts, die Objekte nicht verfallen zu lassen. Die Stadt sieht deshalb äußerst trist aus; staatliche Organe haben zwar ihre Präsenz sichtbar gemacht durch den Neubau diverser Verwaltungsgebäude, aber das hat nicht gerade zu einer lebensfrohen und pulsierenden Gemeinde geführt. Kritiker bemerken, dies sei auch vorher nicht der Fall gewesen. Im Grunde ist Chaitén auch nur Hafen für die von Chiloe anlandende Fähre und für die Reisenden auf der Carretera Austral eine reine Durchgangsstation. Dies gilt auch für uns, denn wir werden Morgen wieder gen Süden fahren.

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Bei unserem Rundgang durch die Gemeinde, nachdem wir erfahren hatten, in welcher Richtung der Vulcano Chaitén liegt, der das Unglück über die Stadt gebracht hat, hielten wir am Abend die Augen besonders offen. Es war zwar stärker bewölkt, jedoch war die Sicht so gut, um den Vulkan – alt – und seinen – neuen – Nebenkrater identifizieren zu können. Im Grunde, wenn man die Richtung richtig wählte, kein Problem, denn aus beiden Kratern stieg weißer Dampf auf, der sich von Gestalt und Farbe deutlich von den umliegenden Wolken unterschied. Also muß immer mit einer neuen “Überraschung” vom Berg gerechnet werden. Am nächsten Morgen und strahlendblauem Himmel waren die Dampfwolken noch deutlicher auszumachen.

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Den heutigen 25.11. müssen wir den Radfahrern widmen. Haben wir vor Hochachtung schon in nördlicheren Breitengraden eine tiefe Verbeugung vor den reisenden Radfahrern gemacht, so gilt unsere Bewunderung um so mehr denjenigen unter dieser besonderen Spezies, die versuchen, die Carretera Austral zu bewältigen. Die Carretera Austral ist nicht irgend eine Straße, sondern die Schotterpiste unter den Pisten, ein stetiges auf und ab, Wind und davon nicht zu knapp, oft wechselndes Wetter und ursprünglich eine vergleichsweise schmale Fahrbahn, die die LKWs mit großer Freude für sich beanspruchen. Die Carretera Austral soll gut 1.200 Kilometer lang sein, eine wahre Herausforderung für jeden, der sie befährt, aber im besonderen für den Radfahrer. Wir haben ja schon den einen oder anderen Radfahrer getroffen, meistens waren sie zu zweit unterwegs, selten als Einzelkämpfer. Und einen solchen nahmen wir etwa 140 Kilometer südlich von Chaitén in einem wüsten Straßenbauabschnitt mit gröbster Schotterpiste wahr, wie er im fast kleinsten Gang sich mühte, im Schotter eine kleinere Steigung zu einer Behelfsbrücke hinaufzufahren. Ist das ohne Gepäck schon eine Quälerei, muß man wohl Masochist sein, dies mit vollen Packtaschen vorne und hinten am Rad anzugehen. Was treibt einen, dazu noch im Alleingang, diese Strecke per Rad zu bewältigen? Es gibt viele mögliche Antworten, gleich aus welchen Beweggründen die Tour begonnen wurde, ist sie beendet, hat man nicht nur einen Teil Patagoniens sehr intensiv erlebt, sondern wahrscheinlich sich selbst auch besser kennen gelernt.

Wir hatten uns als Tagesziel den an einem Fjord gelegenen Ort Puerto Puyuhuapi ausgesucht, nur gut 220 Kilometer südlich von Chaitén gelegen, also eine Strecke, die Freiraum und –zeit für Aktivitäten lässt. Gestern hatten wir im Parque Pumalin nur den Rundweg im südlichen Bereich bei El Amarillo befahren und keine Gelegenheit gehabt, den Park bzw. einen winzigen Teil auch zu Fuß besser kennenzulernen. Am Vorabend hatten wir etwas von einem Sendero Ranita de Darwin (ein nach Darwin benannter sehr seltener Frosch steckt hinter dem Namen) gelesen, diesen wollten wir begehen. Morgens gegen 10:00 Uhr waren wir am Startpunkt für die kurze 1 1/2-stündige Wanderung und machten uns auf den Weg. Offensichtlich hatte in dieser Saison noch niemand den Weg begangen, denn er war an vielen Stellen ziemlich zugewachsen. Wir mussten uns immer wieder zwischen Büschen hindurchwinden, über umgefallene Baumstämme hinwegsteigen. Da schon nach etwa 50 Metern der Weg wie zugewachsen war ist nicht auszuschließen, daß andere Wanderfreunde bereits an dieser Stelle umgekehrt sind. Abgesehen von diesen erschwerten Wanderbedingungen waren es schöne 1 1/2 Stunden im Wald. Wir wurden durch einen echten Urwald geleitet, über uns immer wieder Baumriesen verschiedenster Art, meistens so groß gewachsen, daß sie mit normalen Mitteln nicht zu fotografieren waren. Die große Feuchtigkeit ist idealer Nährboden für Farne und andere Epophyten, Baumstämme moosbewachsen, soweit man sehen kann, und dazwischen, mal groß, mal klein, die Nalcas, der Regenschirm des kleinen Mannes, denn oft erreichen seine Blätter einen Durchmesser, um als Regenschirm eingesetzt zu werden. Phasenweise war der Wald gelichtet, hatte man Sicht auf die umliegenden Vulkane wie den Vulcano Michinmahuida (rund 2.400m) mit seiner Eis- und Schneekappe, dann galt es wieder im Dämmerlicht des dichten Urwaldes zu gehen. Aussichtspunkte ergänzten den Rundweg, von wo aus ein Weitblick in die grüne Berglandschaft möglich war. Wieder einmal eine kleine Wanderung, die richtig Spaß gemacht hat, ruhig fast still war es dabei um uns herum, nur manchmal konnten wir Vogelgezwitscher hören, im Grunde eine Stimmung, die man bewahren möchte.

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Auch dieser Park hat unter dem Ausbruch des Vulcano Chaitén 2008 sehr gelitten; es waren umfangreiche Aufräumarbeiten erforderlich. Dies ist offensichtlich der Grund, weshalb zwar am Nordeingang ein Besucherzentrum mit Informationsmöglichkeiten geschaffen worden ist, hier am Südeingang die Gebäude stehen, aber noch nicht in Betrieb genommen wurden. Hinweisschilder über die möglichen Treckingpfade durch den Wald fehlen ebenso, wie Erläuterungen z.B. zu den auf unserem Weg angebrachten Tafeln, denn mit ihrer Hilfe sollte der Wanderer in die Geheimnisse dieses Waldes eingeweiht werden. Schade, denn der Nutzwert für uns wie auch andere Besucher wäre größer.

Diese kurze Wanderung war nur die Einstimmung auf die dann folgende Fahrt auf der Carretera Austral die damit endete, daß wir auch in einer “Hospedaje Carretera Austral” in Puerto Puyuhuapi übernachten. In Chile ist eine Straßenbauwut ausgebrochen – auf einem etwa 140 Kilometer langen Stück unserer Tagesstrecke wurde die Carretera “modernisiert”, d.h. deutlich verbreitert, neue Brücken gebaut, Stützwände neu verbaut, die Fahrbahn neu geschottert, verdichtet etc. um, so sahen wir es kurz vor unserem Tagesziel, dann mit einer Asphaltdecke versehen zu werden. Dann ist sie hin die Romantik einer Fahrt über die Carretera Austral, denn dann ist es eine Straße wie jede andere, ohne besondere Ansprüche, einzig die sie umgebende Landschaft macht sie noch zu etwas Besonderem. Für uns hieß das noch langsameres Fahren, deutlich schlechtere Straßenverhältnisse als erwartet, da die Baufahrzeuge die Schotterdecke stark beanspruchen, häufiges Warten an Engpassstellen durch die Bauarbeiten, zahlreiche Umleitungen über Behelfswege. Bleibt abzuwarten, ob auch weiter im Süden dieses Bauvorhaben fortgesetzt wird. Angesichts der geringen Bevölkerungsdichte wie auch des geringen Verkehrs- und Transportaufkommens – die nicht mit dem Bau in Zusammenhang zu bringenden Fahrzeuge summieren sich über den ganzen Tag auf knapp 10 – stellt sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn der Baumaßnahme.

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Abgesehen von den Straßenbauarbeiten war die Fahrt ein Genuß. Leider erforderte die Straße große Aufmerksamkeit, so daß ich nicht immer genau wahrnehmen konnte, was da so an Bergwelt und Wäldern links und recht auftauchte, in der Ferne sichtbar war. Aber das, was wir sahen – auch Katrin sah mehr auf die Straße als nach rechts und links – war beeindruckend. Zum einen erfreute es immer wieder, wenn die Berge oben noch einen weißen Schneeumhang als Folge des Schneefalls der letzten Tage aufwiesen, aber noch imponierender waren die Blicke auf die diversen Gletscher entlang unserer Strecke. Das beginnt mit dem Überqueren der für hiesige Verhältnisse großen Hängebrücke über den Rio Yelcho, denn im Anschluß sieht man rechter Hand eine vergletscherte Bergkette, wenige Kilometer später dann an einer Brücke eine tolle Sicht auf den Gletscher Ventisquero Yelcho, der blau leuchtet. Nach kurzer Beratung verzichteten wir auf die dreistündige Wanderung hin zum Gletscher, werden wir ja noch viele andere auf unserer Fahrt aus der Nähe sehen können. Und wie zum Beweis, verfolgten uns auch in der nächsten Fahrstunde die vergletscherten Berge.

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Gut 120 Kilometer hinter Chaitén begann die Landschaft sich zu ändern. Das Tal, durch das wir fuhren, weitete sich deutlich, die gerodeten Flächen waren nicht zu übersehen, Landwirtschaft wurde, wenn auch in bescheidenem Umfang betrieben. Kein Wunder, denn bald darauf erreichten wir den Ort La Junta, eine Ortsgründung deutscher Auswanderer in den 20-40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die hier die Landwirtschaft so gut es ging “etablierten”.

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Aber dieser Wechsel der Landschaft war nur ein kurzes Intermezzo, denn bald fuhren wir wieder auf einer, leider verbreiterten, Schneise durch den Wald, eingerahmt von Bergzügen, die aber unserer Einschätzung nach so langsam auch an Höhe verloren. Die Fahrt zog sich, Aufatmen, als wir dann den Lago Risopatrón erblickten – dann kann das Ziel nicht weit sein. Unser Ziel, Puerto Puyuhuapi, liegt am Ende eines Fjordes oder Sundes, denn der Seno Ventisquero ist mit dem Meer verbunden, zwar erst nach etlichen 10 Kilometern, aber verbunden. Wer es nicht weiß, die auf dem Strand weit weg vom Ufer liegenden Fischerboote zeigen, daß ein Tidenhub besteht, und somit Meerverbindung. Der Ort teilweise Fischerort, teilweise nicht definierbar, teilweise vom durchreisenden Tourismus abhängig, teilweise – von was lebt man hier eigentlich? Reichtümer besitzen die Menschen nicht, wohnen anscheinend überwiegend in einer häufig sehr dürftigen Behausung auf eigener Scholle, aber Zustand des Hauses und des Umfeldes erlauben diesen Rückschluß wohl. Auffallend sind die niedrigen einfachen Holzhäuser, die teilweise wie hingeduckt wirken. Und auf Wachstum ist der Ort sicher auch nicht ausgerichtet, die nennenswerte Zahl leerstehender und verfallender Objekte auch in der Nähe des Ortskerns entspricht dieser Vermutung. Aber die wahrgenommenen Lebensumstände sollten auf keinen Fall mit dem Gemüts- und Glückszustand der Menschen gleichgesetzt werden. Freundlich sind sie allemal uns gegenüber. Wie heißt es in den Reiseführern über die Menschen in Patagonien : hartes Leben, keine Reichtümer, eher das Gegenteil, Armenhaus der Nation, unterstützungsbedürftig, aber glücklich sollen sie sein, die Siedler in Patagonien.

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Was uns seit langem aufgefallen ist – in argentinischen wie auch chilenischen Familien gibt es einen Dauergast, der zudem auch immer dazwischenredet : der Fernseher. Sind wir es inzwischen gewohnt, daß in Restaurant, Geschäften etc. mindestens ein Exemplar irgendwo in der Ecke steht, an der Wand hängt und pausenlos jeden, der in der Nähe ist, mit seinen ständigen Telenovelas “beglückt” –  welch eine Freude, wenn man im Restaurant sitzt und miteinander reden möchte, dabei aber von der laufenden Sportübertragung übertönt wird – , die Dauerberieselung in jeder Wohnstube ist für uns eine neue Kulturerfahrung. Obgleich, auch in deutschen Familien hat dieser Gast, leider, schön häufig Gastrecht erhalten. Permanent auf Sendung, obgleich die sich im Raum befindenden Menschen gar nicht auf Empfang geschaltet haben, sondern vor dem Fernseher sitzend sich mit ihren Handys beschäftigen, Spiele spielen, simsen; der Fernseher läuft halt, wie auch ein Bild an der Wand hängt, der Lärmpegel gehört irgendwie mit zum Leben in der Stube. Wie wohltuend dann, wenn wir den Raum verlassen und uns draußen bewegen, wie schön ruhig ist es im Wald!

Wie Katrin heute Morgen bemerkte, unser Gasthaus besitzt die Einemilliondollar Aussicht, denn von unserem Aufenthaltsraum im Obergeschoss liegt der Seno Ventisquero direkt in unserem Blickfeld, und im Hintergrund in weiter Ferne, jenseits des Sunds gelegen, ragt ein schnee- (oder vielleicht auch eis-)bedeckter Vulkankegel in den Himmel, glatte Wasserfläche auf dem Sund, und dazu Sonnenschein. Was will man mehr, um Zufriedenheit zu verspüren? Also, dieser 26.11. ließ sich toll an.

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Unsere heutige Tagesetappe sollte nach Coyhaique führen; in dem am Wege liegenden NP Queulat wollten wir eine kleine 2-3stündige Wanderung hin zu einem Aussichtspunkt zum Ventisquero Gigante, dem hängenden Gletscher, machen. Der Parkeingang liegt etwa 20 Kilometer südlich von Puerto Puyuhuapi. Aber bis wir dort ankamen, wurden wir von der schönen Landschaft ein ums andere Mal beeindruckt. Unsere Straße verlief an der östlichen Sundseite direkt entlang steil aufragender Felsen, führte uns ständig um  Vorsprünge herum und eröffnete uns immer wieder neue Aussichten. “Muy lindo” oder wunderschön oder atemberaubend prächtig, so schön war es noch nirgendwo – keine Aussagen von mir, sondern von Katrin, die sonst doch immer skeptisch, ja kritisch Patagonien gegenüber stand. Bislang war dieser Teil Südamerikas bei ihr mit Negativassoziationen belegt wie : ständig starker Wind, der einen beim Wandern um einen Meter versetzt, schlechtes Wetter, fast nur Regen, mehr als saukalt, da reichen meine warmen Sachen nicht aus, langweilig und öde. Es freut, nach einigen Reisetagen durch diese Region, die insbesondere auf meinem Reisewunschzettel stand, auch von Katrin diese positive Rückmeldung zu erhalten. Und sie hatte recht, denn der spiegelglatte See zur Rechten, die entfernten Bergzüge, die bunten kleinen Blumen und Sträucher am Rande, der strahlende fast wolkenlose Himmel konnten einen schon in Hochstimmung versetzen.

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Gegen 11:00 Uhr kamen wir am Parkeingang an, wurden mit unseren Daten erfasst, profitierten wieder einmal von unserem Jahrespass der CONAF, der uns kostenfreien Zugang zu fast allen NPs ermöglicht, und konnten uns auf den Weg machen. Zuerst ging es zu einem in der Nähe des Parkplatzes liegenden kleinen Aussichtspunkt mit Blick auf die Laguna Témpanos und den vom Gletscher herabstürzenden hohen Wasserfall, dann zurück und in zügigem Tempo über eine schmale Hängebrücke auf die andere Seite des Rio Ventisquero und durch den Wald bergan, bis uns eine Aussichtsplattform den weiteren Weg versperrte. Der durcheilte Wald war Urwald im reinsten Sinne, und nach unserer Wahrnehmung zudem Regenwald; die Baumstämme in großem Maße bemoost, Farne ohne Ende zu sehen, hohe Luftfeuchtigkeit und über 3.000mm Regen soll hier pro qm im Jahr fallen. Da lag er dann vor uns, der Gletscher, geschätzt 2 Kilometer Luftlinie entfernt – näher kommt man ihm nicht. Uns reichte es und so saßen wir auf dem Bänkchen und schauten minutenlang hinüber – warteten wir auf einen Abbruch des Gletschereises? Soll ja vorkommen! Es war imposant, wie der Gletscher sich in das v-förmige Tal hineinpresst, obgleich, der Gletscher und seine Bewegungen sind doch Ursache für diese Ausbildung des Tales. Auch von weitem konnte man hervorragend die Zerklüftung des Gletschers erkennen, glauben, er habe eine ins blau tendierende Farbe, was wohl eher auf den Lichteinfall zurückzuführen ist. Der aus dem Gletscher herausschießende Wasserfall war einer der größten, den wir auf unserer Reise bisher gesehen hatten; in hohem Bogen stürzte das Wasser hunderte (?) Meter nach unten.

Waren wir anfangs fast alleine auf der Plattform, mit uns saßen zwei Chilenen fotografierend dort, trafen dann nach und nach Teilnehmer einer Fotoreise ein. Wir hatten diese Gruppe von etwa 15 Personen im ersten Drittel der Strecke überholt; nun, eine halbe Stunde nach uns, trafen die ersten 5 Teilnehmer ein, weitere folgten in großen Zeitabständen. Und plötzlich ein Aufruhr und alle verfügbaren Linsen wurden in Betrieb genommen – ein kleiner Vogel war uns relativ nahe gekommen und sprang in dem Geäst um die Plattform herum. Wie beweglich die Fotografen doch waren, mussten sie doch ständig ihre Position wechseln. Irgendwann hatte der Vogel ein Einsehen und verdrückte sich. Nun galt es für die Fotografen, sich dem Gletscher zuzuwenden. Sie hatten ihre Stative noch gar nicht fertig aufgebaut, als plötzlich ein enormes Knacken zu hören war und alle glaubten, daß jetzt ein Eisbrocken in die Tiefe stürzen würde – und nichts Bemerkenswertes geschah, auch nicht nach weiteren knallenden Geräuschen.Wir warteten sicherlich noch zehn Minuten, doch der Gletscher wollte sich nicht von einem kleinen Teil seines Eises trennen. So ließen wir dann die Fotografengruppe in ihrer halbgebückten und angespannten Haltung, wartend auf das Ereignis, zurück, begannen mit dem Rückmarsch und weiter ging es dann um 14:00 Uhr.

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Auch die nächste gute Stunde kamen wir aus dem Staunen über die unheimlich schöne und beeindruckende Landschaft nicht heraus. Das war Patagonien! Steile stark bewaldete Berge, wir fahren unten im schmalen Tal und wenn der Blick nach oben ging, konnten wir immer wieder neben den “nur” schneebedeckten höheren Bergkuppen und –ketten auch Gletscherflächen hochoben entdecken, an einem stark strömenden Fluß entlangzufahren, an dessen Ufer Unmengen von Treibholz sich verkeilt hat, kleine Seen zu passieren, die ganz ruhig daliegen und warten, wachgeküsst zu werden – so gab es immer wieder Anlaß, anzuhalten und zu staunen. Man kann das Bild und die empfangenen Eindrücke nicht bzw. kaum beschreiben, man muß es gesehen haben.

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Die uns durch die Straßenverhältnisse “aufgezwungene” temporeduzierte Fahrweise kam uns beim Betrachten der Landschaft sehr entgegen, obgleich, wenn nach einer Stunde ein Zwischenfazit gezogen wurde, 35 Kilometer Streckengewinn waren wirklich wenig. Die Carretera ist halt eine Straße, zumindest in dem gerade durchfahrenen Bereich, die sich streckenweise durch eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern auszeichnet. Diese wollen vermieden werden, was aber oft überhaupt nicht gelingt; so fährt man geschüttelt und gerüttelt mit 40kmh voran, ist immer wieder, wenn sich Krater vor einem auftun, zu einer Art Notbremsung gezwungen, um dann bis zum nächsten Zwangsstop Fahrt aufzunehmen. Hier kann man auch die oft beschriebene Solidarität der Carreterafahrer verstehen; es gilt das ungeschriebene Gesetz anzuhalten und zu helfen, wenn man einen Fahrer in Not sieht, denn starker Verkehr besteht auch auf unserem Teilabschnitt nicht. Der Blick auf die Uhr und auf die noch vor uns liegende Strecke ließ übles erahnen, denn bei diesem Tempo würden wir für die ab NP Queulat bis nach Coyhaique gezählten noch 200 Kilometer locker insgesamt 6 Stunden brauchen, also fast in der Dunkelheit ankommen! Doch dann mussten wir feststellen, daß die Carretera Austral zumindest in Teilabschnitten auch nicht mehr das ist, wofür sie besungen und oft beschrieben wird. Plötzlich lag vor uns zuerst ein Asphaltband, das dann von einem Betonband abgelöst wurde. Die letzten 130 Kilometer bis zum Ziel konnten wir nur so vor uns hin schnurren, natürlich nicht ohne die, nach Katrins Auffassung zu häufigen Stops, um die Landschaft in sich aufzunehmen.

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Die patagonische Landschaft ist nicht eintönig, sondern abwechslungsreich. Immer wieder durchfährt man eine sprichwörtliche Wildnis von der es heißt, daß die umliegenden Wälder im Grunde noch von niemandem so richtig erforscht seien. Durchfährt man die engeren Täler, in denen kaum ein Mensch lebt, kann man sich die Lebensbedingungen der Siedler gut vorstellen. Die sind auch in den leichter urbar zu machenden breiteren Talabschnitten nicht besonders gut, wie z.B. die Art zu pflügen uns zeigte. Zwei Kühe waren vor einen einfachen Pflug gespannt und zu zweit bemühte man sich, die Scholle zu pflügen. Im Hintergrund stand in Pickup vor den bescheidenen Holzhütten, aber alles Sichtbare zeugte von einem kargen und harten Leben in dieser Region. Und über weite Strecken war auch sichtbar, wie in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Land “urbar” gemacht wurde : oft durch Brandrodung; die dann noch übriggebliebenen Baumriesen wurden dann gefällt, manchmal sogar auch noch zersägt um anschließend dem Vermoderungsprozeß anheim gegeben zu werden. Überall auf den Wiesen lagen noch große Baumleichen, manchmal hatte man sich auch bemüht, die Holzreste anzuhäufen. Auf den so be-/gereinigten Weideflächen graste dann oft eine überschaubare Anzahl von Rindviechern, meistens Bullen, seltener waren Milchkühe zu sehen.

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Es gibt auch Regionen entlang der Strecke, in denen die ordnende (!?) Hand der Siedler äußerst erfolgreich war, die Weideflächen fast schon argentinische Dimensionen annehmen, wie z.B. bei Villa Manihuales.

Dann blickten wir in das Tal des Rio Simpson und des Rio Coyhaiqe, die bei Coyhaique unterhalb großer rötlich schimmernder Tafelberge, die die Landschaft beherrschen, zusammenfließen. Der Ort ist mit seinen mehr als 50.000 Einwohnern der größte Patagoniens und ständig ziehen immer noch Menschen aus dem Süden hierher, entvölkern das Hinterland, gehen dorthin, wo die Lebensbedingungen besser sind. Wenn man, wie wir hörten, 150 Kilometer anreist, um einen Zahnarzttermin wahrzunehmen und deshalb natürlich auch hier im Ort übernachten muß, spricht das Bände über die Bevölkerungsdichte einerseits und die Versorgung mit wichtigen Leistungen in der Fläche andererseits. Coyhaique ist für uns nur Durchgangsstation in den Süden und eine der wenigen Möglichkeiten, unserem Wiesel den dringend erforderlichen Ölwechsel zu verschaffen.

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Spät in Coyhaique angekommen gestaltete sich die Quartiersuche als nicht problemlos; alle präferierten Hostels waren “fully booked”, die dann gewählte Notlösung war wirklich nur eine Notlösung und wir flüchteten am nächsten Morgen. Grund : in unserem Zimmer hielt sich auch nach Dauerlüften über 12 Stunden ein u.U. Gasgeruch, der Übelkeit verursachte. Das dann für die Folgenacht aufgetane Quartier “Hostal Patagonia” mit deutschen Betreibern war ein Glücksgriff, wo wir dann zu unserer Überraschung auch unsere Schweizer Reisepartner Lukas und Sabina trafen. Wir hatten uns über die vergangenen vier Wochen viel zu erzählen und, wie der Zufall es wohl will, werden uns in Argentinien im Bereich El Chalten oder Calafate treffen (müssen), denn Lukas hat im Hostal in der Eile des Aufbruchs am Nachmittag seine sündhaft teure Regenjacke liegen gelassen, die  nun mit uns gemeinsam den Weg Richtung Argentinien nimmt.

Der 27.11. war dann quasi ein Ruhetag, wenn nicht sooooo viel zu erledigen gewesen wäre, z.B. sich nach drei Monaten wieder einmal die Haare schneiden zu lassen.

Etwas muß erneut herausgestrichen werden : das Reisen macht nicht nur Freude, weil neue Erfahrungen gewonnen, andere Länder und Kulturkreise kennengelernt werden können, Reisen macht vor allem auch wegen der zahlreichen netten Begegnungen viel Freude. Es ist die Gelegenheit, Menschen aus vielen Ländern persönlich ein klein bischen kennen zu lernen; oft umgibt einen dann ein internationales Sprachgewirr, aber man versteht sich, wenn auch nicht immer sprachlich perfekt, aber wer so reist wie wir, muß ein gehöriges Maß an Toleranz mitbringen, sonst wird das Reisen in unbekannten Kulturkreisen, Gegenden zum Streß. Und die Begegnungen geben Gelegenheit nicht nur zur Diskussion, sondern auch zum Erfahrungsaustausch; so profitiert jeder einmal von den positiven und negativen Erfahrungen der Reisebekanntschaften. So manch einen Hinweis haben wir aufgreifen können, der eine oder andere konnte gleichfalls aus unserer Erfahrungskiste Brauchbares entnehmen. Eine ganz große Rolle spielt die Atmosphäre im Hostal/Hostel; gibt es einen Raum, sich zu treffen, ergeben sich schnell ausgiebige Gespräche, die schnell über das woher, wohin, hast du schon… hinausgehen. Und wenn dann noch die “Gastgeber” sich mit einbringen, wie Sandra und Thomas hier in Coyhaique, fühlen wir, auch wenn wir nur (!) einen Tag im Patagonia Hostal geblieben sind, uns hier sauwohl. Da sind dann Momente entstanden, an die man wie auch wir gerne zurückdenken.

In Araucania – Teil 2 : Villarrica-Pucon

Am offiziellen Beginn der Karnevalzeit hieß es Abschied zu nehmen. Wir hatten wir sehr schöne Tage in Curacautín verbracht, die Gelegenheiten zur Erkundung der wunderschönen Umgebung und der Nationalparks ausgiebig genutzt, Wetterglück stand uns zur Seite, sind interessanten Menschen auf ihrer Reise begegnet, sind auf Hostel”eltern” und eine Mannschaft gestoßen, die sehr aufgeschlossen, hilfsbereit und, bezogen auf Antonio, diskussionsfreudig war. Sehr herzlich war dann auch der Abschied am Morgen.

Unser nächstes Ziel war die Region Villarrica-Pucon, die sich nicht nur durch einen, nein mehrere besuchenswerte große Seen auszeichnet, sondern darüber hinaus mehrere Nationalparks umfasst, in denen es zahlreiche Wanderwege gibt, die uns reizen. Die rund 180 Kilometer südlicher gelegene Zielregion gilt als eines der unbedingt in das Besuchsprogramm aufzunehmenden Ziele in Chile, was auch die Inländer wissen und in der Ferienzeit in Größenordnung hierhin reisen. Lassen wir uns überraschen und lassen wir uns nicht vom ersten Eindruck, dem bei der Anreise anfangs leichten Nieselregen, der bei Ankunft in Pucon in Starkregen übergegangen war, täuschen. Wir haben Pucon als Standort gewählt, weil die interessanten Punkte in der Region von hier aus leichter und schneller zu erreichen sind. Gemeinhin gilt Pucon nicht als attraktive Stadt, unser erster Eindruck deckt sich mit den Vorinformationen, wird eher als der unruhige Ort am Lago Villarrica bezeichnet. Angesichts der sehr überschaubaren Gäste in der Stadt, wie die riesige Auswahl nicht ausgebuchter Herbergen belegt, ist mit Party in der Stadt nicht zu rechnen.

Unser Weg gen Süden, wieder fasst ausschließlich über Schotterpisten, so langsam vergessen wir das Gefühl, das beim Fahren über Asphalt aufkommt, führte uns auf der westlichen Seite an unserem “Hausvulkans”, dem Llaima, vorbei. Wir mussten feststellen, per Zufall bei unseren früheren Fahrten in den NP Conguillio mit der Wahl der östlichen Route die eindeutig bessere Wahl getroffen zu haben. Hier auf der Westseite ist, offensichtlich auf Grund diverser Vulkanausbrüche in den vergangenen Jahrhunderten kaum noch etwas von dem alten Baumbestand mit vor allem den Araukarieriesen zu sehen. Stattdessen dominiert eher üblicher Mischwald, immer wieder durchbrochen von Flächen mit nahezu gar keinem Baumbestand, sondern stattdessen sieht man kreuz und quer liegende verfaulende Urwaldriesen. Während unserer halben Umrundung wiesen immer wieder Schilder auf einen “Mirador” hin, durch die niedrigen Wolken und den leichten Regen war jedoch kein nennenswerter Blick auf den Llaima möglich.

Die weitere Fahrt entlang der Cordillera de Melo und an den Lago Colico ähnelte zeitweise einer Fahrt durch das Voralpenland mit leichten Hügeln/Bergen, viel Wald, viel Wiese, oft mit Baumbestand aufgelockert, vielen Rindviechern, wenigen Schafen und Ziegen, manchmal sehr großen Gehöften. Die Landschaft und die Straße hatten wir fast für uns allein. Auf der gesamten Strecke bis kurz vor Villarrica, das sind fast 200 Kilometer, begegneten wir keinen zehn Fahrzeugen, d.h. man kann hier ungestört fahren, wartet im Falle einer Panne aber auch unendlich lange auf eine Hilfe.

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Was wir auf dieser Fahrtstrecke aber auch früher schon bemerkt haben sind die Kleinstgehöfte oder Minisiedlungshäuser, die häufig in einem sehr heruntergekommenen mehr als reparaturbedürftigen Zustand – teiloffene Dächer waren kein Einzelfall – offensichtlich immer noch bewohnt werden. In dieser Region ist die wirtschaftliche Entwicklung an vielen Menschen vorbeigegangen, ist hier nicht angekommen. Die hier von uns vermutete Armut bei größeren Teilen der Landbevölkerung, die von der Aufzucht weniger Tiere häufig lebt/leben muß, wurde uns wiederholt in Gesprächen mit Einheimischen bestätigt. Aber, so deren Aussage, da es sich nur um eine relativ kleine Zahl in “entfernteren” Regionen lebender Betroffener  handelt, dürfte der Entscheidungsdruck wie auch die politische Bereitschaft, hier etwas zu ändern, sehr gering sein. Und wie so häufig sind die Hauptleidtragenden die Nachkommen der indigenen Ureinwohner, z.B. der hier in größerer Zahl lebenden Mapuche.

Die letzten Kilometer geht es zwischen Villarrica und Pucon dem Lago Villarrica entlang – so ist der Straßenverlauf zumindest den Karten zu entnehmen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen bedeutet “entlang” im Grunde entlang einer Baummauer zu fahren, die von den Seegrundstücksbesitzern zum eigenen “Schutz” angelegt wurde. Nennenswerte Blicke auf den See und die ihn umgrenzende Bergwelt waren uns kaum vergönnt. Können wir dies noch verschmerzen, denn in Pucon kann man direkt an zwei Strände gelangen, ist dies für die Einheimischen wohl eher ein Problem – Seezugang ist kaum oder nur mit großen Hindernissen möglich. Im Abstand von einigen Kilometern wiesen Piktogramme auf einen Seeuferzugang hin, idR ein etwa 1m breiter Weg. Da jedoch das Parken an der Uferstraßen verboten ist und Ausweichflächen nicht existieren, weil in Privatbesitz und bebaut, kommt man nur als Radfahrer, ausdauernder Geher/Wanderer oder Taxinutzer in den Genuß eines Strandbesuches.

Rechtzeitig in Pucon angekommen konnten wir systematisch unsere “Empfehlungsliste” an Unterkünften abarbeiten und gleichzeitig auch noch die eine oder andere Alternative am Wegesrand in Augenschein nehmen. Und wieder trafen wir es gut, das Hostel Victor empfing uns bei dem Schmuddelwetter mit einer vom Holzofen gewärmten Stube.

Der Dienstagmorgen überraschte uns mit sonnigem Wetter, das den ganzen Tag anhielt. Was macht man bei derartig gutem Wetter in Pucon – natürlich wandern. Zwei große Nationalparks sind von hieraus schnell zu erreichen, zum einen der NP Villarrica mit seinem gleichnamigen Vulkan, zum anderen der NP Huerquehue. In beiden weisen die über die CONAF beschafften Karten zahlreiche, teilweise sogar mehrtätige Wanderrouten aus. Beginnen wollten wir mit dem nordöstlich gelegenen Park Huerquehue, da dies mit einem Besuch des Örtchens Caburgua am Südzipfel des Lago Caburgua gut zu verbinden ist. Wir hatten diesen See bereits im Norden kurz besucht/gestreift. Er liegt in einer sehr waldreichen Region, soweit wir blicken konnten, reichten die Wälder bis in die Uferzone, wenn nicht, wie in gewissem Umfang im Ort Caburgua geschehen, der Wald der Bebauung weichen mußte.

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Ein schöner leicht kiesiger Strand lag vor dem Ort; die erkennbare Bebauung und die später wahrgenommene Ferienhaussiedlungen deuten auf starken Besuch in wärmeren Zeiten hin. Heute war hier nichts los, die Ruhe war erholsam. Zum Ort gehört auch die “Playa Blanca”, ein Strand mit wirklich weißem Sand und nicht, wie in den Vulkanregionen oft anzutreffen, schwarzem Sand. Diese Besonderheit hat wohl zur Anlage einer ausgedehnten Ferienhaussiedlung bis hinunter an den Strand in zurückliegenden Jahren gesorgt. Nur durch intensives Suchen nach einer Lücke zwischen den Privatparzellen nahmen wir – den berühmten – engen Weg war, der entlang eines Bachlaufes hinunter zum Strand führte der sich wirklich als weißer Strand entpuppte.

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Auf der Fahrt nach Caburgua hatten wir den versteckt angebrachten Hinweis auf die “Ojos de Caburgua” und den entsprechenden Abzweig übersehen, dies galt es nachzuholen. Bei den “Augen des Caburgua” handelt es sich um eine Reihe von Quellpools, die vom gut 5 Kilometer entfernt gelegenen See gespeist werden. Aus allen Richtungen strömt hier in landschaftlich schöner Lage das Wasser in einen kleinen Pool um es dann in einem großen Strom zu verlassen. Um diesen Quellpool hat sich eine große Picknickzone entwickelt, was für die Anziehungskraft im Sommer spricht, von der wir, jahreszeitbedingt, zum Glück nichts spürten und fast ungestört herumwandern konnten.

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Der Parkeingang zum NP Huerquehue war aus dem Ort Caburgua gut anzufahren, bezogen auf die Richtungshinweise; für die Strecke gilt dies weniger. Auf teilweise sehr enger, wie üblich geschotterter Piste mit erdenen Abschnitten ging es zuerst am Ostufer des Caburguasees bergauf; ab und an ermöglichten Baumlücken einen Blick hinunter.

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Nach gut 15 Kilometern war dann der Parkeingang erreicht. Angesichts der Tageszeit, inzwischen war es 13:00 Uhr geworden, entschieden wir uns für einen Rundweg zu drei Höhenseen auf gut 1.300m Höhe, für den 3 1/2 Stunden für eine Wegstrecke kalkuliert wurden. Auf dem Weg bergan machten wir dann unser Matschtreterdiplom, denn der starke Regen des Vortages hatte natürlich auch hier die Wege sehr aufgeweicht, teilweise stand dieser auch unter Wasser. Der Weg führte uns durch einen schönen alten Wald mit dem üblichen Baumbestand, darunter natürlich auch viele Araukariebäume, an zwei Wasserfällen vorbei, zu denen wir die erforderlichen Abstecher auch machten, an zwei Aussichtspunkten, von wo aus der unten liegende See in einer Linie mit dem Vulkan Villarrica zu sehen war, in gut 2 Stunden von knapp 700m auf gut 1.300m und den ersten See, den Lago Chico.

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Dieser war, wie beim weiteren Wandern deutlich wurde, wirklich der kleinste der drei. Alle Seen zeichnete das sehr klare Wasser aus; es war möglich weit im Wasser liegende Bäume sehr gut zu erkennen. Und um uns herum eine Ruhe, die nur selten von Vogelstimmen gestört wurde. Ein ganzer Park nur für uns allein? Da uns beim Aufsteigen einige Wanderer begegnet waren lag dies wohl daran, daß wir ziemlich spät unterwegs waren. Aus Unsicherheit, wie das Matschtreten auf dem teilweise sehr steilen Weg bergab zu bewältigen ist entschieden wir, um 16:30 Uhr uns auf den Rückweg zu machen. Anfangs glaubten wir auch, allein auf weiter Flur zu sein, bis wir, nachdem der letzte See, der Lago Chico, passiert war, etwa 5 Gehminuten später auf einer kleinen Kuppe eine Gruppe französischsprechender Eltern mit ihren Kindern, alle in einer Kraxe heraufgetragen, antrafen. Deren Stimmung war gut, alle lachten und auch die Aussage, nach weiteren 5 Minuten dann endlich am ersten Zielpunkt zu sein, schreckte die Truppe nicht. Wir fragten und auf dem Rückweg, der unserem Gleichgewichtsgefühl manchmal besondere Leistungen abverlangte, wie die jungen Männer mit der Zusatzlast diesen Rückweg  hoffentlich ohne Absetzer bewältigen. Gegen 18:30 standen wir dann wir an unserem Wagen. Die Strecke war zwar nicht sehr lang gewesen, wir waren jedoch die ganze Zeit in schnellem Tempo durchgegangen und spürten nun unsere Muskeln. Geschadet hat es nicht, es hat viel Spaß gemacht und der NP Huerquehue hat neue Fürsprecher gefunden.

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Der Wetterbericht für den Mittwoch sprach von wechselhaftem Wetter, kein Grund, in der Unterkunft zu bleiben. Neben dem Anstieg auf den Vulkankrater des Villarrica bietet der Park auch zahlreiche Wanderrouten an. Wir entschieden uns für einen Weg, der von der Südseite, dem Parkeingang Quetrupillán, hin zu einer Gletscherzunge führen soll.  Zufahrt mit eigenem Fahrzeug möglich, die Karte wies hierfür auch die berühmte Schotterpiste aus, also kein Problem für unseren hochachsigen Pickup – glaubten wir, bis wir die letzten etwa 3-4 Kilometer hin zum Parkeingang in Angriff nahmen. Wir waren ja schon in der Nähe von San Pedro eher ungeplant einen mehr aus großen Steinen denn aus Schotter bestehenden Viehkarrenweg in und aus Schluchten heraus gefahren und hatten Blut und Wasser geschwitzt, dort heil wieder heraus zu kommen. Der hier vorgefundene Weg stand dem früheren in fast nichts nach, lediglich die steilen Abgründe am Wegesrand fehlten. Vermutlich in knappen Schritttempo sind wir den Weg gefahren, mussten ihn auch so fahren, denn eine Möglichkeit zu wenden sahen wir nicht; also das Angefangene auch zu Ende bringen. Glücklich ohne Schramme geblieben zu sein, parkten wir vor dem Rangerhaus das, wohl jahreszeitlich bedingt, auch nicht besetzt war. Hier sahen wir dann, bezogen auf die folgende Strecke den Hinweis, daß der Fahrweg sich in schlechtem Zustand befindet. Das war, wie wir beim Entlanglaufen dieses Weges bemerkten, keine Untertreibung. Nicht nur große Steine erschwerten das Fahren, die Fahrbahn, so sie denn jemals eine war, wies mal in seiner Mitte, mal mehr zu den Rändern verlagert, eine sehr tiefe Rinne aus, die bei Regen das Wasser aufnimmt. Dort wo möglich, haben wohl hilfreiche Hände Steine oder Holz in diese Grube geworfen – ein Unimog wird so sicherlich zum Ziel kommen, aber ein Pickup wie unserer benötigt nicht nur einen Vierradantrieb, sondern zudem einen rallyeerfahrenen Piloten. Das größte Erstaunen kam bei uns bei der Abfahrt aus der “Wildnis” auf. Geplant war, die zum Park führende Schotterpiste weiter bis nach Conaripe zu fahren, denn auf den folgenden Kilometern liegen mehrere Thermalbäder rechts und links der Strecke, um entlang des Lago Calafquen über den Ort Lican Ray nach Villarrica und schlußendlich nach Pucon zu gelangen. So der Plan. Vergeblich suchten wir die in den Süden nach Conaripe führende Schotterpiste bis wir feststellten, auf dieser Piste durch den Park gelaufen zu sein, diese berühmte unpassierbare “Wasser”straße (!) Schon erstaunlich, wenn eine aktuelle Straßenkarte diesen Streckenabschnitt als normal befahrbar kennzeichnet. Die Rundfahrt fiel dadurch sehr kurz aus, einen Versuch, uns als Rallyepilot zu beweisen, gab es natürlich nicht.

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Der NP Villarrica hat viele Gesichter, wir sahen eines mit viel Mischwald, zahlreichen Araucariebäumen, gut zu findenden Wegen, ein windiges und ein eisiges. Ziel war ja, an die Gletscher im Süden heranzulaufen, d.h. es mußten etliche Höhenmeter überwunden werden, ging über die Baumgrenze bei gut 2.000m hinaus. Wir wurden freundlich hier oben empfangen, sie Sonne schien, gleichzeitig ging aber auch ein Wind, wenn wir aus geschützter Lage in die Geröllfelder traten, so daß wir schnell unsere Fleece aus dem Rucksack zerrten. Die ersten kleineren Schneefelder überquerten wir noch ohne Murren, doch als sich abzeichnete, daß dies die nächsten hunderte Höhenmeter so weitergehen würde, sahen wir wenig Sinn, unser ursprüngliches Ziel mit aller Kraft weiter zu verfolgen. Zudem waren wir auf einem Höhenrücken angelangt, der uns sowohl einen ungestörten Blick auf den Vulkan Villarrica als auch auf den im Osten liegenden Vulkan Lanin, exakt auf der chilenisch-argentinischen Grenze gelegen, ermöglichte, ganz abgesehen von den weiteren im NP liegenden kleineren Vulkankegel, die alle ihre weiße Mütze aufhatten. Ein schönes Bild, das mit der Entscheidung nicht weiterzugehen versöhnte. Es ist keine Schande umzukehren, wenn die Vernunft es anrät. Und so wurden wir vom starken Wind fast zu Tal geblasen, bis wir wieder im Schutz des Waldes waren. Eine schöne Wanderung, ein schöner Wald, den wir ohne Schlammtreten durchwanderten, leider kürzer ausgefallen als geplant, denn diesmal saßen wir nach gut 4 Stunden Gehzeit wieder im Wagen.

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Pucon ist eine attraktive Stadt – dies bezieht sich auf das, was von hier aus unternommen werden kann. Strand ist vorhanden, sogar Strände, Wasser zum Baden, Surfen, Segeln ohne Ende (aber kalt), Wälder zum Wandern – nur in den NPs, die sonstigen Wälder sind idR hier alle eingezäunt und privat (!) – Mountainbiken, anspruchsvolle Straßen für die Radfahrer, Funsportarten aller Art werden angeboten, Rafting, Kanufahren auf hohem Niveau etc. Der Ort selber ist natürlich geprägt von seiner Geschäftsidee : den Menschen Zerstreuung und Urlaub zu ermöglichen, was zu unendlich langen Aneinanderreihungen von Geschäften aller Art in nahezu jedem Gebäude rund um die Hauptstraße führt und zu einem nicht enden wollenden Übernachtungsangebot. Das Geschäft prägt den ganzen Ort, der außer diesen Geschäften nichts zu bieten hat, auch keine besondere Atmosphäre ausstrahlt. Nun denn, wir sind ja hierher gekommen, um uns das Umland anzusehen, und dies war es wert, hier unser Zelt aufzuschlagen.

Heute am 14.11. hätte niemand seinen Hund, es sein denn, um das Notwendige zu erledigen, vor die Tür gejagt, denn der Regen war doch sehr heftig. Dieser Tag kam uns jedoch zupaß, denn die weiteren Stationen mussten geplant werden, wir müssen Quartier für die Osterinsel festmachen und uns um das Fahrzeug für Neuseeland kümmern, um die drückendsten Aufgaben zu nennen. Es fällt leichter, sich hierum zu kümmern, wenn die Alternativen sehr eingeschränkt sind. Jetzt am Abend sind zwar einige, leider nicht alle Aufgaben erfüllt, d.h. in den nächsten Tagen werden wir noch einige Stunden vor dem Netbook verbringen müssen.

Über Nacht stiegen die Befürchtungen, in den nächsten Tagen keinen guten Netzzugang zu bekommen und mit unserer Fahrzeugsuche und –buchung in Neuseeland immer weiter ins Hintertreffen zu geraten. Dann besser, die Recherche hier vor Ort weiterzuführen und noch einen Tag zu bleiben, obgleich das freundliche Wetter zur Weiterreise auch animiert hat. Einen guten Vormittag verbrachten wir vor dem Rechner, studierten Angebote, versuchten zu vergleichen, lasen ellenlange Vermietungsbedingungen, machten uns schlau über mögliche Zusatzversicherungen um den Selbstbehalt einzuschränken/auszuschließen und stellten diverse Anfragen. Nicht alle wurden inzwischen beantwortet – es war ja hier in Chile Freitagmittag. Unser größtes mentales Problem ist, daß bei einer Direktbuchung in Neuseeland die Zahlungsströme weit vor der Fahrzeugübergabe erfolgen, aber eine Art Sicherungsschein zumindest für uns erkennbar nicht abgegeben wird. Hier muß dringend Klarheit her, denn nach der Pleite mit der doppelt zu bezahlenden Erstübernachtung in Buenos Aires wollen wir nicht ein zweites Mal unserem Geld hinterhersehen. Also heißt es warten, weiter prüfen und in den nächsten Tagen dann entscheiden.

Den Nachmittag nutzten wir dann noch einmal zu einem Rundgang durch Pucon, zu einem Besuch der noch leeren Strände, entlang der zahlreichen Adventure-agenturen und schließlich zu einer kleinen Bootsfahrt auf dem Lago Villarrica. Ziemlich gemächlich fuhr diese Art Catamaran eine gute dreiviertel Stunde lang an der Pucon nahen Küste vorbei und gab uns Gelegenheit, von Weitem zu sehen, wo denn einerseits die Schönen und Reichen der Region/des Landes ihre Villen in die Wälder und an den Strand haben bauen lassen, wenig alte Substanz war zu erkennen, anderseits auch einige hohe Apartmenthäuser mit Ferienwohnungen zu “bestaunen”. Es gibt schlimmere Küstenbebauungen als hier, jedoch mit Blick auf die wunderschöne Umgebung schmerzt es zu sehen, wie nur einigen wenigen der direkte Blick auf den großen Lago Villarrica möglich ist. Und über allem tront der Vulkan Villarrica, heute sehr gut sichtbar und nur ab und zu von einigen kleinen Wolken teilweise verdeckt, jetzt in noch umfangreicherer weißer Schneepracht, denn während es hier unten am See heftig geregnet hat, wurde am Berg eine Neuschneedecke von gut einem halben Meter gemessen. Aufstieg möglich, aber erst am Sonntag, zu spät für uns, denn wir haben noch einiges vor.

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Unsere Zeit hier im Bereich Villarrica-Pucon ist zu Ende, nicht jede gewünschte Wanderung und Fahrt war möglich; hiermit müssen wir uns anfreunden. Morgen geht es dann wieder hinüber nach Argentinien, vorbei am Vulkan Lanin und durch den entsprechenden Nationalpark, um einige Tage im argentinischen Seengebiet zu verbringen bei, wie der Wetterbericht aussagt, gutem Wetter.